Team Wallraff undercover in Psychiatrien

Antworten
riverflow
Beiträge: 535
Registriert: 4. Apr 2014, 11:30

Team Wallraff undercover in Psychiatrien

Beitrag von riverflow »

https://www.tvnow.de/shows/team-wallraf ... right_rail" onclick="window.open(this.href);return false;
Lisa Marie
Beiträge: 74
Registriert: 27. Dez 2017, 20:45

Re: Team Wallraff undercover in Psychiatrien

Beitrag von Lisa Marie »

Ich habe den Beitrag teilweise gesehen. Das war erschreckend. Habe richtig Angst vor einem Aufenthalt in der Psychiatrie bekommen.
Liebe Grüsse

Lisa Marie
riverflow
Beiträge: 535
Registriert: 4. Apr 2014, 11:30

Re: Team Wallraff undercover in Psychiatrien

Beitrag von riverflow »

Ja, absolut erschreckend und menschenunwürdig.
Vielleicht kann man die Sendung einfach auch als Hinweis nehmen, dass man sich frühzeitig informiert, wo man im Ernstfall gut aufgehoben ist.
Gertrud Star
Beiträge: 3441
Registriert: 30. Jun 2014, 19:09

Re: Team Wallraff undercover in Psychiatrien

Beitrag von Gertrud Star »

Ich habe den Beitrag noch nicht gesehen. Der Stream fordert meinen Läppi ganz schön.
Die Suchmaschine sagt, die Reporter wären (fast) aufgeflogen.
Habt ihr gewusst, dass Wallraff seinen ersten Undercover-Einsatz auch in einer Klinik hatte, Psychiatrie oder Suchtklinik.?
Bittchen
Beiträge: 5430
Registriert: 2. Feb 2013, 18:02

Re: Team Wallraff undercover in Psychiatrien

Beitrag von Bittchen »

https://programm.ard.de/?sendung=28111251718411" onclick="window.open(this.href);return false;
Jeder Tag ist ein neuer Anfang.
Gertrud Star
Beiträge: 3441
Registriert: 30. Jun 2014, 19:09

Re: Team Wallraff undercover in Psychiatrien

Beitrag von Gertrud Star »

Der Link zum Hirschhausen in der Psychiatrie
https://www.youtube.com/watch?v=rQYkbL6H0eI" onclick="window.open(this.href);return false;
Gertrud Star
Beiträge: 3441
Registriert: 30. Jun 2014, 19:09

Re: Team Wallraff undercover in Psychiatrien

Beitrag von Gertrud Star »

Zum Wallraff:
Echt heftig. Da würde ich nicht sein wollen.
Mir fällt da echt das Wort Menschenrechtsverletzung ein bei einigen der da gezeigten Situationen.
Lisa Marie
Beiträge: 74
Registriert: 27. Dez 2017, 20:45

Re: Team Wallraff undercover in Psychiatrien

Beitrag von Lisa Marie »

Ich denke die ganze Zeit über diesen Film nach. Es heisst ja immer man muss in die Psychiatrie in deren Einzugsgebiet man liegt. Wenn das aber so eine schlechte Psychiatrie ist. Dann hat man ja gar keine Wahlmöglichkeit. Das fühlt sich so ausgeliefert an.
Liebe Grüsse

Lisa Marie
Lieblingsuli
Beiträge: 1253
Registriert: 28. Sep 2018, 12:22

Re: Team Wallraff undercover in Psychiatrien

Beitrag von Lieblingsuli »

Dieses Gefühl des Ausgeliefertseins begleitet mich schon seit 2010, als meine Ehefrau mit den Kindern und dem gemeinsamen Hund aufgrund eines Gerichtsurteils aus der gemeinsamen Wohnung ausziehen musste.
"Ein Teil dieser Antworten würde die Bevölkerung verunsichern"

Lothar de Maizière
Bittchen
Beiträge: 5430
Registriert: 2. Feb 2013, 18:02

Re: Team Wallraff undercover in Psychiatrien

Beitrag von Bittchen »

Danke liebe Gertrud,für den Link von Hirschhausen.
Jedes Ding hat zwei Seiten.

