Kontaktabbruch

Antworten
Tini 28
Beiträge: 32
Registriert: 26. Aug 2014, 13:20

Kontaktabbruch

Beitrag von Tini 28 »

Hallo ihr Lieben,

ich bin neu hier und muss mich erst einmal orientieren.Meine Diagnose bekam ich vor 9 Jahren nach einem weiteren Selbstmordversuch,danach war ich 11 Wochen in stationärer Behandlung.

Mein grössssssssssssstes Problem nach meiner Diagnose: meine erwachsenen Kinder haben den Kontakt zu mir abgebrochen,weil ich ihnen zu anstrengend geworden bin. Meine Enkelkinder (1 Jahr und fast 4 Jahre) durfte ich bisher nur zu den Taufen sehen. Ich habe aber einen total tollen verständnisvollen Ehemann, der es aber nicht verstehen kann, dass mich die Trauer um die "nicht vorhandenen" Enkel immer wieder in tiefe Löcher runterzieht! Meine erwachsenen "Kinder" haben mich nach meinem ersten Klinikaufenthalt, nach meinem 2. Selbstmordversuch "verwarnt". Nach dem Motto : letzter Versuch von Dir, unsere Aufmerksamkeit zu erringen. Mein Mann war immer um Familienfrieden bemüht, er dachte, wenn wir beide uns genügend bemühen, dann wird es wohl den Kindern recht zu machen sein.Als ich dann das 1. Mal bei einem Familienurlaub versuchte, mich hauptsächlich um mich persönlich zu kümmern, da war Schluss!!!! Als totale Egoistin wurde ich wahrgenommen, und von da an wurde der Kontakt radikal zu mir abgebrochen.
Meinem Mann wurde der Besuch bei den Enkelkindern zu gestanden, mir aber nicht.
Folge : 2. Klinikaufenthalt für 10 Wochen im Wohnort unseres Sohnes!!! Meine Kinder haben sich kein einziges Mal bei mir oder bei meinem Mann gemeldet. Auf meine Bitte hin sind sie allerdings zu einem Gespräch mit meinem Therapeuten in die Klinik gekommen. Das Gespräch fand auf meinen Wunsch hin ohne mich statt. Sonst wären sie wohl auch nicht gekommen! Das Gespräch fand 2 Klinikzimmer weiter von meinem Zimmer statt. Sie haben sich weder vor dem Gespräch noch nach dem Gespräch bei mir gemeldet!!!!
Ich habe mit meinem Mann zusammen Therapiestunden gehabt, und wir beide haben meine Veränderung gemeinsam hin bekommen und uns supergut auf die neue Lebenssituation eingestellt. Er freut sich, dass er keine Angst vor einem erneuten Selbstmordversuch haben muss und dass ich diverse mir gut tuende Aktivitäten in meinen Alltag eingebaut habe!
Wenn nicht diese verdammte schmerzliche,ziehende Trauer um meine "nicht vorhandenen " Enkelkinder wäre!!!! Mein Mann macht nur noch "Doppelpack" Antworten, wenn es heißt : Du darfst die Kinder sehen, Mutti aber nicht. Dann antwortet er stereotyp : nur wir beide, sonst leider nicht.
LG
Tini 28
Insa40
Beiträge: 1162
Registriert: 25. Mär 2011, 20:44

Re: Kontaktabbruch

Beitrag von Insa40 »

Hallo liebe Tini,

willkommen im Forum erst mal :hello:

Du schreibst hier im Angehörigen-Forum, wo fast nur Angehörige schreiben, aber sehr wenige von der Depression Betroffene. (ich bin selber auch an Depressionen erkrankt)

Am besten, Du kopierst Deine Beiträge auch noch mal im Teil "Umgang mit der Krankheit".
Dort wirst Du sicher mehr Feedback bekommen können.

