Wie verarbeitet ihr die Therapie - Auslöser bekommt Gesicht

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Masseltoff
Beiträge: 2
Registriert: 25. Sep 2014, 21:02

Wie verarbeitet ihr die Therapie - Auslöser bekommt Gesicht

Beitrag von Masseltoff »

Hallo zusammen !

Im Zuge meiner Therapie, kommen immer mehr Auslöser meiner Depressionen raus.

Der Hauptauslöser ist meine Mutter. Sie hat es schon als Baby versäumt, mich, ich nenne es "zu erden".

Ich kann meine Mutter nicht mehr um mich ertragen. Ich bin so verletzt, es tut so weh.

Meine Kinder würde ich auch am liebsten nicht mehr zu ihr lassen. Ich weiss, dass das grundverkehrt wäre und versuche es zu ertragen. Meine Kinder vergöttern ihre Oma. Und das tut noch viel mehr weh. Also wüsste sie, dass sie die Fehler, die sie bei mir gemacht hat, nicht wiederholen soll.
Ich bin eifersüchtig auf meine Kinder, das gebe ich offen zu.

Ich bin mir auch sicher, dass meine Mutter gar nicht weiss, was sie alles verbockt hat- und das macht mich rasend !!

Dauernd verwöhnt, ja verzieht sie die Kinder, stellt mich schlecht dar, pfuscht mir in die Erziehung.

Hoffentlich könnt ihr mit meinem Geschreibse was anfangen und halbwegs nachvollziehen.

Geht es jemand so ähnlich ??
ndskp01
Beiträge: 2874
Registriert: 9. Feb 2008, 19:34

Re: Wie verarbeitet ihr die Therapie - Auslöser bekommt Gesi

Beitrag von ndskp01 »

Hallo Masseltoff,

klar, das Verhältnis zur noch lebenden Mutter muss im Verlauf der Therapie neu justiert werden. Das war und ist immer noch bei mir auch schwierig, auch wenn ich das Problem mit den eigenen Kindern nicht kenne, da ich leider keine habe und es außerdem eine gro0e räumliche Distanz zur Mutter gibt. Es wäre auch für mich mal wieder dran, an dem Verhältnis zu arbeiten.

Kannst du das Problem erstmal mit deiner Therapeutin besprechen? Bevor du anfängst, die Mutter mit Vorwürfen zu überschütten und deine eigenen Kinder zu belasten? Es spielen ja für deine Entscheidung viele Aspekte eine Rolle, zum Beispiel ihr Alter, die aktuellen Rahmenbedingungen, verhält sie sich jetzt gegenüber deinen Kindern noch immer problematisch und verletzend?, wie stark ist dein Bedürfnis, das Vergangene anzusprechen und welche Schwierigkeiten in eurer Beziehung sind heute für dich belastend und deswegen besonders dringend anzusprechen?

Falls du hier auf dein Posting (zu) wenig Rückmeldung kriegst, kannst du das Thema auch in Umgang mit der Krankheit nochmal zur Sprache bringen, da lesen mehr Menschen mit.

Viele Grüße, Puk
Brummi59
Beiträge: 979
Registriert: 15. Aug 2014, 23:13

Re: Wie verarbeitet ihr die Therapie - Auslöser bekommt Gesi

Beitrag von Brummi59 »

Erstmal willkommen Masseltoff,

ich kann Dir da nur zu größter Vorsicht bei der Aufarbeitung raten. Mich hat meine Geschichte überrumpelt und seitdem habe ich für meine Eltern (beide tot) nur noch Verachtung. Seit der Beisetzung war ich nicht mehr am Grab.
Zwar hatte ich ein "wohl behütetes" zu Hause aber den Hauptanteil trägt meine Oma, die viele Jahre bei uns wohnte. Vom Vater bekam ich sehr oft Geschreie oder Prügel. Die Mutter war mit 4 Kindern und Job überfordert. Beide wurden Alkoholkrank.
Mit 22 Jahren habe ich dann durch Zufall erfahren das mein Vater nicht mein Erzeuger ist. Als ich es einmal zur Rede brachte, gab es nur Schweigen. Ich habe es bis heute nicht richtig verarbeitet. Deswegen, pass auf Dich auf. Da sind ganz schnell Brücken eingerissen, die kaum mehr widerhergestellt werden können.
Vielleicht hilft es auch mal ein gemeinsames Gespräch unter Leitung der Therapeitin mit Deiner Mutter zu führen.
Liebe Grüße
Dieter