Es gibt leider,gerade auch im medizinisch,pflegerischen Bereich ,schwarze Schafe.
Klar machen solche Berichte Angst,das steigert bei RTL ja die Einschaltquote.
Gott sei Dank sind solche Zustände ,selbst bei sehr schwer psychisch Erkrankten und bei zu Gewalt neigenden Menschen, die Ausnahme.
Es ist trotzdem gut,wenn das angeprangert wird und jetzt Konsequenzen hätte für das KKH in Frankfurt -Höchst.
Was ja in jedem medizinischen Bereich ganz wichtig ist,dass Angehörige oder auch Betreuer sich kümmern ,wenn sie Missstände bemerken.
Daran fehlt es ja oft,denn solche Patienten sind ja nicht nur nett.
Da sind auch die nächsten Angehörigen nur noch froh,jede Verantwortung abgeben zu können.
Das kenne ich nicht nur aus der Psychiatrie.
Liebe Grüße
Bittchen
Jeder Tag ist ein neuer Anfang.
Lieblingsuli
Beiträge: 1253
Registriert: 28. Sep 2018, 12:22

Re: Team Wallraff undercover in Psychiatrien

Beitrag von Lieblingsuli »

Bittchen hat geschrieben:Gott sei Dank sind solche Zustände ,selbst bei sehr schwer psychisch Erkrankten und bei zu Gewalt neigenden Menschen, die Ausnahme.
Der Mensch neigt von Natur aus zur Gewalt. Schau dir mal die kleinen Kinder an. Gottseidank gibt es so etwas wie Erziehung! Impulskontrolle will gelernt sein!
"Ein Teil dieser Antworten würde die Bevölkerung verunsichern"

Lothar de Maizière
DieNeue
Beiträge: 5462
Registriert: 16. Mai 2016, 22:12

Re: Team Wallraff undercover in Psychiatrien

Beitrag von DieNeue »

Hallo Lisa Marie,

wenn ich dich richtig verstehe, warst du selbst noch nie in einer psychiatrischen Klinik. Lass dir von dem Film nicht so sehr Angst machen! Ich hab ihn nicht ganz gesehen, nur ca. das erste Viertel, aber das hat mir schon gereicht.
Es ist kaum vorstellbar, dass es solche Zustände wirklich gibt, aber es ist wohl so. Und das ist wirklich erschreckend! Ich denke aber auch, dass das nicht die Regel ist! Ich war bis jetzt einmal in einer Tagesklinik für 10 Wochen und einmal stationär für 3 Monate. Keine der Kliniken war so! Und auch aus Erzählungen von anderen Patienten habe ich so etwas noch nie gehört. Wie es auf geschlossenen Stationen ist, weiß ich allerdings nicht, ich war nur auf offenen.

Ich schreibe dir, weil du dir jetzt seit drei Tagen Gedanken über diesen Film machst. Bitte versuch die Bilder aus dem Film wieder aus dem Kopf zu kriegen, das macht dich nur fertig. Vielleicht kannst du ja mal googeln oder auf YouTube schauen, ob du da positive Erlebnisberichte über Aufenthalte in der Psychiatrie findest. Und dann lies sie, schau sie an und nimm sie mindestens genauso ernst wie den Film!

Mein stationärer Aufenthalt war nicht so gut, weil ich Probleme mit den Therapeuten hatte. Aber das waren völlig anders gelagerte Probleme als im Film (zumindest was ich von dem Filmgesehen habe). Andere Leute kamen gut mit den Therapeuten zurecht und ihnen hat der Aufenthalt sehr gut getan. Es gab keine Gummizelle, keine Fixierungen, etc. Klar gab es Mitpatienten, die anstrengend waren oder die man nicht sympathisch fand, aber Gewalt etc. habe ich bei noch keinem erlebt.
Lisa Marie hat geschrieben: Es heisst ja immer man muss in die Psychiatrie in deren Einzugsgebiet man liegt. Wenn das aber so eine schlechte Psychiatrie ist. Dann hat man ja gar keine Wahlmöglichkeit. Das fühlt sich so ausgeliefert an.
Solange du dich nicht selbst oder andere gefährdest, kommst du im Normalfall eh nicht auf eine geschlossene Station. Im Normalfall sage ich deshalb, weil ich mal mitbekommen habe, dass manche, die spontan selbst in die Klinik kamen, erstmal 1-2 Tage auf der geschlossenen waren, weil auf der offenen Station noch nicht gleich ein Bett frei war.
Wenn man geplant in eine Klinik gehen will, kann man sich die Klinik schon aussuchen, zumindest war das bei mir so. Ich komme aus Bayern und war in Hessen in einer Klinik. Das lief über die Krankenkasse. Bei manchen läuft das wohl aber auch tw. über die Rentenversicherung, aber da kenne ich mich nicht aus. Ich kann nur sagen, wie es bei mir war. In der Tagesklinik war ich im Nachbarort. Ist aber auch naheliegend, weil man da ja jeden Tag hinfahren muss.
Meine Hausärztin hat mal erzählt, dass sie von ihrer Praxis aus mal jemanden in die Psychiatrie bringen mussten und die Person vom Rettungsdienst nicht in das nächstgelegene Krankenhaus gebracht wurde, weil da kein Bett frei war, sondern mehrere andere Kliniken der Reihe nach angefunkt/angefahren wurden und schlussendlich die Person erst im dritten oder vierten Krankenhaus aufgenommen werden konnte. Von daher muss es nicht sein, dass man da automatisch in seinem Bett auf dem Gang geparkt wird, nur weil man aus dem Einzugsgebiet kommt.

