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Gedichte VI

Verfasst: 18. Sep 2004, 13:02
von Dendrit
Neuer Thread, weil der alte für Analoge überquillt

Re: Gedichte VI

Verfasst: 18. Sep 2004, 13:16
von mäuseei

Re: Gedichte VI

Verfasst: 18. Sep 2004, 19:26
von jolanda
Meeres Stille

Tiefe Stille herrscht im Wasser,
Ohne Regung ruht das Meer,
Und bekümmert sieht der Schiffer
Glatte Fläche ringsumher.
Keine Luft von keiner Seite!
Todesstille fürchterlich!
In der ungeheuren Weite
Reget keine Welle sich.




Glückliche Fahrt

Die Nebel zerreißen,
Der Himmel ist helle,
Und Äolus löset
Das ängstliche Band.

Es säuseln die Winde,
Es rührt sich der Schiffer.
Geschwinde! Geschwinde!
Es teilt sich die Welle,
Es naht sich die Ferne,
Schon seh‘ ich das Land!

Goethe

Re: Gedichte VI

Verfasst: 18. Sep 2004, 19:33
von Xenia
ähemm, ich wollte ja eigentlich "Die Bürgschaft" hier reinstellen, aber habe vergessen, ob sie 100 oder 200 Strophen hat *grins*

(Bitte nicht ernstnehmen, bin gaga und muß überall meinen Senf dazugeben)

Re: Gedichte VI

Verfasst: 18. Sep 2004, 20:04
von mäuseei
Nicht alle Schmerzen sind heilbar,
denn manche schleichen
sich tiefer und tiefer
ins Herz hinein,
und während Tage und Jahre
verstreichen,
werden sie Stein.

Du sprichst und lachst,
wie wenn nichts wäre.
Sie scheinen zerronnen
wie Schaum.
Doch du spürst ihre lastende
Schwere
bis in den Traum.

Der Frühling kommt wieder
mit Wärme und Helle.
Die Welt wird ein Blütenmeer.
Aber in meinem Herzen
ist eine Stelle,
da blüht nichts mehr.

(ricarda huch)

Re: Gedichte VI

Verfasst: 19. Sep 2004, 11:25
von mäuseei
Wenn die Angst im Dunkeln verhallt
und der Schrei nach Hilfe ungehört bleibt,
dann ist der Raum nur noch
mit verzweifelter Leere erfüllt.
Und das Leben wird im Gefängnis des Todes erstickt.

Wenn die im Tal des Todes verirrten Menschen
als Irre bezeichnet werden,
gibt es keine Rückkehr ins Leben.

Wo, ohne hinzuhören, verurteilt wird,
gibt es keine Hoffnung mehr,
und die Sprache verliert ihren Sinn.

Wo keine Hoffnung und keine Sprache mehr ist,
da reißt der Faden des Seins.
Da gibt es einen Bruch mit Raum und Zeit
und das Ver-rücktsein wird zur Realität.

Re: Gedichte VI

Verfasst: 19. Sep 2004, 21:52
von jolanda
Hallo!

Warum nicht gleich auch Schillers Glocke liebe Xenia?

Ich habe die beiden Gedichte von Goethe (sie gehören ja zusammen) in einer schwer depressiven Phase zufällig im Fernsehen gehört (nicht lachen: in der Sendung mit der Maus)und es hat mich wie ein Schlag getroffen. "Meeresstille" schilderte genau, wie es mir da gerade ging. Und doch hat mir das zweite Gedicht "Glückliche Fahrt" genau in diesem Moment dann auch zum ersten Mal wieder Hoffnung gegeben. Drum sind mir diese beiden Gedichte so wichtig und deshalb habe ich sie nun mal hier hereingestellt.

Liebe Grüße, Jolanda

Re: Gedichte VI

Verfasst: 19. Sep 2004, 21:54
von Xenia
Liebe Jolanda,

das sind halt die immer noch bestehenden Depressions-Entscheidungsschwierigkeiten. An die Glocke hatte ich auch gedacht...

Ganz liebe Grüße

Xenia

Re: Gedichte VI

Verfasst: 20. Sep 2004, 20:29
von mäuseei
Die Nacht geht fremd an mir vorbei
in Mondlicht und in Finsternis,
der Wind, der mich vom Aste riß,
ließ mich verdrossen wieder frei
und gab mir keinen Namen.
Ein Stein mit Feuersamen
erzählt mir viel von einem Stern
und daß er selbst den großen Herrn
in seinem Innern hätte.
Da steh ich auf und glätte
ehrfürchtig jeden Bug an mir
und bitt' den Stein: Laß mich bei dir
ein wenig wärmer werden!
Er aber sagt: Wärm dich allein!
und brennt verzückt in sich hinein
und ist nicht mehr auf Erden.
So geht es mir mit jedem Ding,
es mag mich niemand haben,
und selbst der Baum, an dem ich hing,
trägt lieber Kräh' und Raben.

