Doch körperlich...??? (Histamin-Intoleranz o.a.?)

Salvatore
Beiträge: 3868
Registriert: 10. Feb 2010, 18:35
Kontaktdaten:

Doch körperlich...??? (Histamin-Intoleranz o.a.?)

Beitrag von Salvatore »

Hallo ihr,

da ich schlecht auf Therapien (Psycho- und Pharmakotherapie) anspreche, stellt sich mir immer wieder die Frage, ob nicht doch - zumindestens AUCH - eine körperliche Ursache hinter meinen Beschwerden stecken könnte.
Meine Blutwerte sind in Ordnung, durch ein entsprechendes Hormon auch die Schilddrüsenwerte.

Nun bin ich durch Zufall auf eine mir bis dato unbekannte Nahurungsmittelunverträglichkeit gestoßen, nämlich Histamin-Intoleranz (HIT).
Viele der Symptome passen auf mein Beschwerdebild, sind allerdings leider wie so oft relativ unspezifisch. Aber ich habe z.B. am Anfang angezweifelt, dass ich Panikattacken habe - ich hatte eigentlich nicht wirklich "Angst vor etwas"; weil mir aber so viele Behandler dasselbe gesagt haben, habe ich es ergeben als richtig angenommen. Dies könnte mit HIT erklärt werden, ebenso wie meine Gelenkschmerzen und den Nebel im Kopf und die Konzentrationsschwierigkeiten, die mir ebenfalls keiner zufriedenstellend erklären kann und die nicht wie ständig postuliert zusammen mit der Depression abnehmen.

Hat jemand von euch damit Erfahrung? Evtl. schon mal einen Bluttest gemacht? Wurde das von einem eurer Ärzte mal in Betracht gezogen, habt ihr davon gehört, habt ihr einen Karenztest gemacht?

Das beschäftigt mich gerade sehr, würde mich freuen von euch zu hören.

Lg, Salvatore
Zuletzt geändert von Salvatore am 19. Jun 2014, 18:34, insgesamt 1-mal geändert.
Blog: http://www.oddyssee.de
Instagram: Oddysee@meine_oddyssee
Frauhamster
Beiträge: 370
Registriert: 6. Mai 2014, 17:11

Re: Doch körperlich...??? Histamin-Intoleranz?

Beitrag von Frauhamster »

Hallo Salvatore,

also zunächst Erfahrungen hab ich gar keine mit Histamin-Intoleranz. Meine Idee dazu ist, ob Du das nicht austesten kannst. Also die Ernährung reduzieren auf Lebensmittel, die gar kein oder nur wenig Histamin enthalten, und dann schauen, ob die Symptome nachlassen. Wenn sie das tun, dann nach und nach wieder Lebensmittel hinzufügen und schauen, ob wieder Symptome auftreten. Ich stelle mir das ziemlich langwierig und nervig vor, aber funktionieren könnte es doch.

Als andere Möglichkeit käme da für mich mit meinem laienhaften Verstand in Betracht, Antihistaminika auszuprobieren. Die bekommst Du doch teilweise rezeptfrei in der Apotheke, und die sollten doch dann gegen Deine Symptome helfen?

Aber wie gesagt, das sind nur meine laienhaften Gedanken.
Liebe Grüße

Liebe Grüße von der Hamsterin

Wer das Glück nicht entlang des Weges sieht,
findet es auch nicht am Ende des Weges. (Hartmut Lohmann)
Salvatore
Beiträge: 3868
Registriert: 10. Feb 2010, 18:35
Kontaktdaten:

Re: Doch körperlich...??? Histamin-Intoleranz?

Beitrag von Salvatore »

Hallo Frau Hamster,

den Nahrungsmitteltest werde ich wohl wirklich mal machen. Da es sehr viele Lebensmittel betrifft, von denen ich die meisten regelmäßig esse, wird es wirklich ziemlich aufwändig und anstrengend...

Das mit den Antihistaminika ist eine interessante Idee; ich bin nächste Woche bei meiner Ärztin und werde sie mal fragen. Habe dieses im Internet gefunden:

"Einzelne Antihistaminika hemmen offenbar als unerwünschte Nebenwirkung Histamin abbauende Enzyme oder andere Aminoxidasen. Die Anwendung solcher Wirkstoffe hat zur Folge, dass zwar einerseits spezifisch einer der Histaminrezeptoren blockiert wird und dadurch ein Teil der Histaminwirkungen schwächer wird, dass aber andererseits durch die Hemmung eines abbauenden Enzyms der Histaminspiegel ansteigt, was andere Histaminwirkungen verstärkt. Die betreffenden Wirkstoffe sind deswegen aber nicht notwendigerweise unverträglich. Normalerweise überwiegt die positive Wirkung deutlich."
(http://www.histaminintoleranz.ch/therap ... istaminika" onclick="window.open(this.href);return false;)

Außerdem muss ich noch gucken, dass es keine Wechselwirkungen mit meinen anderen Medis gibt.

Wahrscheinlich bin ich mit meiner Frage hier gar nicht richtig; ich werde noch mal nach einem HIT-Forum gucken.

Lg, Salvatore
Blog: http://www.oddyssee.de
Instagram: Oddysee@meine_oddyssee
Frauhamster
Beiträge: 370
Registriert: 6. Mai 2014, 17:11

Re: Doch körperlich...??? Histamin-Intoleranz?

Beitrag von Frauhamster »

Hallo Salvatore,

leider hab ich da keine Ahnung und kann Dir deswegen auch nicht wirklich helfen, aber ich kann es sehr gut verstehen, dass Du schaust, ob es nicht doch körperliche (Mit)verursacher gibt, gerade, wenn Du schlecht auf die üblichen Therapien ansprichst.

Depressionen auslösend oder verstärkend kann auch ein Vitamin-D Mangel sein. Und gerade bei Menschen mit einer Schilddrüsenunterfunktion tritt der gehäuft auf. Da könntest Du bei Deiner Ärztin mal nacht einem Bluttest fragen. Manchmal wollen die das nicht, dann kann man es zur Not auch selbst bezahlen. Die Präparate werden in der Regel auch nicht von der Krankenkasse übernommen. Aber ein Möglichkeit wäre es doch.

Liebe Grüße!

Liebe Grüße von der Hamsterin

Wer das Glück nicht entlang des Weges sieht,
findet es auch nicht am Ende des Weges. (Hartmut Lohmann)
Salvatore
Beiträge: 3868
Registriert: 10. Feb 2010, 18:35
Kontaktdaten:

Re: Doch körperlich...??? Histamin-Intoleranz?