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Du könntest dich den ganzen Tag ärgern - du bist aber nicht dazu verpflichtet!
*Arthur Lassen*
Gerbera
Beiträge: 619
Registriert: 31. Mär 2013, 00:24

Re: Wie verarbeitet ihr die Therapie - Auslöser bekommt Gesi

Beitrag von Gerbera »

Hallo Masseltoff,

ich verstehe sehr gut, dass Du wütend auf Deine Mutter bist, weil sie Deiner Meinung nach bei Deiner Erziehung vieles falsch gemacht hat. Kommt mir irgendwie bekannt vor. Trotzdem möchte ich Dir die Denkanregung weitergeben, die ich von meiner Thera gehört habe: könnte es sein, dass Deine Mutter ihr Bestes gegeben hat, dass sie es einfach nicht besser wusste/konnte? Vielleicht wurde sie als Kind genauso behandelt wie sie Dich behandelt hat, vielleicht ist es einfach ihre Art? Vielleicht war ihr gar nicht bewusst, dass sie Dich durch ihr Verhalten verletzt oder nicht gut genug aufs Leben vorbereitet hat?

Jetzt, wo Du weißt, oder zumindest zu wissen glaubst, woher Deine Depression rührt, kannst Du den nächsten Schritt gehen: die Vergangenheit ist nicht änderbar. Was änderbar ist, ist die Gegenwart. Im Gegensatz zu meiner Mutter lebt die Deine noch. Wenn es Dir so sehr am Herzen liegt, wie ich Deinen Worten entnehme, kannst Du mit ihr reden, Deine Verletzungen darstellen (möglichst mit Ich-Botschaften und ohne sie zu verletzen) und sehen, wie sie darauf reagiert.

Du hast auch die Möglichkeit, nichts zu sagen und heute ein gutes Verhältnis zu ihr aufzubauen. Das ist schwierig, weil Du ihr dazu erst einmal verzeihen müsstest - etwas, womit ich mich extrem schwer tue, obwohl mir klar ist, dass meine Mutter tatsächlich ihr Bestes gegeben hat.

Was Du in jedem Fall tun kannst, ist, Deinen Kindern das mitzugeben, was Du von Deiner Mutter nicht bekommen hast. Damit grenzt Du Dich vom Verhalten Deiner Mutter ab, machst es besser oder zumindest anders.

Du bist heute erwachsen, hast selbst Kinder. Du bist nicht mehr das kleine Kind von einst. Es liegt in Deiner Hand, Dich von der Vergangenheit zu lösen und eigene Wege zu finden, um HEUTE das zu bekommen, was Du damals vermisst hast, eventuell von anderen Menschen als Deiner Mutter. Nebenbei stellt sich die Frage: brauchst Du das heute überhaupt noch und wenn ja, warum?

Deine Kinder vergöttern die Oma, weil sie bei ihr - wie bei den meisten Omas - Dinge dürfen, die sie bei Dir nicht dürfen. Das ist normal. Omas sind nicht zum Erziehen da sondern zum Verwöhnen. Ich glaube, Kinder können sehr genau unterscheiden, wo was erlaubt ist und wo nicht. Insofern pfuscht die Oma möglicherweise weniger in Deiner Erziehung herum als Du denkst. Was meinst Du überhaupt damit, dass sie in Deiner Erziehung herumpfuscht? Kannst Du ein konkretes Beispiel nennen?

Deinen Kindern geht es bei ihrer Oma gut, besser als es Dir bei ihr als Tochter ging. Könntest Du versuchen, Dich für Deine Kinder zu freuen und das Ganze so zu betrachten, dass Deine Mutter bei Deinen Kindern das wiedergutmacht, was sie bei Dir falsch gemacht hat?

Ich schließe mich der Meinung meines Vorschreibers an: besprich das Ganze mal mit Deinem Therapeuten/Deiner Therapeutin und versuche, zusammen mit ihm/ihr die Hintergründe zu erforschen und Strategien für den heutigen Umgang mit Deiner Mutter zu entwickeln. In der Depression sieht man vieles anders als man es im Normalzustand tun würde, macht aus Mücken Elefanten, ist sehr schnell bereit zum Gegenangriff überzugehen, wenn man sich angegriffen fühlt, auch dann, wenn der Angriff schon lange zurückliegt.

Sei bitte in Deinem eigenen Interesse vorsichtig. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass mir heute, wo es mir wieder recht gut geht, vieles leid tut, was ich in den Akutphasen der Depression gesagt und getan habe. Leider sieht es so aus, als ob ich mit den Folgen leben müsste, weil manches schlicht nicht reparabel ist.

