ich wollte jetzt hier noch einmal Rückmeldung geben, denn Geschichten mit einem happy End sind hier selten. Könnte auch einfach sein, dass bei einem happy End einfach nicht mehr der Bedarf da ist für eine Rückmeldung. Ich merke ja an mir selbst, wie schnell diese heftige depressive Episode meiner Freundin und die daraus entstandene Beziehungskrise in Vergessenheit gerät, alleine schon aus Freude darüber das es so ein Ende genommen hat. Ob unsere Beziehung auf Dauer bestand haben wird kann ich nicht sagen, obwohl alles danach aussieht. Wenn sie allerdings in nächster Zeit zerfallen sollte, was auch nicht absehbar ist, dann hat dies derzeit nur noch peripher mit der Erkrankung meiner Freundin zu tun. Dann wird dies der normale Gang der Dinge sein. Das ist mir aber wichtig, denn meine Geschichte und die Beziehungskrise begann, wie bei wahrscheinlich bei vielen Partnern hier, sehr bizarr:
Wir waren über zweieinhalb Jahre in einer sehr innigen Fernbeziehung zusammen. Sehr oft haben wir uns am Wochenende getroffen, haben Urlaub zusammen gemacht... was man halt so macht als Liebespaar. Wir sind beide knapp über 50, die Kinder erwachsen, der Sex traumhaft... wir verstehen uns sehr gut, können nächtelang bei Wein diskutieren... also sie ist wirklich ein Jackpot. Nun hatte sie in den zweieinhalb Jahren drei, vier kurze Phasen in denen sie für ein paar Tage „untertauchte“. Da gab es dann unheimlich wichtige Sachen zu tun... Aus heutiger Sicht weiß ich, dass dies kleine Episoden sind. Die waren dann auch immer nach ein paar Tagen vorbei.
Nun waren wir letzten Dezember im Urlaub auf den kanarischen Inseln und da hatte sie schon so eine Art „Aura“: Rückenschmerzen, hat Albernheiten nicht verstanden, war nicht unternehmungslustig und war einfach nicht gelöst. Das ganze nicht ständig, aber halt dennoch vorhanden. Und dann schrieb sie mir zwei Tage nach dem Urlaub, als wir zurück im Grau des letzten Winters waren, dass sie innerlich total leer wäre. Nach 48 Stunden Funkstille kam dann die WhatsApp, dass sie die Beziehung beenden möchte um mir zukünftige Schmerzen zu ersparen, es wäre besser für mich, sie wäre sowieso nicht die Richtige für mich usw. Ich wusste nichts von ihrer Krankheit, nur das sie schon mal einen Suizidversuch in der Vergangenheit hinter sich hatte, allerdings nach einer Therapie geheilt wäre. Und so habe ich reagiert wie man halt reagiert, habe sie zur Rede gestellt und auch einiges an den Kopf geworfen was ich heute noch bereue. Aber für jemandem der nichts über diese Krankheit weiß ist dies alles total unlogisch, erscheint einem als Quatsch. Nun ja, das war dann auch die Zeit in der ich mich mit dieser Krankheit beschäftigt habe und auf diesem Forum gelandet bin. Ich habe erst hier viel gelesen, mich informiert und dann irgendwann auch geschrieben. Und gerade das Schreiben tut gut. Es ordnet einfach die Gedanken. Deswegen kann ich nur jeden auffordern der hier passiv mitliest, fangt selber an zu schreiben. Das ordnet das Chaos in einem ein wenig.
Auf alle Fälle konnte meine Freundin weiter ihre sehr anspruchsvolle Arbeit nachgehen. Darüber hinaus konnte sie nichts mehr machen. Ich habe weiter versucht den Kontakt mit ihr aufrecht zu erhalten, was gerade am Anfang sehr schwer war. Einmal haben wir uns noch getroffen und da konnte ich ihre ganze Zerrissenheit geradezu greifen. Nun ja, die Monate gingen ins Land und meine eigene Stimmung wechselte in eine Art genervt sein, genervt von dieser Krankheit. Alle paar Wochen, bei bestimmten Ereignissen, schrieb ich sie einfach an. Auch mal old School mit einem Brief, einer Postkarte, ich habe zum Geburtstag Rosen geschickt und sie immer wieder daran erinnert, das es mich noch gibt. Ich weiß das hier die vornehmliche Meinung ist, dass man möglichst keinen Druck auf Betroffene ausüben soll. Da war ich immer anderer Ansicht. Ich meine jetzt nicht heftigen Druck, etwa Ultimaten stellen, was ich auch mal vor hatte. Aber so war es auch ihr Wille, dass ich sie nie wieder kontaktieren soll, sie mich nie wieder sehen wollte. Ich hab es ignoriert, überhört. Irgendwann, initiiert durch einen Eintrag hier, wurde mir klar, dass ich vor allem eines nicht sein möchte: Co-depressiv: Also meine Freundin in ihrer Welt lassen....
