mit Absicht in der Krankheit gehalten?

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sunlight69
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mit Absicht in der Krankheit gehalten?

Beitrag von sunlight69 »

Hallo Leute,

Ich habe das Gefühl, als ob die niedergelassenen Ärzte einen in der Krankheit halten wollen.

Seit 2001 habe ich die offizielle Diagnose „Depression“. Ich dachte immer, ich nehme eine Weile die Medikamente und dann irgendwann ist es vorbei mit der Depression. Doch jetzt nehme ich schon seit gut 15 Jahren die verschiedensten Antidepressiva, ohne dass ein Arzt mal auf die Idee gekommen wäre, diese zu reduzieren, wenn es mir schon mehrer Monate gut ging.

Eigentlich gehe ich nur zu meinem Arzt, um mir die hübsch bunten Pillen verschreiben zu lassen. Ich bin, wenn es hoch kommt, maximal 15 Minuten bei ihm drin und am Ende zückt er nur sein Rezeptblock und das war’s.

Ich habe den Eindruck, als ob die Ärzte kein Interesse daran haben, jemanden gesund zu machen. In ganz bösen Momenten denke ich sogar, dass sie an mir nur verdienen wollen. Das verwerfe ich aber schnell wieder, weil ich nicht grundsätzlich schlecht über einen Menschen denken möchte.

Ich weiß, dass ich mit meinem Eindrücken nicht allein da stehe. In meiner SHG sind einige, die ebenfalls denken, dass es für Ärzte bequemer ist, den Patienten in der Krankheit zu halten, als einen Weg raus zu erarbeiten.

Ich finde es erschreckend, wie lange ich schon Medikamente nehme, ohne dass mein Arzt die weitere Notwendigkeit und Wirksamkeit hinterfragt hätte. Ich glaube nicht, dass die Medikamente dazu da sind, um ein Leben lang genommen zu werden, sondern nur über eine befristeten Zeitraum.

Gibt es hier Jemanden, der vielleicht ebenso oder so ähnlich denkt?

Viele Grüße
Sunlight
Haferblues
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Re: mit Absicht in der Krankheit gehalten?

Beitrag von Haferblues »

Hallo Sunlight,

bist du denn nicht bei einem Facharzt in Behandlung? Ich würde diese ADs nicht nur auf Empfehlung eines Hausarztes nehmen. Und schon garnicht über Jahre.

Meine Psychiaterin (und nicht nur die) haben mir erklärt, dass ich die ADs vielleicht tatsächlich lebenslang nehmen muss. Von meiner HÄ kriege ich regelmäßig das Rezept. Wenn ich den Eindruck habe, ich kann einen Absetzversuch wagen, geh ich nochmal zur Psychiaterin. Ich glaub, das kann nur ICH entscheiden, weil kein Arzt sitzt in meinem Kopf.

Ich glaube, ein Arzt kann einen eh nicht gesund machen. Er kann einem höchstens mit Medikamenten oder guten Ratschlägen helfen gesund zu werden. Klar, am Gesunden verdient er nix. Viele Patienten sind auch höchst beleidigt, wenn sie nur einen guten Rat und kein Rezept kriegen.

Sprich doch mal mit deinem Arzt was er von einem Absetzversuch hält. Vielleicht bist du ja schon gesund und weißt das gar nicht???

Gruß Rifka
Lebenskünstler sind Menschen, die schon vollkommen glücklich sind, wenn sie nicht vollkommen unglücklich sind.
Danny Keye
sunlight69
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Re: mit Absicht in der Krankheit gehalten?

Beitrag von sunlight69 »

Hallo Rifka,

ich bin seit 2001 in psychiatrischer Behandlung.

Ich versuche ja mit meinem Arzt zu reden, aber er wigelt nur ab.

Gruß
Sunlight
Nachtflug
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Re: mit Absicht in der Krankheit gehalten?