Es hat lange gedauert, bis ich soweit war, aber ich denke heute, dass es nicht die Schuld meiner Mutter oder sonst eines Menschen war, dass ich depressiv wurde. Depressionen ruhen auf mehreren Säulen, u.a. auf den Genen, die wir ererbt haben, unseren Erfahrungen in der Vergangenheit (Traumata...), länger anhaltende Stresssituationen in der Gegenwart, mangelhafte Stressverarbeitung usw. Die Versäumnisse/Fehler Deiner Mutter sind nur ganz kleine Bausteine im Entstehungsprozess Deiner Krankheit.

Ursachenforschung ist meiner Meinung nach wichtig - einerseits um zu verstehen, warum man krank geworden ist und andererseits, um alte Muster aufzubrechen, sich selbst bzw. sein Verhalten zu ändern mit dem Ziel, die Depression zunächst zu überwinden und später keinen Rückfall zu erleiden.

Ich gehe davon aus, dass das das Ziel jedes Depressiven ist, und nicht, Eltern, Freunden etc. alles an den Kopf zu knallen, was sie jemals grundlegend falsch gemacht haben im Umgang mit uns. Auch Du und ich haben sicher viele Fehler im Umgang mit Anderen gemacht und wurden nicht dafür "gekreuzigt". Wie heißt es in der Bibel so nett: wer ohne Fehler ist, werfe den ersten Stein...

Sorry für den langen Text. Deine Frage und Deine Geschichte haben bei mir offenbar einen Nerv getroffen.

Ich wünsche Dir von Herzen, dass Du die richtige(n) Entscheidungen triffst und einen Weg findest, mit Dir selbst und Deiner Wut auf Deine Mutter klarzukommen.

Viele liebe Grüße,
Gerbera
cinder89

Re: Wie verarbeitet ihr die Therapie - Auslöser bekommt Gesi

Beitrag von cinder89 »

Hallo,

ich verstehe das so gut!

Bei mir ist es auch meine Mutter (Misshandlung, grundlose Wutausbrüche, und null Liebe oder Zuwendung).
Ich habe das aber tatsächlich mit ihr aufgearbeitet, indem ich da mit ihr drüber geredet habe.
Es war total schwierig für uns beide und hat mehrere Anläufe gedauert, bis sie mich verstanden hat.

Wichtig ist, wie in anderen Beiträgen schon gesagt, dass du das Verhältnis zu deiner Mutter neu definierst.
Für mich war es sehr schwer, zu akzeptiren, dass solche Gefühle meiner Mutter gegenüber in Ordnung und gerechtfertigt sind.
Ich habe meine Eltern das letzte Mal dieses Jahr im Mai besucht, weil ich sie auch nicht um mich haben konnte.
ABer ich habe meinen Eltern das irgendwann gesagt, und sie haben da mehr oder weniger Verständnis für (was aber auch gedauert hat, nachdem erstmal Vorwürfe usw kamen).

Vielleicht hilft es dir, wenn du deiner Mutter erstmal einen Brief schreibst? Du musst ihn ja (erstmal) nicht abschicken....

Wenn du magst, kannst du mir auch mal eine PN schreiben.

Alles Gute!
Sonnenblume14
Beiträge: 1038
Registriert: 16. Sep 2014, 18:36

Re: Wie verarbeitet ihr die Therapie - Auslöser bekommt Gesi

Beitrag von Sonnenblume14 »

Hallo Masseltoff,

lass die Wut auf deine Mutter zu. Sie ist ein Ventil zu einer anderen Sichtweise. Ich kenne das Gefühl zu gut. Als meine Tochter zur Welt kam, hatte meine Mutter nur Augen für ihr Enkelkind. Das hat enorm verletzt, plötzlich war ich, die Tochter, gleichgültig. Meine Nöte (postnatale Depression) wurden nicht ernst genommen - heiteitei war wichtiger.

Später waren die Enkel ihr ein und alles, sie hat sie verwöhnt ohne Ende und ihre (für mich negativ empfundene) Erziehungsmethoden weiterführen wollen. HIER war der PUnkt wo wir als Eltern eingegriffen haben. Geholfen haben mir folgende PUnkte: 1. meine Kinder werden von mir und meinem Mann erzogen, die Zeit, die die Großeltern haben, hier Einfluss zu nehmen, bestimmen wir. Damit ist die Gefahr des Ausgeliefertsein der eigenen Kinder weit geringer. 2. Großeltern sind wichtig, auch als Personen, wo die Kinder weitere Grenzen haben. Das tut ihnen gut - und sie lieben sie deswegen. Sie tragen weniger Verantwortung und können daher großzügiger sein.

