step by step - Depression als Chance?

susan
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step by step - Depression als Chance?

Beitrag von susan »

Hallo an alle, die sich in "step by step..." wohl gefühlt haben - lesender oder schreibender Weise Hier nun die Fortsetzung....


Depression als Chance?

Die Krankheit "begleitet" mich nun schon 3 1/2 Jahre. Lange Zeit vorher blieb sie unerkannt, zeigte sich in körperlichen Symptomen. Sie führte mich an meine Grenzen, machte mich darauf aufmerksam, dass irgendwas in meinem Leben nicht stimmte. Anfangs habe ich das so nicht sehen können - wollte nur eins - sie so schnell wie möglich wieder loswerden.

Durch sie war und bin gezwungen, mich mit mir und meinen Lebensumständen auseinanderzusetzen. Sie forderte Veränderungen, Entscheidungen und ermöglichte mir, einiges im anderen Licht zu sehen als bisher.

Ich bin noch auf meinem Weg und es ist immer wieder anstrengend, die Hürden der Krankheit zu überwinden. Heute sehe ich sie jedoch nicht mehr als Feind gegen mich selbst, sondern als Chance, mich zu verändern und damit mir ein Stück näher zu kommen.


Hier noch ein Buchtipp:


B. Hoffmann-Gabel
"Der Himmel ist in dir - die Hölle auch"
Wege aus der Depression


Kurzbeschreibung:
".....
Doch menschliches Handeln ist variabel. Denken und Fühlen schaffen die Möglichkeit, sich mit der eigenen Person, der persönlichen Lebensgeschichte und der sozialen Umwelt auseinanderzusetzen.

Es wird immer wieder Ereignisse geben, die ich nicht ändern kann, schreibt Barbara Hoffmann-Gabel, doch dann brauche ich meine Kräfte, um standzuhalten. Hilflosigkeit und Ohnmacht werden nicht von Dauer sein. Die Autorin bringt ihre eigenen Depressionserfahrungen mit ein und möchte anderen Betroffenen Mut machen. Sie gibt Ihnen mit ihrem Buch Anstoss, sich auf den Weg aus der Depression zu machen und sie nicht als wiederkehrenden Lebensbegleiter passiv hinzunehmen. Ihre Absicht ist es, Frauen und Männern, die immer wieder in das tiefe Loch fallen, dabei zu unterstützen, die eigenen depressiven Erfahrungen als Chance zum eigenen Wachstum zu nutzen.
...."

Gruss an alle
Susan


Bellasus
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Re: step by step - Depression als Chance?

Beitrag von Bellasus »

Hallo liebe Susan und alle anderen "Mit-Steper",

ist doch schön, wenn ich beim Thread-laden nicht Kaffekochen muß, um die Zeit zu überbrücken...

Ich bin auch nicht so schreib-aktiv im Moment, aber einige Beiträge haben mich sehr berührt, wohl auch, weil ich selber in einem kleineren Depri-Loch stecke. Aber die Gratwanderung, mich nicht zu Aktivitäten hinreißen zu lassen, die ich eigentlich gar nicht will, aber trotzdem ein bißchen was zu tun und zu schaffen, gelingt mir ganz gut.

Das Loch hat irgendwie die Form einer Mulde, mit einem sanft ansteigenden Rand, den ich so ganz langsam wieder hochkrabbele. Genauso bin ich auch reingerutscht. Im Vergleich zu meinen bisherigen Krisen ist das ein gigantischer Fortschritt

Susan, dir wünsche ich auch bald wieder festen Boden unter den Füßen. Und dass du dich immer wieder auf dich besinnst und deine Bedürfnisse und was du brauchst erkennst, auch wenn jemand anders vielleicht etwas anderes für besser hält. Das empfinde ich als unnützen Kampf, wenn wir einerseits lernen sollen, unserem Gefühl zu trauen und für uns zu sorgen, dann aber andere meinen, sie wüßten es besser. Aber es passiert immer wieder, und immer wieder gebe ich auf.

Depression als Chance - Ja, die Chance, ein verändertes Leben zu führen als früher, denn so soll es nie wieder werden. Die Chance, sich zu finden, sich als wertvoll zu entdecken, einfach weil man da ist ... Das ist der Punkt, an dem ich die Fassung verliere. Es ist für mich immer noch unfassbar, wenn mir die Ergotherapeutin aufträgt, zu überlegen, bei welcher Arbeit und welchen Rahmenbedingungen es mir GUT gehen würde. Ist das wichtig, dass es mir gut geht? Hausptsache, ich schaffe was, oder? Da habe ich ganz schön was zu knabbern, und das geht ganz schön tief ins Eingemachte.

Eine Chance will genutzt werden, dafür ist sie da, sie ist wie ein Angebot, dass man annehmen kann.

Puh, bin erschrocken wie mich gerade meine Gefühle erwischt haben, aber es fühlt sich stimmig an.

Bis bald
Annette




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Lichtsuche
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Re: step by step - Depression als Chance?

Beitrag von Lichtsuche »

Hallo,

eine Frage an Euch. Vom Kopf her meine ich weiter zu sein, als vom Befinden und das ist etwas, was ich nicht nachvollziehen kann.

Ich weiß, was mich aus der Bahn gekegelt hat, ich weiß um Konflikte und schwere Phasen in Kindheit, Jugend und weiteren Etappen. Ich weiß um Widersprüche wie einerseits an mich selbst zu hohe Ansprüche richten, ich weiß um zu starke Bereitschaft, es anderen recht zu machen und darüber eigene Bedürfnisse und Wünsche zu übergehen ... warum hilft das nicht schon ein ganzes Stück weiter. Ich bin dennoch wie gelähmt.

Liebe Grüße
Lichtsuche
Bellasus
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Re: step by step - Depression als Chance?

Beitrag von Bellasus »

Hallo Lichtsuche,

ich bin auch lange schier verzeifelt, weil mir so viele Zusammenhänge im Kopf völlig klar waren, mir diese Erkenntnisse aber rein gar nix genutzt haben. Jetzt erst so langsam spüre ich, dass sie mich sehr wohl weitergebracht haben, dass sie ganz langsam in meine Gefühle "einsickern". Manches, womit ich mich vor Monaten kopfmäßig beschäftigt habe, taucht jetzt wieder auf, und zwar im "Bauchgefühl", und erst dadurch beginne ich mich anders zu fühlen.

Und wenn man weiß, wie etwas funktioniert, kann man es davon noch lange nicht, sondern man muß üben, üben, üben... bis es innen "angekommen" und gespeichert ist. Und das kann dauern... Aber wie gesagt, ich erfahre gerade, dass sich wirklich etwas tut, es ist nicht leicht, manchmal sehr schmerzhaft, macht Angst, aber ich bin mir sicher, dass die Richtung stimmt. Alle Gedanken, die du dir so machst, werden dir letztendlich weiterhelfen. Alles Gute für deinen Weg!

Hallo Basic Searcher,

was eine Halbwertszeit hat, ist auf jeden Fall vorhanden! Du kannst schöne Momente wahrnehmen, da ist es doch fürs erste egal, wie schnell sie vorbei sind. Ich werde mein Leben lang nicht die totale Sonnenfinsternis vergessen, habe sie am Chiemsee in Perfektion gesehen, den kurzen Moment des "Brillantringes" habe ich immer noch vor Augen und meine Ergriffenheit im Gefühl.

Feldenkrais tut gut, super, dass du das genießen darfst. Mußt du selber bezahlen oder hast du deine KK davon überzeugt?
Du schaffst es, dass es aufwärts geht, ganz bestimmt!