Beitrag von Nachtflug »

Hallo Sunlight69,

du willst, dass Ärzte dir zum Absetzen raten, wenn es dir erst mehrere Monate gutgeht?
Also ich finde ein paar kleine Monate sind mit solchen Erkrankungen: Gar nix! Das kann es schneller wieder runtergehen, als man denkt. Nicht umsonst, werden Leute, die schnell absetzen oft gleich wieder krank.
Vielmehr als auf das Absetzen könntest du deine Energie darauf verwenden, wenn es dir antriebsmäßig gutgeht, wieder gesund zu werden. Und damit meine ich nicht gleich absetzen!

Wenn du Antrieb hast und es dir gutgeht, ist das meiner Erfahrung nach der beste Zeitpunkt für eine Therapie, die dir hilft an deinen Denkmustern und Verhaltensweisen zu arbeiten. Suche dir einen Therapeuthen und das Wichtigste ist: die Chemie muss stimmen:
Ich habe sogar bei einem Tiefenpsychologen Therapie gemacht (obwohl ich nach Verhaltenstherapie suchte), der sehr viele Elemente aus der Verhaltenstherapie miteinfließen ließ, er hatte mehrere Jahre auf der Geschlossenen gearbeitet. Er wusste, dass ich eine Erkrankung habe (bipolar), die schnell getriggert werden kann und wusste genau damit umzugehen. Wenn wir also Ausflüge in die Vergangenheit machen, dann achtete er immer darauf, dass dies konstruktiv geschah, also dann besprochen wurde: Ok, daher kommt das. Und wie ändere ich das jetzt in der Gegenwart? Es kommt also am meisten auf die Kompetenz des Therapeuten an und darauf, dass die Chemie stimmt.
Und wenn es dir besser geht, hast du dann auch genügend Kraft die Hausaufgaben zwischen den Stunden zu machen. Denn die Therapie ist hauptsächlich das, was du zwischen den Stunden umsetzt.
Wenn du dann mal ein paar Jahre gesund geblieben ist, dann kannst du an das Absetzen denken. Sei doch dankbar, dass dir was hilft, es gibt so viele Menschen, denen hilft nichts, ihnen fehlt die Kraft etwas zu ändern. Und dann kommen Leute wie du und beschweren sich, dass man nach ein paar Monaten die Krücken nicht gleich wegschmeißt. Warum?

Ein paar popelige Monate sind einfach nix. Bei meiner Diagnose nehmen die meisten Leute lebenslang Medikamente, also denkt man oft in Zeiträumen von 3-5 Jahren oder sogar 10 Jahren. Es gibt auch viele körperliche Krankheiten, bei denen sich die Leute lange oder sogar für immer auf Medikamente verlassen müssen, also wo ist das Problem?
Du schreibst von verschiedensten Antidepressiva und immer nur von einigen Monaten, die es dir gutging? Kann es sein, dass du oft eigenmächtig abgesetzt hast?

Und weißt du welche Leute es oft am erfolgreichsten ohne Medikamente schaffen? Das sind oft die, die sie am wenigsten zwischendurch abgesetzt und lange Zeiträume durchgenommen haben. In dieser Zeit haben sie ihr Leben neu aufgebaut, an ihrer Persönlichkeit gearbeitet, eine Therapie gemacht oder ihren Lebensstil umgestellt. Und auch langfristig für Jahre durchgehalten. Schaffe das erstmal, dann kannst du dich über die doofen Ärzte beschweren, die dir nicht gleich die Pillen wegnehmen.

Ich habe mit Absicht etwas harscher formuliert, es nicht persönlich gemeint, mein Post soll Reibung (und damit auch Wärme ;) ) erzeugen.
Ich bin selbst erst seit 1-2 Jahren wieder gesund. Wenn ich mal 5 Jahre oder mehr gesund bin, überlege ich mir das mit den Krücken. Bis dahin stabilisiere ich meine Muster. Und weißt du was?
Ich fühle mich gesund, obwohl ich Medikamente nehme, es geht mir nämlich gut. Und dafür bin ich unheimlich dankbar.
Ich hatte nie das Gefühl, dass mich jemand in der Krankheit halten will. Meine Ärztin macht mit mir kaum Geld, da ich relativ oft komme (ich brauche engmaschige Überwachung) und sie für Patienten aber pro Quartal nur 20 Euro bekommt. Davon, dass ich ein Medikament nehme, hat sie überhaupt nix. Mein Therapeut hat sich über jeden Schritt zu mehr Gesundheit und Selbstwirksamkeit unheimlich gefreut und mich sehr dabei unterstützt.
Sonnenblume14
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Re: mit Absicht in der Krankheit gehalten?