Beitrag von Salvatore »

Hallo,

habe eine ausführliche Liste mit möglichen Symptomen gefunden. Ein Punkt (u.a.) davon betrifft das Nervensystem und das ist schon äußerst interessant, finde ich:

"Histamin ist an der Regulation des Schlaf-Wach-Zyklus beteiligt und ist ein Neurotransmitter. Wird der Körper mit Histamin überschwemmt, kann dies auch zu vielfältigen neurologischen Symptomen führen:

- Kopfschmerzen, Migräne, Druckgefühl im Kopf, Schwindelgefühl
- Müdigkeit, Energielosigkeit, Antriebslosigkeit, Erschöpfungszustände
- Schlaflosigkeit, Einschlaf- und Durchschlafstörungen, nur oberflächliches Dösen ohne Tiefschlaf, Traumlosigkeit
- Konzentrationsstörungen, Beeinträchtigung der geistigen Leistungsfähigkeit, Langsamkeit
- Vergesslichkeit, eingeschränktes Abrufen von Erinnerungen
- Lärmempfindlichkeit, Suchen von Ruhe und Ereignislosigkeit, Anfälligkeit für Reizüberflutung
- Stressanfälligkeit, verminderte Belastbarkeit, Burnout-Gefühl (Gefühl von geistiger / nervlicher Erschöpfung oder Überarbeitung)
- Hüsteln, besonders in Stresssituationen
- Nervosität (auch ohne äusseren Anlass), Unruhe, Kribbeln, Gefühl einer Koffein-Überdosis
- Muskelkrämpfe, Muskelzuckungen, Zittern, verkrampfte Kiefermuskulatur, Zähneknirschen, abgeschmirgelte Zähne
- Symptome wie bei einer leichten Vergiftung mit einem Nervengift
- Melancholie, Traurigkeit, Weinerlichkeit, depressive Verstimmungen, Depressionen (oft ohne erkennbaren Grund)
- Suizidgedanken
- Vorübergehender Verlust oder Beeinträchtigung des Geruchssinns
- Persönlichkeitsveränderungen, evtl. weitere psychische/neurologische Störungen"


(Quelle: http://www.histaminintoleranz.ch/symptome.html" onclick="window.open(this.href);return false;)

Vielen Dank, Frau Hamster, für den Tipp mit dem Vitamin D. Einen Test habe ich noch nicht gemacht, aber ob das jetzt im Sommer ein Problem ist? Ich war im Mai in der Türkei und auch danach war das Wetter hier über weite Teile sonnig. Ich gehe täglich in den Garten.
Aber generell könnte es schon auch ein Nährstoffmangel sein, ich hatte dazu auch einen Thread: http://www.diskussionsforum-depression. ... 52#p324117

Habe im Zusammenhang mit der HIT auch etwas über Darmbakterien gelesen. Fehlt es an den "guten" Bakterien, kann es wohl ebenfalls zu ähnlichen Symptomen führen, aber darüber weiß ich noch nix genaueres. Womöglich hängt alles irgendwie zusammen.

Lg, Salvatore
Blog: http://www.oddyssee.de
Instagram: Oddysee@meine_oddyssee
Frauhamster
Beiträge: 370
Registriert: 6. Mai 2014, 17:11

Re: Doch körperlich...??? Histamin-Intoleranz?

Beitrag von Frauhamster »

Guten Abend,

das mit den Nährstoffmängeln ist schon echt interessant, ich glaube auch, dass da viel ineinander greift. Ich bin da aber auch der Meinung, dass man da nicht einfach alles in sich rein schütten sollte, bei vielen Sachen sind ja Überdosierungen auch nicht so toll. Das trifft zum Beispiel auch bei Vitamin D zu, eine Überdosierung ist da ziemlich schädlich, also würde ich das niemals ohne vorherigen Test einnehmen. Wenn Du so viel in der Sonne warst und bist, dürfte das ja auch eigentlich nicht sein, da geb ich Dir recht.

Die ganzen Symptome der Histaminintoleranz sind schon sehr interessant, das stimmt. Allerdings sind das auch so Symptome, die bei vielen Erkrankungen oder auch Mängeln vorkommen. Auch bei Eisenmangel trifft das meiste davon zu. Das hab ich gerade mal wieder hinter mir. Ich weiß nicht, wie Dein Hausarzt so drauf ist, vielleicht lässt er sich ja auf ein paar Bluttests ein (Ferritin, Vitamin D, Vitamin B12 wären zum Beispiel so Kandidaten).

Ich bin gespannt, ob Du noch mehr rausfindest über HIT, und ob Du da Tests machen lassen kannst.

Liebe Grüße

Liebe Grüße von der Hamsterin

Wer das Glück nicht entlang des Weges sieht,
findet es auch nicht am Ende des Weges. (Hartmut Lohmann)
Salvatore
Beiträge: 3868
Registriert: 10. Feb 2010, 18:35
Kontaktdaten:

Re: Doch körperlich...??? Histamin-Intoleranz?

Beitrag von Salvatore »

Hallo Frau Hamster,
Frauhamster hat geschrieben:Ich bin da aber auch der Meinung, dass man da nicht einfach alles in sich rein schütten sollte
Nein, auf keinen Fall. Leider lässt sich nicht alles testen, für manches gibt es in Deutschland gar keine Labore und wenn, dann sind diese Tests sehr teuer. Ich bin deshalb sehr vorsichtig vorgegangen und mit sehr niedrigen Dosen, außerdem war alles mit meiner Ärztin abgesprochen.
Frauhamster hat geschrieben:Allerdings sind das auch so Symptome, die bei vielen Erkrankungen oder auch Mängeln vorkommen.

Das stimmt leider. Was mich zu der Frage führt, warum die wenigsten davon abgeklärt werden. Bei mir wurde und wird kontrolliert, dass die Schilddrüsenwerte in der Norm liegen, ebenso Hämoglobin und Hämatokrit und ein paar andere Dinge, die ich aber nicht zuordnen kann.
Von Ferritin habe ich schon mal was gelesen, aber das kam nie zur Sprache, auch ein Vitaminmangel wurde nie untersucht.
Meine Behandlungen waren ja bis jetzt schon exorbitant teuer. Und trotz der diskutablen Erfolge (vor allem langfristig) wird mir zu mehr desselben geraten. Ich wünsche mir schon lange, andere Ansätze auszuprobieren, aber alle sind sich sicher, dass es bei mir rein psychisch ist. Also wird auch nur da geguckt.

Ich frage nächste Woche mal danach, aber: ich bringe das Thema "körperliche Ursache" ja immer mal wieder auf (je nachdem, wie frustriert ich gerade bin :? ) und es wird immer abgewinkt. Das Wort "Akzeptanz" höre ich in diesem Zusammenhang sehr oft...

Vielleicht verrenne ich mich da in was. Ich habe Fachleute an meiner Seite, haben sie recht und ich irre mich? Aber ich frage mich immer mehr, in letzter Zeit hat es ja auch ein paar Threads dazu gegeben, warum sind so viele Menschen therapieresistent und quälen sich Jahre, Jahrzehnte? Und warum fällt den Fachleuten auch irgendwie nix rechtes dazu ein? (Außer "Sie lassen sich nicht ein", "Sie haben Widerstände", ...)
Klar profitieren die meisten von Pharmako- und Psychotherapie, aber viele eben auch nicht oder nicht durchschlagend.

Lg, Salvatore
Blog: http://www.oddyssee.de
Instagram: Oddysee@meine_oddyssee
Regenwolke
Beiträge: 2214
Registriert: 15. Apr 2006, 12:46

Re: Doch körperlich...??? Histamin-Intoleranz?

