Hallo Stinker und alle anderen,
also, irgendwie muss ich hier mal Dampf ablassen. Ich lese hier so oft, dass Angehörige an ihrer Beziehung zweifeln, sobald der andere depressiv wird. Klar, bei manchem kann ich es nachvollziehen.
Wenn der Betroffene z.B. sagt, er empfindet nichts mehr für einen, ist das natürlich ein Schock, wenn man nicht weiß oder überreißt, dass der Betroffene generell nichts mehr fühlt. Für nix und niemanden und dass das in einer Depression „normal“ ist, weil „Gefühllosigkeit“ ein Symptom davon ist. Und dass das schwierig ist, wenn der Betroffene das auch noch nicht kapiert hat und das nicht differenzieren kann.
Oder wenn der Betroffene aggressiv wird, fremdgeht oder plötzlich auszieht.
Aber immer wieder frage ich mich, wieso man sofort auf die Idee kommt, der andere könnte sich trennen wollen, nur weil er sich seit ein paar Wochen zurückzieht? Warum man gleich seine ganze Beziehung in Frage stellt, wenn es mal ein paar Wochen lang „nicht so gut läuft“ wie bisher?
Vielleicht ist es naiv mich das zu fragen, vielleicht würde es mir als Angehöriger auch so gehen, keine Ahnung.
Ich will damit niemandem einen Vorwurf machen, schon gar nicht dir, Stinker, auch wenn das hier dein Thread ist. Es ergab sich jetzt einfach so, dass es meiner Meinung nach hier ganz gut reinpasst. Und ich hoffe natürlich auch, dass das, was ich dir/euch als Angehörigem schreibe, auch weiterhilft
Candless hat geschrieben:
Candless hat geschrieben:Ich würde mich damit nur als Ausdruck der Krankheit auseinander setzen, aber nicht als ernstzunehmende Aussagen zur Zukunft der Beziehung.
Ich denke, das ist oft der Kern des Problems, das Angehörige haben!
Ich habe den Eindruck, dass viele Probleme, Fragen und Unsicherheiten nur entstehen, weil Angehörige das Verhalten des Betroffenen sofort auf ihre Beziehung beziehen:
„Ich will niemanden sehen.“ = Ich will dich nicht sehen.
„Ich kann dir nicht geben, was du brauchst.“ = Ich mach Schluss.
„Ich will von niemandem mehr was hören.“ = Melde dich nie wieder!
In einem älteren Thread hat Luna1966 mal einen guten Beitrag dazu geschrieben:
https://www.diskussionsforum-depression ... 18#p511818" onclick="window.open(this.href);return false;" onclick="window.open(this.href);return false;
Ich hoffe, es ist ok, wenn ich das verlinke. Ich finde, sie hat ganz gut beschrieben, was ich meine
@ Stinker: Ich bin jetzt mal so frei und kopiere ein paar Aussagen aus deinem Thread „Freund ist depressiv“ aus dem Angehörigenforum hier rein. Sieh es bitte nicht als harsche Kritik, sondern eher als Gedankenanstoß.
„Ich habe ihm geschrieben was mit ihm in letzter Zeit los ist. Er schrieb mir er muss nur noch arbeiten und hat kaum noch Zeit für sich.ich fragte ihn, wie es mit uns beiden so weiter gehen soll.“
Bitte korrigier mich, falls ich das irgendwie falsch verstanden habe, aber ich verstehe nicht ganz, warum du auf die Frage kommst, wie es mit euch weitergehen soll? Wenn er Zeit für sich braucht, dann hat das doch eigentlich nur zur Folge, dass er vielleicht weniger Zeit mit dir verbringen kann, aber doch nicht automatisch, dass er mit dir Schluss macht.
Wenn jemand für seine Abschlussprüfung lernen und sich darauf konzentrieren will oder muss, und dadurch weniger Zeit mit seinen Freunden/seiner Freundin verbringt, heißt das doch auch nicht, dass er seine Freunde nicht mehr mag, seine Beziehung abbrechen will, sondern er hat einfach nicht so viel Zeit und Energie wie sonst. Fertig. Vielleicht kann ein Gesunder das besser kommunizieren und ist nicht so fertig wie jemand mit Depressionen. Aber im Prinzip ist der Unterschied der Konsequenzen der beiden Situationen nicht besonders groß.