Beitrag von Sonnenblume14 »

Hallo,

was heisst gesund? Ich gehe davon aus, dass die Depression immer als Schatten da sein wird, bereit, zuzuschlagen. Mein Rezept dagegen ist Achtsamkeit. Ich kann in puncto Zeit noch langenicht mit dir mithalten, daher kann ich dir nur sagen, wie meine Psychiaterin damit umgeht.

Medikamente: ja - zunächst (im letzten Jahr) habe ich vom Hausarzt Valdoxan bekommen, in der Klinik wurde das weitergegeben und später um Sertralin ergänzt. Inzwischen habe ich das Valdoxan weggelassen und mit dem Sertralin in der Dosis ein wenig experimentiert. - Auf Anraten meiner Psychiaterin. Das Valdoxan habe ich nach Rücksprache mit ihr weggelassen, als ich das Sertralin beenden wollte hat sie mir davon abgeraten, ich müsse es MINDESTENS einJahr lang nehmen.

Eher zufällig habe ich es im Urlaub drei Tage lang hitnereinander vergessen - anderer Tagesablauf, aber auch der Gedanke, ich brauch das nicht mehr. Holla! Ich brauche es noch, meine Psychiaterin lag da richtig mit ihrer Einschätzung.

Sie will mich nicht in der Krankheit halten, sondern mir helfen, stabil zu bleiben. Wenn die Medis dabei helfen, na gut. Es gibt viele Menschen, die ihr ganzes Leben lang Medis nehmen müssen - mich belastet das jetzt nicht so arg.

LG SOnnenblume
"Depressionen sind kein Zeichen von Schwäche, sondern dafür, dass jemand zu lange zu stark sein musste" (Johnny Depp)

"Verstehen kann man das Leben nur rückwärts. Leben muss man es vorwärts." Sören Kierkegaard
Nachtflug
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Re: mit Absicht in der Krankheit gehalten?

Beitrag von Nachtflug »

Hallo Sonnenblume :hello:,

ganz richtig. Ich hatte mein Medikament auch mal mehrere Wochen aus Schlampigkeit nicht genommen. Mir ging es zwar gut, aber ich ließ es mir dennoch wieder verschreiben, denn ich wusste: ein paar Monate gutgehen, das gelingt einem oft bei solchen Erkrankungen. Darum geht es aber nicht, sondern langfristig stabil bleiben. Das ist nicht so einfach.
Die Einstellung, es ohne Medikamente schaffen zu müssen, finde ich übrigens auch typisch für viele depressive und bipolare Menschen. Viele haben das Muster, immer alles alleine schaffen zu müssen. Und setzen sich dann auch noch unter Zeitdruck.
Ich habe lieber an mir gearbeitet und ich weiß wie zerbrechlich meine Gesundheit ist. Ich achte immer auf meinen Körper und meine Psyche, ob es mir zuviel wird und schlafe dann zum Beispiel länger. Oder sage einen Termin ab.
Ohne mein Medikament hätte ich gedanklich aber nichtmal die Kraft gehabt, diese ganzen Veränderungen umzusetzen. Das Gehirn ist plastisch und ja, es kann sich verändern, der depressive Zustand verschwinden und man kann stressresistenter werden. Aber es ist auch nicht so, dass diese Veränderungen keine Zeit brauchen. Wenn man Jahre lang Stress erzeugende Muster gelebt hat, dann muss mann diese gesunden Pfade trainieren, man muss ich Zeit lassen sie auszubilden.
Übrigens geht man heutzutage davon aus, dass Antidepressiva bei vielen Menschen (sie wirken ja nicht bei allen und was dem einen hilft, hilft nicht per se dem Anderen) wirken, weil sie die Neuroplastizität erhöhen. Nicht unbedingt wegen Botenstoffmangel. Das Gehirn ist in einer Depression nicht mehr so plastisch, das heißt es ist unheimlich schwer neue Dinge umzusetzen, im Gehirn werden neue Verbindungen nicht so gut verknüpft wie bei Gesunden. Wenn es einem besser geht, ist diese Plastizität auch wieder da und damit die Voraussetzungen, die Veränderungen anzugehen. Aber stabil sind die Veränderungen dann noch lange nicht.