Beitrag von Regenwolke »

Hallo Salvatore,

von Histamin-Intoleranz habe ich schon gelesen, weiß aber nichts genaues darüber. Ich denke auch, dass neben einem Test wahrscheinlich eine Auslaßdiät Aufschluß geben kann.

Insgesamt bin ich oft verunsichert, ob an solchen Störungsbildern, die vor allem von Hormonspezialisten, Alternativmedizinern oder Vertretern der sogenannten "orthomolekularen Medizin" als Ursachen für Symptome auf der psychischen Ebene genannt werden, was dran ist.
Auf der anderen Seite glaube ich aber auch, dass Vieles, was von Psycho-Fachleuten schnell als psychisch bedingt eingeordnet wird, evtl. doch eine körperliche Grundlage haben könnte und dass Zusammenhänge mit körperlichen Befunden häufig übersehen oder nicht ernst genommen werden.

Ich bin schon häufiger auf die "Nebennierenschwäche" gestoßen, eine Störung, die darin besteht, dass die Nebennieren zuwenig Cortisol ausschütten. Der Betroffene ist dann nicht mehr widerstandsfähig gegen körperlichen oder psychischen Streß. Strenge Schulmediziner erkennen das Störungsbild allerdings nicht an.
Es gibt aber Forschungsbefunde, die zeigen, das der Cortisolspiegel bei psychischen Erkrankungen häufig verändert ist. Bei Depressionen ist er oft zu hoch, bei Ängsten und PTBS scheint er evtl. zu niedrig zu sein.
Meiner war - tatsächlich zur Nebennierenschwäche passend - schonmal grenzwertig niedrig, aber die Endokrinologin sah keinen Handlungsbedarf, da meine Nebenniere ja arbeite, also gesund sei.
Da ich wegen körperlichen Erkrankungen schon Cortison in unterschiedlichen Dosen nehmen mußte, weiß ich allerdings: Es wirkt sich ganz erheblich auf meine Psyche aus, dosisabhängig positiv oder negativ.

Naja, soviel dazu.

Einen schönen Tag,
Wolke
Zuletzt geändert von Regenwolke am 20. Jun 2014, 07:58, insgesamt 1-mal geändert.
Salvatore
Beiträge: 3868
Registriert: 10. Feb 2010, 18:35
Kontaktdaten:

Re: Doch körperlich...???

Beitrag von Salvatore »

Hallo ihr,
Hallo Wolke,

die Nebennierenschwäche ist mir auch schon beim Lesen "untergekommen". Ich bin aktuell verunsicherter denn je, glaube ich. Ich weiß nicht was ich glauben soll, der eine sagt so - der andere so. Was ich aber sicher weiß, ist: es wird immer gesagt, dass Depressionen (auch) auf ein chemisches Ungleichgewicht im Gehirn zurückzuführen sind, wobei u.a. nicht ausreichend Serotonin zur Verfügung steht. AD greifen dort an, gleichen das aus. Ich merke bei mir zwar schon eine gewisse Verbesserung, aber keine zufriedenstellende Wirkung und damit bin ich ja nicht allein.
Das bringt mich zum Nachdenken, schon länger zwar, aber jetzt intensiv. Könnte es sein, dass bei einem gewissen Teil der Patienten es tatsächlich so ist wie jeder sagt und AD deshalb auch eine gute Wirkung zeigen und bei einem anderen Teil die Beschwerden auf eine andere Ursache zurückzuführen sind? Die gar nichts mit Serotonin und Co. zu tun hat? (Abgesehen davon: gibt es womöglich noch andere Ursachen für fehlendes Serotonin als psychosoziale???)

Oder wie ist das sonst zu erklären? Das gleiche betrifft ja auch Psychotherapie. Sehr vielen bringt das wirklich richtig viel und die Beschwerden gehen deutlich zurück. Andere machen eine Therapie nach der anderen und trotzdem... tut sich irgendwie nicht wirklich was Entscheidendes. Es MUSS eine Erklärung dafür geben, die über fehlende Compliance hinausgeht.

Ich versuche, als "blank page" an die Krankheit heranzugehen (oder wie Angela Merkel sagen würde: ergebnisoffen) und Material zu finden, das durch (Meta-)Studien belegt ist und möglichst von Wissenschaftlern kommt, die nicht von der Pharmaindustrie beeinflusst sind. Ist aber so schon schwierig und noch mehr, wenn man nicht besonders aufnahmefähig ist... Ich werds versuchen.

Lg, Salvatore
Blog: http://www.oddyssee.de
Instagram: Oddysee@meine_oddyssee
Frauhamster
Beiträge: 370
Registriert: 6. Mai 2014, 17:11

Re: Doch körperlich...??? (Histamin-Intoleranz o.a.?)

Beitrag von Frauhamster »

Hallo Salvatore,

Du bist ja ganz schön verunsichert! Aber ich finde, Du hast in vielem Recht. Warum ist das so, warum wirkt Therapie bei einem Wunder, beim anderen nicht. Warum helfen die Medis bei dem einen, bei dem anderen nicht? Bei mir würde ich sagen, die Therapie ist das allerwichtigste, die bringt mir jetzt schon viel. Das Citalopram hilft vielleicht ein wenig, etwas mehr Antrieb manchmal, vielleicht manchmal ein wenig bessere Stimmung - aber überzeugend ist das nicht. Wenn diese Serotonin-Theorie so einfach stimmte, dann müsste die Verbesserung der Symptomatik doch mit SSRI ganz zuverlässig gelingen.

Du schreibst, dass Deine Schilddrüsenwerte kontrolliert werden. Leider ist es so, dass viele Ärzte wenig Ahnung von Schilddrüse haben und sich stur auf die Normwerte verlassen. Es scheint jedoch so zu sein, dass es individuelle Wohlfühlwerte gibt, die viel enger gesteckt sind. Die Schwierigkeit ist nur, einen Arzt zu finden, der das akzeptiert und entsprechend behandelt. Das gleiche Problem hab ich nämlich auch, Werte in der Norm dank Hormonen bzw. TSH in der alten Norm (neuerdings sollte der eigentlich nur bis 2 oder 2,5 gehen) - also ist die Schilddrüse in Ordnung. Wenn das mal alles so richtig ist! Ich weiß es nicht. Wenn Dich das Thema interessiert - die Schilddrüse kann ja wirklich viel verursachen - dann schau doch vielleicht mal hier http://www.ht-mb.de/forum/forum.php. Das ist wirklich interessant, manchmal vielleicht auch etwas übertrieben, aber auf jeden Fall informativ.

Ganz liebe Grüße

Liebe Grüße von der Hamsterin

Wer das Glück nicht entlang des Weges sieht,
findet es auch nicht am Ende des Weges. (Hartmut Lohmann)
Regenwolke
Beiträge: 2214
Registriert: 15. Apr 2006, 12:46

Re: Doch körperlich...??? (Histamin-Intoleranz o.a.?)