@all: Ich mache gerade keine äußerlich sichtbaren Schritte, aber in mir spielt sich einiges ab, und ich bin froh morgen wieder zu meiner Thera zu können, ich habe das Gefühl, da warten wichtige Dinge, dass sie Zeit und Raum bekommen.

Alles Liebe und eine gute Woche
Annette




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Lichtsuche
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Re: step by step - Depression als Chance?

Beitrag von Lichtsuche »

Liebe Annette,

es wäre schön, wenn es sich herausstellt, dass das Befinden, das Verhalten, das Entscheiden usw. nach und nach dem Bewußt-Gewordenen folgte. Deine Antwort läßt hoffen.

Liebe Grüße
Lichtsuche
susan
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Re: step by step - Depression als Chance?

Beitrag von susan »

Liebe Annette, liebe Mitleser

sich selbst als wertvoll zu sehen, sich akzeptieren, so wie man ist, ist wohl das Fundament, auf dem sich alles andere aufbauen lässt. Doch den Zustand der inneren Zufriedenheit mit sich selbst zu finden, ist alles andere als einfach.

Auch wenn sich vieles für mich schon verändert hat, wenn ich bewusster mit mir und meinem Umfeld umgehe, wenn ich darauf achte, mich nicht mit anderen zu vergleichen, nur auf mich, meine Grenzen und Möglichkeiten zu schauen und danach zu leben, so bleibt doch eine grosse Unsicherheit in Bezug auf mein Ich, auf das, was ich bin und was mich ausmacht.

Es hängt nicht nur damit zusammen, dass ich an vielem, was ich tue, zweifle, es in Frage stelle, ob es richtig und gut für mich ist, es ist eher eine grundsätzliche Klarheit, die ich - noch - nicht habe. Etwas in mir, das verschlossen war, das sich nicht zeigen durfte, weil es für andere - am meisten wohl für meine Eltern - zu unbequem war, will nun an die Oberfläche. Und so erlebe ich es jetzt wie ein Mich-neu-kennenlernen, eine innere Neugier, die mich nach vorn treibt und die auf der Suche ist nach der Wahrheit und dem Sinn des Lebens. Geht es euch ähnlich?

Liebe Annette, es ist doch ein gutes Zeichen, wenn du spürst, dass sich etwas tut. Es sind nicht immer die grossen Schritte, die Veränderungen bewirken, oft sind es viele kleine Puzzleteilchen, die sich zusammenfügen und ein Bild ergeben, das verständlich und begreifbar ist. Wie lief die heutige Therapiestunde?


Liebe Lichtsuche,
dass Kopf und Herz nicht in gleichem Tempo gehen, dass vieles äußerlich klar ist, aber das Gefühl dazu nicht stimmig ist und nicht folgen kann, habe ich auch oft so empfunden.
Dann hilft eigentlich nur eine grosse Portion Geduld, jedes Drängen ist zwecklos.

Mit der Geduld tue ich mich sehr schwer, weil gerade das Erkennen von Zusammenhängen, das Sichtbarwerden von Lösungen, nach denen man lange gesucht hat, Veränderung, evtl sogar Heilung verspricht. Dann zu warten, bis der Bauch "ja" sagt, scheint überflüssig, doch das ist es nicht, denn hier "sitzt" unser inneres, oft sehr verletztes Kind, das nach Beachtung ruft und wahrgenommen werden will.

Wenn wir es ignorieren und dem Verstand alle Macht geben, dann wird es weiterhin traurig und verschlossen sein und wir werden keinen Zugang zu unseren Gefühlen finden. Warten wir jedoch, lassen wir ihm Zeit, wagen wir es, Gefühle - auch Angst und Schmerz - zuzulassen, dann wird es möglich werden, die ganze Bandbreite der Gefühle zu erleben. Mit jedem Schritt in diese Richtung kann das Vertrauen wachsen und nach und nach wird es es stimmig sein - Herz und Verstand sprechen dann eine gemeinsame Sprache - diese Hoffnung habe ich jedenfalls


Hallo Basic Searcher,
ich finde es super, dass deine Therapeutin dir die Möglichkeit gibt, einiges auszuprobieren. Während meiner VT hatte ich auch eine EMDR Sitzung. Sie hat mich ein grosses Stück weitergebracht. Meine Therapeutin konnte dann aber leider nicht weiter daran mit mir arbeiten, weil ich nicht stabil genug war. Nun mache ich eine tiefenspsychologisch fundierte Therapie und komme auch auf diesem Weg in Berührung mit meiner Kindheit.
Ich wünsche dir sehr, dass es dir Stück für Stück gelingt, die schönen Momente festzuhalten und somit ein Netz aus Sicherheit und Freude zu spannen, das dich in schlechten Zeiten auffängt.


@all
in der letzten Therapiestunde ging es auch um das Thema "Krisenintervention" Mein Therapeut sprach von einer "etwas längeren Sommerpause" - oh je (bloss keine Panik bekommen) und er schlug vor, sich das Krisenzentrum mal anzuschauen, also vorbeizugehen und somit ein Stück "Vertrautheit" für den Ernstfall zu gewinnen. Was haltet ihr davon? Habt ihr ähnliches schon getan und hat es euch geholfen, sicherer zu werden? Mir ist ganz schön mulmig bei dem Gedanken... Es ist eine kleine "Notfallklinik" mit 6 Betten, so dass man auch über Nacht bleiben könnte, wenn nötig. Bin noch sehr unschlüssig....

Euch allen einen erträglichen Tag!

Liebe Grüße
Susan


Lichtsuche
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Re: step by step - Depression als Chance?

Beitrag von Lichtsuche »

Liebe Susan,

ich kann Dir gar nicht sagen, wie sehr Du mir aus der Seele sprichst.

Seit dem Tag, als mir erstmals der Gedanke kam "Die Depression meint es gut mit dir", hat sich einerseits vieles verschoben. Neu ist mir, damit aber nicht zu meinen, es schon in Handlungen umsetzen zu können und zu wollen.

Die Depression hat das Konstrukt, das ich mir zum Leben gebastelt habe, zusammenkrachen lassen. Ja, es ist auch beängstigend. Gefühle, die ich nicht kannte, sind ja schon da. Ich muss sie ein Leben lang weggedrückt haben.

Ich spüre heute, wenn ich mich überfordert fühle ... irgendwann, vermutlich als Kind werde ich Überforderung gespürt haben, aber damit auch Bewältigungsstrategien aufgebaut haben, die mich heute nicht mehr tragen.

In mir sagt es "Es ist gut so". Geduld. Ja, an der hat's immer gemangelt, bei anderen mir gegenüber, bei mir selbst mir gegenüber.

Depression = erstmals wieder Zugang finden zu der, die ich bin. Verschüttet gewesen sein.

Ja, das vergleichen lassen. Es ist für mich auch immer wieder interessant zu sehen, wie analog innen zu außen steht. Seit einer Weile war es schon da im Außen, Gefühle der Wut, wenn andere Vergleiche zogen ... dabei habe ich selbst mich ununterbrochen mit anderen verglichen, entsprechend auch immer etwas gefunden, an mir herumzumäkeln.

Die Depression, die mir sagt, "Dein innerer Kompass war immer da und ist da und bleibt Dir. Du hast ihn nur überhört, nicht wahrgenommen, anderen und Deinen falschen Vorstellungen und Meinungen mehr geglaubt, als Deinem Kompass, Deinem Selbst, das es nun wieder wagt wahrhaftig zu Dir zu sprechen. Erst Deine Depression hat Deiner inneren Stimme die Ohren und Augen und Deine Sinne geöffnet."