Mir selber schoss beim Durchlesen Deiner Beiträge durch den Kopf, dass Deine Kinder vielleicht entweder aus Unkenntnis oder Angst den Kontakt zu Deinen Enkeln nicht zulassen wollen.
Was sagen sie denn, wenn Dein Mann ihnen sagt, wie traurig Dich das macht bzw. wenn er sie fragt, was sie von dem Gespräch mit Deinem Therapeuten in der Klinik gehalten haben?
Hat sich Dein Therapeut nach dem Gespräch mit Deinen Kindern mit Dir darüber unterhalten?

Viele Grüße, Insa
PhiloSofa
Beiträge: 32
Registriert: 17. Aug 2013, 14:08

Re: Kontaktabbruch

Beitrag von PhiloSofa »

Liebe Tini,

da ich selbst aus der Sicht eines Kindes von einem depressiven Vater schreibe, kann ich die Haltung Deiner Kinder sehr gut nachvollziehen. Es ist einfach viel schwerer als Kind Toleranz für die Depressionssymptome eines Elternteils aufzubringen als als Partner, schließlich hat man sich die Eltern nicht ausgesucht. Man wurde in eine Familie hineingeboren und hat unfreiwillig seine Kindheit in einer Umgebung verbracht, die auch sehr anstrengend, fordernd, traurig und belastend gewesen sein kann. Ich selbst habe beispielsweise, um mit der Depression meines Vaters klarzukommen, mich von ihm innerlich distanzieren müssen. Gerade nach seinem Selbstmordversuch dessen Sinnhaftigkeit mir als Kind doch arg verborgen geblieben ist. Geblieben ist nur ein Gefühl des ungerechten Verlassenwerdens und der Bedeutungslosigkeit, die man für den eigenen Vater wohl haben muss, wenn der sich umbringen will.

So etwas schmerzt, aus reinem Selbstschutz heraus, baut man dann eine Mauer um sich herum auf. Du schreibst, Du hast schon einen zweiten Selbstmordversuch hinter Dir. Ich glaube auch hier haben Deine Kinder hauptsächlich den Verdacht, dass Du Dir Aufmerksamkeit erpressen willst. Sie sehen das nicht als Hilferuf an, sondern als Drohung, das ist natürlich ihr Fehler. Dennoch versuche nichts zu erzwingen. Lass Sie in Ruhe und versuche vor allem keine Forderungen zu stellen. Die Forderungen, die man als Kind eines depressiven Menschen hatte, wurden einem nämlich auch nie erfüllt, deshalb hasst man vor allem eins: Forderungen.

Sich bei einem Familienurlaub nur um sich selbst zu kümmern, wird immer für Konfrontation sorgen. Es ist ja ein Familienurlaub, d.h. eine Unternehmung miteinander, wenn alle dann letztlich immer auf einen Rücksicht nehmen müssen bzw. einer immer Sonderregeln hat und sich alle nach ihm richten, dann sorgt das für Frust. Ich kenne das aus diversen Urlauben mit meinem Vater auch, meine Mutter und ich konnte ihm nichts recht machen. Er war nölig, unleidlich, aggressiv, ätzend, das Schlimmste war aber die nicht vorhandene Eigenwahrnehmung. Das ist auch das, was Deinen Kindern vermutlich aufstoßen wird, Deine Eigenwahrnehmung ist eine völlig andere als die Wahrnehmung, die sie von Dir haben.