Beitrag von Regenwolke »

Hallo Salvaltore,

diese Sache mit dem Serotoninmangel ist eine Hypothese (Serotoninmangelhypothese). Sicherlich gibt es dafür wissenschaftliche Hinweise, aber dieser Ansatz ist relativ grob und es gibt auch Forschungsergebnisse, die diese Hypothese nicht stützen.
Man vermutet, dass neben Serotonin noch mehrere andere Neurotransmitter bei Depressionen eine Rolle spielen und dass es dabei auch um weit komplexere Abläufe geht, als um den bloßen Mangel eines Stoffes und den Ausgleich desselben.
Außerdem scheinen auch hormonelle Faktoren (Schilddrüse, Hypophysen-Nebennierenrindenachse) oft eine Rolle zu spielen.

Die Frage, ob veränderte Hirnchemie oder psychosoziale Einflüsse die Ursache sind, ist glaube ich so nicht zu beantworten, beides ist ja so eng miteinander verwoben, dass es sich nicht wirklich trennen lässt.
Es gibt aber tatsächlich die Vermutung, dass Depressionen kein einheitliches Störungsbild darstellen, sondern dass sich hinter ähnlichen Symptomen evtl. unterschiedliche Störungen verbergen.

Dass Antidepressiva beim einen zuverlässig wirken, beim anderen gar nicht und beim dritten starke Nebenwirkungen haben, ist - soweit ich gelesen habe - vermutlich von genetischen Faktoren abhängig, die den Stoffwechsel im Gehirn und in den aubbauenden Organen beeinflussen.
Und ich denke auch, dass es nicht unbedingt an mangelnder Mitarbeit liegen muß, wenn Psychotherapie nicht (genug) hilft, sondern dass es evtl. Depressionen gibt, bei denen man besser auf körperlicher Ebene ansetzen kann.

Wirklich unabhängige Forschungsergebnisse zu finden, ist wohl gar nicht so einfach, ich glaube, es ist auch von Fachleuten manchmal nicht leicht zu durchschauen, welche Interessen hinter bestimmten Studien stehen und möglicherweise Einfluß auf die Ergebnisse genommen haben.

Immer mal wieder im Netz zu recherchieren bleibt trotzdem spannend! Auf das Forum, das Frauhamster genannt hat, bin ich übrigens auch schon häufiger gestoßen und fand die Kenntnisse einiger User ganz bemerkenswert.

LG, Wolke
Salvatore
Beiträge: 3868
Registriert: 10. Feb 2010, 18:35
Kontaktdaten:

Re: Doch körperlich...??? (Histamin-Intoleranz o.a.?)

Beitrag von Salvatore »

Hallo,

was ich bisher zur Wirksamkeit von AD gelesen habe, ist gelinde gesagt entmutigend. Ich habe zwei Metastudien gefunden, eine vom "National Institute für Health and Clinical Excellence" (NICE - dieses Institut empfiehlt AD als hauptsächliche Behandlungsmethode von mittleren und schweren Depressionen!) und eine von Kirsch, Moore und Nicholls - letztere haben auch nicht-veröffentlichte Studien (diese sind bei der FDA gespeichert und können von Wissenschaftlern aufgrund des "Freedom of Information"-Gesetzes eingesehen werden) in ihre Metastudie einbezogen.

Die Rahmenbedingungen, die die FDA für die (pharmaindustriefinanzierten!) Studien erlaubt, sind haarsträubend - Patienten, die besonders gut auf Placebos ansprechen, dürfen in den ersten zwei Wochen aussortiert werden (Placebo washout period). Patienten, die besonders schlecht auf das Medikament ansprechen, dürfen in den ersten zwei Wochen aussortiert werden (Replacement of non-responders). :?: :?: :?:
Es ist neben dem zu testenden AD gestattet, auch ein Sedativum zu verabreichen; da mit Depressionen ja meist auch Ängste und Schlafstörungen einhergehen, dürften einige der positiven Wirkungen auf das Sedativum zurückzuführen sein. ("Hey, mein Schlaf ist besser und die Ängste weniger! Das AD wirkt!")

BEIDE Untersuchungen kommen jedenfalls zu dem Schluss, dass AD keine klinisch relevante Wirkung zeigen, die die von Placebos übersteigt... Und das trotz "placebo washout" und "replacement of non-responders".
Das NICE, dem dieser Ausgang wohl alles andere als willkommen sein dürfte, bleibt dennoch bei ihrer Linie, vor allem mit AD zu behandeln.
Einzig bei sehr schweren Depressionen haben die Patienten schlechter auf das Placebo als auf das Medikament angesprochen (Kirsch, Moore). [Es ist umstritten, ob die Patienten besser auf das AD angesprochen haben oder bloß weniger schlecht als auf Placebos.]

Das entspricht ungefähr meiner eigenen Erfahrung; als es mir extrem schlecht ging, haben die Medis wenigstens die Spitze rausgenommen.

Eine Untersuchung von Lacasse und Leo (2005) und Valenstein (1998) konnte keine Verbindung von Depressionen (oder anderen psychischen Erkrankungen) und einem chemischen Ungleichgewicht im Gehirn nachweisen.

Soviel dazu... :roll:

Lg, Salvatore
Blog: http://www.oddyssee.de
Instagram: Oddysee@meine_oddyssee
riverflow
Beiträge: 535
Registriert: 4. Apr 2014, 11:30

Re: Doch körperlich...??? (Histamin-Intoleranz o.a.?)

Beitrag von riverflow »

Hallo Salvatore,

ja, das habe ich in der letzen Zeit ganz oft so gelsen: Die Serotoninmangelhypothese ist niemals nachgewiesen worden und immer mehr Fachleute nehmen Abstand davon.

Sogar die Research Agenda für DSM-V (also dem Klassifikationssystem von der APA) meldet folgendes:
"The major problem for mental disorders as currently defined is, that their causes and pathophysiological mechanisms remain largerly unknown. It is expected that, at some point in the future (perhaps decades from now), the pathophysiological states predisposing or contributing to major mental disorderss will be identified."
Regenwolke
Beiträge: 2214
Registriert: 15. Apr 2006, 12:46

Re: Doch körperlich...??? (Histamin-Intoleranz o.a.?)

Beitrag von Regenwolke »

Hallo,

ja, leider entspricht das auch dem, was ich gelesen habe. Die Metastudie von Kirsch und Kollegen ist glaube ich in der Fachwelt sehr viel diskutiert worden - offensichtlich hat das aber nicht zu einer geringeren Verschreibungsrate geführt.

Die Rahmenbedingungen, die die FDA für die Studien setzt, kannte ich nicht, aber ich habe schon häufiger von methodischen Einwände gegen pharmafinanzierte Studien gelesen. Über die Methodik und die Art der statistischen Auswertung lassen sich Untersuchungsergebnisse relativ gut in die erwünschte Richtung beeinflussen.

Für Neurotransmitterungleichgewichte im menschlichen Gehirn kann es soweit ich weiß schon deshalb keine konkreten Nachweise geben, weil man dazu das Gehirn selber untersuchen müßte. Es gibt wohl kein Verfahren, das Aufschluß über die konkret im synaptischen Spalt vorhandenen Neurotransmitter gibt. Insofern handelt es sich da immer um Hypothesen.
Ich glaube, man weiß noch verdammt wenig darüber, wie eigentlich die Wirkungsweise von AD ganz genau ist und warum sie bei manchen zu wirken scheinen und bei anderen nicht.