Versuch bitte den Film wieder aus dem Kopf zu kriegen und deinen Kopf mit positiveren Bildern von Psychiatrie zu füttern. Nicht, weil ich irgendwas verharmlosen möchte oder denke, dass solche Sachen unter den Teppich gekehrt werden sollten, sondern, weil solche Filme die schlimmsten der schlimmsten Zustände zeigen und das meistens eben nicht der Regelfall ist.

Ich hoffe, ich konnte dir ein bisschen die Angst nehmen.

Liebe Grüße und gute Nacht!
DieNeue
Christiane1
Beiträge: 583
Registriert: 19. Dez 2013, 09:10

Re: Team Wallraff undercover in Psychiatrien

Beitrag von Christiane1 »

In dem Beitrag von Wallraff und Team erkannte ich so drei, vier negative Situationen wieder aus meinem Akut-Aufenthalt 2009, ich hatte mich damals aufgrund anhaltender Panikzustände selber eingewiesen und
blieb drei Wochen. Am unangenehmsten war mir dabei das Gefühl des Ausgeliefertsein und
diese Welt tickt auch völlig anders, niemand bleibt davon unbeeindruckt, am wenigsten das Personal, das sich tagtäglich dort aufhalten muss.

Ein Stockwerk tiefer befand sich die geschlossene Psychiatrie und das wurde den etwas anstrengenderen Patienten und Patientinnen auf meiner Station auch gerne mal in Erinnerung gebracht. Ich verhielt mich in den drei freiwilligen Wochen auf dieser Station bewusst höflich und zurückhaltend, habe alle Therapien angenommen und mich allmählich auch mit mir ruhiger gefühlt. Es gab mal einen Schreckmoment, als ich mit einem Kaffeebecher im Flur hockte und gerade in den Klinikgarten gehen wollte und ich derb angefahren wurde von einer Schwester, dass ich das nicht dürfte.
Gestern durfte man das noch, heute nicht mehr, weil Patienten im Treppenhaus Kaffee verschütteten und man ab sofort nichts mehr nach draussen bringen durfte. Ich habe keinen Kaffee verschüttet oder im Flur herumgesaut, aber Regel ist nun mal Regel für alle.

Dieses unsinnige Verbot umging ich, indem ich weiterhin meinen Kaffee draussen trank, aber den Moment abwartete, bis mich keiner sah beim Rausbringen. Das war so der Moment, indem auch ich anfangen musste zu tricksen, um im Alltag auf dieser Station zu bestehen, ein Unding im Grunde. Ich habe, um dort zu überleben, noch mehr vernünftige Dinge getan, aber die werde ich hier nicht äussern.

Das Beispiel im Beitrag, wo es um Farben und Formen von Tabletten geht, kann ich leider auch bestätigen. Ich bekam eine (1) weisse mit Schlitz (Citalopram), bei der Ausgabe jedoch sind mir in drei Wochen Aufenthalt geschlagene dreimal falsche Tabletten überreicht worden.
Eine bunte Palette aus vielleicht Antipsychiotika, Antidepressiva und Beruhungsmittel, ich habe das natürlich jedesmal gemerkt. Beim dritten Mal war ich vorsichtig sauer und anstatt einer
Entschuldigung gab es einen dummen Spruch. Und nicht zu vergsssen, nicht aufsässig werden, die Geschlossene ist gleich ein Stockwerk tiefer.

Ein bestimmter Pfleger in der Abendschicht fiel mir extrem unangenehm auf. Er fand es sinnvoll, einen Fernsehfilm bis 22.15 Uhr im Aufenthaltsraum Punkt 22.00 Uhr zu beenden, obwohl das überhaupt keinen Sinn machte. Ich lernte dort wie ein Hund zu gehorchen, und nach drei Wochen, als ich selber bereit war meine neue Lebenssituation zuhause wieder in Angriff zu nehmen, entliess ich mich selber binnen weniger Stunden, ich wollte nicht eine Nacht mehr dort verbringen. Ich habe eine ganze Weile gebraucht, um diese "Akutsituation" hinter mich zu lassen, es war wirklich teilweise so gruselig wie gezeigt wurde.