Zur Krisenintervention: den Vorschlag, dass Du Dir das Krisenzentrum anschaust finde ich gut. Wer weiß, ob Du es überhaupt brauchst, aber wenn, warst Du schon einmal dort und hast schon ein paar Informationen sammeln können, die Dich sonst evt. eher zögern ließen.

Vielleicht beruhigt Dich ja schon der Gedanke, im Falle des Falles zu wissen wohin mit Dir.

Liebe Grüße
Lichtsuche
Bellasus
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Re: step by step - Depression als Chance?

Beitrag von Bellasus »

Hallo liebe Susan, Lichtsuche und all,

eure Postings sind verdammt nah dran an dem, was mich gerade intensivst beschäftigt.

@Susan:
>>>sich selbst als wertvoll zu sehen, sich akzeptieren, so wie man ist, ist wohl das Fundament, auf dem sich alles andere aufbauen lässt.<<<
Für mich fühlt sich das gerade umgekehrt an! Ich arbeite an so vielen Baustellen gleichzeitig, z.T. ganz konkret z.B. wie grenze ich mich besser ab, wie erkenne ich, was mir zu viel ist und was tue ich dann. Das kann man alles tun, auch wenn man sich nicht so wirklich wertvoll findet. Mit Hilfe dieser vielen kleinen Veränderungen scheint es mir aber sehr viel leichter, sich dem "sich selbst achten und annehmen" zu nähern. Für mich ist das eher das Ziel. Ich glaube, wenn ich mich wirklich akzeptiere mit allen meinen Anteilen und spüre, dass ich das Recht habe, einfach zu sein, dann sind viele Dinge kein großes Problem mehr, die jetzt noch unendlich schwer oder unmöglich sind.

Als Neu-Kennenlernen empfinde ich es auch. Und ich freue mich riesig, dass du jetzt neugierig bist auf dich selbst und wieder mit mehr Mut dabei bist, dich und deine Möglichkeiten zu entdecken. Hast du das Loch hinter dir gelassen oder sind noch Nachwehen da?
Den Tip mit der Krisenstation finde ich sehr gut. Die Krise muß schon gigantisch sein, damit es einem egal ist, wo man landet. Aber wenn du weißt, wo es ist, vielleicht Ärzte schon mal gesprochen hast und es dir vertrauenswürdig erscheint, ist sicher die Hemmschwelle niedriger, die Hilfe im Notfall in Anspruch zu nehmen und dich nicht unnötig allein durch die Krise zu quälen.
Meinen neuen Hausarzt habe ich mir letzten Herbst auch gesucht, als es mir gerade relativ gut ging. Dann wußte ich, dass ich mich ihm wirklich auch in schlechten Zeiten anvertrauen kann, und so ist es jetzt auch.

@Lichtsuche:
>>>...Überforderung gespürt haben, aber damit auch Bewältigungsstrategien aufgebaut haben, die mich heute nicht mehr tragen.<<<
Fast wörtlich genauso habe ich es heute formuliert. Die alten Strategien funktionieren nicht mehr, und neue innere Sicherheit ist noch nicht da. Man fühlt sich unendlich angreifbar, empfindlich, unvollständig.

Der Vergleich mit dem inneren Kompaß paßt gut, finde ich. Er wollte schon immer die für dich, für uns richtige Richtung anzeigen, hat sich aber permanent ablenken und überzeugen lassen, dass er eigentlich ganz woanders hinzeigen muß. Er hat gelernt, an seiner Wahrnehmung zu zweifeln. Und jetzt sagt ihm plötzlich jemand, dass er seiner Wahrnehmung trauen kann, aber das geht nicht so auf Kommando, da muß er sich erst mal ganz vorsichtig rantasten und ausprobieren.

Gerade heute sagte mir meine Thera, dass die alten Strategien durchaus auch etwas positives hatten, denn sie haben uns in der Vergangenheit das Überleben ermöglicht. Eine bessere Lösung hatten wir nicht, also haben wir getan, was wir konnten. Ich versuche gerade, diesen Teil von mir nicht zu verachten und alles als Übel anzusehen, sondern irgendwie auch dankbar dafür zu sein, dass ich als Kind/Jugendliche eine Möglichkeit gefunden habe, weiterzuexistieren. Das ist ja nicht selbstverständlich, sonst würden nicht so viele Verzweifelte aufgeben.

Und ja, die inneren Veränderungen folgen dem Kopf irgendwann. Bei mir tut sich gerade so viel, dass es mich schon etwas überfordert. Ich fange an, mich anzunehmen, mich zu verabschieden von alten Handlungsmustern, ohne sie zu verdammen, und das klingt so leicht, aber es ist mit viel Trauer und Unsicherheit verbunden. Mein Kopf sagt mir, dass ich vielleicht irgendwann auch Freude empfinden werde, aber da ist mein Gefühl noch nicht angekommen.

Und es tut so gut, verstanden zu werden! Laßt es euch gutgehen mit euch selbst,
Alles Liebe

Annette




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Lichtsuche
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Re: step by step - Depression als Chance?

Beitrag von Lichtsuche »

Liebe Annette,

> Fast wörtlich genauso habe ich es heute formuliert. Die alten Strategien funktionieren nicht mehr, und neue innere Sicherheit ist noch nicht da. Man fühlt sich unendlich angreifbar, empfindlich, unvollständig.

Das ist auch der Grund, weshalb ich zunehmend an das Kind in mir glaube, das lange "geschlummert" hat, weil es bei meinem konstruierten Überbau eh keine Chance hatte. Erst Erschütterungen wie drohende Kündigung, die mich beinahe betriebsbedingt mitgetroffen hätte und die Ignoranz meiner Bedürfnisse und Wünsche, die mich wieder an mir zweifeln ließen "Ich erwarte zu viel" führten zu dem Kollaps, der den Überbau, das Konstrukt so schüttelte, dass das Kind (die Depression, das unterdrückte Kind?) hervorbrechen konnte. Ein Kind ist angreifbar, empfindlich, unvollständig ... und wird es vielleicht auch bleiben. Lieber angreifbar und empfindlich als verhärtet ... und vollständig? Geht das überhaupt?

> Er hat gelernt, an seiner Wahrnehmung zu zweifeln.

Ganz genau. Ich kann heute aufzählen, wo ich in den vergangenen Jahren wider besseres "Wissen" gehandelt habe.

Wie oft bin ich damit - um bei dem Kind zu bleiben - meinem inneren Kind über die Schnauze gefahren, wie oft habe ich selbst es weggeschubst ... Heute? Alles ja irgendwo kein Wunder.

Was ich aber auch erstaunlich und als wohltuend empfinde, hier auf Menschen wie Euch zu stoßen, die auch dort sind, wo ich mit mir herumturne.

Es gibt mir schon so ein Gefühl, diesmal nicht schon wieder unangemessene Konstrukte zu errichten.

Habt Dank dafür.

Liebe Grüße
Lichtsuche
Bellasus
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Re: step by step - Depression als Chance?

Beitrag von Bellasus »

Liebe Susan, Lichtsuche @all,

mir kam gerade der Gedanke, dass das step-by-step und Auf und Ab, das wir alle so gut kennen, sich im Laufe der Zeit doch auch verändert. Die Schritte unterscheiden sich sehr stark voneinander, manchmal bringt eine winzig kleine Erkenntnis vielleicht einen Stein ins Rollen und einen sehr viel weiter. Und manchmal knabbert man ewig an eine Sache rum, hat das Gefühl, es tut sich gar nichts, und doch gibt es vielleicht unmerkliche Veränderungen.