Aus eigener Erfahrung kann ich gar nicht sprechen, ich habe keins der AD als Dauermedikation vertragen, so dass ich keine Langzeiterfahrung habe.


LG, Wolke
Salvatore
Beiträge: 3868
Registriert: 10. Feb 2010, 18:35
Kontaktdaten:

Re: Doch körperlich...??? (Histamin-Intoleranz o.a.?)

Beitrag von Salvatore »

Hallo Wolke,

richtig, die Neurotransmitter lassen sich eigentlich nicht messen, da man an das Gehirn halt so furchtbar schlecht drankommt. Stattdessen werden Abbauprodukte im Urin bzw. Hirn-Rückenmarksflüssigkeit (cerebrospinal fluid come from the brain, falls ich das falsch übersetzt habe) gemessen und davon wird auf die Menge der Neurotransmitter im Gehirn rückgeschlossen. Allerdings kommt anscheinend nicht mal die Hälfte dieser Abbauprodukte tatsächlich aus dem Gehirn, so dass die Aussagekraft angezweifelt werden darf.

Ph.D. Elliot Valenstein sagt in seinem Buch "Blame the Brain" (keine Ahnung, wie verlässlich das ist!!! Habe das Buch nicht gelesen, vielleicht gibt es da Quellenangaben, vielleicht nicht):
- Wird Noradrenalin, Serotonin und Dopamin bei Menschen herabgesetzt, löst das keine Depression aus.
- Einige Antidepressiva haben wenig oder gar keinen Einfluss auf Serotonin oder Noradrenalin.
- Drogen, die die Serotonin- bzw. Noradrenalinlevel erhöhen, wie Amphetamine und Kokain, lindern Depressionen nicht.
- AD erhöhen erhöhen die Serotonin- und Noradrenalinlevel in ein oder zwei Tagen, es dauert aber mehrere Wochen, bis eine Wirkung eintritt.
- Die wenigsten Patienten mit Depressionen haben einen Mangel an Serotonin oder Noradrenalin. Stattdessen haben einige Patienten ohne Depressionen niedrige Level von beiden.
- Andere Auswirkungen von AD wurden bei der Theorie nicht berücksichtigt.

(Zusammenfassung von Chris Kresser in dem Artikel "The fatal flaws of "chemical imbalance" theorie")

Lg, Salvatore
Blog: http://www.oddyssee.de
Instagram: Oddysee@meine_oddyssee
riverflow
Beiträge: 535
Registriert: 4. Apr 2014, 11:30

Re: Doch körperlich...??? (Histamin-Intoleranz o.a.?)

Beitrag von riverflow »

Hallo,

nein, die Neurotransmitterkonzentration im Gehirn lässt sich aufgrund der Blut-Hirnschranke nicht messen.
Die Serotoninmangelhypothese ist nur entstanden, weil Antidepressiva, die den Serotoninspiegel im synaptischen Spalt erhöhen mehr oder weniger wirken.

Ich denke, das, was Valenstein sagt, trifft den Kern.

Es gibt viele andere Beispiele, gerade in jüngster Zeit:

Das britische Royal College of Psychiatrists hat 2006 alle Hinweise zu einem 'chemischen Ungleichgewicht' als möglicher Ursache für Depressionen von der Website genommen.

Allen Frances, der Psychiater und ehemalige Vorsitzende der Arbeitsgruppe fürs DSM-IV sagt: Unsere Neuratransmitter-Theorien sind nicht viel weiter als die Säftelehren der Griechen."
Damit spielt er auf die Humoralpathologie an, die gelbe Galle, schwarze Galle, Blut und Schleim für psych. Störungen verantwortlich machte.

Dänische Forscher haben PET-STudien durchgeführt mit dem Ergebnis, "keine überzeugenden Belege für abweichende Mechanismen des Serotoninsystems bei depressiven Erkrankungen" zu finden.

Untersuchungen mit dem bildgebenden Verfahren der SPECT-Technologie sind zu ähnlichen Ergebnissen gekommen.

Der Stanford Psychiater David Burns, der einen Preis von der Gesellschaft für biologische Psychiatrie für seine Grundlagenforschung zum Metabolismus von Serotonin erhalten hat, sagte, als er zum wissenschaftlichen Status der Serotonion-Hypothese befragt wurde: "Ich habe mehrere Jahre meiner Laufbahn mit Forschung zum Serotonin-Metabolismus im Gehirn zugebracht. Ich sah nie einen überzeugenden Beweis dafür, dass irgendeine psychiatrische Erkrankung - Depression eingeschlossen - auf eine Serotoin-Mangelfunktion des Gehirns zurückzuführen ist."

Des Weiteren ist mit Stablon, also Tianeptin ein Serotonin-Wiederaufnahmeverstärker zugelassen worden, der also genau gegenteilig zu den SSRI wirkt: Die Verfügbarkeit von Serotonin wird reduziert.
Würde die Serotonin-Hypothese stimmen, müsste Stablon eigentlich eine Depression auslösen.

Zu finden in "Neuromythologie" von Felix Hasler.

Dass eine künstliche Absenkung von Serotonin nicht zur Ausbildung einer depressiven Episode führt, habe ich auch schon gelesen. In diesbezüglichen Studien haben nur Menschen, die zuvor mit Antidepressiva behandelt wurden, beim Absenken des Serotoninspiegels eine Depression ausgebildet.
Salvatore
Beiträge: 3868
Registriert: 10. Feb 2010, 18:35
Kontaktdaten:

Re: Doch körperlich...??? (Histamin-Intoleranz o.a.?)

Beitrag von Salvatore »

Hallo Riverflow,

danke für deinen Beitrag!

Schade, dass die "Neuromythologie" sich schon selbst Streitschrift nennt, solche tendieren ja leider dazu, eher unsachlich zu argumentieren und die Wahrheit genauso zurechtzubiegen wie die andere Seite. Was auch nicht besser ist, in meinen Augen. Hast du es gelesen?
Leider ist es meistens so, dass die Autoren entweder ausschließlich Pro-Antidepressiva sind oder ausschließlich anti. Ich würde gerne etwas lesen, das beide Seiten unparteiisch gegenüberstellt.

Diesen Artikel von Kirsch fand ich ganz gut, weil darin die eigenen Schlussfolgerungen immer auch wieder relativiert werden: http://psychrights.org/Research/Digest/ ... wDrugs.htm" onclick="window.open(this.href);return false;

Lg,Salvatore
Blog: http://www.oddyssee.de
Instagram: Oddysee@meine_oddyssee
riverflow
Beiträge: 535
Registriert: 4. Apr 2014, 11:30

Re: Doch körperlich...??? (Histamin-Intoleranz o.a.?)