Was in dem Beitrag auch gezeigt wurde, und das kann ich auch bestätigen, sind die engagierten Mitarbeiter auf so einer Station, die das Beste für die Patienten wollen und sie auch besser kennen durch den täglichen Kontakt. Sie wissen ziemlich gut Bescheid, auch ohne Diagnosen, was los ist. Ich hatte in mehreren und immer mal wieder zufällig vorgekommenen Gesprächen erzählt, dass ich so eine furchtbare Angst habe und nicht wüsste, wie ich da herauskommen sollte zuhause. Ein Einzelzimmer mit viel Ruhe hätte ich aktuell gebraucht, dieser Luxus wurde
mir jedoch schon bei der Ankunft (ohne es zu äussern) deutlich ausgetrieben. Was habe ich mich geschämt überhaupt nur daran gedacht zu haben.

Es war auf dieser Station eine Mischung aus unsinniger Restriktion und Zusammenwürfeln von lautstarken, aggressiven bis hin zu ruhebedürftigen, ängstlichen oder depressiven Menschen, ein zu heisser Kochtopf.

Später dachte ich, das war ja wie Krieg dort auf der Akutstation ähnlich wie die
Notaufnahme im Krankenhaus.

Ich war dankbar für diese Erfahrung, weil ich mich bis heute entschlossen habe: Nie wieder.

LG Christiane
Camille
Beiträge: 602
Registriert: 3. Nov 2018, 21:35

Re: Team Wallraff undercover in Psychiatrien

Beitrag von Camille »

Ich habe den Bericht von Günther Wallraff nicht gesehen, ich möchte mich trotzdem kurz äußern - weil ich Sorge habe, dass der Bericht Ängste schüren könnte, die bei dem ein oder anderen dazu führen könnten, eine stationäre Aufnahme zu verweigern - obwohl oder gerade weil eine akute Selbstgefährdung vorliegt.

Ich sehe dieses Thema sowohl aus dem Blickwinkel einer selbst Betroffenen - als auch aus Sicht einer Ärztin.


Ich war während meines Studiums als Famulatin 4 Wochen auf einer geschlossenen Station. Ich habe innerhalb dieser 4 Wochen nichts erlebt, was mich selbst davon abhalten würde, mich bei gegebener Indikation dort aufnehmen zu lassen. Bei depressiven Störungen sind das in erster Linie akute Eigen- oder Fremdgefährdung - wenn man wahnhafte Depression mal nicht berücksichtigt.


Und gegen den eigenen Willen "weggesperrt" zu werden, ist nur möglich, wenn ein zuständiger Arzt und Jurist GEMEINSAM nach einem Gespräch mit dem Patienten zu dem Ergebnis kommen, dass es zum Schutz des Patienten und anderer Menschen gerechtfertigt ist.


Es gibt leider sehr schwere psychiatrische Krankheiten - überhaupt nicht mehr zu vergleichen mit "depressiven Störungen." - da kann das Verhalten der Patienten innerhalb kürzester Zeit für sie selbst und die Umgebung bedrohlich und gefährlich werden. In solchen Fällen kann es auch mal notwendig sein zu "fixieren" zumindest bis entsprechende Medikamente wirken.


Ich möchte nicht ausschließen, dass es Krankenhäuser oder einzelne Ärzte oder Pfleger gibt, die aus welchen Gründen auch immer - sich herablassend gegenüber Patienten verhalten oder auf andere Art und Weise sich nicht so verhalten, wie es sein sollte. Leider ist das nicht zu verleugnen.

Ich bin mir aber sicher, dass die meisten Ärzte und Pfleger auch auf einer geschlossenen Station das Wohl des Patienten im Blick haben und versuchen ihm bestmöglich zu helfen.


@Christiane. Es tut mir sehr leid, dass du solch schlechte Erfahrungen gemacht hast. Ich möchte das Leid und das Unrecht, was Dir widerfahren ist auf keinen Fall schmälern. Ich glaube - oder hoffe zumindest, dass es nicht überall so ist.


@riverflow. Ich finde es auch richtig und gut, dass man diese Reportage zum Anlass nehmen sollte, um sich "für den Fall" dass man selbst solche akute Hilfe bräuchte, sich schon mal vorab informiert.