Wenn sich Deine Kinder so hart von Dir abgrenzen, dann lass sie in Ruhe. Erst wenn sie selbst den Kontakt suchen und Du auch damit einverstanden bist, werdet ihr eine Atmosphäre haben, in der sich alle Seiten wohlfühlen können.
Tini 28
Beiträge: 32
Registriert: 26. Aug 2014, 13:20

Re: Kontaktabbruch

Beitrag von Tini 28 »

Liebe Philosofa,

ganz lieben Dank für Deine sehr offene und natürlich auch zutreffende Antwort. Du hast Deine Erfahrung als Kind mit dem depressiven Vater gemacht. Um so entsetzlicher ist diese Erfahrung für Dich als ahnungsloses Kind gewesen! Bei mir machte sich die Erkrankung erst nach den Wechseljahren bemerkbar, also zu einem Zeitpunkt, als meine Kinder schon zum Studium das Haus verlassen hatten. Sicherlich war ich schon immer sehr schwermütig, erblich bedingt, aber als sie noch im Hause waren, konnte ich den Alltag noch gut meistern. Den Rest gab mir dann wohl das " empty nest ".
Mein Mann und ich haben inzwischen den Kontakt zu unseren Kindern auf sehr reduzierte, sehr neutrale Mails runterfahren. Mein Mann, der ja gleichzeitig der Senior in der Firma ist, pflegt einen absolut profimäßigen geschäftlichen Umgang. Sie bilden geschäftlich übrigens ein absolutes "dreamteam", sie denken eben komplett ähnlich!Er kann das Private dann auch total ausblenden. Ich halte mich aus der Firma fern, damit mein Sohn nicht das Gefühl hat, von mir mit Problemen belästigt zu werden. Ferner fragt mein Mann auch nicht mehr, wann wir die Enkel sehen dürfen. Dies hat er unsrem Sohn auch so mitgeteilt. Der sehr ärgerlich reagierte, aber nun weiß jeder ,woran er ist.

Die Erkenntnis für uns ( meinen Mann und mich) : wir hätten uns das Familienleben natürlich anders gewünscht, aber wir beide genießen um so mehr nun unsere Zweisamkeit und freuen uns von Tag zu Tag mehr, dass wir ansonsten - abgesehen von meiner F.32.2 Deoression - gesund und ohne finanzielle Sorgen sind. Das können längst nicht alle 70 jährigen von sich behaupten.
Mir haben auch sehr die lieben Mails darin bestärkt, den nun eingeschlagenen Weg weiter zu gehen!
Übrigens sind die Selbstmorde und Selbstmordversuch bei Erkrankten auch derGrund dafür , dass die schwere Depression eine verdammt tödliche Erkrankung ist. Man kann seine Hoffnungslosigkeit nicht mit Verstand oder Einsichten steuern. Sie bezwecken ganz sicherlich nicht die Aufmerksamkeit zu erringen, sondern entspringen einfach dem Gefühl, es Deiner Familien und Deinen Lieben mit den traurigen , hoffnungslosen Denkmodellen nicht länger so schwer zu machen. Also genau das Gegenteil, wie es aufgefasst wird!!!
Ganz liebe verständnisvolle Grüße - Deine Erfahrungen tun mir außer ordentlich leid
Tini 28
Shaddow
Beiträge: 27
Registriert: 12. Sep 2014, 06:14

Re: Kontaktabbruch

Beitrag von Shaddow »

Hallo

Ich hab mich auch nach einem Suizidversuch von meiner alkoholkranken Mutter distanziert...sie wollte ja auch ohne Vorankündigung aus unserem Leben scheiden..also nehme ich mir das Recht raus den Kontakt meinerseits zu canceln.
Es hat vier Jahre gedauert..nun liegt Sie mit Schlaganfall im Pflegeheim und ist ein Schatten ihrer Selbst..dank dreissig Jahre Alkoholkonsum und zehn Jahre Kettenrauchen.
Inzwischen wünsche ich es hätte Damals geglückt..dies was jetzt kommt ist kein Leben mehr....nur Siechtum.
Tini 28
Beiträge: 32
Registriert: 26. Aug 2014, 13:20

Re: Kontaktabbruch

Beitrag von Tini 28 »

