Als Eltern lernen mit Krankheit umzugehen
Verfasst: 22. Sep 2016, 11:17
Hallo,
wir sind Eltern eines 23jährigen jungen Mannes, der in der Teenagerzeit (14) eine Schulangst entwickelte (ggfs. durch Dyskalkulie, Versagens- und Verlustängste begründet) und 3 Monate mit sehr gutem Erfolg in der psychosomatischen Abteilung einer Kinderklinik verbrachte. Er hat seinen Abschluss nachgeholt, ein Berufsvorbereitungsjahr gemacht und eine handwerkliche Ausbildung begonnen. Während der Ausbildung hat er plötzlich diffuse körperliche Symptome wie Reizdarm, Rückenschmerzen, Verspannungen an sich und Schlafstörungen entwickelt. Leider hat er die Abschlussprüfung (einmal hat er es versucht, obwohl Ausbildung verlängert) nicht bestanden, was für seine Psyche nicht förderlich war. Im Sommer letzten Jahres wollte er nicht nochmal verlängern und hat sich arbeitslos gemeldet. So richtig hat er sich dann nicht mehr um Arbeit bemüht. Er hatte einen Test am Flughafen als Luftsicherheitsassistent, diesen mit Bravour bestanden, dann leider bei der ärztlichen Untersuchung durchgefallen, da er wahrheitsgemäß angab, Serotonin-Hemmer zu nehmen (die ihm u. a. im Rahmen seiner Reizdarmgeschichte verschrieben worden war und da er eine Gesprächstherapie begonnen hatte). Danach kam arbeitsmäßig leider nix mehr. Schnell war 1 Jahr vergangen und das ALG1 abgelaufen und kein HartzIV-Anspruch. Um es kurz zu machen. Es ging ihm die ganze Zeit nicht gut aber er gab sich Mühe morgens aufzustehen, hatte eine Freundin, die ihn forderte (er tat Vieles ihr zuliebe auf das er eigentlich keine Lust hatte) hatte aber Angst davor eine Arbeit zu beginnen und diese "wieder" nicht zu beenden. Seine Versagensängste sind enorm. Vor ca. 4 Wochen hat sich auf Anraten seines Therapeuten in eine Tagesklinik begeben, fand die Ansprache mit anderen Patienten auch sehr gut und hilfreich aber die Therapiewege dort nicht so dolle, da er den Gesprächstherapeuten nur 1x die Woche für 30 Minuten sah und ihm Ergotherapie und Entspannungsübungen akut nicht halfen. Vor 2 Wochen hat seine Freundin die Beziehung (nach 1,5 Jahren) beendet, da sie sich von der Situation überfordert fühlte und mit ihm keine gesicherte Zukunft sah. Das hat ihm natürlich den Boden unter den Füssen gerissen. Die erste Woche hatte ich Angst um meinen Sohn. Er äußerte offen Selbstmordgedanken, schlief nicht mehr, liess sich in der Klinik Beruhigungsnotfalltabletten geben und ging letztendlich gar nicht mehr hin. Sie mussten ihn natürlich nun entlassen. Was klasse ist, ist, dass er zwischendurch immer wieder sagt, dass er aus der jetzigen Situation raus will. Die Tagesklinik hat ihm angeboten, sog. Hausbesuche von Therapeuten zu organisieren. Diese kämen wohl mehrmals die Woche für Gespräche. Ich hoffe, das klappt soweit. Gestern sagte er, er überlege, sich stationär in einer Klinik aufnehmen zu lassen, um die Heilung/Besserung zu beschleunigen. Früher haben mein Mann und ich vor Freunden und Familie seinen "Zustand" immer schön geredet und immer Ausreden gefunden, wenn gefragt wurde, warum er nichts macht aber heute haben wir uns entschieden offensiv mit dem Thema umzugehen und es als Krankheit endlich anzunehmen. Das fällt einen Tag leichter und am nächsten Tag könnte ich nur heulen. Darüber, dass ein körperlich gesunder junger Mensch voller Kreativität, Talenten und einem wunderbaren Charakter so leiden muss. Wir wünschen uns nichts sehnlicher als dass er auf eigene Füße kommt und ein eigenständiges Leben führen kann, wie er es sich vorstellt. Ich hatte schon über eine Familientherapie nachgedacht, da in meiner Vergangenheit und Familie leider auch einiges im Argen liegt, was sein Leiden ein Stück begründet (u. a. auch, dass ich meine Kinder unbewusst nicht los lassen kann) aber mein Mann ist dafür leider nicht zu haben. Ich bin schon froh, dass er sich überhaupt auf das Thema Depression einlässt und nicht mehr versucht, die Krankheit nicht wahrhaben zu wollen. Wir haben noch eine 20jährige Tochter, die uns in ihrer Pubertät bis ca. zum 19. Lebensjahr großen Ärger gemacht hat. Leider hat sie durch falschen Umgang etc. viele Chancen in ihrem Leben verbaut aber mittlerweile holt sie ihre mittlere Reife nach und hat Pläne für ihr Leben.
Entschuldigung, dass es so ein langer Text geworden ist. Ich weiss eigentlich selbst nicht, was ich damit bezwecken wollte. Ich bin trotz des guten Vorsatzes die Krankheit anzunehmen und trotz jahrelanger Erfahrung immer noch sehr unsicher und ängstlich. Ich gerate immer noch in Panik, wenn er mir sagt, es gehe ihm akut sehr schlecht, er sei unruhig etc.
Habt ihr vielleicht noch gutgemeinte Tipps, wie ich/wir sicherer werden im Umgang mit ihm und der Krankheit?