Auch das Auf und Ab ist nicht immer gleich. Ich bin sehr froh, dass meine Krisen längst nicht mehr das Ausmaß annehmen wie letztes Jahr, und dass ich besser damit umgehen kann. Trotzdem erschreckt es mich immer wieder, wieviel Zeit vergeht, gerade waren es über drei Wochen, die ich nicht so wirklich "anwesend" bzw. sehr in mich gekehrt war.

Manchmal fehlt mir der Rote Faden in der Therapie, aber ich betrachte diesen ganzen langen Weg eher als ein Puzzle, an dem man ja auch an vielen Stellen gleichzeitig Teile einsetzen kann, bis irgendwann langsam das Bild erkennbar wird. Jedes noch so kleine oder farblose Puzzleteilchen wird benötigt, und an jedes Teilchen kann man wieder neue anlegen.
Und ein großes Puzzle muß man nicht in einem Arbeitsgang fertigstellen, man kann Pausen einlegen, ohne dass das bereits Geschaffte verlorengeht.

Das fiel mir gerade alles so ein mit dem Puzzle, und ich wünsche euch, dass ihr irgendwann ein wunderschönes Bild vor euch liegen habt.

Liebe Grüße
Annette




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susan
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Re: step by step - Depression als Chance?

Beitrag von susan »

Liebe Annette, liebe Lichtsuche, liebe Mitleser

mir geht es zur Zeit so, dass ich den grossen Wunsch habe, mich auszuruhen, innezuhalten und zu schauen, welche Schritte ich gegangen bin und wie die nächsten aussehen könnten. Leider funktioniert das so nicht. Ich komme kaum zur Ruhe, es passiert soviel, dass ich das Gefühl habe, mich wie ein Hamster im Rad zu drehen und nicht aufhören zu können.

Ich habe mir vorgenommen, mir die Zeit zu nehmen, STOPP zu sagen, um wieder durchatmen zu können und zu hinterfragen, wo die Gründe dafür liegen, dass es mir so geht. Ich hatte jetzt eine Reihe von Terminen, die mir sonst keine Probleme machte, die aber nun mehr Kraft erforderten als sonst. Jeden Tag ein intensives Gespräch, das erst mal verarbeitet werden musste und mir fehlte einfach die Zeit zum nachdenken zwischendurch.... Resultat war, dass ich heute vor lauter Wirr-warr den Krisendienst angerufen habe, mir fehlte jedoch der Mut, darüber zu reden.

Nun sitze ich da und frage mich, was ich falsch gemacht habe. Liegt es daran, dass ich an 2 Tagen drei Termine hatte, die mich sehr angestrengt haben für die mehr Abstand nötig wäre? Oder ist es okay so, immerhin kann man nicht immer voraussehen, wie sich ein Gespräch entwickelt. Halt dummer Zufall, dass jeder Termin meine ganze Aufmerksamkeit fordererte und dass ich nun eine Unmenge an Hausaufgaben zu erledigen habe.

Kennt ihr das...das Gedankenkarussell dreht sich und es hält nicht an, kaum wird es langsamer, kommen wieder neue Gedanken dazu und es scheint nicht aufzuhören. Es ist alles so unklar, und ich habe keine Idee, was ich tun sollte, um den Zustand zu ändern.

Nicht, dass ich keine Hoffnung mehr habe, nicht, dass ich alles sinnlos finde, aber ich habe das Gefühl, dass mein Therapeut nicht mehr Schritt für Schritt mit mir geht, jetzt ist er vorgegangen und ich hinke hinterher. Damit komme ich nicht klar. Die nächste Stunde ist am Dienstag. Ich werde es wohl ansprechen, nur hoffe ich bis dahin, dass alles ein Stück klarer und sichtbarer wird.

Das mit dem Bild ist eine super-Idee. Die Puzzleteilchen zusammenfügen ist oft mühsam, weil man das "richtige" oft nicht findet. Dabei liegt die Entscheidung der Auswahl einzig und allein bei uns, es gibt kein richtig und falsch, jeder hat sein eigenes Bild und am wichtigsten ist, dass es uns gefällt und nicht den anderen.

Liebe Annette, ich habe mich sehr gefreut, wieder von dir zu lesen. Ich denke auch, dass die Meilensteine auf dem Weg oft nur in kleinen Schritten bewegt werden können und dass es nicht immer fühlbar ist, dass Bewegung stattgefunden hat. Veränderungen passieren mitunter von allein und wir sind uns nicht bewusst, dass wir etwas dazu beigetragen haben. Vieles, was in der Therapie nur angeschnitten wird, zeigt u.U. viel später Wirkung und das dann zu spüren, hält die Hoffnung am Leben und macht Mut für weitere Schritte.

Liebe Grüße an alle
Susan


susan
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Re: step by step - Depression als Chance?

Beitrag von susan »

Hallo, Ihr Lieben

ich habe es geschafft, ein wenig zu sortieren und die vergangene Woche hat mir gezeigt, wie wichtig ist es ist, darauf zu achten, dass man sich nicht überfordert.

Auch wenn andere das Tempo vorgeben, muss es für mich nicht das richtige sein. In der Therapie geht es auch darum, herauszufinden, in welchem Mass man Veränderungen zulassen kann bezw. ob man grosse oder kleine Schritte geht.

Auch Therapeuten können sich irren, können Anregungen und Denkanstöße geben, die in die falsche Richtung gehen und alles andere als hilfreich sein. Dann liegt es bei mir, es anzusprechen und darauf zu achten, dass ich mich gut damit fühle.

Ist es euch auch schon so ergangen, dass ihr ein ungutes Gefühl hattet, als die Therapiestunde zu Ende war? Dass es sich aber nicht in Worte fassen liess und ihr erst einige Zeit später erkannt habt, dass ihr euch unverstanden fühltet und dass der Therapeut einen Weg aufgezeigt hat, der für euch nicht stimmig ist? Habt ihr es das nächste Mal angesprochen? Eure Erfahrungen würden mich interessieren....

Liebe Annette,
ich stimme dir zu, wenn du sagst, die Auf und Ab's verändern sich. Sie haben auch bei mir längst nicht mehr die Intensität, die sie mal hatten. Es hängt sicher auch damit zusammen, dass ich mich für Leben entschieden habe. So ist der Abgrund nicht mehr so tief und jedes Heraushangeln aus einer Krise bedeutet Fort-schritt und macht Mut, es auch das nächste Mal wieder zu versuchen. Die Krankheit bringt Veränderungen mit sich und die damit verbundenen Entscheidungen schmerzen oft auch, aber wenn man auf das Ergebnis schaut, dann hat sich doch in vielem die Mühe und das Durchhalten gelohnt. Am Ende des Weges ist man wohl nie, aber die Depression verliert ihre Macht - daran glaube ich fest.
Wie ist es dir in der letzten Zeit ergangen?

Liebe Grüße
Susan


Bellasus
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Re: step by step - Depression als Chance?

Beitrag von Bellasus »

Liebe Susan,

schön, dass du dich innerlich ein wenig "aufräumen" konntest - dieses innere Chaos macht einen ja völlig fertig.

Bin nicht in Schreib-Stimmung, wollte nur kurz sagen, dass ich deine Beiträge gelesen habe und mich bald wieder melde - tut sich auch einiges bei mir - ist verdammt anstrengend, aber die Richtung stimmt.

Alles Liebe bis in Kürze
Annette




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häslein
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Re: step by step - Depression als Chance?