Camille
DieNeue
Beiträge: 5462
Registriert: 16. Mai 2016, 22:12

Re: Team Wallraff undercover in Psychiatrien

Beitrag von DieNeue »

Hm, ich hab den Film mal weitergeguckt. Echt heftig... vor allem dieses "Selbstverteidigungs"konzept dieser Jugendhilfeeinrichtung und die Strafmaßnahmen...

Die Situation mit den verschiedenen Tabletten mutet ja fast wie eine Parodie an... man könnte fast drüber lachen, wenn es nicht so ernst wäre. Dass Tabletten vertauscht oder zu viel oder zu wenig gegeben wird, hab ich im normalen Krankenhaus auf der Inneren auch schon erlebt. Irgendwann war bei mir auch mal was zu wenig oder zu viel. Ab da hab ich dann selber auch mit drauf geguckt...
Aber Pillen nur anhand der Farbe zu unterscheiden...ne, geht gar nicht.
Ich hab in der psychiatrischen Klinik auch immer geguckt, was da in meiner Tablettenschachtel lag und hab auch mal gefragt, was dieses und jenes ist. Soweit ich mich erinnern kann, wurde das aber nie negativ aufgefasst, eher positiv. Ich kenne es halt auch von mir selber, wie oft ich doch irgendwas falsch einsortiert habe, obwohl ich alles 5 mal kontrolliert habe.

Es gibt auch in normalen Krankenhäusern Missstände, die einem nicht sofort auffallen. Als meine Oma mal dort war, wurde das Kabel mit der Klingel immer um diesen Haltegriff gewickelt, der über dem Bett hängt und an dem man sich hochziehen kann. Da kam meine Oma aber gar nicht mehr ran! Wir haben die Klingel immer wieder runtergemacht, aber sie wurde immer wieder hochgehängt. Meine Oma hatte immer furchtbare Angst, wenn niemand von uns da war. Als ich dann selber mal eine Woche im Krankenhaus lag, hab ich dann mal gemerkt, wie oft man diese Klingel wirklich benutzt... öfter als ich dachte. Und vieles konnte ich ja noch selber machen. Meine Oma konnte sich nicht mal selbst drehen oder was trinken und musste immer warten, bis die Schwester auf ihrer Runde vorbeikam...
Da kann man von Glück reden, wenn man nicht allein auf dem Zimmer ist und wenigstens der Andere an die Klingel kommt.

Meint ihr, es ist auf allen Akutstationen wirklich so krass? Ich kenne halt nur die "normale" psychiatrische Abteilung. Bei uns wurden auch ab und an Witze gemacht, dass man in Haus X muss (geschlossene/Akut), wenn man sich nicht ordentlich aufführt - allerdings nur von den Patienten mit einem Augenzwinkern. Genauso wie wir Witze gemacht haben, dass wir entlassen werden, wenn wir zu viel lachen ;)

Ich denke, so eine Arbeit mit vielen unterschiedlich psychisch kranken Patienten, mit so unterschiedlichen Bedürfnissen und teils aggressivem Verhalten, ist echt schwer. Da kommt man sicher schnell an seine Grenzen. Auch mit den verhaltensauffälligen Jugendlichen stelle ich mir schwer vor. Ich bin in so einer behüteten Familie aufgewachsen, da kann ich mir gar nicht vorstellen, wie aggressiv manche Menschen reagieren können. Ich habe mal sechs Wochen lang ein Praktikum in der sozialpädagogischen Familienhilfe gemacht, in Familien, die vom Jugendamt betreut werden, da habe ich einen Einblick bekommen, aus was für Familien solche Jugendlichen oft kommen. Und ich habe gemerkt, WIE sehr behütet ich aufgewachsen bin.
Aber ich denke, dass man zwar schon Regeln und eine gewisse Disziplin braucht, damit man in so einer Einrichtung miteinander klarkommt, aber es braucht auch wirkliches ehrliches Interesse an den Jugendlichen und einen zugewandten Umgang. Wenn ein 13-jähriger wiederholt versucht aus dem Fenster zu springen, braucht er was anderes als eine Strafe. Erschreckend die Reaktion der Betreuerin, die das so locker hinnimmt.

Vielleicht schaue ich mir den Rest auch mal noch an, mal sehen...
DieNeue
Beiträge: 5462
Registriert: 16. Mai 2016, 22:12

Re: Team Wallraff undercover in Psychiatrien

Beitrag von DieNeue »

Hallo nochmal,

@ Camille: Danke für deinen Beitrag und deine Sicht als Ärztin! Ganz interessant das zu hören.