Du schreibst, du bist seit 6 Jahren mit deinem Freund zusammen. Warum hast du kein Vertrauen darauf, dass eure Beziehung hält, auch wenn sich der eine oder der andere mal zurückzieht oder mehr Zeit für sich braucht? Warum denkst du, dass eure Beziehung auseinanderfällt, weil dein Freund eine (längere) Krise hat? Habt ihr noch keine schwierigen Zeiten zusammen erlebt und gemeistert?
Du schreibst weiter:
„Er meinte er weiß es nicht. Er sagte, dass er zu viel mit sich selbst beschäftigt ist und keine Zeit hat sich um mich zu kümmern und seine Verpflichtungen mir gegenüber einzuhalten. Ich sagte ihm, dass seine einzige Verpflichtung mit gegenüber sei, ehrlich zu mir zu sein und dass ich möchte das wir miteinander reden damit es wieder besser wird. „
Meinst du: Dass es für ihn besser wird, also dass es IHM besser geht, oder dass eure Beziehung wieder besser wird als die letzten Wochen, dass eure Beziehung wieder „normal“ wird?
„Er sagte darauf, dass er nicht mehr kann, weil er es nicht mal mehr schafft dass wir uns treffen und dass er keine Termine einhalten kann und seinem Körper geben kann was er braucht zum erholen.“
„Er hat keine Kraft mehr. Er ist unzufrieden mit seiner Arbeit und sagte er kann eh nichts anderes deswegen muss er dort bleiben. […] Ich hatte das Gefühl er möchte Schluss machen aber kann es nicht weil erer es irgendwie doch nicht möchte.“
Wie kommst du darauf, dass er Schluss machen will? Und genauso: Wieso ist es so schlimm für deinen Freund, wenn er sich gerade mal nicht um dich „kümmern“ kann, Zeit für sich und zum Erholen braucht?
Edit: Hab das hier mal nochmal umgeschrieben:
Mir ist im Angehörigenforum aufgefallen, dass oft die gleichen "Reaktionsketten" ablaufen, wenn die Partner des Betroffenen gleich alles auf ihre Beziehung beziehen und unsicher werden, ob der Betroffene die Beziehung überhaupt noch will. Oft wird dann ein großes Beziehungsproblem daraus, was meiner Meinung nach eigentlich gar nicht unbedingt sein müsste.
Ich beschreibe es jetzt einfach mal ganz plakativ:
- Der Betroffene wird depressiv, verändert sich, zieht sich zurück, verhält sich komisch usw.
- Der Angehörige macht sich Sorgen um die Beziehung und fängt dann meistens an, vom Betroffenen zu wollen, dass man zusammen die Beziehung klärt, will eine klare Aussage, was jetzt los ist, ob der Betroffene überhaupt noch mit ihnen zusammen sein will.
- Das Problem entsteht dann dadurch, dass der Betroffene mit solchen Fragen in der akuten Depression total überfordert ist, weil er gar keine Kraft und Nerven dazu hat, sich damit auseinanderzusetzen, und somit keine Antwort geben kann. Er versteht sich ja selbst nicht mehr. Er weiß nicht mehr, was er fühlt, warum er nichts mehr fühlt, er merkt, er schafft seinen Alltag nicht mehr, es ist alles zu viel, er hat keine Ahnung, was grade mit ihm abgeht.
Er will natürlich eine Verbesserung der Situation, merkt aber, dass er es nicht schafft, irgendwas zu verbessern, denn er kämpft an allen Ecken und Enden. Er soll sagen, was sein "Anteil" in der Beziehung ist und wie er sich vorstellt, wie es weitergehen soll, dabei hat er nicht mal eine Ahnung, was gerade mit ihm selber los ist.
Zu dem ganzen Dilemma und der Verwirrung des Betroffenen kommen dann noch depressive Gedanken wie "Ich kann dem Partner nicht das geben, was er braucht", der Druck durch (vermutete) Ansprüche des Anderen, das Bewusstsein, dass man nicht mehr so funktioniert wie sonst, das Bewusstsein, dass man total überfordert ist mit der Frage.