Jedes mal wenn ich sie kontaktierte, entstanden kleine Diskussionen bei denen ich fortan nicht mehr einfach nur zuhörte, sondern auch widersprach. Es ist einfach nicht normal oder ein Charakterzug wie sie behauptet, dass man über die Arbeit hinaus nichts mehr tun kann. Dann wären ja alle Kneipen, Stadien, Kinos usw. leer. So in etwa gestaltete sich diese Diskussionen. Meine Freundin ist ja nicht doof. Sie weiß sehr wohl das da etwas nicht stimmt, kann oder will es allerdings vor mir nicht zugeben. Helfen kann sie sich nur selbst. Aber ich glaube nicht das ich eine Hilfe bin, wenn ich diese Krankheit ignoriere und sie darin bestärke, das dies alles nicht so schlimm ist.
Ich bin auch der Überzeugung, dass sie vieles gesagt und getan hat, nur um ihre Ruhe auf dem heimischen Sofa zu haben. Kann man verstehen, wenn man etwas über die Krankheit weiß. Aber ich denke es braucht auch jemanden der ab und zu mal anklopft und darauf hinweist, das es da draußen eine andere Welt gibt.
OK, jetzt weiß ich natürlich nicht ob dies mit dem Ende der Episode aufeinander traf – ist eigentlich sehr wahrscheinlich. Auf alle Fälle riss ab diesem Moment der Gesprächsfaden nicht mehr ab – ich gab ihr kontra, es entstand Reibung und dann kam von ihr der Vorschlag wir müssten uns mal treffen. Bei diesem Treffen wechselten ablehnende Gesten und einladende Gesten, gar Flirtgesten sich übergangslos ab – absolut faszinierend. Wir waren wieder im Gespräch, über Gott und die Welt, über uns. Und danach, danach ging es so schnell wie es angefangen hatte: Sie wolle wieder an unsere Beziehung anknüpfen. Jetzt fühlte ich mich überrollt und bat um Zeit und vor allen Dingen darum, es langsam angehen zu lassen. Das hat jetzt nicht wirklich geklappt... nächste Woche machen wir schon gemeinsam einen Kurzurlaub.
Natürlich bleibt das Problem, dass meine Freundin von sich behauptet, sie würde nicht an Depressionen leiden. Sie wäre in eine Art Notfallmodus gegangen und dies wäre sogar gesund, würde schließlich ihr Überleben sichern. Ausgelöst wäre dieser Notfallmodus durch einen hohen Arbeitsanfall. Ich habe dem widersprochen. Ich habe ihr gesagt, das ich dies für eine depressive Episode halte. Was ich ihr darüber hinaus gesagt habe ist, und davon bin ich überzeugt, auch durch die Informationen von Betroffenen in diesem Forum, dass ich dafür für sie kein Ansprechpartner sein kann – alleine schon weil ich ihr sehr nahe stehe. Die emotionale Leere in den Episoden, von mir aus auch Notfallmodi, wird immer mich zuerst treffen. Helfen werde ich da wohl nie können – dies wird immer nur sie selbst können. Nur sie wird professionelle Hilfe anfordern können. Alles andere wäre nicht aus Eigenmotivation.
Ich kann nur am Ende des Tunnels warten, immer wieder in den Tunnel rein winken und sie daran erinnern das ich da bin, das es nicht nur einen Tunnel gibt.
Und wahrscheinlich ist auch nach der Episode, vor der Episode. Jetzt weiß ich mehr und werde gelassener mit umgehen können – hoffentlich.
Oft habe ich mich in den neun Monaten gefragt, ob vielleicht ich einfach nicht loslassen kann, ob vielleicht ich alles total falsch interpretiere. Letztlich habe ich auf meine Intuition gehört und vielleicht kommt mir auch meine Lebenserfahrung zu gute: Trennungen kündigen sich an – eine harmonische, innige, langjährige Beziehung zerbricht nicht innerhalb ein paar Stunden. Das hat dann andere Gründe.
Oh Gott, ich wollte eigentlich nur kurz was schreiben... und jetzt das
![Zwinkern ;-)](./images/smilies/icon_e_wink.gif)
Allen hier wünsche ich Geduld, ein sonniges Gemüt und gebt euch selbst nicht auf. Und wenn nichts hilft, hilft Schokolade.
LG