Ich denke, das Problem bei solchen Reportagen, die skandalöse Missstände aufdecken, ist auch mit die Aufmachung des Films. Spannende, bedrohliche Musik, die (natürlich zu Recht) verzerrten Stimmen, die wackeligen Kamerabilder und allein schon der Anfang mit dem "Logo" der Undercover-Reporter im Dunkeln machen das Thema noch beängstigender als es eh schon ist. Für Zuschauer, die nicht betroffen sind, vielleicht spannend, für Betroffene noch gruseliger und angstmachend. Aber man braucht ja auch Einschaltquoten bzw. will mit so einem Film etwas bewirken, Leute erreichen und das geht mit einer spannenden Aufmachung besser als mit einer völlig sachlichen Dokumentation, die niemanden aus dem Sessel reisst.

Schade ist halt immer, dass man nicht erfährt, dass es auch das Gegenteil davon gibt. Skandale gibt es in jedem Bereich. Es gibt ja auch immer wieder Lebensmittelhersteller, die durch unsagbare Hygienezustände Skandale verursachen. Und es gibt wahrscheinlich mehr unhygienische Zustände im Bereich Lebensmittelherstellung und -verkauf, als man denkt. Herausgepickt werden natürlich aber die schlimmsten. Es ist gut, wenn sowas ans Licht kommt und sinnvolle Konsequenzen gezogen werden. Aber man darf halt auch nicht vergessen, dass es auch noch viele gibt, bei denen es nicht so ist. Zumindest ich halte mich an diesem Gedanken fest.
Interessant wäre ja mal ein Bericht über eine Firma, die alles richtig macht und wo alles richtig läuft. Aber da würde man wahrscheinlich sagen, das ist alles nur Fake, für die Kamera aufgehübscht und nur Werbung für den Betrieb... Und langweilig fänden die Leute es wahrscheinlich auch...

Nachdenkliche Grüße,
DieNeue
Christiane1
Beiträge: 583
Registriert: 19. Dez 2013, 09:10

Re: Team Wallraff undercover in Psychiatrien

Beitrag von Christiane1 »

Das Wallraff-Team hat es sich zur Aufgabe gemacht Missstände zu aufzeigen, von daher erwartet man von ihm auch erst gar nicht harmlose Berichte über Katzen oder Tomatensorten...;-).

Ich hatte die Sendung aufgezeichnet und mir später angesehen schon um die Werbeblöcke und unangenehme Situationen vorspulen zu können. Letztlich ging es dem Sender ja ohne Überraschung um Einschaltquoten und ein bisschen Trash-Abwechslung im fröhlichen Programm und Wallraff nutzt diesen Umstand
geschickt für sich aus. Daran ist nichts auszusetzen, wenn man etwas zeigt, das sich abseits
von sachlicher Diagnostik und Behandlung abspielt und wo die Wohlfühlzone definitiv verlassen wird. Vielleicht ist dem einen oder anderen Zuschauer auch der Chips im Hals steckengeblieben
und am nächsten Morgen wurde auf der Arbeit diskutiert, dass jemand jemanden kennt, der das auch schon mal erlebt hatte etc.. Ich denke kaum jemand würde zugeben schon mal selber dabeigewesen zu sein (als PatientIn).

"In der Mitte der Gesellschaft" ist das Thema Psychiatrie nach wie vor nicht angekommen, es liegt oft noch der Hauch von Eigenschuld in der Luft, wenn man "da" landet.
Ich hatte jetzt nicht den Eindruck, dass der Film einzelne Personen oder ganze Berufsstände anprangert, ich nahm eher wahr wie überfüllt und überfordert der Bereich Psychiatrie im Ganzen ist.