Wenn jemand in solch einer Situation solche wichtigen Angelegenheiten klären soll, ist das ein ziemlicher Druck (natürlich durch die Angehörigen nicht beabsichtigt).
- Dass der Betroffene die Fragen nicht wirklich beantworten kann, versteht dann der Angehörige nicht und verzweifelt. Und stellt dann oft wieder Fragen und bohrt nach. Das baut dann wieder Druck auf und der Betroffene ist wieder überfordert.
- Jetzt ist ein riesen Beziehungsproblem da, das man auch noch lösen muss und beide sind am Verzweifeln.
„Ich sagte ihm , dass er mir das ins Gesicht sagen soll, weil ich es nicht akzeptiere wenn er mir das über Whatsapp etc sagt.esagt. Er sagte er kann nicht.“
Im Prinzip bringst eigentlich du den ganzen Trennungsgedanken erst ins Spiel. Aber was soll dein Freund dazu sagen? Er kann im Moment nicht mehr! GAR nicht mehr. Er heult den ganzen Tag, weil ihm die Arbeit zu viel ist, weil er keine Hoffnung sieht da raus zu kommen, weil er fix und fertig ist, körperlich k.o. ist, ein schlechtes Gewissen dir gegenüber hat, weil er denkt, er kann deine Bedürfnisse nicht mehr befriedigen, weil er es nicht mehr schafft, sich mit dir zu treffen oder für dich dazusein. Und jetzt kommst du und „unterstellst“ ihm, dass er sich vielleicht von dir trennen will.
Aber wie soll er in seinem Zustand auch noch solche Fragen beantworten?
Nur weil ein Betroffener sagt, er KANN nicht mehr, heißt das noch lange nicht, dass er nicht mehr WILL!
Ich habe schon mal im Angehörigenforum einen Vergleich beschrieben, anhand dessen man ungefähr sieht, was man von jemandem in einer Depression noch erwarten kann bzw. warum der Andere nicht mehr so reagiert wie sonst.
Der steht hier:
https://www.diskussionsforum-depression ... en#p534443" onclick="window.open(this.href);return false;" onclick="window.open(this.href);return false;
Und ich poste ihn gleich mal direkt hier rein:
„Wenn man tief in der Depression steckt, kämpft man eigentlich jeden Tag nur ums Überleben.
Ich vergleiche das ganz gern mit der Situation, wenn jemand ins Wasser gefallen ist und am Ertrinken ist. Da ist man nur damit beschäftigt nicht unterzugehen, man kämpft um sein Leben und hat da absolut keinen Nerv für irgendwas anderes.
Stell dir vor, in der Situation steht dann jemand am Ufer und ruft dem Ertrinkenden zu:
- Hey, weißt du schon, wann du es schaffst, aus dem Wasser zu kommen?
- Könntest du mich bitte beruhigen, dass du am Ende nicht ersäufst?
- Hey, es ist schon spät, ich geh jetzt schlafen. Gute Nacht! (und in Gedanken: Kann er nicht wenigsten auch Gute Nacht sagen!?!? Das macht er doch sonst auch immer!)
- Hey, eigentlich wollten wir einfach nur gemeinsam am Strand liegen und chillen!
- Könntest du mir bitte helfen, dass ich nicht auch untergehe? Ich weiß, ich steh am Ufer, aber ich fühl mich langsam auch schon so.
- Weißt du schon, wann die Wasserwacht kommt?
...oder auch nur so banale Sachen wie: Hey, wie findest du meinen neuen Bikini? Hmm...Warum antwortet er denn nicht?
Das einzige, was du in so einer Situation machen kannst ist, entweder die Wasserwacht zu rufen, nen Rettungsring reinzuschmeißen oder selber reinzuspringen. Wenn man aber selber reinspringt, sollte man den Ertrinkenden aber auch nicht gleich packen, weil er sich sonst so an einem festkrallt, dass man ihn dann auch nicht retten kann, sondern am Schluss selber noch mit untergeht. Und bei der Wasserwacht vertraut man auf die Profis.“
Bei der Person am Strand könnte man jetzt genauso gut noch die Frage anhängen:
- Hey, du bist so weit weg. Willst du überhaupt noch was mit mir zu tun haben?
