Wieder zurück in das Berufsleben

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CountryJonny
Beiträge: 16
Registriert: 3. Mär 2022, 12:02

Wieder zurück in das Berufsleben

Beitrag von CountryJonny »

Hallo liebes Forum,

ich war 10 Wochen in einer psychiatrischen Klinik und war danach einen Monat von meinem Hausarzt noch krankgeschrieben.
Gerade gegen Ender der Klinikzeit und auch noch während der häuslichen Krankschreibung habe ich mich ziemlich gut gefühlt. Man hatte geradezu das Gefühl, dass man es gepackt hat die schwere Depression besiegt zu haben. So zumindest das Gefühl.

Doch innerlich machte sich immer wieder die Angst vor der Arbeit breit. Dazu gehört grübeln, Angst ins Bett zu gehen, weil man dort mit dem unvermeindlichen Weinen anfängt.
Ich hatte nach der Klinik wirklich das Gefühl meine Selbstzweifel ausgeräumt zu haben und überhaupt ersteinmal ein Selbstwertgefühl aufgebaut zu haben.
Doch dann begann die stufenweise Wiedereingliederung.
Letzte Woche habe ich mit zwei Stunden täglich angefangen. Da dachte ich mir noch, dass ich das gut absitzen kann, jedoch wurde diese Woche auf vier Stunden/täglich aufgestockt. Gestern nach der Arbeit war ich im Auto wie zuvor nur am ausrasten und kurz vor einem Weinkrampf, da mir das doch alles einfach zu viel ist.
Ich will nicht arbeitsfaul sein; ich will ja arbeiten, damit ich mein Gehalt wieder habe. Nur halte ich es einfach nicht aus. So richtig komme ich mit den Kollegen nicht klar, die Arbeitsweisen hier sind so durcheinander, so dass es überhaupt keine klare Richtlinien gibt. Man hat das Gefühl, dass jeder das macht was er will und wie es ihm passt.
Naja vielleicht liegt es auch einfach an mir und ich muss mich zusammenreißen.

Paralell bin ich auf der Suche nach einer neuen Stelle, jedoch habe ich auch da Angst nicht klarzukommen und überfordert zu sein.

Ich will arbeiten, kann aber nicht. Bin blockiert und wieder fast da, wo ich vor dem Klinikaufenthalt war.

Wollte mir das einfach mal von der Seele schreiben.
Vielleicht hat ja jemand Erfahrung in dem Bereich.

VG
SundayMan
Beiträge: 327
Registriert: 8. Sep 2022, 19:12

Re: Wieder zurück in das Berufsleben

Beitrag von SundayMan »

Hallo CountryJonny,

viele von den Gedanken, die du beschreibst, kenne ich auch.
Ich war selbst vor einigen Jahren in einer psychiatrischen Klinik und habe dort neues Selbstbewusstsein und Lebensfreude getankt. Nach der Klinikzeit gab es Momente, in denen ich mich wie vorher gefühlt habe - Ängste und depressive Episoden machten es mir erneut schwer.
Es ist nicht ungewöhnlich, dass nach einem Klinikaufenthalt wieder alte Denk- und Verhaltensmuster auftreten. Das darf auch sein, denn in 10 Wochen kann man nicht die ganzen vorherigen, prägenden Jahre vollkommen "umprogrammieren". Aber man ist auch nicht mehr an demselben Punkt wie vor dem Klinikaufenthalt, es braucht nur Zeit, damit das dort gelernte auch im Gehirn verankert wird.

Du schreibst, dass du arbeiten willst, aber nicht kannst und blockiert bist. Gleichzeitig schaust du nach neuen Stellen und dabei ist die Angst, erneut überfordert zu sein, sehr präsent. Ich verstehe das sehr gut, mir geht es gerade genauso. Ich möchte und kann dir hier keine Empfehlungen geben, aber dir zeigen, dass du mit solchen Gedanken und Ängsten nicht alleine bist.

Ich wünsche dir Kraft und baldige Besserung!