Beitrag von häslein »

Liebes Forum, hallo Susan, falls du bereits wieder aus dem Urlaub zuhause bist...

ich habe ja lange nicht mehr geschrieben, weil es hier im Forum recht anstrengend war, und die Verunsicherung groß.
Ich würde aber gerne mal darüber erzählen, an welcher Stelle ich stehe, auch im Hinblick, ob die Depression letztendlich wirklich die Chance zu neuem Denken und damit Leben darstellt.

Was die Therapie anbelangt, stehe ich an einer Kreuzung, und weiß nicht, welche Richtung die richtige ist: es bessert sich nach 7 Monaten nicht grundlegend etwas. Zwar gibt es oft 2 Wochen, in denen es mir ganz gut geht, dann wieder bin ich zu einem Häufchen zusammengeschrumpft, und energetisch sehr erschöpft. Die Verhaltenstherapie und die daraus resultierenden Lerninhalte sind meinem Kopf klar, aber die Umsetzung und die Koordination mit den inneren Emotionen funktioniert nicht, oder nur im Stolperschritt, und mit sich ständig wiederholenden Rückschritten.
Meine Therapeutin hat in der letzten Stunde überlegt, ob nicht eine Analyse besser für mich wäre. Nach dem Gespräch mit meinem Hausarzt, der mich sehr fürsorglich betreut, bin ich mit einem zusätzlichen Rezept zur Ergo-/Gestalttherapie und dem Vorschlag nach Hause gegangen, den Therapeuten zu wechseln, wenn ich bei der jetzigen Therapeutin nicht weiterkomme. Puh, das war alles ein bißchen zuviel für mich. Den richtigen Weg, was ich jetzt konkret unternehmen soll, außer nochmals ein ausführliches Gespräch mit meiner Therapeutin zu suchen, sehe ich nicht so ganz, zudem mache ich mir den Kopf, was nun an Neuem alles auf mich zukommt.

Andererseits scheint es klar zu sein, daß sich ein oder mehrere Konflikte den Weg an die Oberfläche gesucht haben, und darauf warten, gelöst zu werden, so empfinde ich es, und so sieht es auch meine Therapeutin. Soviel zum Thema Chance. Man hat das Gefühl, es geht nicht mehr, man meint, es höre überhaupt nicht mehr auf zu schmerzen, aber vielleicht hält das Leben bereits die Lösung für einen bereit? Es heißt ja, man wird solange mit einem Problem konfrontiert, bis man es löst.

Welche Erfahrungen habt ihr denn? Wie würdet ihr vorgehen? Vorschnell den Therapeuten wechseln, sich auf eine ganz andere Therapierichtung einlassen, oder erst versuchen, an dieser Stelle weiter zu arbeiten? Ich möchte natürlich jetzt auch keine längere Zeit ganz ohne Therapie auskommen müssen. Und wie verhält sich das dann alles mit der Genehmigung der KK, wenn ich wechsele? Ich bin ehrlich gesagt nur verunsichert und durcheinander. Auf meinem Zettel für morgen die Therapiestunde stehen nur Fragen, und davon ganz schön viele.

Vielleicht könnt ihr mir ja ein paar Antworten geben aus eurem Erfahrungsschatz, ich wäre dankbar dafür.
Es grüßt euch ganz herzlich, Martina.
susan
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Re: step by step - Depression als Chance?

Beitrag von susan »

Liebe Martina, liebe Mitleser

schön, wieder von dir zu lesen

Mir ist es auch schon oft so ergangen, dass sich neue Wege aufgetan haben und dass mir die Entscheidung, welchen ich einschlagen sollte, sehr schwer gefallen ist.

Auf die Therapie bezogen kamen wir an einen Punkt, an dem Verhaltenstherapie nicht mehr sinnvoll war und ich eher auf der Stelle trat als etwas zu bewegen. Meine Therapeutin hat mir zu verstehen gegeben, dass es keinen Sinn macht, noch weitere Stunden zu beantragen - die Möglichkeit bestand - und riet mir, mich um eine tiefenpsychologisch fundierte Therapie zu kümmern. Dazu kam ich aber nicht mehr, weil ich total abstürzte und dann in der Psychiatrie landete. Auch dort war man sich sicher, dass es nur tiefenpsychologisch weitergehen konnte und im Abschlussbericht empfahl man mir eine Klinik, die dieses Verfahren anbot. So war das ein ziemlich deutlicher Wegweiser, wie es weitergehen sollte. Dennoch war ich sehr verunsichert und hätte am liebsten an der VT festgehalten, weil ich Angst hatte, in ein Loch zu fallen und ohne Therapie zu sein.

Der Klinikaufenthalt stabilisierte mich nur geringfügig. Nach 13 Wochen stand ich da mit einer Unmenge an ungelösten Problemen. Die intensive Therapie in der Klinik hatte vieles aufgewühlt und den Halt draussen hätte ich dringend gebraucht. Der dort für mich zuständige Therapeut gab mir deutlich zu vestehen, dass Therapie bei ihm nach dem Klinikaufenthalt nicht möglich ist, weil meine KK zu wenig zahlt, außerdem möchte seine Familie auch noch was von ihm haben. Ich war entsetzt, mir fehlten einfach die Worte, um etwas zu erwidern. Vor ihm auf die Knie fallen wollte ich auf keinen Fall und so habe ich es dann selbst versucht, einen Therapeuten zu finden - über die Institutsambulanz. Alles in allem hat das dann ein dreiviertel Jahr gedauert, bis ich mit der Therapie beginnen konnte.

Im Nachhinein war dieser Wechsel wichtig für mich, doch der Weg dorthin war einfach zu lang. Einen neuen Weg zu gehen ist nie leicht, schliesslich kann dir keiner vorher sagen, ob es der Richtige ist oder ob es eher Rückschritte für dich sind. So wie ich es erlebt habe, gibt es von Seiten der KK keine Probleme beim Wechsel der Therapieart bezw. des Therapeuten. Ich brauchte auch nicht die besagten 2 Jahre warten.

So denke ich, dass es auch für dich die Möglichkeit gibt, den bisherigen Weg zu verlassen und neue Möglichkeiten zu erkunden. Wichtig finde ich, das so zu realisieren - wenn möglich - dass keine zu grossen therapielosen Zeiten dazwischenliegen. Das lässt sich nicht immer vermeiden, doch kleine Brücken kann man sich schon bauen.

Wenn deine Therapeutin dir rät, eine Analyse zu machen, dann gibt es sicher Hinweise, die darauf hindeuten, dass das für dich in Frage käme. Dennoch würde ich die Therapie nicht abrupt beenden. Lass dich beraten, geh evtl in so eine Ambulanz. Dort gibt es die Möglichkeit, eine umfassende Anamnese machen zu lassen, mit der dann geschaut wird, welche Therieform die geeignete für dich ist. Oder geh zu einem Analytiker und schildere ihm deine derzeitige Situation, lass dich von ihm beraten, hör dir seine Meinung an. Soviel wie ich weiss, sind probatorische Sitzungen auch während einer laufenden Therapie möglich - bin mir aber nicht sicher - am besten, du erkundigst dich bei deiner KK.

Solange dein Ziel nicht feststeht, und du dir unsicher bist, wie es weitergehen soll, ist es sicher besser, wenn du für die Zeit der Entscheidungsfindung bei deiner Therapeutin bleibst, dich von ihr beraten lässt, evtl. findet ihr Wege, wie du am sinnvollsten vorgehst und welches der nächste Schritt sein könnte. Schön wäre es, wenn sie dich ein Stück begleiten könnte auf deinem Weg und es sich so einrichten lässt, dass der Halt für dich nicht wegbricht bevor neue Sicherheiten da sind.