Hallo Shaddow,
Deine sehr negative Lebenserfahrung hat Dich doch sehr verbittert.ich kann sehr gut verstehen, das Du nach der Alkoholsucht deiner Mutter keine Lust mehr auf Kontakte mit Ihr hast . scheinbar hat sie sich auch nicht professionelle Begeben. Du siehst jetzt nur die negativen Auswirkungen dieser Aokoholkrankheit.
Ich würde aber gerade in dieser Situation versuchen, durch sporadische Besuche im Pflegeheim ein versöhnliches Gespräch führen. Wenn Deine Mutter verstorben ist, ist diese Möglichkeit für immer vorbei. Und damit - dem Gefühl - kann nichts mehr rückwirkend degradiert werden.
Denke einfach mal darüber nach!
LG
Tini
Shaddow
Beiträge: 27
Registriert: 12. Sep 2014, 06:14

Re: Kontaktabbruch

Beitrag von Shaddow »

Hallo Tini
Ich habe mich mit Ihr ausgesöhnt..Weihnachten war ich verdammt tief Unten und wollte mit Allen ins reine kommen.
Dazu gehörte Auch der Frieden mit Ihr.
Heute ist Sie so vergesslich..starrt durch einen durch..das Sie den nächsten Tag nicht mehr weis..das Sie Besuch hatte.
Guss Shaddow
Shaddow
Beiträge: 27
Registriert: 12. Sep 2014, 06:14

Re: Kontaktabbruch

Beitrag von Shaddow »

Hallo Tini
Ich war bei Abbruch des Kontaktes in einem Vollzeitjob und die Kinder kamen in ein Alter wo Sie die Umwelt intensiver wahrnahmen.
Nur wer mit Alkoholikern zusammengelebt hat..kann nachvollziehen was für emotionale Krüppel sich daraus entwickeln können.
Um die Kinder und mich zu schützen gab es dann über eine Betreuerin die Option Heim.
Unsere Differenzen hatten sich so hochgeschaukelt das Auseinandersetzungen immer heftiger wurden.
Irgendwann wird es einem egal..wenn alles Reden nicht mehr nützt..ich wollte einfach Ruhe und Frieden haben....wie dieser Frieden ausgesehen hätte lass ich jetzt mal dahingestellt.
Jahrelang tyrannisiert zu werden..die eigenen Kinder wurden von Ihr unter Druck gesetzt..bedroht...
Es war nicht nur der reine Alkohol der zum Abstand geführt hat..viele Verletzungen..Provokationen..Abstürze..es war zuviel.
Shaddow
Beiträge: 27
Registriert: 12. Sep 2014, 06:14

Re: Kontaktabbruch

Beitrag von Shaddow »

Liebe Tini
Zu deiner Geschichte..mit einem Selbstmord zeigst Du das Dir alle egal sind..Du beschliesst für Dich aus dem Leben zu scheiden.
Den Spiess drehen die Kinder um.
Es gibt Hilfeschreie..ich ritz mich mal eben blutig.... oder dem Ice Nachts in die Augen sehn...als Endlösung.
Wir hatten u.a.auch Sterbehilfe in der engeren Verwandschaft..wie es durchsickerte waren meine Kinder geschockt...gerade zehn..elf...
Ausgebrütet wurde es ein Jahr..die Kids bekamen immer nur durch die Tür Informationen bis zum offen Aussprechen...des Vorhabens.
Diese Tage der Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung..das viele Reden..auffangen...meinerseits...es war grauenvoll.

Es ist doch schonmal ein Riesen Vorteil das Du von deinem Gedanken abgerückt bist..aber ich glaube das es für den Partner auch nicht einfach ist....
Die Kinder werden älter und reifer....warte ab.
Meine sind in der Pubertät..die Tochter fährt heute sogar mit zur Mutter..der Sohn distanziert sich..ich zwinge ihn nicht Sie zu besuchen.
Ich denke bei Ihm hat Sie den Bogen während meiner Abwesenheiten oft überspannt.