Lieber Gruß
"You asked me what's my pleasure, a movie or a measure
I'll have a cup of tea and tell you of my dreaming
Dreaming is free"
(Blondie)
Burma
Beiträge: 5
Registriert: 7. Sep 2022, 12:10

Re: Wieder zurück in das Berufsleben

Beitrag von Burma »

Hallo CountryJonny,
ich kann Deine Situation gut nachvollziehen. Hat Dich Deine berufliche Situation damals in die schwere Depression gebracht bzw. war sie der Hauptauslöser? Wenn dem so ist, dann kann ich Dir nur folgenden Rat geben. Du schreibst, Du hast jetzt nach der Aufstockung auf 4 h schon wieder diese Blockaden aufgebaut. Ich weiß genau, was Du meinst. Auf der anderen Seite schreibst Du, dass Du Dich anderweitig bewirbst. Das ist sehr gut, denn das heißt, Du hast noch Kraftreserven dagegen zu steuern und willst was ändern! Wenn das Umfeld im Büro Auslöser für die schwere Depression war, dann solltest Du Deine restliche Energie jetzt verwenden, um einen neuen Job zu finden. Natürlich ist das ein Risiko, aber wenn sich die Blockaden weiterhin verstärken und Du Dich in Deinem jetzigen Job bzw. Umfeld nicht gut fühlst, kann es möglicherweise sein, dass Du wieder abstürzt. Soweit sollte es nicht kommen, denn dann wird Dein Selbstbewußtsein auch immer weniger. Du mußt Dir immer wieder sagen, dass Du was kannst, dass Du viel wert bist und dass Du das schaffst. Aber in einem für Dich ungesundem Arbeitsumfeld werden Dir die Reserven schnell genommen. Noch kannst Du auch nicht stabil sein, die Depression hat sich ja innerhalb eines längeren Zeitraums aufgebaut. Wenn Du die nächsten Tage das Gefühl haben solltest, Du kannst nicht mehr, gehe zum Arzt. Evt. war die Eingliederung auch zu früh.
Alles Gute und viel Glück und Mut!
Burma
Lavendel64
Beiträge: 546
Registriert: 27. Dez 2017, 14:44

Re: Wieder zurück in das Berufsleben

Beitrag von Lavendel64 »

Hallo,
ich kenne das Gefühl aus meiner Wiedereingliederung. Die Erhöhung der Stunden fühlten sich wie unüberwindbare hürden an.
Ich habe mir Hilfe bei der Klinikambulanz "meiner" Tagesklinik gesucht, mit denen der Arbeitsbeginn auch abgestimmt war. Sie haben mich nochmal zwei Wochen krank geschrieben und mir erklärt, dass eine Wiedereingliederung ein Versuch ist, niemand kennt das Ergebnis im voraus. Es kann gut gehen, es kann aber auch sein, dass man es wieder und wieder anpassen muss. Natürlich will man einerseits aus dem Krankengeld raus, aber was h ilft's?!

Schau einfach, wie es DIR geht. Dieser Balanceakt zwischen Herausforderung und Krankheit ist nicht einfach, aber lass Dir gesagt sein, in dieser Phase lernst Du sehr viel über Dich und Du weißt später genau, wann du in die Überlastung gehst und bremsen musst.

Das, was Du schilderst, würde ich als normal bezeichnen. Du allein kannst entscheiden, wie Du nun reagieren musst. Evtl. mal Rücksprache mit Arzt/Therapeuten.

LG Lavendel
***Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen ***
Ulli1905
Beiträge: 38
Registriert: 14. Sep 2022, 08:51

Re: Wieder zurück in das Berufsleben

Beitrag von Ulli1905 »

Hallo CountryJonny,

ich habe keine Erfahrung mit dem Thema Wiedereingliederung, aber ich habe mich dennoch irgendwie wiedererkannt in Deiner Schilderung ... in dem was ich als "ich muss das doch schaffen" wahrgenommen habe. Daher hat mich die Antwort von Lavendel sehr berührt ... gut mit sich umzugehen, sich helfen zu lassen, anzuerkennen dass es doch noch nicht in dem Maße geht das ich mir vorgestellt habe ... und eben auch achtsam sein, dass ich nicht wieder in alte Fallen tappe und ich wieder abstürze. Denn das ist doch die "blödeste" Option die ich wählen kann ...