Ich stelle mir das vor wie einen Urwald. Ich schlage mir erst neue Wege frei, dann trampele ich sie lange Zeit nach, bis sie immer leichter zu begehen werden und in Routine übergehen. Wenn sie Routine sind, sind sie nicht mehr so schwer zu gehen, es geschieht automatisch. Aber solange ich in der langen (!!!) Phase des Austrampelns und Freischlagens bin, ist es eine anstrengende Veränderung, bei der ich eine Hilfe gut gebrauchen kann. Das Medikament ist meine Machete, mit der ich mir den Weg freischlage und festes Schuhwerk, mit dem ich den Weg breitrete. Irgendwann nach langer Zeit kann er so gut ausgebaut sein, dass ich vielleicht barfuß darüber gehen kann und ihn automatisch ohne Nachdenken laufen kann.
Vielleicht brauche ich dann mein Werkzeug nicht mehr, ich muss ja schließlich nicht so viel anstrengend verändern, es ist schon da. Wenn dann Phasen kommen, in denen ich Veränderungen nicht mehr so gut hinkriege, kann ich diesen ausgebauten Pfad begehen, den ich mir in der Werkzeugphase erarbeitet habe und er ist leichter zu gehen, schließlich ist er mir mittlerweile in Fleisch und Blut übergegangen, er ist vertraut.
Aber selbst wenn ich mein Werkzeug dann doch immer wieder brauche, weil er zuwuchert, ist das doch viel besser als diesen Weg gar nicht gehen zu können.
Aber auf gar keinen Fall macht es Sinn, mein Werkzeug wegzuwerfen, sobald ich erst 10 Meter freigeschlagen und breitgetreten habe. Denn die alten Pfade, die ich seit Jahren oder Jahrzehnten begangen habe, winken mir die ganze Zeit zu. Schau her, wie leicht ich zu begehen bin. Gar kein Gewuchere und ich bin ganz eben. Du kennst mich doch noch von früher. Ich führe zwar in die Dunkelheit, aber irgendwohin musst du ja gehen. :hello:
Und ohne Werkzeug noch kaum ausgetretene Pfade freizuschlagen und zu -trampeln. Puuuh, schwer.

Auf jeden Fall braucht es Zeit, bis Veränderungen sich auch einbrennen und damit leicht fallen. Und nicht bei allen ist das so möglich.
Zarra
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Registriert: 12. Mär 2010, 15:16

Re: mit Absicht in der Krankheit gehalten?

Beitrag von Zarra »

