Aus der Sicht des Kindes einer Depressivkranken
Verfasst: 23. Mai 2017, 21:46
Liebe depressive Eltern, liebe Angehörige und Bekannte Depressiver mit Kindern
Als meine Mutter an schweren Depressionen erkrankte, war ich 13 Jahre alt. Eine der ersten Erinnerungen, die ich mit der Depression meiner Mutter verbinde, ist, wie sie eines Tages weinend von der Arbeit nach Hause kam und ich nicht fähig war, ihr zu helfen oder sie irgendwie zu beruhigen. Ich weiss noch ganz genau, wie ich mitbekam, wie sich meine Mutter veränderte. Ich spürte, dass etwas nicht in Ordnung war, aber mir wurde nicht mitgeteilt, was los war. Meine Eltern hatten es unter sich ausgemacht, dass sie mich, ihre einzige Tochter, von allem, was die Depressionen betraf, fernhalten wollten, um mich so zu beschützen. Mir wurde durch die Entscheidung meiner Eltern indirekt kommuniziert, dass das nicht meine Sache sei, dass die Erkrankung meiner Mutter mich nicht zu beeinflussen – geschweige denn beschäftigen – hätte. Und ich tat, wie mir geheissen. Mein 13-jähriges Ich fing an, alles, was in meiner Familie abging, einfach abzublocken, wegzuschliessen.
Als Kind die eigene Mutter so leiden zu sehen, verändert etwas in einem. Obwohl ich ein pubertierender Teenager war, war ich auch die Angehörige einer Depressiven und hatte mich dementsprechend zu verhalten. Man fängt als Kind an, verzweifelt zu versuchen, irgendwie die eigene Mutter aufzumuntern, nimmt sich und seine eigenen Bedürfnisse stark zurück und dennoch verletzt man mit kleinsten Dingen die depressiv Erkrankte.
Seit einiger Zeit geht es meiner Mutter zum Glück wieder besser. Sie ist wieder aktiver und wirkt zufriedener und ausgeglichener und hat zum Glück auch wieder etwas zugenommen. Sie ist immer noch nicht ganz über den Berg, aber sie geht wieder einer neuen Arbeit nach, ist psychisch wieder einigermassen stabil und die Hoffnungslosigkeit hat abgenommen. Dennoch bin ich immer noch verletzt, wenn ich sehe, wie die unglücklichen Gesichtszüge sich in ihr Gesicht eingebrannt haben, wie Brandmale. Egal, was sie macht und wie es ihr geht, die nach unten zuckenden Mundwinkel offenbaren, was einmal war.
Jetzt, nach fünf Jahren Erkrankung blicke ich auf die Situation, wie sie für mich war zurück und sehe ein Minenfeld. Ich fange an, kognitiv und emotional zu verstehen, was genau alles während dieser Zeit passiert ist und der Schmerz darüber, was meine Mutter durchleben musste, ist omnipräsent. Ich hatte in diesen fünf Jahren lernen müssen, was es heisst, Schmerz zu verdrängen, und stehe jetzt in meinem Verarbeitungsprozess dort, wo ich vor fünf Jahren hätte sein sollen. Nach klärenden Gesprächen mit meinen Eltern habe ich angefangen, meine Schuldgefühle dafür abzubauen, dass ich mich nicht immer im Griff hatte, dass auch ich nicht mehr war als ein von der Situation überforderter Teenager. Trotzdem leide ich noch sehr an der Situation und habe ein Verantwortungsbewusstsein und Schuldbewusstsein während dieser Zeit entwickelt, das das normale Mass deutlich übersteigt.
Liebe Eltern, liebe Angehörige und Bekannte Depressiver mit Kindern
Bitte glaubt nicht, dass Ihr eure Kinder von der Erkrankung fernhalten könnt. Egal, wie sehr Ihr es probiert, Eure Kinder werden merken, wenn mit Mama oder Papa etwas nicht stimmt. Umso wichtiger ist es, dass Ihr offen mit Ihnen über die Erkrankung sprecht. Erklärt Ihnen, dass sie nichts dafür können, wenn es Mama oder Papa schlecht geht, dass (so habe ich es mal online gelesen und mir hat es sehr gefallen) Depressionen eine Krankheit sind und in diesem Falle – wie bei einem Arm oder Beinbruch – nur ein Arzt helfen kann. Ich weiss, wie beängstigend das klingt, und ich werfe meinen Eltern nicht vor, dass sie für sich persönlich einen anderen Weg gewählt haben, aber ich kann aus meiner Erfahrung Euch nur ans Herzen legen, dass darüber Sprechen die einzige Möglichkeit für Eure Kinder ist, mit den Depressionen umzugehen, sie zu verstehen und zu verarbeiten ist.