Gruss Shaddow
Pia again
Beiträge: 106
Registriert: 14. Aug 2014, 07:39

Re: Kontaktabbruch

Beitrag von Pia again »

Hallo Tini,

selbstverständlich kann ich verstehen, wie schlimm es sein muss, die eigenen Enkelkinder nicht aufwachsen zu sehen.

Im Gegenzug, es wurde ja auch mehrfach aus Sicht betroffener Kinder erläutert, hinterlässt das Aufwachsen in einem brüchigen '"Familienhaushalt" defintiv Spuren; ein jeder dieser Familienmitglieder muss einen Weg, nämlich seinen, finden, damit umzugehen.

Mein Mann, wirklich massiv brüchiges Elternhaus aus den besten Kreisen fand auch Teile seiner Kindheit wundervoll; andere Teile hat defintiv nicht.
Genau das kann wohl sehr deutlich eine innere Zerrissenheit für die Kinder bringen.

Keine wirkliche Stabilität, die Kinder sosehr benötigen.

Deine Kinder haben sich für den Kontaktabbruch entschieden und dies auf die Enkel ausgeweitet.

Ihr Weg, mit dem Erlebten umzugehen.

Mein Mann, psychisch krankes erwachsenes Kind einer psychisch kranken Mutter (losgelöst von Deinem Sachverhalt) hat sich auch für den passiven Kontaktabbruch - keine Klarstellung - entschieden; damit geht es ihm richtig, richtig gut.
Er hat seinen Weg, mit seiner Mutter umzugehen noch nicht gefunden: es ist noch nicht möglich.

Liebe heisst für mich auch Loslassen.

Vielleicht kannst Du Deinen Kindern Deine tiefe Liebe zu Ihnen zeigen, in dem Du Ihren Weg mit der schweren Situation umzugehen akzeptierst.

Du könntest einen Brief schreiben, dass Dir die Enkelkinder fehlen, vielleicht auch die eigenen Kinder, Du aber aus Liebe diese Entscheidungen respektierst, akzeptierst und auch gerne dem Opa den Kontakt alleine, wenn er dies möchte, zugestehst.

Vielleicht kannst Du Deinen Mann sogar ermutigen, allein seine Kinder und Enkelkinder zu genießen.
Es muss für Deine Kinder sehr unschön sein, wenn ihre Entscheidung aus Gründen vermeintlicher Solidarität wieder - brüchiges Elternhaus - zu ihren Lasten ausgetragen wird.

Es sind die auch die Kinder Deines Mannes, seine Enkelkinder und es ist Deine Erkrankung, Deine Lebensgeschichte, die die Kinder zu diesem Schritt veranlasst und nicht seine.

Wäre es mein Mann, so wäre ich sehr traurig, wenn er so handeln würde, um mir damit "zu helfen".

Wäre das für Dich vorstellbar?

Die tiefen Löcher, in die Du fällst, wenn Du Deine Enkelkinder vermisst: vielleicht ist es möglich, therapeutisch da Deinen Weg des Umgangs mit der Situation zu finden.

Ich kann es nicht beurteilen, aber vielleicht ist es therapeutisch möglich, Deinen verständlichen Schmerz zu akzeptieren, die Entscheidung der Kinder im Hinblick auf die Enkelkinder vielleicht weniger persönlich zu sehen, sondern als Versuch Deiner Kinder, die Enkelkinder zu schützen - vor einem Bruch, wie in ihrer Kindheit -.

Ob immer alle Wege richtig sind, von allen Beteiligten, mag dahingestellt sein, aber sie sind sicher eines: für die jeweilige Person im Jetzt genau so richtig (muss nicht so bleiben).