Beitrag von riverflow »

Hallo Salvatore,

ja, ich habe es gelesen (und ich kenne auch eine Person, die fachlich so richtig versiert ist und es gut findet). Der Autor ist Dr. pharm und hat Beiträge renommierter Ärzte gesammelt. Schade also, dass Du das Buch schon zerreißt, bevor Du überhaupt einen Blick hinein geworfen hast.
Es unterscheidet sich nämlich erheblich von der Polemik, die z. B. in Jörg Blechs Büchern zu finden ist, weil der Autor sich eben die Mühe gemacht hat, fundiert und auf wissenschaftlicher Basis zu "streiten".
Salvatore
Beiträge: 3868
Registriert: 10. Feb 2010, 18:35
Kontaktdaten:

Re: Doch körperlich...??? (Histamin-Intoleranz o.a.?)

Beitrag von Salvatore »

Hallo Riverflow,

nein, nein, das war kein Verriss, mehr eine auf Erfahrung basierende Befürchtung. Ich kenne einige Streitschriften, in denen Informationen bewusst unterschlagen wurden, damit sie die eigene Argumentation nicht stören. Ich lese gerade "Anti-Freud", da biegt sich der Autor die Wahrheit nach Belieben zurecht.
Bei diesem Thema (Neurobiologie, -psychologie, chemischer Kram etc.) habe ich nun überhaupt keine Vorkenntnisse und deshalb Angst, mich fehlleiten zu lassen. Der Titelzusatz "Streitschrift" lässt Alarmglocken klingeln. Leider ist das Buch sauteuer.

Ich bin über ein paar Bücher gestolpert, die interessant sein könnten, kennst du (oder jemand anders hier) davon was?

Peter Breggin:
- The Antidepressant Fact Book
- Your Drug Might Be Your Problem
- Talking Back to Prozac

- Elliot Valenstein: Blaming the Brain
- Joanna Montcrieff: The Myth of the Chemical Cure
- MD Grace E. Jackson: Rethinking Psychiatric Drugs

Lg, Salvatore
Blog: http://www.oddyssee.de
Instagram: Oddysee@meine_oddyssee
riverflow
Beiträge: 535
Registriert: 4. Apr 2014, 11:30

Re: Doch körperlich...??? (Histamin-Intoleranz o.a.?)

Beitrag von riverflow »

Hallo Salvatore,

das Buch ist auch in mehreren Unibibliotheken vorrätig und kann dort geliehen werden (und wenn nicht vorhanden bestimmt auch über Fernleihe bestellt werden). Man muss nicht studieren, um in einer Unibibliothek Bücher leihen zu können. Oft gibts auch die Möglichkeit einen Gastbibliotheksausweis (kostenlos und mit denselben Bedingungen) zu bekommen.
Auf den Valenstein bezieht er sich in dem Buch übrigens auch.

Von Breggin habe ich schon gehört - habe ihn positiv in Erinnerung, aber ohne ein ganzes Buch von ihm gelesen zu haben.

Persönlich möchte ich irgendwann "Anatomy of an Epidemic" von dem Medizinjournalisten und ehemaligen Leiter der Harvard Medical School Robert Whitaker lesen. Dieser soll auch unter Rückgriff auf viele wissenschaftliche Studien, die er akribisch ausgewertet hat, sehr fundiert geschrieben haben.
Es muss zwar nichts aussagen, aber in Amerika hat er bei Amazon sehr gute Bewertungen erhalten:
http://www.amazon.com/Anatomy-Epidemic- ... n+epidemic" onclick="window.open(this.href);return false;" onclick="window.open(this.href);return false;
Regenwolke
Beiträge: 2214
Registriert: 15. Apr 2006, 12:46

Re: Doch körperlich...??? (Histamin-Intoleranz o.a.?)

Beitrag von Regenwolke »

Hallo ihr,

@riverflow, danke für die Infos und den Literaturtipp. Ich habe mir gerade mal einige Rezensionen zu "Neuromythologie" durchgelesen und bin neugierig auf das Buch geworden.

@Salvatore, auch dir danke für die Hinweise. Von den genannten Büchern kenne ich leider keins.

Ein Buch, dass ich selber sehr gut und aufschlußreich fand, ist: "Erfolgsmythos Psychopharmaka" von Stefan Weinmann. Es geht darin allerdings nicht um neurobiologische Aspekte von Psychopharmaka, sondern um Sinn und Unsinn der medikamentösen Behandlung psychischer Erkrankungen allgemein und darum, wie subtil die Interessen der Pharmaindustrie, psychopharmakologische Forschung und auch unser Verständnis dessen, was als "psychisch krank" gilt, ineinandergreifen.
Der Autor arbeitet als Gesundheitswissenschaftler an der Berliner Charité. Er stellt die Zusammenhänge sehr differenziert dar und vertritt m. E. einen kritischen, aber ausgewogenen Standpunkt.


LG, Wolke
Zarra
Beiträge: 5734
Registriert: 12. Mär 2010, 15:16

Re: Doch körperlich...??? (Histamin-Intoleranz o.a.?)

Beitrag von Zarra »

Liebe Salvatore,

ich habe zwar eher ein bißchen den Eindruck, daß Du Dich aufgrund von hoffnungslosem Gefühl verrennst ... theoretische Erkenntnis, die vielleicht "beruhigt", versus praktischer Hilfe ...

Doch die Sucherin in mir mußte zumindest mal ... Ich habe bei der ersten Suche u.a. das (s.u.) gefunden, wild herausgepickt, vielleicht paßt das auch gar nicht richtig zu Deiner Fragestellung; ... ich selbst habe gerade keine Lust, mich da zu vertiefen oder zu schauen, ob es wirklich paßt, ich wollte deshalb erst gar nicht posten, doch vielleicht trägt es ja für irgend jemanden zur Erkenntnis bei ...

Mein persönlicher Eindruck ist, daß die Wirksamkeit von Psychopharmaka gerne übertrieben wird, in wissenschaftlichen Arbeiten aber durchaus Prozentsätze stehen, die mir realistischer vorkommen; es ist ja auch nicht so, daß sie keinem helfen oder alles nur Placebo ist.

Und was sich wirklich abspielt, ist wohl immer noch offen bzw. können da durchaus neue Erkenntnisse auftauchen. - In letzter Zeit gab es ja einige Forschungsmeldungen zu Ketamin z.B. Und noch mehr. Doch für den einzelnen Patienten ist das ja nicht greifbar. Genauso wenig wie oft z.B. neuere Therapieentwicklungen, weil diese halt auch vor Ort angeboten werden müßten. Und bei Psychotherapie glaube ich einfach auch, daß es eines kenntnisreichen (!) und passenden (!) Therapeuten bedarf, zumindest wenn die Sache etwas verfahrener ist.

Das andere: Ich habe in letzter Zeit ein oder zwei Rundfunksendungen zu Wissenschaftsforschung und entsprechendem Publizieren gehört. Überspitztes Fazit: Man glaube nur an die Studie, die man selbst durchgeführt hat. Wissenschaftler müssen noch nicht einmal von Pharmainteressen bestimmt sein, sie haben auch einen enormen Publikationsdruck - und positive Studien lassen sich entschieden besser publizieren.

http://www.base-search.net/Search/Resul ... 38756fbcc4
http://edoc.hu-berlin.de/docviews/abstract.php?id=20145, das pdf-Dokument läßt sich öffenen:
http://edoc.hu-berlin.de/habilitationen ... /Linde.pdf

http://www.base-search.net/Search/Resul ... 90fa818842
https://publikationen.uni-tuebingen.de/ ... 0900/44526
https://publikationen.uni-tuebingen.de/ ... sAllowed=y

https://www.thieme-connect.de/DOI/DOI?1 ... 07-1014308 (Hier nur Abstract; ans pdf müßte man an Uni- oder Landesbibliotheken kommen.)

