drepessiv weil ungeouted schwul???

[hobbes]

Hallo!

Ich bin mir seit geraumer Zeit (es sind wohl inzwischen mindestens fünf Jahre) ziemlich sicher, schwul oder zumindest bisexuell zu sein, auch wenn ich dies nicht 100%ig sagen kann, weil ich es in der Praxis nicht nachprüfen konnte. Bisher hatte ich nur Beziehungen zu Frauen, die zwar immer sehr schön aber nie von langer Dauer waren.
Ich kann mich nicht dazu durchringen, mit einer Person meines Vertrauens darüber zu sprechen, geschweige denn, mich öffentlich zu bekennen. Dazu fehlt mir der Mut.

Vor vier Jahren hatte ich einen sehr guten Freund (wir haben immer noch Kontakt) zu dem ich mich sehr hingezogen fühlte - ich war eindeutig verliebt mit allem was dazu gehört, Eifersucht nicht ausgeschlossen. Aber Verliebtheit hin oder her, ich konnte mich ihm nicht offenbaren zumal er natürlich heterosexuell ist und in einer sehr gut funktionierenden Partnerschaft war.

Damals war es das erste Mal ziemlich schlimm. Ich versuchte, mich ihm irgendwie mitzuteilen, tat alles für ihn. Stimmungsschwankungen setzten ein, mal war ich himmelhoch jauchzend, später am Boden zerstört. Habe in der Zeit viel geweint. Habe es oft auf das Wetter, die Tatsache, dass ich mich gerade von meiner Freundin getrennt habe geschoben, oder mir einfach gesagt, dass ich eben ein sehr sensibler Mensch sei.
In dieser Zeit habe ich viel Alkohol getrunken und mich in Selbstmitleid gesuhlt - Todessehnsucht inbegriffen. Ich habe mich mehrfach selbst verletzt (Zigarette auf dem Handrücken ausgedrückt, mit einer heißen Büroklammer gezeichnet, mit Skalpell und Nadel versucht, zu tätowieren). Die meisten Folgen sieht man noch. Oft war mein Freund sogar dabei - er war so lieb, hat sich um mich gekümmert. Aber verstanden hat er mich nicht. Ich weiß nicht, wie ich zu der Zeit auch noch mein Abitur geschafft habe!

Für "normale" Menschen muss es unvorstellbar sein, wie sehr es schmerzt, nicht so sein zu können, wie man gerne sein würde. Nicht lieben zu dürfen, den man liebt. Ich glaube, ungeoutete schwule Männer und Frauen haben es, zumindest das eigene Seelenheil betreffend, in der Gesellschaft oft schwerer als die, die sich dazu bekannt haben.

Bis hierher war das alles sehr lang beschrieben und es ist auch schon lange her, aber der Grund, warum ich hier bin ist, dass es sich jetzt nach ein paar Jahren relativem Frieden wieder anzubahnen scheint. Grund könnte wieder eine extrem unglückliche Verliebtheit ins eigene Geschlecht sein.
Absolute Antriebslosigkeit bei Dingen, die ich eigentlich besorgen sollte, stattdessen eine fast manische Putzsucht.
Ich würde am liebsten den ganzen Tag nur schlafen.
Keine Lust, mich mit Freunden zu treffen, auf Parties zu gehen.
Regelmäßiger Alkoholkonsum im eigenen Kämmerlein.
Wenn ich im Fernsehen Bilder von Leid sehe, manchmal auch ganz banales, steigen mir sofort Tränen in die Augen und oft steigert es sich ins Extrem. Allerdings nur wenn ich alleine bin.

Vorhin war es wieder so weit (Gott-sei-Dank ohne Alkohol) und daher bin ich nun hier gelandet.

Bin ich nun depressiv und war ich depressiv?
Brauche ich Hilfe bzw. kann man mir überhaupt helfen oder muss ich mir selbst helfen?
Kann es sein, dass ich durch Medikamente oder eine andere Therapie den Mut finde, mich zu outen? Würde dann alles besser sein oder liegt mein Problem tiefer?

Sollte ich etwas unternehmen?

Ich habe Angst, dass es wieder schlimm wird.

Ich erwarte nicht, dass jemand diesen ewig langen Text bis zum Ende durchliest und noch weniger, dass jemand antwortet und/oder etwas ähnliches erlebt.
Freuen würde ich mich trotzdem auf eine Antwort!

War auf jeden Fall schon mal eine Erleichterung, alles aufzuschreiben - schreiben hilft.