Es ist schon möglich, dass bereits eingeschlagene Wege, die sich anfangs gut anfühlten, sich irgendwann aber als uneffektiv erweisen und man sehen muss, was noch machbar und möglich ist, um voran zu kommen. Du spürst am besten, was dir gut tut oder was dir eher schadet. Ich hoffe, dass du Möglichkeiten findest, mehr Klarheit zu gewinnen und sich neue Perspektiven eröffnen, die dir Sicherheit und Kraft für das geben, was dir dabei hilft die für dich richtigen Entscheidungen zu treffen. Alles Gute! Lass von dir hören, wie es weitergeht...

Liebe Annette,
wie geht es dir? Ich habe eine Weile nicht im Forum gelesen, bin also nicht auf dem neuesten Stand Spürst du immer noch, dass es vorwärts geht? Hast du neue Kraftquellen für dich entdeckt, die dich stärken? Ich habe einige Tage Urlaub hinter mir - es hat mir gut getan, das Augenmerk auf andere Dinge zu lenken und innezuhalten, das Gedankenkarussel anzuhalten - es ist mir gelungen - Ruhe und Kraft zu tanken für die nächste Zeit. Donnerstag habe ich die nächste Therapiestunde - nicht mehr lange, dann hat er Urlaub und sicher wird auch das Thema sein, weil es wieder heisst, die Utensilien für den Notfallkoffer zusammenzusuchen. Wie läuft es bei dir therapiemässig? Freue mich, wieder von dir zu hören

Liebe Grüße an alle
Susan


Bellasus
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Re: step by step - Depression als Chance?

Beitrag von Bellasus »

Hallo liebe Susan,

ich war auch länger fast nur lesend anwesend und dachte schon, du denkst vielleicht, dass ich hier nicht mehr weiterschreiben will. Dabei stimmt das gar nicht. Ich kann nur alles, was sich zur Zeit tut, schlecht in Worte fassen, auch nicht als steps bezeichnen. Es geht etwas durcheinander, die alten Themen und das Vorankommen in der Arbeitstherapie. Insgesamt nicht so schlecht, aber schon mit Einbrüchen auch an unerwarteten Stellen. Ich WILL endlich weiterkommen, und dann streikt eben mal der Körper, wenn ich zu viel wollte. Wenn ich das dann eingesehen habe, ist es wieder ok.

Was für einen Urlaub hast du denn gemacht? Besinnlich, viel Zeit für dich, oder warst du aktiv? Ich glaube, um einen Urlaub als positiv zu erleben, muß man schon wieder ein gewisses Maß an Stabilität haben, das ist ein gutes Zeichen, dass er dir gutgetan hat Ich plane für Ende August ein paar Tage am Meer mit meiner liebsten Freundin und ihrere Familie. Ist schon komisch, die Angst vor einem Urlaub... mal sehen.

Therapeutenurlaube sind auch ziemlich schwierig, nicht dass wir es ihnen nicht gönnen , aber da bleibt schon ein großes Loch, ein Halt fehlt. Meine Arbeitstherapeutin hat gerade Urlaub, und ich merke, wie viel Sicherheit und Halt sie mir gibt allein durch ihre Anwesenheit. Die andere Thera ist aber da, und mit ihr kann ich auch gut reden.

Was ist denn alles in deinem Notfallkoffer?

Erstmal viele liebe Grüße

Annette




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häslein
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Re: step by step - Depression als Chance?

Beitrag von häslein »

Tja, hallo, da bin ich dann auch schon wieder.

Liebe Susan, hallo an die anderen alle,

es kommt, wie es kommt: heute war meine letzte Therapiestunde. Das Gespräch verlief gut, und auch objektiv, allerdings hatte ich sehr, sehr schwere Tage übers Wochenende, da die letzte Stunde alles aufgewühlt hat, was mich zu einem bestimmten Thema in der Vergangenheit belastet hat. Supertoll! Und nun?

Also Analyse sieht sie zu schwer für mich, ich auch. Tiefenpsychologisch fundierte Therapie ist es wohl, aber Hilfestellung dazu bekam ich keine richtige, außer einem spärlichen Namen, den ich erst noch suchen muß. Die KK konnte noch nicht mal die genaue Therapiebezeichnung am Telefon mitschreiben, nachdem ich nach einer Liste mit speziell diesen Therapeuten gefragt habe. Außerdem ist klar: dieses Mal mache ich mit dem Therapiewechsel auch einen Therapeutenwechsel zu einem Mann. Da meine 25 Stunden vorbei sind, müßte ich verlängern, und da war sie sehr zögerlich. In der Verlängerung zu wechseln, geht wohl nicht so gut, so habe ich es jedenfalls erklärt bekommen.

Mit dem Ansatz zur Gestalttherapie konnte sie gar nichts anfangen...
und eigentlich hat sie sich "schon mal von mir verabschiedet". Auf meine Nachfrage, ob ich denn zur Überbrückung privat finanzierte Stunden bei ihr nehmen könnte, reagierte sie eher abweisend.
Wenn ich jetzt nach der Verhaltenstherapie reagieren sollte: "abhaken und jemanden suchen, der mir wirklich hilft, nicht weiter drüber grübeln..."

Im Netz habe ich die Adresse einer Institutsambulanz gefunden, auch mit Beratungsangebot. Da werde ich wohl mal anrufen. Mal sehen.

Nun gut, es ist halt so, wie es ist. Ich weiß echt noch nicht, wie das weitergeht, aber irgendwie geht es ja immer weiter. Ein wenig haltlos fühle ich mich schon, unsicher, wer mich auffängt, ob ich erst mal so klar komme, falls ich wirklich lange warten muß.
Vielleicht sollte ich ein Psychologiestudium anfangen

Also sende ich mal wieder einen innigen Wunsch an das Universum, daß es schon weiß, was mir guttut, und hoffe darauf, daß alles gut wird.

Liebe Susan, freut mich, daß du deinen Urlaub genossen hast, yes, das macht doch Lust auf mehr! Hier herrscht eine Über-Affenhitze! Ich halt's jetzt auch nicht länger hier im Dachzimmer am Computer aus, also bis demnächst, wenn es neue Neuigkeiten gibt. Bleibt am Ball alle, ja?!

Liebe Grüße, Martina.
susan
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Re: step by step - Depression als Chance?

Beitrag von susan »

Liebe Annette,

auch ich kenne Zeiten, in denen ich mir schreiben hier nicht möglich ist, weil mich alles so in Anspruch nahm, weil ich ausgefüllt war, die Veränderungen zu integrieren, die Balance zu halten, um nicht abzustürzen und immer wieder aufmerksam und achtsam Ausschau danach zu halten, welches der nächste Schritt für mich sein könnte.

Bei dir scheint sich auch viel zu bewegen in der letzten Zeit. Da ist es verständlich, dass nicht immer alles gradlinig verläuft, dass es mal holpert und du erst schauen musst, wo deine Grenzen sind und ob du dich überfordert hast. Wichtig ist, dass du spürst, dass es vorwärts geht und dass du mit dem Ergebnis zufrieden bist. Sich kleine Ziele stecken, schafft eher Erfolgserlebnisse und macht Mut, auch den nächsten Schritt zu wagen.

Auch mein Körper bremst mich regelrecht aus, wenn ich zuviel will, das Tempo nicht stimmt oder die Richtung die Falsche war. Es bringt nichts, diese Signale zu übergehen, das macht alles nur schlimmer.