Alles Gute!
Pia
Bubbletea
Beiträge: 58
Registriert: 8. Mai 2013, 21:42

Re: Kontaktabbruch

Beitrag von Bubbletea »

Liebe Tini (wie kamst du eigentlich auf die 28?),

es muss sehr schmerzhaft sein und vielleicht kann einen nichts so sehr wie dieses manchmal vertrackte Gefühlsgeflecht innerhalb der eigenen Familie schlauchen. Es gibt so viele Gefühle und auf der anderen Seite so viele Tretminen. Dass du so offen über dieses Thema sprichst, finde ich mutig und sicher auch wichtig. Hätte ehrlich gesagt nicht gedacht, dass es so viele "Auch-Betroffene" gibt.

Finde deinen eingeschlagenen Weg und deine Einstellung ( "Kann es nicht ändern und konzentriere mich auf und freue mich über das Positive") klasse. Wichtig ist,was dir guttut. Lass dir da von anderen, die vielleicht von ihren eigenen, nicht verarbeiteten Familientraumata auf dich schließen, nur nichts einreden, schon gar keine dubiosen "Du musst deine eigenen Bedürfnisse zurückstecken und Verständnis haben" (deine Gefühle und Wünsche sind genauso viel wert und jeder normale Mensch würde wohl wünschen dass der Ehepartner zu einem steht. Vielleicht kann das aber auch nur jemand verstehen, der schon mal in einer richtigen Beziehung gelebt oder verheiratet war )-Mantren oder irgendwelche Schuldgefühle.

Ob deine Kinder "Brüche in ihrer Kindheit" erlebt haben (durch deine Krankheit die erst im Erwachsenenalter deiner Kinder ausgebrochen ist) und du ihre Entscheidung nur passiv hinnehmen sollst, kann auch ganz sicher kein Nutzer beurteilen, aber manche Leute geben anderen halt ungefragt lieber mit dem erhobenen Zeigefinger Ratschläge als die eigenen Lebenskrisen endlich mal anzugehen.

Der S. Versuch ist sicher auch ein schwieriges Thema, aber vielleicht kann es ein Außenstehender dem es noch nie so schlecht ging nicht wirklich nachvollziehen. Umso schöner, dass du einen lieben Partner (vielleicht auch Freunde) und so ein schönes Leben hast. Genieße die Sonne, hoffe sie scheint bei euch auch so schön wie bei uns. Wünsche euch allen Glück und Gesundheit.
Tini 28
Beiträge: 32
Registriert: 26. Aug 2014, 13:20

Re: Kontaktabbruch

Beitrag von Tini 28 »