Danke dafür dass ich das durch Deinen Beitrag für mich erkennen darf.

Liebe Grüße,
Ulli
Sanne-
Beiträge: 109
Registriert: 13. Jan 2022, 20:06

Re: Wieder zurück in das Berufsleben

Beitrag von Sanne- »

Hallo CountryJonny,
Ich glaube ich bin gerade genau da, wo du vor deinem Klinikaufenthalt warst. Und bald startet auch meine stationäre Aufnahme und mache mir jetzt schon Gedanken darum, dass es mir danach einfach genauso gehen wird... ich kriege mittlerweile richtig Panik, wenn ich zur Arbeit gehe... was eigentlich recht schade ist, weil der Job schön ist... ich lass mir aber zu viel gefallen, kann mich schlecht abgrenzen und nehme das Ganze mit nach Hause... Diese Angst vor dem Zubettgehen habe ich auch genau so wie du... es tut mir so Leid für dich, dass es jetzt wieder hochkommt... ich überlege ob ich danach einfach erstmal einer etwas einfacheren Tätigkeit nachgehen soll... vielleicht ohne einen so engen Kontakt zum Team und zur Leitung... wenigstens für eine Zeit... vielleicht wäre das ja auch eine Idee für dich... Liebe Grüße und alles Gute dir...
Secret
Beiträge: 1396
Registriert: 16. Dez 2010, 16:15

Re: Wieder zurück in das Berufsleben

Beitrag von Secret »

Hallo CountryJonny,

ich befinde mich gerade in der Phase vor der REHA.

Das du auch noch Bewerbungen schreibst kostet zusätzliche Kraft, ist auch Arbeit.

Wenn alles zu viel ist musst du auf dein Herz hören, gehst du nochmal zum Arzt? Was machst du zur Zeit? 2 Wochen noch 4 Stunden am Tag und dann mehr? Oder Wiedereingliederung abbrechen? Musst du die denn schaffen wenn du den Job wechseln möchtest?

Ich wünsche Dir noch viel Kraft.
LG

Secret
CountryJonny
Beiträge: 16
Registriert: 3. Mär 2022, 12:02

Re: Wieder zurück in das Berufsleben

Beitrag von CountryJonny »

Guten Morgen Zusammen,

danke für eure Rückmeldungen und die Anteilnahme. Auch freue ich mich, dass ich mit meinem Beitrag euch das Gefühl gegeben zu haben, dass ihr nicht alleine seid.

Die 10 Wochen Klinik waren ein guter Start, jedoch merke ich, dass ich wirklich noch weiter an mir arbeiten muss. Demnächst starte ich eine ambulante Psychotherapie. Diese fehlt mir seit der Klinikzeit sehr.
Kraftreserven habe ich tatsächlich noch. Kein Ahnung wie ich die zusammenkratze, aber für eine große Sache am Tag reicht es meist aus.
Aber es ist tatsächlich so, dass die Arbeit meine Kraft raubt. Klar ist Arbeit immer anstrengend, nur diese hier macht mich fertig. Deswegen nehme ich bzgl. eines Wechsels meine Reserven zusammen und versuche zu "entfliehen".

@Sanne und Secret: ich wünsche euch viel Erfolg für eure Aufenthalte. Für mich war es eine sehr prägende Zeit.

@Secret: Ich werde mal bei der Krankenkasse nachfragen, ob ich die Wiedereingliederung geschafft haben muss für einen Stellenwechsel.

Sorry, wenn ich nicht auf jede einzelne Frage/Aussage eingehen kann. Bin gerade wieder mit mir selbst überfordert.
Dennoch danke für eure Nachrichten.