In den ersten Urlaubstagen habe ich gemerkt, wie erschöpft ich bin, wie sehr sich mein Körper und meine Seele nach Ruhe sehnen. Ich habe dem nachgegeben - was blieb mir auch übrig - und habe mich nicht unter Druck gesetzt, irgendwas erleben zu müssen usw. Entspannungsübungen, Qui-gong, Meditieren am Meer, ausgedehnte Spaziergänge in der Natur, das stand auf dem Programm und ich habe gemerkt, dass es mir gut tat. Dennoch kam nach einigen Tagen, scheinbar grundlos, ein Absturz. Der Allgemeinarzt vor Ort kannte sich mit Depressionen nicht aus. Ich ging dann in die benachbarte Reha-Klinik, klopfte an die erste Tür eines Psychologen und fragte, ob er mir helfen kann, evtl. mit einem Gespräch. Leider war das nicht möglich, er riet mir, meinen Therapeuten anzurufen und wenn das nichts bringt, abzureisen. In der Tat spielte ich mit dem Gedanken, weil der Deprisog so stark war, dass mir alles zuviel wurde und mir nur noch danach war, mich zurückzuziehen. Das dauerte 2 Tage, ein Telefonat mit meinem Therapeuten war sehr hilfreich und so blieb mir der Urlaubsabbruch erspart. Die letzten Tage ging es dann auch wieder aufwärts, es war wie ein Nebel, der sich nur langsam verzog.

In meinem Notfallkoffer ist auf jeden Fall die Krisentelefonnummer - und die Adresse einer Klinik, die Krisenintervention anbietet, auch stationär. Für "kleine" Abstürze liegt eine CD mit Entspannungsmusik, autogenem Training und Phantasiereisen bereit

Dir, liebe Annette und allen Mitlesern einen entspannten Tag!

Liebe Grüße
Susan


susan
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Re: step by step - Depression als Chance?

Beitrag von susan »

Liebe Martina,

das ging ja schnell mit dem Therapieende. So richtig viel mit auf den Weg gegeben hat dir deine Therapeutin ja auch nicht. Kann es sein, dass sie keine rechte Vorstellung davon hat, was jetzt gut und richtig für dich wäre?

Ich weiss nicht, ob es schwierig ist, in einer Verlängerung die Therapierichtung und den Therapeuten zu wechseln, aber wäre es nicht möglich, das erst mal bei der KK zu erfragen, als es unversucht zu lassen? So könnte sie den Zeitraum der Therapeutensuche und der Neuorientierung deinerseits überbrücken und du ständest nicht mit leeren Händen da.

Da kann ich verstehen, dass du dich haltlos fühlst und das die Ziele verschwimmen und dich unsicher werden lassen. Vielleicht wäre es hilfreich, in Richtung Gestalttherapie zu gehen, um das abzufangen, was sich auftut und womit du allein nicht klar kommst. Hat dir dein Hausarzt einen Therapeuten empfohlen?

Das mit der Institutsambulanz ist keine schlechte Idee. Evtl. kann man dich dort beraten, auch was die Therapierichtung
angeht. Hier noch 2 links zur Therapeutensuche, vielleicht wirst du ja fündig

http://www.therapie.de/index.html?/psyc ... _liste.php

http://www.psychotherapeuten-liste.de/ptl3.jsp


Auf jeden Fall wünsche ich dir die nötigen "Stützpfeiler" für die nächste Zeit und eine dicke Portion Durchhaltekraft!

Bis demnächst....

Liebe Grüße
Susan


Bellasus
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Re: step by step - Depression als Chance?

Beitrag von Bellasus »

Liebe Susan,

ganz großes Danke für den Link mit der Dermatillomanie!!! Um den anderen Thread nicht zu weiter zu verlängern, schreibe ich das hier. Das ist jedenfalls ein großer Knoten in mir, und bis ich das bei meiner Thera anspreche, vergeht bestimmt noch eine Weile. Habe eben so lange auf der Seite gelesen, dass ich jetzt ziemlich müde bin und dir demnächst mehr schreibe. Dein Bericht mit dem Urlaubs-Absturz hat mich ziemlich betroffen gemacht, solchen völlig unerwarteten Krisen fühle ich mich auch so hilflos ausgeliefert. Gut, dass du dir Hilfe geholt hast, auch wenn die Leute dort nicht so tauglich dafür waren.

Eine gute Nacht und morgen einen guten Tag wünsche ich dir und allen anderen,

liebe Grüße
Annette




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susan
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Re: step by step - Depression als Chance?

Beitrag von susan »

Liebe Annette,

ich möchte dir Mut machen, das Thema "Dermatillomanie" auch in der Therapie anzusprechen, nur so kann sich was verändern. Ich weiss, dass hier nicht der richtige Ort ist, mehr darüber zu schreiben, wenn du magst, kannst du dich aber gern per e-mail an mich wenden.

@all
Ich war gestern bei meiner Ärztin und habe versucht, ihr einiges über die Therapie zu erzählen. Sie hat gleich abgeblockt, weil sie von meinem Therapeuten erwartet, dass er ihr was schreibt, den Stand der Dinge, Therapieziele usw.

Irgendwie klappt es mit den Beiden nicht. Den Therapeuten habe ich mehrmals angesprochen, dass meine Ärztin von ihm was Schriftliches haben will, doch getan hat sich bis jetzt noch nichts

In der heutigen Stunde werde ich es nochmals ansprechen, hoffe dann auf eine Reaktion.

Wie funktioniert es bei euch mit der Zusammenarbeit Arzt-Therapeut? Fühlt ihr euch auch als "Vermittler" zwischen den Beiden?

Liebe Grüße
Susan


häslein
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Re: step by step - Depression als Chance?

Beitrag von häslein »

Liebe Susan,

erst mal vielen Dank für die Links, und natürlich die Mutmache. Bin schon ganz gelb, von den Gelben Seiten... habe über die DGPT einige Adressen gefunden, die ich anrufen kann.
Gestern abend hab ich den Kram erst mal hingeschmissen und für heute eine Telefonsprechstunde mit meinem Hausarzt vereinbart. Das war auch ein wirklich befreiendes Gespräch, denn ich bekam selbst keine Ordnung rein. Er hat mir nochmals zum mehrdimensionalen Ansatz geraten, d.h. einen anderen Zugang über die Gestaltungstherapie/Ergotherapie zu suchen, in Ruhe einen neuen Psychotherapeuten finden (ein paar Adressen stimmten mit meiner eigenen Liste überein), über den Körper mit meiner Krankengymnastin weiterzuarbeiten, und er sei ja auch noch da...
Medis kann ich bei Bedarf auch noch hochdosieren, und meine Schiß vor dem Notfallmedi hat er auch wieder beruhigt.
"Dann haben wir 4 Beine, und damit kann ein Tisch gut stehen..." das waren seine Worte, wie Balsam heute für mich. Das brauche ich zur Zeit am meisten: das Gefühl vermittelt zu bekommen, daß ich es schaffen werde. Dann erwacht auch wieder die Kraft, und der Weg wird freier, um neu durchzustarten.

Soviel auch zum Thema interdisziplinäre Verständigung zwischen Arzt und Therapeut. Meinen Hausarzt interessiert es sehr, wie es mit der Therapie weitergeht, ich finde es auch nur verantwortungsvoll, so damit umzugehen, denn wie du die Therapie empfindest, und wie dein Therapeut darüber schreibt, sind ja wiederum unterschiedliche Betrachtungsweisen, die man sich als sogesehene objektive 3. Person auch anschauen muß, oder etwa nicht.?
Aber das ist ein Thema, das sich leider immer wiederholt innerhalb dieses komplizierten Gesundheitsystems und der Ignoranz, mit der manche Behandler ihren Beruf verstehen.