Hallo Sunlight,

auch wenn Du eher Menschen suchst, die das gleiche denken, was verständlich ist, ist dies ein offenes Forum und meine Meinung ist klar eine andere.
Ich habe das Gefühl, als ob die niedergelassenen Ärzte einen in der Krankheit halten wollen.
Nein, da muß ich Dir aus all meinen Erfahrungen heraus ganz klar widersprechen!! Ich glaube nicht, daß irgendein Arzt etwas dagegen hätte, wenn es Dir oder mir oder irgendeinem für immer besser ginge und er ihn nie wieder sehen würde! Es hat schon immer Depressionen gegeben, das Allheilmittel dagegen wurde noch nicht gefunden, und momentan sieht die Arztsituation in Deutschland meist so aus, daß es eher schwierig ist, einen Psychiater zu finden, wenn man neu erkrankt ist; allein von daher kann Patientenmangel kein Grund sein.
dass es für Ärzte bequemer ist, den Patienten in der Krankheit zu halten, als einen Weg raus zu erarbeiten.
Darin liegt etwas mehr Wahrheit, denn mir haben Psychiater schon ganz klar erklärt, daß sie für Gespräche nicht zuständig seien, daß es dafür Psychotherapeuten gebe, die dann auch für die 50 Minuten bezahlt würden. Und damit sind wir bei der realistischen Frage, was in max. 15 Minuten - bei mir: maximal einmal im Quartal, angelehnt an die entsprechende Dotierung von der Krankenkasse - besprochen werden kann; und natürlich auch, wie motiviert dann u.U. dennoch ein Psychiater ist. 15 Minuten, in denen es auch noch um Medikamente und das psychisch-physische Allgemeinbefinden geht, sind wenig; da komme ich nur zu etwas, wenn das mit den Medikamenten glatt läuft, in zwei, drei Sätzen besprochen werden kann (egal, ob Reduzierung, Erhöhung, Wechsel (das geht selten schnell, weil es dazu hin und her mehr Infos braucht) oder einfach weiter) und ich dann eine so begrenzte Problemfrage vorgebe, daß mein Psychiater darauf "anspringt". Ja, ich finde das auch zuviel, daß der Patient das leisten muß. Doch wenn ich nichts sage, dann ist es auch realistisch, daß der Psychiater nicht zu bohren anfängt.

Und klar sollte man ansonsten erwarten können, daß der Psychiater einem zu Psychotherapie rät, zu stationärer Reha oder was sonst noch anstehen könnte (Entspannungsverfahren, Sport, ...). Und das läuft bei verschiedenen Ärzten sicher recht unterschiedlich: von viel über mittelmäßig bis fast gar nicht. - Doch gerade als langjährig Erkrankte/r weiß man ja ggf. auch von ein paar Möglichkeiten und kann den Arzt danach fragen, ob er das passend für einen selbst hält etc. etc.
ohne dass mein Arzt die weitere Notwendigkeit und Wirksamkeit hinterfragt hätte.
Naja, über die Wirksamkeit gibt's Du Auskunft; dazu kann im Einzelfall der Arzt ja wenig sagen, bei manchen wirken ADs ja gar nicht. - Hinsichtlich der Notwendigkeit ist es etwas anderes: Einerseits denke ich, gilt es die nicht aus dem Nichts gegriffene Empfehlung ernst zu nehmen, Antidepressiva noch für einige und vom Gefühl her u.U. viele Monate weiterzunehmen, auch wenn es einem gut geht. Ich habe allerdings auch schon vermißt bzw. habe das Gefühl, daß zumindest Psychiater von sich aus ganz selten einen Vorstoß hinsichtlich Reduzierung oder Absetzversuchen machen. Wenn ich es angesprochen habe, kam oft der "Vorschlag", ich solle es halt u.U. probieren - ich glaube, da will auch keiner für ggf. einen Rückfall sozusagen verantwortlich sein, was ich teils verstehen kann, denn garantieren kann er ja nichts.

Ich bin chronisch betroffen. Ich hatte anfangs immer wieder mal Phasen, in denen ich abgesetzt habe, aus unterschiedlichen Gründen. Es ist ja immer ein Abwägen, was es bringt und ggf. welche Nebenwirkungen es hat. Inzwischen und vorläufig weiß ich es einfach zu schätzen, was es mir bringt, keine umfassende Heilung oder "Aufpeppung", aber es erleichtert mein Leben etwas. Ich hatte inzwischen auch unterschiedlich akzentuierte Phasen, auch mit lebensgeschichtlich bedingt, und in der einen Phase standen einfach beruhigende ADs an, wäre es ohne nicht gegangen, - und es dauerte zwar sehr und unerwartet lange, doch irgendwann legte sich das; und dann wurden in gemeinsamer Absprache auch die ADs geändert.

Und eigentlich sollten sich bei den allermeisten Patienten ja Pharmako- und Psychotherapie ergänzen. Wie sieht es da bei Dir aus?

Liebe Grüße und einen guten Weg für Dich,
Zarra
Katerle
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Re: mit Absicht in der Krankheit gehalten?

Beitrag von Katerle »

Ich sehe das auch so, dass mein Doc mir mit den Medis helfen will, weiterhin stabil zu bleiben.