Da es von Breggin nichts auf Deutsch zu Fluoxetin (Prozac) zu geben scheint, scheine ich vor Jahren in dieses englischsprachige Buch geschaut zu haben; es hat mich nicht gehindert, Fluoxetin einzunehmen, da ich davon eine positive Wirkung hatte/habe, wenn auch nicht den "Durchbruch".
Inhaltsverzeichnis: http://www.gbv.de/dms/bs/toc/152935355.pdf
Ich dachte erst, daß das vielleicht eine neuere Publikation von ihm sei und ich vielleicht etwas Neueres oder auch zu Langzeitauswirkungen lesen könne, doch der Stand von 1994 scheint mir im Jahre 2014 doch etwas überholt ... - bzw. würde ich gerne Neueres dazu lesen.

Ich schreibe das mal hier hinein, auch wenn ich mich auf ein Posting von Dir in einem anderen Thread beziehe - da ging es um Akzeptanz und Resignation: Ich habe für mich den Eindruck gewonnen, daß es bei dieser erwünschten Akzeptanz eher um die Akzeptanz des augenblicklichen (!) Zustandes geht, in Fällen von psychischer Erkrankung nicht unbedingt um die Akzeptanz der unendlichen Fortsetzung dieses Zustandes. Denn letzteres kann keiner wissen, vorhersagen. Oft ist eine Veränderung aber erst möglich, wenn man den Ist-Zustand als solchen wahr- und ernst nimmt.

Soweit mein "Senf".

Liebe Grüße, Zarra
Salvatore
Beiträge: 3868
Registriert: 10. Feb 2010, 18:35
Kontaktdaten:

Re: Doch körperlich...??? (Histamin-Intoleranz o.a.?)

Beitrag von Salvatore »

Hallo in die Runde,

Riverflow, danke für den Tipp mit der Fernleihe, das werde ich mal ausprobieren. Leider haben wir in unserer Provinzstadt keine Unis, ergo auch keine Unibibliothek. Und so teuer wie die Bahnfahrt ins schöne Hamburg ist, kann ich mir den Kram auch fast schon kaufen... :shock:
Aber wenn unsere Bücherei mir was besorgen kann, das wäre was Feines.
Wolke, mit "Erfolgsmythos Psychopharmaka" kann ich das ja dann auch probieren! Klingt ebenfalls interessant. Die englischen Titel kann ich sicher vergessen.

Zarra,
danke für deinen Senf! Ich weiß nicht, ob ich mich wirklich verrenne. Habe ich eine Art Tunneblick entwickelt? Werde meine Ärztin fragen, wie sie das sieht. Es könnte schon sein!
Aber ist das wirklich theoretische Erkenntnis versus praktische Hilfe? Mit meinem ehem. Therapeuten stehe ich in Kontakt, leider ist er nun krank geworden, so dass der ausgemachte Termin verschoben wurde. Aber ich bin da dran.

Und dass die Medis nicht dick (haha) was bringen, ist Fakt. Wie viel oder weniger das tatsächlich ist, könnte ich nur wirklich gut beurteilen, wenn ich sie weglassen würde. Das ist nun nicht mein nächster Plan, aber ich habe mir heute vom Elontril mal den Beipackzettel genauer angesehen und siehe da: "My drug might be my problem". ;) Appetit- und Gewichtsverlust steht da als Nebenwirkung. Habe nachgeforscht und tatsächlich wird es in Kombination mit einem anderen Präparat gegen Adipositas eingesetzt, auch wenn es dafür nicht zugelassen ist. Das ist für mich natürlich ganz übel.
Außerdem wird Gereiztheit und Aggressivität ebenfalls aufgelistet, was mich beides auch ganz übel quält, weil ich stark negativ auf Gerüche und (besonders menschenverursachte) Geräusche reagiere, was mich leider ganz gut isoliert.

Placebos haben eine 50:50 Wirkchance, wenn ich das richtig lese und AD mindestens auch. Das finde ich gar nicht soooo schlecht, jedenfalls wenn ich auf der 50%-es-wirkt-Seite stehen würde. So muss ich mich aber fragen, nützt es jetzt mehr oder schadet es mehr? Hätte ich die Gereiztheit ohne das Elontril vielleicht gar nicht? Und hätte ich doch mehr Appetit und würde etwas leichter zunehmen können?
Ich würde ja liebend gern auch ein Placebo nehmen, aber das ist ja nicht möglich. Ob ich das nun schade finden soll, weiß ich nicht recht. Dürften Ärzte auch Placebos als "echtes Medikament" verschreiben, würde das eine ganze Reihe ethischer Fragen aufwerfen!

Mit den Links kann ich relativ wenig anfangen, vor allem mit den ersteren. Was ist das? Was bedeutet das?
Die beiden vorletzten Links sind grundsätzlich interessant, aber dabei handelt es sich jeweils um eine Meta-Analyse. Dabei können sich die Untersuchenden, im Gegensatz zur Meta-Studie aussuchen, was sie in die Auswertung mit reinnehmen wollen oder nicht. Unveröffentlichte Studien wurden wahrscheinlich nicht berücksichtigt.
Armin Zarmann konnte trotzdem keine Überlegenheit von trizyklischen AD nachweisen, führt das aber auf die "geringere Anzahl älterer Studien" zurück.
Andere AD haben ihm zufolge eine deutlich bessere Wirkung als Placebos, eine Dosis-Wirkbeziehung ließ sich aber nicht herstellen, demnach hätte eine höhere Dosis keine bessere, stärkere oder schnellere Wirkung. Nach seiner Analyse tritt außerdem die Wirkung sofort (innerhalb von 0-7 Tagen) ein. Letzteres kann ich nun gar nicht bestätigen, deckt sich auch nicht mit dem, was man hier im Forum liest. Alle Psychiater sagen auch anders.
In der Analyse von Klaus Linde geht es um die Behandlung von Migräne.

Lg, Salvatore
Blog: http://www.oddyssee.de
Instagram: Oddysee@meine_oddyssee
rovigo
Beiträge: 138
Registriert: 8. Okt 2013, 16:15

Re: Doch körperlich...??? (Histamin-Intoleranz o.a.?)