Da ich ja auch chronische Schmerzen habe, habe ich auch schon einiges mitbekommen, was da an Verständigung schiefläuft. Eine Schmerzpatientin schrieb z.B.: "wenn Sie nicht bereit sind, meine Behandlung interdisziplinär zu koordinieren, und sich mit den Beteiligten auszutauschen; wenn Ihnen das zuviel ist, sagen Sie es gleich, dann gehe ich und suche mir jemand anderen..."
Das ist natürlich schwer, wenn man die Kraft nicht mehr hat, manchmal aber durchaus notwendig.

Mein Arzt hat mich jetzt nochmals darin bekräftigt, mit der letzten Therapie abzuschließen, und einen neuen Weg zu gehen. Von meinem Bauchgefühl her möchte ich auch nicht in die Verlängerung gehen, und das habe ich zumindest gelernt: wieder mehr auf den Kumpel Bauch zu hören. Ich kann eigentlich nur gewinnen bei der Sache.

Nun heißt es hartnäckig sein, und den Therapeuten auf den Fersen zu bleiben, um einen Termin zu bekommen, ist ja wirklich eine anstrengende Sache... muß mir das auch mal angewöhnen...grundsätzlich nur zu den vollen Stunden erreichbar sein, fürchte nur, dann hab ich keine Jobs mehr
Auf jeden Fall habe ich schon einen Termin: bei der Ergotherapeutin, die sehr nett am Telefon war, und mich sogar gefragt hat, ob ich den Aufzug in die 3. Etage nehmen könnte, und ob ich denke, daß ich es schaffe, zu dem Termin auch zu kommen... ich berichte euch, wie es war.

Ich muß jetzt wieder runter, es ist so unerträglich heiß hier oben...
Susan, wünsche dir das Beste für das Gespräch heute.

Liebe Grüße, Martina.
Lee
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Re: step by step - Depression als Chance?

Beitrag von Lee »

susan
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Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Re: step by step - Depression als Chance?

Beitrag von susan »

Liebe Lee, liebe Mitleser

dein Beitrag wirft viele Fragen auf, die ich mir auch schon gestellt habe. Nicht jeder, der an einer Depression erkrankt, wird darin eine Chance sehen, gestärkt daraus hervorzugehen und die Veränderungen, die dieser Lebensabschnitt mit sich bringt, sind sehr verschieden und nicht immer spürbar. Für den einen bricht alles bisherige weg und er muss sich neu orientieren, nach neuen Wege und Möglichkeiten suchen, die sein zukünftiges Leben bestimmen. Andere erleben kurzzeitige Phasen der Antriebslosigkeit und der Leere, die nicht so tiefgreifend sind und weniger schmerzhaft. Je nach Schweregrad der Krankheit entstehen Verluste und Einschnitte, bei denen man vordergründig den Schmerz und die Trauer spürt, ein Gefühl der Erleichterung und der Befreiung tritt oft viel später ein - wenn überhaupt...

Die Krankheit hat mich an meine Grenzen geführt, hat mir zu neuen Sichtweisen verholfen, hat mir geholfen, auch meine schwachen Seiten ernst zu nehmen, auf meine Ängste zu hören, meine Bedürfnisse zu erkennen, auch der Umgang mit anderen Menschen hat sich verändert. Dabei halte ich mich nicht für geheilt. Ich habe noch Wunden in mir, vieles schmerzt und lässt mich nicht so leben wie ich es mir gerne wünsche. Auch für mich stellt sich die Frage, wie gehe ich mit den erlebten Traumata um, gehe ich in die Tiefe, schaue ich mir an, was da gelaufen ist oder lasse ich es lieber. Anschauen würde heißen, ich komme mit meinen tiefliegendsten Ängsten in Berührung, es würde sich kraftlos und ohnmächtig anfühlen und dann?

Doch so wie ich es bisher verstanden habe, ist es nicht Sinn, jedes traumatische Erlebnis auszugraben, vielmehr geht es um das, was mich im Hier und Jetzt belastet, einschränkt und mich daran hindert, ein normales Leben zu führen. Auch hier kann man nicht verallgemeinern. Die Belastung, die jeder Einzelne spürt, kann grundverschieden sein. Einschränkungen werden unterschiedlich wahrgenommen und erlebt. Ich habe in einer EMDR-Sitzung erlebt, wie sich die Wahrnehmung in einer traumatischen Situation verändern kann, wie es möglich wird, anfängliche Angst und Panik in ein Gefühl der Sicherheit umzuwandeln. Dieses Erleben hat mir gezeigt, dass es möglich ist, erlebte Traumata so zu integrieren, dass sie nicht mehr "gefährlich" und lebensbedrohlich sind.

Doch Traumata allein sind es nicht, die mein Leben begrenzen, oft stehe ich mir selbst im Weg, mit meinen Erwartungen an mich und andere. Hier sind Veränderungen möglich, nicht die anderen ändern, die Arbeit an sich selbst steht im Mittelpunkt. Die Depression hat mich mir ein Stück näher gebracht, ich komme mir nun "authentischer" vor. Ich gestehe mir ein, dass ich zu den Menschen gehöre, die sich über sich und das Leben mehr Gedanken machen und gefühlsmäßig nicht alles, was geschieht und unterbleibt, so leicht hinnehmen und wegstecken können. Meine Sensibilität macht mich auch empfindsamer im Umgang mit anderen Menschen, so sehe ich es heute.

Liebe Lee, ich hoffe, die negativen Erfahrungen, die du in der Therapie machen musstest, wiederholen sich nicht. Ich wünsche dir den Mut und die Kraft, nach neuen Wegen Ausschau zu halten, die heilsamer und weniger schmerzvoll sind als die alten.

Liebe Grüße an alle hier
Susan


heike56
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Re: step by step - Depression als Chance?

Beitrag von heike56 »

Liebe Susan und liebe Mitleser,

besonders die letzten Beiträge haben mich sehr angesprochen und nachdenklich gemacht.

Ich sehe in der Depression eine Chance das Leben anders zu betrachten, evt. sensibler wahrzunehmen, eine tiefere Freude über manche Dinge zu empfinden. Sich zu fragen, was kann und möchte ich im Rahmen meiner Möglichkeiten machen.

Aber es ist schon beeinträchtigend, dass immer wieder Phasen kommen, wo ich weniger lebendig bin, Dinge wieder schwerer nehme.

Für mich heißt die Vergangenheit anzusehen, zu verstehen warum ich heute so bin, wie ich bin. Ob ich in die Tiefe der damaligen Erfahrungen nochmal abtauchen möchte, weiß ich nicht.

Ich verfolge über 14 Jahre die immer wiederkehrenden Phasen, wo die depressive Stimmung und das Denken wieder zunimmt. Sich alte Denkmuster wieder stärker bemerkbar machen als in den guten Phasen. Es sind keine tiefen Depressionen, sondern mehr ein Gefühl, dass sich ein graues Tuch über alles legt. Und das auch mitten im Sommer.

Ich stimme dir Susan zu, dass das Verändern von jetzigen, (störenden) Verhaltensweisen und -sichtweisen wichtig ist.

Susan, mir fällt gerade noch etwas zu deinem Absturz im Urlaub ein. Wenn man lange Zeit unter Druck stand und dann auf einmal zur Ruhe kommt, kann das auch wieder Depressionen auslösen. Es klingt widersinnig, aber anscheinend kann jede stärkere emotionale Veränderung Depressionen verstärken. (Verliebt sein, Hochzeit, Urlaubsbeginn genau wie negative Ereignisse).

Ich wünsche allen ein sommerliches, nicht zu heißes Wochenende

Liebe Grüße

Heike 47
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