LG Katerle
Salvatore
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Re: mit Absicht in der Krankheit gehalten?

Beitrag von Salvatore »

Hallo Sunlight,

wäre ja die Frage, was möchtest du denn? Und die zweite Frage: Wie realistisch ist das?
Wie müsste der Arzt denn sein oder dich behandeln, was müsste er sagen oder tun? Medikamente machen nicht "alles gut"; okay, bei manchen Patienten schlagen die Tabletten total toll an und sie profitieren wahnsinnig davon, aber das scheint mir doch tendenziell eher die Ausnahme zu sein. Bei manchen wirken sie gar nicht, bei anderen verursachen sie schlimmste Nebenwirkungen. Bei vielen nehmen die Medikamente die Spitzen der Beschwerden raus, aber auch nicht mehr. Eine wirkliche antidepressive (also stimmungsaufhellende) oder deutlich antriebssteigernde Wirkung beobachte ich nur bei wenigen. Was oft gut funktioniert ist eine sedierende Wirkung (zum Schlafen, aber dann vielfach mit Überhang, oder z.B. gegen Panikattacken).
sunlight69 hat geschrieben:Ich dachte immer, ich nehme eine Weile die Medikamente und dann irgendwann ist es vorbei mit der Depression
Inzwischen dürfte dir klargeworden sein, dass das eine eher unrealistische Annahme ist... ;)
sunlight69 hat geschrieben:ohne dass ein Arzt mal auf die Idee gekommen wäre, diese zu reduzieren, wenn es mir schon mehrer Monate gut ging.
Da schließe ich mich der mehrheitlichen Meinung meiner Vorschreiber an: ist doch toll, wenn du so lange Phasen hast, in denen es dir gut geht. Da würde ich mich dann aber an den Grundsatz halten: never change a running system. Wenn es funktioniert, ist es doch Irrsinn, das gleich ändern zu wollen...? Viele Psychiater reden nach einer schweren und eher langwierigen Depression davon, Medikamente erst abzusetzen, wenn der Patient zwei Jahre stabil war.
sunlight69 hat geschrieben:In ganz bösen Momenten denke ich sogar, dass sie an mir nur verdienen wollen.
Selbstverständlich wollen sie an dir verdienen, es ist schließlich ihr Broterwerb. Auch Psychiater wollen essen, müssen Miete zahlen und heizen. Der Irrglaube ist jedoch, dass das nur mit DIR geht und er dich deshalb als zahlenden Kunden halten muss. Wurde ja auch schon gesagt - der Bedarf an psychiatrischer Behandlung ist so immens, dass er seine Auftragsbücher zum Überquellen voll hat. Und es ist nicht abzusehen, dass das in den nächsten Jahren weniger wird, ganz im Gegenteil. Ich glaube, er wäre heilfroh, wenn er seine Praxis entlasten könnte, indem er Patienten geheilt entlässt.
sunlight69 hat geschrieben:dass es für Ärzte bequemer ist, den Patienten in der Krankheit zu halten, als einen Weg raus zu erarbeiten
Verstehe ich nicht, was ist denn daran bequem? Ich bin zwar kein Arzt, aber mir waren zufriedene Kunden immer lieber als unzufriedene, an letzteren fand ich nämlich überhaupt gar nix bequem. Wenn er die Zauberpille hätte, warum würde er sie dir denn dann vorenthalten wollen?
sunlight69 hat geschrieben:wie lange ich schon Medikamente nehme, ohne dass mein Arzt die weitere Notwendigkeit und Wirksamkeit hinterfragt hätte
Mir fehlt insgesamt irgendwie deine Eigenverantwortlichkeit. Hast du denn die Notwendigkeit und Wirksamkeit hinterfragt? Was war dein Ergebnis? Und was war dann aus diesem Ergebnis heraus für dich die Konsequenz? Du dürftest ja in den 15 Jahren deiner Erkrankung auch ein halber Experte geworden sein, oder nicht? (Und wenn nicht, warum nicht?)
Ich habe auch schon viele Medikamente durch und ich bin bestens informiert. Meine Ärztin ist super, aber auch bei ihr muss ich selbst aktiv werden; so fordere ich z.B. alle viertel Jahr einen Bluttest an - ich fänds toll, wenn sie das ungefragt anleiern würde, aber so ist es nun mal nicht. Wenn sie mir ein AD verschrieben hat, das nach meiner Auffassung nicht wirkte, habe ich das auch so gesagt, dann haben wir an der Dosierung etc. gedreht und wenn es dann bei allen Veränderungen nach geraumer Zeit immer noch nicht wirkte, habe ich halt gesagt, das hat keinen Zweck und habe nach Absprache wieder abgesetzt.
Eines, das ganz am Anfang eine gute Wirkung gehabt zu haben schien, habe ich über längere Zeit genommen, aber auch damit ging es mir anhaltend schlecht und ich hatte extreme Tiefs. Irgendwann habe ich ihr dann gesagt, dass ich es nicht mehr nehmen möchte, weil ich den Gewinn nicht länger sehe. Sie war dagegen und meinte, dass es mir ohne vielleicht noch schlechter ginge. Ich habe mir das lange durch den Kopf gehen lassen und dann entschieden, dass ich das eigentlich nicht glaube und so haben wir dann entschieden, dass ich ja versuchen kann zu reduzieren und dann halt gucke, ob sich was verändert. Sollte es mir wirklich schlechter gehen, könnte ich ja wieder höher dosieren. Gemacht, getan und... es passierte überhaupt nichts. Kein Unterschied zu vorher.