Liebe Bubbletea,liebe Pia,liebe Shaddow,

erst einmal danke ich Euch sehr für Eure offenen Worte! Sie kommen aus ganz unterschiedlichen Betrachtungsecken. Gerade diese Tatsache hat mir sehr geholfen, zusätzlich zu meiner Therapie eine andere, vielleicht auch sachlichere Sicht auf mein spezielles Problem zu bekommen.
Auf den angesprochenen Mut zur Offenheit muss ich sagen, dass ich im Laufe der letzten 2 Jahre - also nach meinem letzten Klinikaufenthalt - gelernt habe, dass es so viel Unwissen speziell in betroffenen Familien gibt. Es muss ganz einfach versucht werden, nicht- Betroffenen bzw. nicht- Erkrankten klar zu machen, dass das " kranke Verhalten " aus einer komplett im Gehirn verschobenen Wahrnehmung entspringt! Ein versuchter Selbstmord kann nicht mit " Ritzen " verglichen werden, denn er entspringt meistens aus einer totalen Hoffnungslosigkeit und aus nichtnachvollziehbarem Schuldgefühl heraus quasi ein Kurzschluss, der die Krankheit " Depression" zu einer sehr tötlichen Angelegenheit macht. Als Erkrankter bist Du in solchen Momenten komplett ferngesteuert, d.h. es greift dann nicht die Logik oder eine bewusste Steuerung, Du kannst dann auch garnicht erkennen, was Du bei anderen anrichtest . Viel mehr mehr ist es dem Betroffenen immer wieder klar vor den Augen, dass es im weiteren Leben immer wieder solche tiefen Episoden geben wird. Man kann nur damit leben, dass man die Erkrankung annimmt und lernt, sich nicht mehr ständig zu überfordern, und achtsam mit Dir selbst umgehst.
Zu Shaddow möchte ich noch sagen, dass ich Gott sei Dank kein Alkoholiker war, außerdem waren meine Kinder schon über 20, als sich meine Erkrankung bemerkbar machte.
Mein Mann und ich haben beide gelernt bzw. lernen müssen, dass wir unser Leben hier und jetzt leben, zumal uns nur noch eine begrenzte Zeit bevor steht. Ich habe gelernt, dass ich mich in der Vergangenheit zu wenig um mich selbst gekümmert habe und dadurch meine seelische Gesundheit aus den Augen verloren.
Meine Trauer bezieht sich deshalb auf die nicht möglichen Momente, die ich mit meinen Enkeln
gerne hätte. Jetzt, wo ich nicht mehr berufstäötig bin, hätte ich für sie alle Zeit der Welt gehabt!!! Aber da es nicht gewünscht wird, schreibe ich meinen Enkeln jede Woche einen Brief, füge den Texten passende Fotos dazu und ....schicke sie nicht ab.. Wenn sie über 18 sind, werde ich Ihnen diese Texte zu kommen lassen. Dieses Ritual hilft mir sehr.
In meinem Testament vermache ich eine recht große Geldsumme- die ich geerbt habe und nicht ausgeben werde-der Depressions-Stiftung. Es muss noch viel Aufklärung stattfinden und auch in der Gehirnforschung gibt es noch so viele ungeklärte Dinge, dies alles werde ich posthum unterstützen, in der Hoffnung, dass nicht andere Erkrankte auf so viel Unverständnis stoßen, wie es mir sogar bei meinen eigenen Kindern passiert ist.
Ihr habt mir super-gut weiter geholfen!!!
Tini
Lerana
Beiträge: 2088
Registriert: 4. Feb 2012, 18:42

Re: Kontaktabbruch

Beitrag von Lerana »

Liebe Tini,

ich bin so hin- und hergerissen, was ich dir schreiben will.

Ich versuche mal, meine Ambivalenz darzustellen:

Als mein Sohn auf die Welt kam, war klar: Kontakt zu meinem Vater wird mein Sohn nur in unserem Beisein haben. Übernachtungen sind ausgeschlosssen. Zu dem Zeitpunkt war mein Vater Alkoholiker, der ab nachmittags begann zwischen drei und fünf Falschen Wein zu trinken. Mittlerweile ist mein Vater trocken und das schon seit über zwei Jahren. Letzen Monat hat mein Sohn auf eigenen Wunsch hin zum ersten Mal bei ihm übernachtet. Ich bin ehrlich, der Kontakt meines Sohnes zu seinem Opa ist deutlich eingeschränkter als zu den anderen Großeltern.

Meine Mutter hat sich in dem kurzen Leben meines Sohnes von zwei Partnern getrennt. Für uns steht fest: Nochmals einen neuen Stiefopa wird es für meinen Sohn nicht geben. Sollte meine Mutter einen neuen Partner haben, möchte ich nicht, dass dieser engen Kontakt zu meinem Sohn hat. Ich möchte ihm einfach die dauernden Trennungen ersparen.

Das also mein Hintergrund, weshalb ich auch die Sicht deiner Kinder nachvollziehen kann.

Nun versuche ich durch deine Augen zu gucken. Bedürfnisse nicht formulieren macht m.E. keinen Sinn. Das sehe ich auch so. Den Wunsch nach mehr Kontakt zu äußern, finde ich mehr als verständlich.

Nichts desto trotz wird dir letztendlich nichts anderes übrig bleiben, als die Entscheidung deiner Kinder zu akzeptieren. Denn du kannst deinen Enkeln ja nicht heimlich auflauern. Ihnen regelmäßig Briefe zu schreiben und diese nicht abzuschicken, finde ich einen guten Umgang mit deiner Trauer.