Alles Liebe und viel Kraft auf Eurem weiteren Weg...
Als meine Mutter an schweren Depressionen erkrankte, war ich 13 Jahre alt. Eine der ersten Erinnerungen, die ich mit der Depression meiner Mutter verbinde, ist, wie sie eines Tages weinend von der Arbeit nach Hause kam und ich nicht fähig war, ihr zu helfen oder sie irgendwie zu beruhigen. Ich weiss noch ganz genau, wie ich mitbekam, wie sich meine Mutter veränderte. Ich spürte, dass etwas nicht in Ordnung war, aber mir wurde nicht mitgeteilt, was los war. Meine Eltern hatten es unter sich ausgemacht, dass sie mich, ihre einzige Tochter, von allem, was die Depressionen betraf, fernhalten wollten, um mich so zu beschützen. Mir wurde durch die Entscheidung meiner Eltern indirekt kommuniziert, dass das nicht meine Sache sei, dass die Erkrankung meiner Mutter mich nicht zu beeinflussen – geschweige denn beschäftigen – hätte. Und ich tat, wie mir geheissen. Mein 13-jähriges Ich fing an, alles, was in meiner Familie abging, einfach abzublocken, wegzuschliessen.
Als Kind die eigene Mutter so leiden zu sehen, verändert etwas in einem. Obwohl ich ein pubertierender Teenager war, war ich auch die Angehörige einer Depressiven und hatte mich dementsprechend zu verhalten. Man fängt als Kind an, verzweifelt zu versuchen, irgendwie die eigene Mutter aufzumuntern, nimmt sich und seine eigenen Bedürfnisse stark zurück und dennoch verletzt man mit kleinsten Dingen die depressiv Erkrankte.
Seit einiger Zeit geht es meiner Mutter zum Glück wieder besser. Sie ist wieder aktiver und wirkt zufriedener und ausgeglichener und hat zum Glück auch wieder etwas zugenommen. Sie ist immer noch nicht ganz über den Berg, aber sie geht wieder einer neuen Arbeit nach, ist psychisch wieder einigermassen stabil und die Hoffnungslosigkeit hat abgenommen. Dennoch bin ich immer noch verletzt, wenn ich sehe, wie die unglücklichen Gesichtszüge sich in ihr Gesicht eingebrannt haben, wie Brandmale. Egal, was sie macht und wie es ihr geht, die nach unten zuckenden Mundwinkel offenbaren, was einmal war.
Jetzt, nach fünf Jahren Erkrankung blicke ich auf die Situation, wie sie für mich war zurück und sehe ein Minenfeld. Ich fange an, kognitiv und emotional zu verstehen, was genau alles während dieser Zeit passiert ist und der Schmerz darüber, was meine Mutter durchleben musste, ist omnipräsent. Ich hatte in diesen fünf Jahren lernen müssen, was es heisst, Schmerz zu verdrängen, und stehe jetzt in meinem Verarbeitungsprozess dort, wo ich vor fünf Jahren hätte sein sollen. Nach klärenden Gesprächen mit meinen Eltern habe ich angefangen, meine Schuldgefühle dafür abzubauen, dass ich mich nicht immer im Griff hatte, dass auch ich nicht mehr war als ein von der Situation überforderter Teenager. Trotzdem leide ich noch sehr an der Situation und habe ein Verantwortungsbewusstsein und Schuldbewusstsein während dieser Zeit entwickelt, das das normale Mass deutlich übersteigt.
Liebe Eltern, liebe Angehörige und Bekannte Depressiver mit Kindern
Bitte glaubt nicht, dass Ihr eure Kinder von der Erkrankung fernhalten könnt. Egal, wie sehr Ihr es probiert, Eure Kinder werden merken, wenn mit Mama oder Papa etwas nicht stimmt. Umso wichtiger ist es, dass Ihr offen mit Ihnen über die Erkrankung sprecht. Erklärt Ihnen, dass sie nichts dafür können, wenn es Mama oder Papa schlecht geht, dass (so habe ich es mal online gelesen und mir hat es sehr gefallen) Depressionen eine Krankheit sind und in diesem Falle – wie bei einem Arm oder Beinbruch – nur ein Arzt helfen kann. Ich weiss, wie beängstigend das klingt, und ich werfe meinen Eltern nicht vor, dass sie für sich persönlich einen anderen Weg gewählt haben, aber ich kann aus meiner Erfahrung Euch nur ans Herzen legen, dass darüber Sprechen die einzige Möglichkeit für Eure Kinder ist, mit den Depressionen umzugehen, sie zu verstehen und zu verarbeiten ist.
Alles Liebe und viel Kraft auf Eurem weiteren Weg...