- Willst du nicht einen Schwimmkurs machen? Dann kommst du vielleicht besser raus aus deiner Situation.
- Warum antwortest du nicht? Jetzt sag doch mal was!
Ich weiß nicht, warum Angehörige so reagieren, aber vielleicht liegen daran, weil Depressive oft verallgemeinern. Depressives Denken ist meistens sehr schwarz-weiß und verallgemeinernd.
Es ist auch schwer, finde ich, als Betroffener zu merken, wo man so denkt und wo das Denken einfach nicht stimmt. Mittlerweile kriege ich es manchmal hin, zu merken, ich denke z.B. „Niemand meldet sich bei mir.“, aber das stimmt nicht. Es meldet sich schon ab und zu jemand bei mir. Neulich habe ich das sogar gedacht, kurz nachdem sich eine Freundin bei mir gemeldet hat! Nur war das dann wahrscheinlich nicht die Person, von der ich gehofft hatte, dass sie sich meldet. Oder ich hatte den Wunsch mich mal bei jemandem auszukotzen, aber das war bei der Person nicht möglich. Dann bleibt der Wunsch ja weiterhin bestehen. Und dann ist klar, dass sich dann „niemand“ meldet, denn „niemand“ ist ja nicht alle, sondern nur „niemand, bei dem ich mich auskotzen kann“.
Wenn man als Betroffener merkt, dass man so denkt, dann *kann* man lernen, diese Gedanken zu akzeptieren und „an einem vorbeiziehen zu lassen“. Zu akzeptieren, dass man so einen „Quatsch“ denkt, aber dass man eigentlich weiß, dass es so nicht ist, und sich nicht darüber aufzuregen oder zu verzweifeln, dass man das denkt.
Das heißt nicht, dass ich das gut kann, in manchen Fällen klappt es, in vielen Fällen nicht, in wie vielen Fällen ich das nicht mal merke, weiß ich nicht. Aber ich merke schon immer wieder, dass diese Art Denken zu der Depression gehört. Bzw. zumindest, dass die Gedanken nicht stimmen.
Allerdings sollte man auch nicht jedes generalisierende Denken in die Depressionsschublade stecken, denn manchmal ist halt wirklich alles scheiße, man will wirklich gerade niemanden sehen oder es meldet sich wirklich niemand bei einem
Schwierig…
Ich kann schon etwas nachvollziehen, wie sich das anfühlt, wenn man vom anderen gesagt bekommt, dass er niemanden sehen will, dass er niemanden hören will, usw., und man das nicht auf sich beziehen soll. Denn schließlich schließt einen das Wort „niemand“ oder „alle“ ja mit ein. Meine frühere beste Freundin war, nachdem sie von ihrem Auslandsjahr zurückkam, sehr anstrengend. Alles war doof, Deutschland war doof, alle Deutschen waren blöd, die Leute in ihrem Gastland viel cooler, usw.
Nachdem sie nach ihrem Auslandsjahr nicht wusste, was sie beruflich machen sollte, war sie eigentlich immer zuhause. Ihre Freunde natürlich nicht, denn die meisten hatten eine Beschäftigung und dadurch nicht so viel Zeit wie sie. Als ich sie mal auf meine Initiative hin besucht habe, hat sie mich tatsächlich vollgejammert, sie hätte ja keine Freunde, denn es hätte ja niemand Zeit für sie… Aha. Und wer bin ich dann? Niemand?
Und sie hatte keine Depressionen. Natürlich habe ich mich eingeschlossen gefühlt und war sauer. Allerdings habe ich das auch erstmal runtergeschluckt, weil ich damals nicht wirklich ein Gefühl dafür hatte, wenn mir etwas nicht passt. Ich habe sie nochmal drauf angesprochen, und sie hat gemeint, ich soll mich nicht eingeschlossen fühlen. Hab ich aber trotzdem. Und entschuldigt hat sie sich auch nie.
Stinker1512 hat geschrieben: Es kam weder ein ja oder nein als Antwort.
Jetzt schrieb er mir wie es wirklich momentan in ihm aussieht.