Beitrag von rovigo »

Diese Metastudie von Kirsch et. al. gilt wohl als ziemlich umstritten. Man muss aber beachten, dass dort nicht bestritten wird, dass Antidepressiva bei *starken* Depressionen helfen. Bei leichten dagegen wohl nicht stärker als Plazebo, wobei man aber auch beachten muss, dass die Teilnehmer in so einer Studie eine relativ intensive medizinische Zuwendung bekommen, die allein schon ihre Wirkung hat. Zudem ist eine Metanalyse eine Durchschnittsanalyse, wo nicht so richtig sichtbar wird, dass es einen großen Teil von Patienten gibt (oder neutral ausgedrückt: geben kann), denen die Medis sehr gut geholfen haben. Auf der anderen Seite ist auch klar, dass Medikamentenstudien, die von den Firmen gesponsort werden (und das sind ja eigentlich alle), die Wirkung besser darstellen als sie sind.

Auch ist nicht zu vergessen, dass Antidepressiva ja auch für andere Sachen wie Ängste, Zwänge, PTBS etc. eingesetzt werden, wobei hier der Abstand zum Plazebo meist höher ist als bei Depressionen.

Zu den Neurotransmittertheorien. Nein, bewiesen sind die wohl nicht, und es wird wohl heute auch keine Experte ,ehr behaupten, dass es allein am Mangel eines Transmitters liegt. Dennoch heisst das aber nicht, dass Serotonin micht Depressionen (Ängste, Zwänge...) nichts zu tun hat. Ich glaube, es gilt bei Experten als unbestritten, dass gewisse Wirkungen auf die Effekte auf das Serotonin zurückzuführen sind.

Nebenbei: zur Messung der Neurotransmitter, wurden ja hier schon indirekte Messmethoden (Metabolismus etc.) beschrieben, die (weitgehend hypothetisch) gewisse Rückschlüsse zulassen. Weitere Methoden sind postmortale Untersuchungen und Tierversuche. Zudem gibt es noch moderne Bildverfahren, mit denen man Aktivitäten in den diversen Hirnarealen sichtbar machen kann.

Zurück zu den Neurotransmittern. Diese sind wichtig in der "Kommunikation" unterschiedlicher Areale im Gehirn. So gibt es ganz archaische Teile des Gehirn (limbisches System, Mandelkern etc.), die ganz unmittelbar und unbewusst auf gewisse Situationen z. B. mit Angst reagieren. So kann man etwa Spinnenphobikern einen Film zeigen, wo nur auf jeden 25. Bild eine Spinne zu sehen ist, was bewusst nicht wahrgenommen wird, aber von der Amygdala schon, die dann die körperlichen Angstsymptome in Gang setzt. Unser Bewusstsein, also der Kortex, kann aber solche emotionalen Reaktionen regulieren. Aber diese Steuerung kann gestört sein, und da spielen Neurotransmitter sicherlich *eine* wichtige Rolle.

Was ich damit sagen will: Serotonin spielt bei der Depression (und anderen Störungen) sicherlich eine wichtige Rolle, aber es ist nur *ein* Teil eines sehr komplizierten Systems, das nur zu einem Bruchteil bisher verstanden ist. Und trotzdem kann es halt sein, dass etwa ein SSRI durch Eingriff in das Serotoninsystem eine positive Wirkung haben kann, obwohl Serotonin (allein) nicht die Ursache der Störung ist.

Disclaimer: ich bin weder Arzt noch Neurobiologe, sondern ein Betroffener, der gerne wissenschaftliche TExte zu diesem Thema liest. Habe nur meine Sicht auf die Dinge und mein Verständnis geschildert, die natürlich in Details falsch sein kann.

lg, pesto
Zarra
Beiträge: 5734
Registriert: 12. Mär 2010, 15:16

Re: Doch körperlich...??? (Histamin-Intoleranz o.a.?)

Beitrag von Zarra »

Liebe Salvatore,

gegen Infos ist nie was einzuwenden. Ich habe nur den Eindruck/die Befürchtung, daß sie Dir direkt (!) gar nichts nützen - dadurch wirkt ein AD bei Dir ja nicht besser.

Ansonsten: Ich habe auch immer wieder hinterfragt, was ein konkretes AD mir bringt, welche, wenn auch erträglichen, Nebenwirkungen es hat, haben könnte, ... und schon auch mal wieder abgesetzt oder gewechselt. Da bin ich schon auch für den kritischen und auch individuellen Blick.

;-) ... es hat mich ja auch "beruhigt", daß Du diesen Termin ausgemacht hast; zumal Du ja selbst meintest, daß es auch (!) die "psychologische Seite" geben würde. ... und wenn es nur der Umgang mit dem Ganzen ist. ;)

Welchen Unterschied siehst Du denn zwischen Metastudie und Metanalyse? Verstehst Du unter Meta-Studie sozusagen die Kontrollstudie, nachgespielte Studie(n)? - ... ich wollte mich da aber nicht vertiefen, brauche also keine Antwort.

Nur zum ersten der "drei" Fälle, denn da mußte ich auch etwas suchen, und wie gesagt, ... "2.4.2 Behandlung von Depressionen mit Hypericumextrakten" bzw. "Im zweiten Anwendungsbeispiel wurde untersucht, ob Hypericumextrakte (Hypericum perforatum, Johanniskraut) bei der Behandlung von Depressionen (a) wirksamer sind als Placebo, (b) ähnlich wirksam sind wie synthetische Antidepressiva und (c) nebenwirkungsärmer sind als synthetische Antidepressiva. Eingeschlossen wurden randomisierte Studien an depressiven Patienten mit einer Therapiedauer von mindestens 4 Wochen, in denen ein Hypericummonoextrakt mit Placebo oder einem anderen Antidepressivum verglichen wurde. Die Literatursuche erfolgte in verschiedenen Datenbanken, über das Prüfen von Literaturverzeichnissen und über Kontakte mit Experten und Herstellern. Hauptzielkriterium für die Beurteilung der Wirksamkeit war der Responderanteil (meist definiert als ein Rückgang um 50% oder auf einen Wert von max. 10 auf der Hamilton Rating Scale for Depression). 33 Studien (23 Vergleiche mit Placebo, 12 mit anderen Antidepressiva) entsprachen den Einschlusskriterien. Im Vergleich zu Placebo erwiesen sich die Hypericumextrakte als deutlich überlegen, allerdings war der Effekt in neueren Studien und in Studien mit schwerer depressiven Patienten geringer ausgeprägt. Im Vergleich zu älteren und neueren Antidepressiva waren Hypericumextrakte ähnlich effektiv; Nebenwirkungen waren jedoch signifikant seltener. Aufgrund der vorliegenden Daten kann die Wirksamkeit von Hypericumextrakten bei leichten bis mittleren Depressionen als nachgewiesen gelten. Die Heterogenität in den Ergebnissen der einzelnen Studien deutet jedoch darauf hin, dass verschiedene Faktoren (möglicherweise Extraktwahl, Dosierung, Patientenklientel) die Effektivität beeinflussen."

Fernleihe müßte über Eure Stadtbibliothek/Stadtbücherei möglich sein, je nach Institution wohl zwischen EUR 1,50 und EUR 3,00 pro Fall.

Außerdem gibt's noch, wenn auch deutlich teurer: http://www.subito-doc.de/, http://www.subito-doc.de/index.php?pid= ... stenKunden; EUR 9,- für eine Buchausleihe, wenn ich es richtig verstanden habe.

LG, Zarra
Antworten