Die Solidarität deines Mannes ehrt ihn. Pias Einwände finde ich jedoch auch sehr bedenkswert. Jedoch kann ich auch verstehen, wie sehr es schmerzen muss, den Mann gehen zu lassen und selber zurückzubleiben.

Ich fürchte mehr als dieses ambivalente Geschreibsel habe ich nicht zu bieten.

Herzliche Grüße
Lerana

@Pia: Ich lese in deinen Postings keinen erhobenen Zeigefinger!!!
Der Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung wechseln kann. (Francis Picabia)
Pia again
Beiträge: 106
Registriert: 14. Aug 2014, 07:39

Re: Kontaktabbruch

Beitrag von Pia again »

Liebe Lerana,

;) das ist lieb von Dir......... Du gehörst ja nunmal zu den Menschen, die selbstreflektieren und die wirklich was zu sagen haben, außer: dem bösen Zeigefinger ;)

Für mich persönlich ist Fakt - losgelöst von Tini - :
niemand bricht den Kontakt zur Familie - aus den unterschiedlichsten Gründen und Geschichten - ab, weil es ihm super gut ging in der Vergangenheit.

Ganz sicher nicht.
Mit gesundem Menschenverstand müsste das eigentlich wertfrei klar erkennbar sein.

Ob dieses "nicht gut gehen" real ist, auf einer psychischen Krankheit beruht, auf Bewusstem Schädigen des Gegenübers (wer denkt so?????) , Bösartigkeit oder auf was sonst, ist wohl nur ggf. in der Realität klärbar.

Wer darin den erhobenen Zeigefinger liest, was wohl eine Art Schuldzuweisung sein soll, statt die Logik des Lebens zu erkennen; da frag ich mich dann, wer wohl ein Wahrnehmungsproblem hat.........


außerdem sind es eh immer nur dieselben Personen.....


:hello: Grüße
Pia



LG
Pia
Tini 28
Beiträge: 32
Registriert: 26. Aug 2014, 13:20

Re: Kontaktabbruch

Beitrag von Tini 28 »

Liebe Lerana,liebe Pia,
das Leben mit einem Depri ist verdammt schwer! Meinen Kindern ist das zu anstrengend geworden, obwohl sie mich bis zu ihrem Auszug immer alles starke, top organisierte Frau kennengelernt haben. Sie werfen mir vor ,nur noch egoistisch zu sein. Das liegt aber in der Natur der Erkrankung, wenn man anfangen musste sein Leben umzukrempeln. Sie werfen mir vor, nicht an meinen Mann zu denken, was ich in meinen Episoden gerade nicht wirklich kann. Andererseits haben mein Mann und ich uns noch nie so engverbunden gefühlt. Was zählt ist, dass man sein eigenes Leben nicht mehr abhängig machen darf von den Vorstellungen der lieben Kinder.
Mein Mann ist glücklich, wenn seine Frau glücklich ist. Er freut sich, dass er keine Angst mehr um mich haben muss. Aber wir haben beide eine Paartherapie gemacht. Er weiß, dass ich viel Zeit für mich alleine brauche, er drängt mich nicht mehr, unbedingt immer an seiner Seite auf Veranstaltungen zu gehen. Jetzt geht er auch ohne mich. Ich denke, dass Partner von Depris sehr auf sich selbst achten müssen, um Kraft zu haben, wenn sich wieder Dunkelheit breit macht. Ich gehe auch sehr offen mit meiner Erkrankung um. Ich nehme ohne Probleme das Wort Psychiatrie in den Mund, was ja eigentlich " no go " ist. Aber diese Offenheit erleichtert meinem Mann die Solo-Auftritte in der Öffentlichkeit.
Ganz liebe Grüße an Euch
Tini
Antworten