Hey, das ist doch richtig gut! Im Prinzip wolltest du das ja wissen. Und wenn er dir kein klares „Nein“ gibt, heißt das, dass sich an eurem „Beziehungsstatus“ erstmal nichts geändert hat. Dass er dich noch dazu in sich reinschauen lässt, ist doch mehr als du erwartet hast, oder nicht? Es kam zwar kein klares „Ja, wir sind noch zusammen.“, aber es kam auch kein klares „Nein, wir sind getrennt“. Stattdessen sagt er dir noch, wie es ihm geht. Er hat immer noch Vertrauen zu dir.
Stinker1512 hat geschrieben:Ihn nervt im Moment einfach alles. Auch Sachen, die ihm Spaß machen sollten, tun es nicht. Am liebsten wären allein in einer Höhle und würde nichts hören.
Ist normal für eine Depression. Es ist alles gleich, nichts macht mehr Freude, alles ist anstrengend, und am liebsten würde man sich verkriechen bis die Depression vorbei und alles wieder gut ist. Als es mir richtig schlecht ging, hatte ich immer das Gefühl, wenn ich mich mal aus meinem Schneckenhaus raustraue, bekomme ich gleich wieder eine auf den Deckel, weil ich einfach nicht „mithalten“ konnte mit den Anderen, i.S.v. ich konnte mich nicht mehr so gut am Gespräch beteiligen; was die anderen machten und sagten, erschien mir alles so belanglos; ich habe auf nichts mehr wirklich emotional reagieren könne (= Schwingungsfähigkeit ist nicht mehr vorhanden); hatte kein Interesse mehr an Unternehmungen, weil viel zu anstrengend; wollte nur noch schlafen. Und so habe ich mich dann wieder zurückgezogen in mein Schneckenhaus. Unter der Woche habe ich immer auf das Wochenende gewartet, um endlich Zeit für mich zu haben, nichts machen zu müssen, aber dann war Wochenende und ich bin nicht mal aus dem Bett gekommen, meine Gedanken sind nur noch um meine Probleme gekreist, aber nicht konstruktiv, sondern immer nur im Kreis. Wenn ich fertig war mit dem Gedanken, ging er wieder von vorne los, und das ging im Prinzip den ganzen Tag. Wenn jemand irgendwas von mir wollte, konnte ich nicht, weil ich mich ja um meine Probleme kümmern musste. Im Vergleich zu meinen Problemen war jeder Alltagskram banal. Warum soll ich mit auf eine Veranstaltung gehen, ich muss doch gerade mein Problem lösen!?
In meinem Fall waren meine Probleme auch hauptsächlich die Arbeit wie bei deinem Freund, Stinker. Ich hatte auch das Gefühl, ich komme da nicht mehr raus und war lahmgelegt, was ich machen könnte. Meine Arbeit fand ich scheiße, bin irgendwann manchmal morgens heulend hingefahren. Aber ich hatte zu sehr Angst, dass wenn ich was anderes mache, es noch viel schlimmer kommen wird. Ich habe stundenlang im Internet nachgelesen, was ich stattdessen machen könnte, war aber viel zu erschlagen von den Möglichkeiten. Nachdem einen nichts mehr interessiert und alles gleich wichtig wird, konnte ich auch nicht mal mehr sagen, was mein Interessengebiet ist und auch nicht, was für mich realistisch wäre. Schlussendlich habe ich dann versucht, nach dem Ausschlussverfahren vorzugehen, aber das ist auch ein unendliches Verfangen bei tausenden von Studiengängen und Ausbildungen. Eine Freundin von mir hatte mal gemeint, sie würde einfach schauen, was ihr Spaß macht. Eigentlich ja logisch. Nur blöd, wenn einem einfach nichts mehr Spaß macht. Man schwebt wie im luftleeren Raum und hat keine Anhaltspunkte mehr, was man tun könnte. Folglich habe ich auch nichts geändert.
Dass ich vielleicht einfach nur die Firma wechseln könnte, auf die Idee bin ich gar nicht gekommen. Und dass mir etwas Neues sogar auch Positives bringen könnte, habe ich erst verstanden, als ich angefangen habe, ein Berufscoaching zu machen.