Wenn du mit deinem Arzt nicht klarkommst, dann wechsle. Ich weiß, dass es nicht ganz leicht ist und die Wartezeiten lang sind. Aber du kannst ja zunächst zweigleisig fahren, erstmal weiter zu deinem Arzt gehen und parallel weitersuchen. Selbst wenn du ein Jahr auf einen Termin woanders warten musst: hättest du das schon vor fünf Jahren gemacht, hättest du seit vier Jahren einen anderen Arzt. Ich kann dir da nur raten, es (auch) bei psychiatrischen Institutsambulanzen zu probieren. Meine Ärztin, bei der ich alle 4-6 Wochen bin, nimmt sich jedes Mal eine halbe Stunde Zeit. Allerdings, auch mit diesen langen Terminen konnte sie mich nicht heilen (und da wären wir wieder bei den realistischen Erwartungen). Aber sie ist wenigstens immer gut über meine Lebenssituation informiert. Dazu nehme ich aber auch einen weiten Weg auf mich, die Klinik ist nicht gerade nebenan, das ist es mir jedoch wert.
Vielleicht probierst du es aber auch mal damit, bei deinem Arzt deutlichere Worte zu finden. Wenn er abwiegelt, hast du dann mal gesagt: "Sie wiegeln ab, ich möchte aber, dass Sie..." Probier das mal. Werde aktiv und warte nicht, dass dein Arzt es für dich tut.

Lg, Salvatore
Blog: http://www.oddyssee.de
Instagram: Oddysee@meine_oddyssee
2304.1900
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Registriert: 21. Nov 2010, 00:19

Re: mit Absicht in der Krankheit gehalten?

Beitrag von 2304.1900 »

Hallo sunlight69 ,

Wenn das Vertrauen zu deinem Arzt nicht mehr da ist ,solltest du auf jeden Fall
Reagieren.
Ich würde schon aufgrund der langen Behandlung eine zweite Meinung ; idealer Weise
von einem Facharzt für Neurologie/Psychatrie einholen.
Das kann zwar Monate dauern bis der Termin da ist ,aber du hast halt Jahre Zeit
davon zu Profitieren.
Wichtiger als die Behandlung ist das du deinem Arzt vertrauen kannst. Er kann dich nicht Heilen-
er ist mehr ein Berater und Wegführer mit mitteln und möglichkeiten.
Den Weg aus der Depression, musst du immer Selber gehen-nicht der Arzt.
Also entscheide dich ..!
Das Forum kann dir helfen und dir die dinge aus der Persönlichen sicht zu erklären ,aber
das ist auch ein gemisch aus verschiedenen Sichtweisen.