VG
Amnesiac
Beiträge: 47
Registriert: 23. Sep 2022, 16:59

Re: Wieder zurück in das Berufsleben

Beitrag von Amnesiac »

Hallo CountryJohnny,

ich stecke gerade in einer ganz ähnlichen Situation. Nach nunmehr 1,5 Jahren Arbeitsunfähigkeit, davon über 12 Wochen stationärer Klinikaufenthalt, versuche ich mich gerade wieder zurück in‘s Leben zu kämpfen. Da mein Krankengeld bald ausläuft, habe ich nun mit einer stufenweisen Wiedereingliederung begonnen. Aktuell sind es 3 Stunden/d.

Meine berufliche Situation war bei mir der externe Auslöser der aktuellen Erkrankung und damit auch meiner Angstzustände und Panikattacken. Ich bin über einen langen Zeitraum zunehmend mehr abgestürzt und habe mich dann mit Hilfe von Medikamenten noch ein weiteres Jahr durch meinen Job gehangelt. Aufgeben kann ich immer schlecht, trotz aller massiven Warnsignale, die ich in den Wind geschossen habe. Bis dann der totale Zusammenbruch kam und einfach nichts mehr ging: Eines Tages machte es „Peng“ und meine ganzen Gedankenkarusselle, die mich permanent zu jeder Tages- und Nachtzeit auf Trab gehalten und meine Angst geschürt haben, waren weg. Dafür war der Kopf komplett leer, wohl eine Schutzreaktion des Körpers. Leider waren damit auch mein Gedächtnis und die Fähigkeit, mich verbal zu artikulieren, einfach weg!

Bezüglich meiner Arbeitsplatzsituation gibt es nur Kampf oder Flucht. Den Kampf habe ich offensichtlich verloren, deswegen blieb mir nur noch die Flucht. Bei der Flucht gilt es jedoch zu berücksichtigen: man nimmt sich selbst ja mit! Sollte man also selbst das Problem darstellen, hat man durch Flucht nicht viel gewonnen.

Nun, ich bin dennoch geflohen! Ich stecke also - 18 Monate später - in der stufenweisen Wiedereingliederung und zwar in einem neuen Job. Alles ist fremd und alle Kollegen arbeiten im Homeoffice. Plötzlich sind alle meine Blockaden wieder da (wie traumatisiert von meinem alten Job). Ich kann nicht denken, ich kann meine Gedanken nicht fokussieren, ich kann mir nichts merken. Totale Blockade, als wäre ein Brett hinter der Stirn, durch das nichts hindurch geht. Dieses Brett bereitet auch oft Kopfschmerzen. Ich kann meine Gedanken nicht steuern und mich auf das konzentrieren, was ich nun zu lernen hätte. Das frustriert mich zusätzlich. Ich bin sehr angespannt und merke, dass ich mich damit noch zusätzlich unter Druck setze. Ein Teufelskreis. Ich wurde so erzogen, dass ich funktionieren muss. Ich merke auch, dass ich dann sehr häufig in die Vermeidung gehe (Prokrastination) - versuche aber, mir nach außen erstmal nichts anmerken zu lassen. Aber wenn es so bleibt mit meinen kognitiven Einschränkungen, geht das natürlich auf Dauer nicht gut! Ich werde gnadenlos versagen. Es geht mir da genau wie dir: ich will arbeiten, kann es aber nicht. Und es ist nahezu unmöglich, diese Situation anderen glaubhaft zu vermitteln. Das kauft einem niemand ab, weil man es mir nach außen nicht unbedingt ansieht.
Was dann danach kommt, weiß ich aktuell nicht. 
Und da sind sie dann wieder: meine Versagensangst und die gelebte Perspektivlosigkeit. Aktuell bin ich ratlos, wie es weitergehen soll.


Aber ich drücke dir und mir die Daumen, dass wir hoffentlich bald die Kurve kriegen. 
LG
Amnesiac (der Name ist Programm)

Ich kann sehr gut Mitmenschen umgehen.
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