Dazu kommt noch die Hoffnungslosigkeit, die man in der Depression hat, die einem ständig sagt, es bringt eh nichts, es wird nie besser, es ist eh alles zu viel usw.
Stinker1512 hat geschrieben:Könnte ich ihm vielleicht sagen, dass ich für ihn da bin, wenn er jemanden braucht. Sei es einfach nur im eingeschlossenen Zimmer im Dunkeln zu sitzen.
Ja, das fände ich gut. Bloß das mit dem Zimmer würde ich, glaube ich, nicht schreiben. Das würde mich (!) wahrscheinlich eher stressen, wenn ich mir vorstelle, ich will alleine sein, und dann sitzt sogar jemand mit mir im dunklen Zimmer rum… ich würde dann glaube ich denken, der andere wartet jetzt darauf, dass ich was sage oder was mache, dass es nur darum geht, dass ich irgendwas in Richtung „Verbesserung der Situation“ tue… ist jetzt nur mein (!) Gefühl, wenn ich das lese.
Stinker1512 hat geschrieben:Ich fühle mich nicht gut dabei seine Nachricht unbeantwortet zu lassen.
Es gibt auch keinen Grund, warum du ihm nicht antworten solltest! Wenn er dir schon mal antwortet, solltest nicht du den Kontakt wieder beenden!
Stinker1512 hat geschrieben:Aber könnte ich ihm vielleicht nochmal ans Herz legen einen Arzt aufzusuchen ?
Ja, mach das. Auch wenn es ihn nervt. Es ist ja wichtig, dass er sich mal helfen lässt. Solange du es ihm nicht dauernd unter die Nase hältst, finde ich das in Ordnung.
Stinker1512 hat geschrieben:Aber ich würde mir wünschen, dass noch jemand anderes über seine derzeitige Situation Bescheid weiß. Sollte ich ihn das fragen? Er wohnt noch bei seinen Eltern. Für mich wäre es einfacher zu verkraften, wenn seine Mutter noch Bescheid wüsste. Ich denke im Moment bin ich die einzige, die darüber Bescheid weiß.
Aber ich möchte eigentlich niemanden darüber in Kenntnis setzen ohne dass er darüber Bescheid weiß. Das wäre für mich irgendwie ein Vertrauensbruch.
Wie ist denn sein Verhältnis zu seinen Eltern? Wenn er noch bei seinen Eltern lebt, müssten die ja schon irgendwie merken, wenn jemand ständig so fertig ist. Außer jemand kann sehr gut schauspielern und setzt eine Maske auf. Meine Familie hat schon gemerkt, dass ich schlecht drauf war, motzig war, und oft geheult habe. Sie konnten das nur nicht einschätzen und die Veränderung kam auch so schleichend, so dass der Kontrast zu vorher nicht so leicht zu sehen war. Das wurde, glaube ich, eher sichtbar, als es mir langsam wieder besser ging. Aber dass ich so schlecht drauf war, war für sie schon merkbar, schließlich merkt man ja, wenn man ständig angemotzt wird. Ich war wie ein Pulverfass, bin bei der harmlosesten Frage in die Luft gegangen, wodurch sie irgendwann nicht mehr wussten, wie sie mit mir umgehen sollten. Deshalb haben sie sich mir gegenüber "komisch" verhalten, wodurch ich wiederum nicht mehr wusste, wie ich mit ihnen umgehen sollte.
Wie ist denn dein Verhältnis zu seinen Eltern? Kennt ihr euch gut?
Im Prinzip könntest du ihn eigentlich schon fragen, ob seine Eltern eigentlich mitkriegen, wie es ihm geht. Du musst ja nicht so ein riesen Fass aufmachen und fragen, ob sie schon von seinem „Zustand“, seinen „Problemen“, seiner „Situation“ wissen oder ob sie ihm helfen…
Hinter seinem Rücken einfach seine Eltern zu fragen oder sie zu informieren (das klingt auch so nach Notfall/Panikmachen - auch wenn es ja ein „Notfall“ ist…), würde ich nicht machen. Ich käme mir da hintergangen vor und auch wie ein „Problem“ behandelt.