(christine lavant)

Re: Gedichte VI

Verfasst: 21. Sep 2004, 09:22
von Edeltraud
du eine insel


du
eine insel
ich
eine insel
getrennt
durch wasser
tiefgründig
und voller
geheimnis

du
eine insel
ich
eine insel
verbunden
durch wellen
immer wiederkehrend
in der unendlichkeit


Eva Hesse

Re: Gedichte VI

Verfasst: 21. Sep 2004, 16:41
von mäuseei
Eine Ladung Bequemlichkeitsblöcke.
Eine Ladung Sicherheitseisen,
eine Ladung Feigheitsziegel,
alles verkleidet mit netten *Anpassungsklinkern*
und obendrauf einen Schwierigkeitsableiter.

So hast Du Dich und Deine Gefühle
eingemauert.

*Gut versorgt*,
jetzt kann Dich niemand
mehr verletzen -
aber auch niemand
mehr erreichen.

Re: Gedichte VI

Verfasst: 22. Sep 2004, 13:15
von sisyphos
Ich möchte gehen.
Damit du mich in deine Arme schliesst.
Damit ich deine Nähe spüre.
Dein Atem an meinem Ohr.
Deine Stimme, die sagt:
Auf Wiedersehen.

Ich möchte kommen.
Damit du mich in deine Arme schliesst.
Damit ich deine Wärme spüre.
Deine Haut auf der meinen.
Du lächelst und sagst:
Hallo!

Ich will mich nicht bewegen.
Will ewig in deinen Armen liegen.
Will ewig in deiner Nähe sein.
Will ewig deinen Atem spürn.
Will geliebt werden
und du sagts:
Lebe wohl!

Ich käme und ginge immer wieder.
Doch Herz und Tür hast du verschlossen!

Re: Gedichte VI

Verfasst: 26. Sep 2004, 11:17
von Dendrit

Re: Gedichte VI

Verfasst: 26. Sep 2004, 16:19
von butterfly7
hi Attila und @all,
finde besonders deine gedichte
wunderbar.
trifft doch vieles auf mich zu.
könnte auch etwas "beisteuern"
kann aber nicht, da " steuer

u.v.a.d. aufzuarbeiten sind.
starre wie das kaninchen auf die schlange.
ganz liebe grüße an dich
und @all.
liebe grüße an alle, denen ich nicht antworte, weil termindruck und gleichzeitiger handlungsunfähikeit.
also dann an die arbeit............
(star)dust

Re: Gedichte VI

Verfasst: 26. Sep 2004, 17:08
von mäuseei
Es ist Unsinn, sagt die Vernunft.
Es ist was es ist,
sagt die Liebe.
Es ist Unglück, sagt die Berechnung.
Es ist was es ist,
sagt die Liebe.
Es ist nichts als Schmerz, sagt die Angst.
Es ist was es ist,
sagt die Liebe.
Es ist aussichtslos, sagt die Einsicht.
Es ist was es ist,
sagt die Liebe.
Es ist lächerlich, sagt der Stolz.
Es ist was es ist,
sagt die Liebe.
Es ist leichtsinnig, sagt die Vorsicht.
Es ist was es ist,
sagt die Liebe.
Es ist unmöglich, sagt die Erfahrung.
Es ist was es ist,
sagt die Liebe.

(erich fried)

Re: Gedichte VI

Verfasst: 26. Sep 2004, 17:37
von butterfly7
hi attila,
oh neiiiiiiiiiiiiiiin,
dies schrieb mir meine einzige (vermeintliche) GROßE LIEBE nach dem tod meines
mannes und meiner eltern.
ich schenkte ihm u.a. ein buch von
Fried.
seine aussage u.a. soll mein ewiger
begleiter sein.
sorry,
heftige gefühle
leider kann ich nicht mehr weinen.
(star)dust

Re: Gedichte VI

Verfasst: 26. Sep 2004, 18:33
von mäuseei
er kommt, er geht, wie es ihm passt-
er bleibt, er würgt, ich bleibe gefasst-
ein kloss, der wächst, die kehle zuschnürt,
gedanken gefangen, in die irre geführt,
ein schutzwall der bricht,
kein inneres licht,
beherrschend die wucht, überfallen davon,
eingenommen, das herz wie beton,
raubst mut, raubst kraft, lässt erstarren
das leben im gefängnis verharren,
du, wieso hast du solch immense kraft,
dass dort eine lücke klafft,
wo sovieles sein könnte.. wärest du nicht da
du, der schmerz.