Es gab zwischen meinen Eltern und mir oft Diskussionen und auch ernsthafte Auseinandersetzungen. Zum Beispiel (und das wird wohl überall anders sein) das Übernachten dort. Unsere Kinder wollten es nicht und wir haben das akzeptiert - im Gegensatz zu meinen Eltern, die untergründig gedroht haben. Das galt es abzuwenden.

Inzwischen (meine Kinder sind fast erwachsen) hat sich das Verhältnis normalisiert. Vor allem auch zwischen meiner Mutter und mir, die Kinder führen jetzt ein eigenständiges Leben (mehr oder weniger) und fahren zu Oma, wenn sie wollen - oder eben nicht. Momentan kämpfe ich mit der Tatsache, dass sie mehr und mehr hilfebedürftig wird und sich die Vorzeichen umkehren. Ich merke, dass da vieles noch unverarbeitet ist.

LG Sonnenblume
"Depressionen sind kein Zeichen von Schwäche, sondern dafür, dass jemand zu lange zu stark sein musste" (Johnny Depp)

"Verstehen kann man das Leben nur rückwärts. Leben muss man es vorwärts." Sören Kierkegaard
music_is_life
Beiträge: 140
Registriert: 9. Nov 2014, 16:31

Re: Wie verarbeitet ihr die Therapie - Auslöser bekommt Gesi

Beitrag von music_is_life »

In diesem verletzten Zustand "den Verursacher" zu konfrontieren - das artet in den meisten Fällen aus in reine Schuldzuweisung und damit nimmst du unweigerlich die Opferrolle ein.

Ich wusste vor der Thera, was in meiner Kindheit vergeigt wurde, hatte bereits 9 Jahre lang Psychologie-Lektüre gewälzt (kein Studium, nur für mich selbst), aber ich konnte mich eben nicht selbst reflektieren.

Es war damals die 2. Thera-Sitzung. Die Fragen zu meiner Kindheit trafen ins Schwarze ("durften Sie auch mal Emotionen zeigen, durften sie weinen? - Nein, Emotionen wurden bestraft. Haben sie sich manchmal gewünscht, in einer anderen Familie zu sein? ...") und die Antworten die ich gab, gnadenlos ehrlich, konnte ich umgehend assoziieren.

Ich begriff bei dieser Sitzung, dass die Depression eben auch von meinem Vater keinen Halt machte.

Ich kam nach Hause und ließ einfach nur laufen. Als ich mit dem Heulen fertig war, war ich befreit. Ich begriff zum ersten Mal, wie überfordert er mit sich selbst sein musste. Ein kranker Mensch, ein verzweifelter und überforderter Mann, ohne den Hauch einer Ahnung von Erziehung, dem es ebenfalls verboten wurde, Emotionen zu zeigen. Er war nicht in der Lage, dieses Muster zu durchbrechen. Wie denn auch? Wo wir lebten, gab es keine Therapeuten, da gab es dieses Wissen nicht. Wohlmöglich musste er viel länger mit dieser Krankheit leben und wusste nichtmal, was ihn da gefangen hielt. Er tat mir plötzlich leid. Das erste mal in meinem Leben konnte ich ihm innerlich verzeihen. Das erste Mal im Leben merkte ich, dass ICH mich selbst befreien kann, dass ich das Wissen habe, das er nicht hatte. Raus aus der Opferrolle. Ich bin erwachsen, ich kann mich befreien.

Am nächsten Tag rief ich ihn an, habe natürlich davon nichts erwähnt. Ich wollte ihn einfach nur hören, ihn als unvollkommenen Menschen hinnehmen. Ich war völlig befreit von dieser Last, die vorher immer zwischen uns lag. Das hat mir unglaublich gut getan.

Der Effekt ging weiter: ich war ich auch im Beruf unbefangener Autoritätspersonen (Vorgesetzten) gegenüber, die symbolisch diese Vaterfigur verkörperten.

Alles nach der 2. (!) Sitzung. Ich hatte ganz viel Glück mit meiner Thera.

Ich hoffe, du kannst deiner Mutter irgendwann verzeihen. Deine Emotion ist berechtigt und auch wichtig. Erst danach kann die Endstufe des Loslassens folgen, mit der man sich von dieser Last und der Opferrolle befreien kann.
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