Hast du ihm mal Infos zu Depressionen gegeben? Oder hat er sich mal informiert?
Stinker1512 hat geschrieben:Seine Worte waren, dass er mir in Zukunft nicht geben kann, was ich brauche.
Irgendwer im Angehörigenforum (ich glaube, es war FrequentFlyer?) hat mal geschrieben, dass der Depressive nicht zu bestimmen hat, was der Partner braucht. Was der Partner will und braucht ist die Sache des Partners und ob der Depressive ihm das geben kann oder nicht, kann nur der Partner wissen und entscheiden.
Vielleicht will und braucht der Partner es ja auch, für den Partner dazusein?
Sinnpflanze hat geschrieben:Ich denke, für die Partner von Depressiven ist es wichtig, sich daran zu orientieren, was diese konkret sagen und wie diese konkret handeln. Und nicht daran, was sie denken und fühlen könnten. Denn dann bestünde die reelle Gefahr, sich zu sehr in die Depressionen der anderen zu verstricken. Das Kopfkino nähme kein Ende.
Das sehe ich auch so. Auch wenn ich selber immer wieder mal schreibe, man könnte dieses und jenes Verhalten so und so deuten… Aber grundsätzlich sollte man schon schauen, was wirklich gesagt wurde. Ich denke, das kann man auch bei anderen Beziehungen so machen, wenn man über irgendwelche Situationen nachgrübelt und sich in seinen Vermutungen verliert. Den Tipp hat mir vor Kurzem jemand im Angehörigenforum gegeben. Ich glaube, da ging es darum, dass sich die Therapeuten in meiner letzten Klinik mir gegenüber immer wieder seltsam verhalten haben und ich auch ewig darüber nachgegrübelt habe, was sie damit bezwecken wollen könnten. Natürlich ist es gut, erstmal für sich zu überlegen, ganz ausschalten sollte man sein Hirn ja auch nicht
Aber wenn man auf keinen grünen Zweig kommt, sollte man wirklich so handeln wie Sinnpflanze schreibt.
Dein Freund hat dir ja eigentlich nie konkret gesagt, dass er sich von dir trennen will. Aber durch das viele Grübeln bist du zu dem Schluss gekommen, dass ihr getrennt seid. Es wäre schade gewesen, wenn du einfach von deiner Vermutung ausgegangen wärst, anstatt lieber nochmal nachzufragen, und ohne ihn weitergelebt hättest.
Also, liebe @Stinker1512, musst Du Dir - zumindest für eine Weile - woanders holen, was Du gerade brauchst. Genauso wie Deinem Partner steht es Dir frei, Hilfe anzunehmen.[/quote]
Weißt du jemanden, mit dem du reden kannst? Wenn nicht, kann ich da immer den Sozialpsychiatrischen Dienst von Diakonie/Caritas. Ich finde, hier im Forum zu schreiben ist auch hilfreich.
Stinker1512 hat geschrieben:Ich war bis jetzt noch nicht in der Lage ihm diese Nachricht zu schicken. Es kommt mir vor wie ein Abschiedsbrief...
Das ist es aber nicht. Ich habe seit 10 Jahren Depressionen (was nicht heißt, dass das bei deinem Freund auch so lange geht!
) und habe die letzten Jahre mehr mit Überleben zu kämpfen gehabt als mit Leben. In dieser Zeit haben sich Freunde und Bekannte von mir ein Leben aufgebaut: Sie haben Arbeitsstellen, machen tw. Karriere, gründen Familien, ein Kind nach dem anderen wird geboren, sie kaufen sich ein Haus, waren hier und da im Urlaub usw. Ich war für mein Studium einige Jahre nicht mehr in meiner Heimatgegend und habe nicht so viel mitbekommen, was zuhause bei Bekannten los war. Und v.a. dadurch, dass ich mich zurückgezogen habe, keine Kraft hatte, mich mit Leuten zu treffen oder mich zu unterhalten, ich teilweise auch gar nicht wissen wollte, was die anderen machen, weil es so weh tat zu sehen, wie sie sich ihre Pläne erfüllen und ich dastehe und meine Träume begraben muss, habe ich nicht so viel mitbekommen. Als ich wieder hergezogen bin, bin ich aus allen Wolken gefallen. Plötzlich gab es nur noch Verheiratete, Schwangere, Kinder, die schon einige Jahre alt waren und in die Schule kamen, immer noch mehr neue Kinder, Leute, die heiraten, obwohl sie viel, viel jünger sind als ich, usw. Plötzlich hieß es „ja, damals… vor 10 Jahren… das ist ja schon ewig her…“ und für mich war „damals“ wie gestern.