Re: Gedichte VI

Verfasst: 26. Sep 2004, 21:11
von Data

Re: Gedichte VI

Verfasst: 28. Sep 2004, 19:46
von Roberto
Was ist nun ablesbar
.
Was erwartet uns,
was nicht hinter uns liegt?
Brocken sind da,
wir wälzen sie,
das Sprachmaterial
hat sich verfestigt,
selbst die sinnlichen Dinge
sind davon erfaßt,
vor uns liegt lebenswarm
aber ausgeblutet
der Lebensstoff.
.
Was ist nun ablesbar
aus den vielen kleinen
Knochenstückchen,
die ausgeschüttet worden sind
aus dem ledernen Brustbeutel
des Medizinmanns?
.
Ein Garn wird abgelassen,
es wird länger und länger,
Kringel legen sich und Schleifen,
alle Nasen beugen sich
über die Muster,
hängen lose herab,
die Trümmerbirne schwankt,
eine herrische See,
mit einem leichten Augenfehler,
Regen auf die Ödekirche
'gamla kyrka-regn, de öser ned",
zwei Wolldecken,
von der Nässe dumpf und feucht,
auf ihnen das Buch,
das damals grad in Mode war.
.
Tepsy,
ihre außerordentliche Beweglichkeit,
sie klettert aufwärts,
stellenweise
bieten ihr ein paar Pflanzen Halt,
matte Tönung des salzgrauen Puders
auf ihrer Haut,
alles wie geschnitzt,
alles wieder auseinander genommen,
und gerade deshalb so deutlich,
den einen Arm gegen den Baum gestützt,
der Schuß fiel
Schmerz ist das, dieses SPRÖDE
*
(Wilhelm Fink)

Re: Gedichte VI

Verfasst: 28. Sep 2004, 19:46
von Roberto
Was ist nun ablesbar
.
Was erwartet uns,
was nicht hinter uns liegt?
Brocken sind da,
wir wälzen sie,
das Sprachmaterial
hat sich verfestigt,
selbst die sinnlichen Dinge
sind davon erfaßt,
vor uns liegt lebenswarm
aber ausgeblutet
der Lebensstoff.
.
Was ist nun ablesbar
aus den vielen kleinen
Knochenstückchen,
die ausgeschüttet worden sind
aus dem ledernen Brustbeutel
des Medizinmanns?
.
Ein Garn wird abgelassen,
es wird länger und länger,
Kringel legen sich und Schleifen,
alle Nasen beugen sich
über die Muster,
hängen lose herab,
die Trümmerbirne schwankt,
eine herrische See,
mit einem leichten Augenfehler,
Regen auf die Ödekirche
'gamla kyrka-regn, de öser ned",
zwei Wolldecken,
von der Nässe dumpf und feucht,
auf ihnen das Buch,
das damals grad in Mode war.
.
Tepsy,
ihre außerordentliche Beweglichkeit,
sie klettert aufwärts,
stellenweise
bieten ihr ein paar Pflanzen Halt,
matte Tönung des salzgrauen Puders
auf ihrer Haut,
alles wie geschnitzt,
alles wieder auseinander genommen,
und gerade deshalb so deutlich,
den einen Arm gegen den Baum gestützt,
der Schuß fiel
Schmerz ist das, dieses SPRÖDE
*
(Wilhelm Fink)

Re: Gedichte VI

Verfasst: 8. Okt 2004, 12:31
von Edeltraud
VERSTEHEN

Zwischen dem was ich denke
dem was ich sagen will
dem was ich zu sagen glaube
und dem was ich sage

zwischen dem was ihr hören wollt
dem was ihr hört
dem was ihr zu verstehen glaubt
dem was ihr verstehen wollt
und dem was ihr versteht

gibt es neun Möglichkeiten
sich nicht zu verstehen.


Verfasser mir unbekannt

Re: Gedichte VI

Verfasst: 8. Okt 2004, 13:26
von susan
....gesagt...

gesagt ist nicht gehört
gehört ist nicht verstanden
verstanden ist nicht einverstanden
einverstanden ist nicht behalten
behalten ist nicht angewandt
angewandt ist nicht beibehalten

Re: Gedichte VI

Verfasst: 8. Okt 2004, 19:42
von flocke
Der Einsamkeit war ich befohlen
vom Zeitgeist " Sinnlosigkeit"
Längst hat der Todesrausch verführt.
Auf Qual folgt Erlösung
Und als Vermächtnis bleiben
Fragen, die einsam machen.

Vergrabt sie mit mir.

Flocke

Re: Gedichte VI

Verfasst: 11. Okt 2004, 16:40
von kr
Mein Traum verbrannt
in der roten Abendsonne.
Meine Hoffnung verloren
am endlosen Horizont.

Und ganz leise klingt ein
Abschiedslied durch mein Herz:

Singt vom Sternenmeer
der Unendlichkeit und
den Regenbogensonnen
in meiner dunklen Seele.

Seltsam bekannt die
Melodie und Worte,
denn es ist mein Lied
und ich der Sänger.

Kleiner Rabe

Re: Gedichte VI

Verfasst: 12. Okt 2004, 15:35
von Acedia
Leider ist mir nicht die Kunst der Poesie gegeben.
Aber:
dein Schmerz ist auch mein Schmerz,
deine Verzweiflung ist meine Verzweiflung
es sind UNSERE geplatzten Träume und
UNSERE zerstörten Hoffnungen...

Ja, auch in mir schwingt dieses Abschiedslied und seine Melodie bricht mir das Herz...