Liebe Grüße

[Tinalesekatze]

Hallo Gabriel,
warum sollte niemand diesen Text ganz durchlesen wollen oder Dir antworten? Mach Dich mal nicht kleiner als Du bist!

Also, ich verstehe Dich und Deine Situation sehr, sehr gut. Ich bin mir auch sehr sicher, dass Du eine Depression hast. Du unterdrückst etwas, ein Gefühl oder auch eine Neigung. Du verbietest Dir selbst, so zu sein, wie Du vielleicht bist. Wie soll Deine Seele damit wohl klar kommen? Natürlich ist das ein Grund depressiv zu werden und ich denke, Du hast es auch sehr verständlich beschrieben.

Warum suchst Du nicht das Gespräch mit einem Therapeuten bzw. ich könnte mir sogar vorstellen, dass es Dir vielleicht leichter fallen würde mit einer Therapeutin zu sprechen.
Ich wette mit Dir, dass es etliche Männer und Frauen gibt, die gerade wegen ihrer Homosexualität in schwere Depressionen fallen. Aber wohl nur die, die sie nicht ausleben können.
Und ganz sicherlich, war das früher ein noch viel größeres Problem. Ich möchte nicht wissen, wieviele Selbstmorde es aus diesem Grund gab.
Aber das muss ja heute nicht mehr sein.

Suche Dir einen Therapeuten, da kannst Du mal alles loswerden, was Du noch keinem sagen konntest und er/sie kann Dich soweit stärken und aufbauen, dass Du es schaffen kannst, zu Deinen Gefühlen zu stehen.

Wie aber immer in der Liebe, gehören auch bei der Homosexualität zwei dazu. Das heißt, wenn Du Dich natürlich in jemanden verliebst, der Deine Gefühle nicht erwiedert, dann wird Dich das sicher wieder depressiv machen, wenn Du nicht wirklich stabil bist. So wie man sich eben unglücklich verlieben kann.

Gerade da kann ich sehr mit Dir mitfühlen.
Ganz ähnlich ist es nämlich, wenn man verheiratet ist und sich dämlicherweise in einen anderen Mann verliebt. Dann beginnt das gleiche Spiel, wie Du es auch kennst. Man kann sich nicht offenbaren, denn es könnte ja sein, dass man eine Abfuhr bekommt. Außerdem könnte man dann auch noch den sicheren Hafen der Ehe verlieren und die eigene Familie zerstören, von der man eigentlich weiß, was man an ihr hat. Frag mich jetzt besser nicht, von wem ich rede.

Ich wünsche Dir jedenfalls ganz viel Mut und Kraft. Deine erste Hürde wird sein, zu Deinen Gefühlen stehen zu lernen. Erst dann wirst Du es schaffen können, einem Mann den Du liebst, das sagen zu können. Das jetzt anders herum zu probieren und dabei vielleicht Ablehnung zu erfahren, wäre der falsche Schritt. Du hast jetzt so lange dieses Problem mit Dir herum getragen, dass Du Dir Zeit nehmen solltest, Dich damit auseinander zu setzen - zusammen mit einem Therapeuten, der Dir hilft, Deine Gedanken zu sortieren.

Viele liebe, verständnissvolle Grüße
Tina

P.S. Meine Cousine hat mir vor einem knappen Jahr "gestanden" dass Ihre beste Freundin eigentlich Ihre Geliebte ist. Das witzige daran war, dass ich das schon seit bestimmt 10 Jahren prophezeit habe, dass sie mit ziemlicher Sicherheit lesbisch ist - mein Mann und meine Schwester wollten mir aber nicht glauben!

[hobbes]

Hallo!

Vielen Dank für Eure ernst gemeinten Antworten. Sich auf diese Weise mitzuteilen finde ich sehr befreiend. Anonym aber trotzdem herzlich. Menschen, die einen verstehen können. Danach habe ich lange gesucht, ich weiß nicht, wieso ich nicht früher darauf gekommen bin. Dieses Forum ist wirklich eine gute Sache!

Trotzdem, es ist immer noch sehr, sehr vage. Für mich als Betroffenen ist es im Prinzip eine Art Tagebuch, in das ich meine Gedanken schreibe, was ich so ähnlich auch schon mache. Freilich, dieses Tagebuch antwortet mir aber dennoch ist das ganze sehr - ja, virtuell.
Aber versteht mich nicht falsch, es bedeutet mir dennoch sehr viel, hier Antworten erhalten zu haben. Ich weiß, dass irgendwo da draußen jemand ist, der jetzt wenigstens von meinem Problem weiß. Das ist doch schon etwas. Vielleicht ein erster Schritt.