Das war sehr deprimierend zu sehen. Für mich waren diese Jahre kein Leben, mir kommt es vor, als hätte ich in der Zeit das Leben verpasst, als wäre ich in einer Zeitblase festgehangen, und bei den Anderen ist das Leben weitergegangen.
Was ich damit sagen will, ist, dass ich die Zeit anders wahrgenommen habe als die anderen. (Das ist zumindest meine These
In die anderen reinschauen kann ich ja nicht. Aber die Aussage: „Das ist ja schon ewig her“ ist für mich Beweis genug
) Und manche Veränderung auch nicht bemerkt habe, weil ich so mit mir beschäftigt war. Vielleicht fühlen sich für Außenstehende/Angehörige Zeiträume viel länger als für Depressive, weil man deutlicher sieht, wie das Leben weitergeht. Ich habe das gar nicht mehr so mitgekriegt. Es war jeder Tag gleich scheiße. Jede Veränderung war mini. Es war jeden Tag immer ein Kämpfen mit mir selbst und den Umständen. Ich habe auch das Gefühl, ich habe in der Zeit auch viel weniger erlebt. Natürlich habe ich auch Sachen erlebt. Aber das waren oft auch Sachen, die man nicht unbedingt erleben will. Drei Monate Psychiatrie schreibt sich ja niemand auf seine Bucket List.
Ich hoffe, das klingt jetzt nicht zu ernüchternd. Ich will damit aber eigentlich nur sagen, dass es dir vielleicht nur wie ein Abschied vorkommt, weil du siehst, wie lange sich das schon so hinzieht. Wenn man nichts machen kann, erscheint einem das dann vielleicht noch länger. Aber vielleicht empfindet dein Freund das als gar nicht so lange.
Noch was allgemeines:
Ich habe neulich einen Artikel entdeckt, den ich nicht schlecht finde, um das Denken eines Depressiven ein bisschen besser zu verstehen:
https://mobil.stern.de/gesundheit/depre ... 71996.html" onclick="window.open(this.href);return false;" onclick="window.open(this.href);return false;
Da steht zum Beispiel, dass ein Problem des depressiven Denkens es ist, dass alles gleichwichtig wird. Das ist mir an mir selber auch irgendwann aufgefallen. Es gibt nichts, was wichtiger oder weniger wichtig ist, egal was es ist. Das führt dann dazu, dass man nur noch schlecht Prioritäten setzen kann. Dadurch kriegt man ziemliche Probleme im Alltag. Ich merke das oft sehr stark und manchmal raubt es mir den letzten Nerv, wenn ich nicht weiß, was ich zuerst anfangen soll. Soll ich erst duschen, soll ich einkaufen gehen, soll ich meine Zähne putzen, soll ich jetzt die Mülltonne rausstellen oder erst nach dem duschen, oder soll ich erst saugen und dann Müll und dann duschen, lohnt es sich heute überhaupt die Haare zu kämmen, sieht mich ja eh niemand, soll ich beim Finanzamt anrufen und was fragen, oder soll ich XY mit meinem Vermieter klären, mag da aber nicht anrufen, also doch lieber erst duschen und einkaufen usw. usw. usw. Mir hilft es da, wenn meine Betreuerin sich mit mir hinsetzt und mit mir ganz praktisch bespricht, was wirklich wichtig ist.
Und noch was zu dem „Sich melden“: Wenn ihr doch mal den „Fehler“ begeht und euch meldet: Meine Güte, ihr seid auch nur Menschen! Ihr könnt euch doch auch nicht in Luft auflösen.
Ich hoffe, ich konnte euch mit meinem Beitrag etwas weiterhelfen.
Liebe Grüße,
DieNeue