Lass dir deine guten Zeiten, nicht von einem BI-Polaren zerreden; wenn du nicht selbst BI-Polar bist. Ich bin selber unter anderem Bi-Polar und wir haben aufgrund unseherer Krankheit kein Vertrauen in "gute Phasen" besonders nicht in gesteigerte Gute Phasen mit erheblichen Stimmungsaufschwung. :roll:

viele Grüße,
Stefan
Zarra
Beiträge: 5734
Registriert: 12. Mär 2010, 15:16

Re: mit Absicht in der Krankheit gehalten?

Beitrag von Zarra »

Hallo Sunlight,

das hatte ich vergessen und möchte da aber auch die Meinung der anderen unterstützen: Falls Du mit Deinem Arzt gar nicht kannst, solltest Du Dir einen anderen suchen.

Unabhängig davon kann es aber keineswegs schaden, mal eine zweite Meinung zu "Deinem Fall konkret" zu hören. Es kann sein, daß er Dir etwas ganz anderes vorschlägt - u.U. kann sich das einfach ergänzen (das ist mir einmal so gegangen) oder es ist eine Alternative. Es kann aber auch sein, daß er Dir zu haargenau dem gleichen bzw. zumindest zum Weiternehmen eines ADs rät. Das kann Dir aber ggf. helfen, besser mit der Situation umzugehen. Ärzte sitzen nicht in einem drin, sie können sich auch mal irren, gerade in psychischen Belangen; andererseits gibt es halt schon Erfahrungswerte.

LG, Zarra
riverflow
Beiträge: 535
Registriert: 4. Apr 2014, 11:30

Re: mit Absicht in der Krankheit gehalten?

Beitrag von riverflow »

Na ja, vielleicht nicht extra in der Krankheit halten. Es ist einfach der Job eines Psychiaters, Medikamente zu verschreiben.

Ich denke, dass Leute, die schnell absetzen nicht schnell wieder krank werden, weil die Grunderkrankung wieder durchbricht, sondern dass es sich um eine Absetzerscheinung der Medikamente handelt, deren Symptome denen der Depression gleichen.
In einer Studie wurden z. B. Angstpatienten, die nicht depressiv waren, mit Antidepressiva behandelt. Beim Absetzen wurden einige davon depressiv, obwohl sie das vor der Antidepressivagabe nicht waren.

Viele Patienten rezidivieren auch früher oder später unter den Antidepressiva und so kommt es letztendlich dazu, dass nie abgesetzt werden kann, weil nie genügend "gesunde" Zeit zwischen den Episoden war.
In der letzten Zeit liest man oft davon, dass sich ein Antidepressivum "abnutzt". Dosissteigerungen, Wechsel oder Polypharmazie sind oft die Folge.

Ich sehe das Ganze durchaus kritisch.
Aber nicht in dem Sinne, dass Menschen extra in der Krankheit gehalten werden. Eher als eine Art "Berufsblindheit".
Kaschtin
Beiträge: 58
Registriert: 26. Okt 2015, 10:03

Re: mit Absicht in der Krankheit gehalten?

Beitrag von Kaschtin »

Interessant wie unterschiedlich die Meinungen dazu sind. Ich weiß Ärzte verdienen an kurzen besuchen und Rezepten fast nichts, pauschal nen Zwanziger etwa. Die Psychotherapie lohnt sich da schon eher praktisch wenn der doc auch der Therapeut ist (für mich auf jeden Fall).
Das mit den Medis sieht glaub ich jeder anders und individuell, oder sollte so sein. In meinem Falle ist es so das ich seit Ca 6 Wochen diese nehme und diese nochmal solange mindestens. Es geht mir gut und ich bin zufrieden werde auf Anraten meines docs/Therapeuten diese im Januar wieder ausklingen lassen. Eigenverantwortlich werde ich mich beobachten, auf mich achten und bei Bedarf wieder einsteigen (natürlich begleitet).
Ich bin mit für mich verantwortlich das hab ich mir auf die Stirn geschrieben.

Gruß Kaschtin
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