Natürlich war mir das meiste, was Ihr beschreibt schon vorher klar oder ich habe es zumindest stark vermutet. Trotzdem tut es gut, meine Befürchtungen auch einmal aus anderem Munde zu bestätigt zu hören.
Ich schlage mich schon seit langer Zeit mit meinem Problem herum und habe mich gewissermaßen daran gewöhnt, sofern das überhaupt möglich ist. Ich habe das Gefühl, das es für entscheidende Schritte nun zu spät ist. Natürlich WEISS ich, dass es dafür nie zu spät ist. Im Moment sage ich mir, dass es ja gerade gar nicht so schlimm ist. Aber es wird wiederkommen. Es wiederholt sich ständig.
Gestern ging es mir schlecht und ich war mir sicher, bald professionelle Hilfe zu suchen. Heute geht es mir besser und ich möchte lieber warten. Wie lange soll ich noch warten? Ich weiß, dass ich etwas tun muss, aber ich möchte nicht. Nicht heute, vielleicht morgen? Übermorgen? Nie?
So geht das jetzt schon eine halbe Ewigkeit.
Wisst Ihr was ich meine?

Vielen Dank und schöne Grüße!

Gabriel

[Lee]

[hobbes]

Hallo, Lee!

Habe nach einiger Recherche viele Seiten gefunden, auf denen eine kostenlose email-beratung für Schwule angeboten wird. Vieles ist mir irgendwie zu unprofessionell und auch teilweise zu banal. So nach dem Dr.Sommer-Schema. Aber ich habe probehalber mal mein Problem geschildert. Mal sehen, was draus wird.

Vielen Dank und viele Grüße!

Gabriel

[kessy4949]

Hallo Gabriel,
mein Tipp versuch's bei einem Psychologen der auch einen Dr.-Titel hat, der kann notfalls auch Medikamente verschrieben. Die Psychiater verschrieben meist leider einfach nur, ohne sich für den Rest zu interessieren, was ich für gefährlich halte. Solltest Du zufällig aus dem Raum Nürnberg kommen (wär ja ein Wunder), sag Bescheid wenn Du ein paar Schwule kennen lernen möchtest. Die sind echt nett und haben sich mittlerweile geoutet.

Viele Grüße,
Christin

[Adson]

Hallo Gabriel,

wenn ich jetzt leichtsinnig wäre, würde ich sagen, probiere es doch einfach aus. Dazu gibt es wahrlich genug Möglichkeiten, die ich Dir in Nürnberg schon als einfacher Stadtbesucher nennen könnte, fallen Sie doch ins Auge. Ich habe bei meiner letzten Reise auch die Erkenntnis mitgebracht, eigentlich interessieren sich fast nur homosexuelle Männer im gereiften Alter so ab 70 und Prostituierte für Dich. Nur ist das ein Trugschluß. Fallen diese Personengruppen doch einfach nur mehr auf und man nimmt es anders wahr.

Außerdem: schau mal hier:

http://nuernberg.gay-web.de/

Auf der Seite gibt es auch eine Rubrik Beratung. Auf http://www.eurogay.de findest Du sicher auch etwas dazu.

Es ist ein kompliziertes Thema. Homosexuelle Träume hat jeder Mensch, auf die eine oder andere Weise. Ob man wirklich bi oder homosexuell ist, weiß man spätestens dann, wenn man es durch Erfahrungen festgestellt hat.

Außerdem: Freundschaft, Zuneigung sollte man nicht mit Liebe verwechseln, die Grenzen sind da fließend. Auch von Mann zu Mann kann man sich mal drücken, nur ist es von der sozialen Konditionierung / Erziehung her mit einem Tabu belegt.

Grüße, Jörg

[QCC]

Sei gegrüßt..

Wenn es dir möglich ist, würde ich mich freuen, wenn du dich bei mir meldest..denke, wir unterscheiden uns in dieser "Problematik" nicht sehr viel..

habe msn angegeben,sofern du das hast..Ansonsten kannst mir ja ne email schreiben,würde mich freuen..mag das hier nicht ausdiskutieren

[hobbes]

Hallo!

Habe Deine Antwort zu meinem Beitrag gelesen und Dir schon 'ne e-mail an die angegebene Adresse geschrieben.
Wenn Du willst können wir ja mal ein wenig hin und her mailen und über das Thema reden.
Schön, dass Du Dich bei mir gemeldet hast.
Tut gut, jemanden gefunden zu haben, der ähnliche Probleme hat.

Liebe Grüße!

Gabriel