Ich wünsche euch allen alles Liebe und Gute!
haltaho
wir sind Eltern eines 23jährigen jungen Mannes, der in der Teenagerzeit (14) eine Schulangst entwickelte (ggfs. durch Dyskalkulie, Versagens- und Verlustängste begründet) und 3 Monate mit sehr gutem Erfolg in der psychosomatischen Abteilung einer Kinderklinik verbrachte. Er hat seinen Abschluss nachgeholt, ein Berufsvorbereitungsjahr gemacht und eine handwerkliche Ausbildung begonnen. Während der Ausbildung hat er plötzlich diffuse körperliche Symptome wie Reizdarm, Rückenschmerzen, Verspannungen an sich und Schlafstörungen entwickelt. Leider hat er die Abschlussprüfung (einmal hat er es versucht, obwohl Ausbildung verlängert) nicht bestanden, was für seine Psyche nicht förderlich war. Im Sommer letzten Jahres wollte er nicht nochmal verlängern und hat sich arbeitslos gemeldet. So richtig hat er sich dann nicht mehr um Arbeit bemüht. Er hatte einen Test am Flughafen als Luftsicherheitsassistent, diesen mit Bravour bestanden, dann leider bei der ärztlichen Untersuchung durchgefallen, da er wahrheitsgemäß angab, Serotonin-Hemmer zu nehmen (die ihm u. a. im Rahmen seiner Reizdarmgeschichte verschrieben worden war und da er eine Gesprächstherapie begonnen hatte). Danach kam arbeitsmäßig leider nix mehr. Schnell war 1 Jahr vergangen und das ALG1 abgelaufen und kein HartzIV-Anspruch. Um es kurz zu machen. Es ging ihm die ganze Zeit nicht gut aber er gab sich Mühe morgens aufzustehen, hatte eine Freundin, die ihn forderte (er tat Vieles ihr zuliebe auf das er eigentlich keine Lust hatte) hatte aber Angst davor eine Arbeit zu beginnen und diese "wieder" nicht zu beenden. Seine Versagensängste sind enorm. Vor ca. 4 Wochen hat sich auf Anraten seines Therapeuten in eine Tagesklinik begeben, fand die Ansprache mit anderen Patienten auch sehr gut und hilfreich aber die Therapiewege dort nicht so dolle, da er den Gesprächstherapeuten nur 1x die Woche für 30 Minuten sah und ihm Ergotherapie und Entspannungsübungen akut nicht halfen. Vor 2 Wochen hat seine Freundin die Beziehung (nach 1,5 Jahren) beendet, da sie sich von der Situation überfordert fühlte und mit ihm keine gesicherte Zukunft sah. Das hat ihm natürlich den Boden unter den Füssen gerissen. Die erste Woche hatte ich Angst um meinen Sohn. Er äußerte offen Selbstmordgedanken, schlief nicht mehr, liess sich in der Klinik Beruhigungsnotfalltabletten geben und ging letztendlich gar nicht mehr hin. Sie mussten ihn natürlich nun entlassen. Was klasse ist, ist, dass er zwischendurch immer wieder sagt, dass er aus der jetzigen Situation raus will. Die Tagesklinik hat ihm angeboten, sog. Hausbesuche von Therapeuten zu organisieren. Diese kämen wohl mehrmals die Woche für Gespräche. Ich hoffe, das klappt soweit. Gestern sagte er, er überlege, sich stationär in einer Klinik aufnehmen zu lassen, um die Heilung/Besserung zu beschleunigen. Früher haben mein Mann und ich vor Freunden und Familie seinen "Zustand" immer schön geredet und immer Ausreden gefunden, wenn gefragt wurde, warum er nichts macht aber heute haben wir uns entschieden offensiv mit dem Thema umzugehen und es als Krankheit endlich anzunehmen. Das fällt einen Tag leichter und am nächsten Tag könnte ich nur heulen. Darüber, dass ein körperlich gesunder junger Mensch voller Kreativität, Talenten und einem wunderbaren Charakter so leiden muss. Wir wünschen uns nichts sehnlicher als dass er auf eigene Füße kommt und ein eigenständiges Leben führen kann, wie er es sich vorstellt. Ich hatte schon über eine Familientherapie nachgedacht, da in meiner Vergangenheit und Familie leider auch einiges im Argen liegt, was sein Leiden ein Stück begründet (u. a. auch, dass ich meine Kinder unbewusst nicht los lassen kann) aber mein Mann ist dafür leider nicht zu haben. Ich bin schon froh, dass er sich überhaupt auf das Thema Depression einlässt und nicht mehr versucht, die Krankheit nicht wahrhaben zu wollen. Wir haben noch eine 20jährige Tochter, die uns in ihrer Pubertät bis ca. zum 19. Lebensjahr großen Ärger gemacht hat. Leider hat sie durch falschen Umgang etc. viele Chancen in ihrem Leben verbaut aber mittlerweile holt sie ihre mittlere Reife nach und hat Pläne für ihr Leben.
Entschuldigung, dass es so ein langer Text geworden ist. Ich weiss eigentlich selbst nicht, was ich damit bezwecken wollte. Ich bin trotz des guten Vorsatzes die Krankheit anzunehmen und trotz jahrelanger Erfahrung immer noch sehr unsicher und ängstlich. Ich gerate immer noch in Panik, wenn er mir sagt, es gehe ihm akut sehr schlecht, er sei unruhig etc.
Habt ihr vielleicht noch gutgemeinte Tipps, wie ich/wir sicherer werden im Umgang mit ihm und der Krankheit?
Ich wünsche euch allen alles Liebe und Gute!
haltaho