Liebe Camille,
das muss dir nicht leidtun, ich bin ja nicht misshandelt worden oder ähnliches. Der normale Alltag auf einer (Akut) Station ist für das Personal hochanstrengend und kann aus meiner Sicht auch gar nicht anders sein, weil zu viele Patienten zum einen und zu unterschiedliche
Bedürfnisse zum anderen einprasseln, was irgendwie sortiert werden muss.
Ich vergleiche das mal mit einer normalen Klinik, hier die Orthopädie, dort die Innere mit den vielen Warnschildern wegen MRSA-Keimen und Einzelabschottung , da die
Frauenklinik, und kein Mensch würde auf die Idee kommen, diese Patienten gleich zu behandeln und in ein Zimmer zu legen und möglicherweise auch noch die Medikamente zu verwechseln. Ein Schreihals in der Psychiatrie kann nicht mit einem ruhigen Depressiven oder Ängstlichen zusammen Tag für Tag Mittag essen und sich später gewundert werden, wieso der Ruhige deutliche Anzeichen von Motzigkeit zeigt. Ein Zeichen von weiterer psychischer Störung ist das nicht, sondern ganz normal. Im Mikrokosmos Psychiatrie aber ist Anpassung die erste Wahl, um den Laden kontrollieren zu können. Ich habe z.B. noch nie gehört, dass einem an der Hüfte Operierten um zehn der Fernseher ausgestellt wird. Das ist dumme Schikane und es führt dazu, dass das Aufweichen solcher Regeln durch einen Mitarbeiter in der Psychiatrie wiederum auf diesen bezogen wird und dazu führen kann, dass sich sehr kranke Menschen fixieren auf diesen Menschen und das ist dann wiederum Missbrauch einer kleinen Macht.
Für mich ist der Schlüssel zur Verbesserung wie auch bei der Pflege u.a. Auftstockung des Personals und deutlich bessere Bezahlung der Mitarbeiter in den Kliniken. Ein Arzt stellt die Diagnose und verschwindet dann wieder, die tägliche Arbeit mit den Patienten hat er nicht mehr.


Liebe DieNeue,
hast du den Film ganz gesehen? Ich frage deshalb, weil es es auch ein gutes Beispiel gab, wie
eine Klinik funktionieren kann. Ob die noch genug Geld verdienen, weiss ich nicht, ich hoffe es.
Ich glaube, das Konzept war, die Akutfälle nicht geballt auf einen Haufen zu legen, sondern
unterzumischen zwischen den gemässigten Leuten, so richtig kann ich das nicht erinnern.

Alles Liebe,
liebe Grüsse
Christiane
DieNeue
Beiträge: 5462
Registriert: 16. Mai 2016, 22:12

Re: Team Wallraff undercover in Psychiatrien

Beitrag von DieNeue »

Hallo Christiane,

ja,ich hab den Film gestern noch zu Ende gesehen. Wollte dazu eigentlich eh noch was schreiben.
Ja, das Konzept habe ich auch so verstanden. Klingt ganz vernünftig, finde ich. Solange bei den Therapien die Schere zwischen "Ich bin so fertig, dass ich gar nix mehr mitkrieg" und "ich bin schon so fit, dass ich merke, ich komme vorwärts" nicht so weit auseinanderklafft, dass man sich gegenseitig im Heilungsverlauf behindert.
Aber ich denke für Akutpatienten ist es auch gut, zu sehen, dass es Leuten auch wieder besser gehen kann.
Hoffe auch, dass sich das Konzept der Klinik auch finanziell rechnet.
Ich fand's gut, dass sie am Ende noch ein positives Beispiel gebracht haben, damit es nicht so rüberkommt, als wäre das alles so üblich in psychiatrischen Einrichtungen. Ich fand auch die Fachleute, die dann zwischendurch befragt wurden, gut. Haben auf mich den Eindruck gemacht, als hätten sie einen gesunden Menschenverstand.

Bin aber froh, den Film in Häppchen geteilt gesehen zu haben.

Liebe Grüße,
DieNeue
Gertrud Star
Beiträge: 3441
Registriert: 30. Jun 2014, 19:09

Re: Team Wallraff undercover in Psychiatrien

Beitrag von Gertrud Star »

Hallo Christiane,
dein Sachverstand ist sehr gut.
Soweit ich weiß, wurden die Patienten gemischt in dem Link von Bittchen. Vielleicht haben ja alle mehr davon, wenn das so gemacht wird.

Liebe alle,
ich konnte den sehr unterschiedlichen Umgang mit Patienten mal vor etwa 20 Jahren als Besuch beobachten.
In der Depressionsstation besuchte ich alleine an einem Sonntagnachmittag eine junge Patientin. Wir waren auf dem Raucherbalkon oder im Raucherzimmer (weiß nicht mehr ganz genau). Soweit ich weiß, waren wir beide recht ruhig, aber ein anderer etwas anstrengender Patient auch anwesend. Die Frau ging weg und kam nicht wieder. Auf meine Nachfrage, wo sie ist, bekam ich zur Antwort, hingelegt und Tabletten bekam sie. Ich ließ noch ein Brieflein zum Abschied dort beim Personal und machte mich wieder auf die Socken.
Ein Jahr später ungefähr besuchten wir etwa zu viert einen Patienten, der vorher daheim randalierte. Alle freuten sich über das Wiedersehen und soweit ich weiß, konnten wir gemeinsam etwas spazieren gehen auf dem Gelände. Das Personal wollte nur wissen, wo wir hin wollten und dass er zum Abendessen wieder da ist.
Andermal, Jahre später, wieder Besuch in der Akutstation bei einer Bekannten. Wieder keine Probleme.
Einige Jahre vorher nahm mich ein Ex-Patient mit zum Nachgespräch auf die Krisenstation zum Psych mit rein, auch keine Probleme. Ich war nur sehr jung für sowas. (Er knapp 2 Wochen dort).

Mal aus dieser Sicht.

LG Gertrud
riverflow
Beiträge: 535
Registriert: 4. Apr 2014, 11:30

Re: Team Wallraff undercover in Psychiatrien

Beitrag von riverflow »

Während des Studiums habe ich ein Praktikum in einer Tagesstätte für Menschen mit psychischer Behinderung absolviert.
Die meisten Besucher dort waren mit einer Schizophrenie diagnostiziert. Es waren Menschen dort, die zu dem Zeitpunkt nicht arbeiten konnten, auch nicht in einer speziellen Werkstatt. Ziel war es, Krankenhausaufenthalte zu vermeiden oder zu verzögern und eventuell wieder eine Mögllichkeit der Beschäftigung zu erreichen.
Dort waren also chronisch und schwer betroffene Menschen und ich habe nicht ein einziges Mal erlebt, dass eine Situation eskaliert wäre.

In diesem Rahmen habe ich auch die Psychiatrie besucht und mit Angestellten gesprochen. Einer meinte, dass vielleicht einmal im Jahr eine Situation gefährlich werden würde.

Begleitend musste ich für 3 Semester ein Praxisseminar, betreut durcdh einen Arzt, besuchen. Dieser hat schon geäußert, dass in vielen Kliniken noch Zustände wie vor der Psychiatrie-Enquete herrschen.
In der Presse habe ich einen Prozess verfolgt, in dem eine ehemalige Studentin die hiesige Psychiatrie verklagt hat, weil sie falsch behandelt wurde und durch die erhaltenen Neuroleptika heute Schmerzpatientin ist. Nach ungefählr 10 Jahren hat sie leider in letzter Instanz verloren. Was sie im Netz über die Behandlung geschildert hat, hat mich erschüttern lassen.

Ein virtueller Bekannter war mal in einer Akutpsychiatrie und hat geschildert, wie eine junge Frau, die abends immer geschrien hat, fixiert im Flur "geparkt" wurde. Einfach entwürdigend.
Begründet werden kann das durch "schlaue Ärzte" wohl immer.

Aufgrund dieser Gegebenheiten denke ich, dass einige Einrichtungen noch sehr weit von aktuellen Behandlungsstandards entfernt sind und, wie gesagt, dass man wirklkich prüfen sollte, in welche Hände man sich im Notfall begibt.
Lieblingsuli
Beiträge: 1253
Registriert: 28. Sep 2018, 12:22

Re: Team Wallraff undercover in Psychiatrien

Beitrag von Lieblingsuli »

riverflow hat geschrieben:Während des Studiums habe ich ein Praktikum in einer Tagesstätte für Menschen mit psychischer Behinderung absolviert.
Was hast Du studiert?
"Ein Teil dieser Antworten würde die Bevölkerung verunsichern"

Lothar de Maizière
Lærke
Beiträge: 142
Registriert: 16. Jan 2014, 21:51

Re: Team Wallraff undercover in Psychiatrien

Beitrag von Lærke »

https://www.facebook.com/pg/team.wallraff/posts/" onclick="window.open(this.href);return false;
riverflow
Beiträge: 535
Registriert: 4. Apr 2014, 11:30

Re: Team Wallraff undercover in Psychiatrien

Beitrag von riverflow »

@ Lieblingsuli,
tut mir leid, darüber möchte ich hier nicht schreiben. Ich möchte anonym bleiben.
Bittchen
Beiträge: 5430
Registriert: 2. Feb 2013, 18:02

Re: Team Wallraff undercover in Psychiatrien

Beitrag von Bittchen »

Hallo,

wo war eigentlich der Chefarzt der Station D42
Dr. Michael Grube in der Psychiatrie Frankfurt- Höchst bei der Pressekonferenz ?
Der hat doch die Missstände als erster zu verantworten!!!
Jeder Tag ist ein neuer Anfang.
Antworten