Gefühle und Gefühlskontrolle (Ein Mutmach-Text!)
Verfasst: 4. Mär 2014, 10:35
Gefühle und Gefühlskontrolle
WICHTIG:
Um das potentielle gehate und geflame einzudämmen, dass auf meine unkonventionellen Ansichten zwangsläufig folgen wird, sei folgendes gesagt:
Der Inhalt des folgenden Artikels ist lediglich meine persönliche und subjektive Meinung und Erfahrung und erhebt keinerlei Anspruch auf objektiven Wahrheitsgehalt, auch wenn sich viele meine Erläuterungen auf, durch Studien untermauerte, wissenschaftliche Theorien stützen.
Ich versuche niemanden zu bekehren oder zu belehren.
Ich will keine Grundsatz-Diskussionen auszulösen oder die alten Forums-Member von ihren liebgewonnen Glaubenssätzen abringen.
Ich will lediglich helfen.
Und zwar ausschließlich den Menschen, die bereit sind, meine Hilfe anzunehmen.
Wem nicht gefällt, was ich schreibe, der soll bitte einfach aufhören zu lesen. Die Welt ist ein sehr viel angenehmerer Ort, wenn wir uns gegenseitig unsere Meinungen lassen, ohne ständig mit einem gekränkten Ego aufeinander loszugehen. Love and Peace und so!
Konstruktive Kritik und sinnvolle Ergänzungen sind natürlich gerne willkommen (:
Hallo die Damen und Herren,
Ich muss etwas gestehen: Ich habe im Moment absolut null Bock, diesen Text zu schreiben.
Ich bin müde, hatte einen langen Tag und würde mich lieber mit einem netten Mädchen treffen, einen coolen Film gucken oder einfach mit meinen WG-Mitbewohnern in der Küche quatschen und ein Bierchen trinken.
Und trotzdem sitze ich hier und schreibe. Warum? Weil ich weiß, dass es sinnvoll ist. Auch wenn es sich im Moment nicht so anfühlt...
Kontroll-Strategien und ihre Folgen
Kennst du das?
Du hattest einen richtig üblen Tag, so ziemlich alles lief schief und während du eh schon geladen warst, hat dich vielleicht auch noch irgendjemand völlig zu Unrecht kritisiert. Es regnet in Strömen, die Nachbarskinder kreischen und überhaupt haben sich das Leben und die Welt mal wieder gegen dich verschworen.
Was tust du normalerweise in solchen Situation?
Ein paar Bier trinken?
Kette rauchen?
Einen fetten Becher Eiscreme essen?
Rumbrüllen und Sachen umschmeißen?
Erst mal einen schönen Porno anmachen um besser zu entspannen?
All diese Tätigkeiten, die man in solchen Momenten tut, haben eigentlich nur einen Zweck:
Der Versuch, die negativen Gefühle zu vertreiben, sodass man sich wieder entspannter, geerdeter und glücklicher fühlen kann. Es sind Kontroll-Strategien, da man mit diesen Tätigkeiten versucht, die eigenen Gefühle zu kontrollieren.
Wir alle haben uns im Laufe unseres Lebens bestimmte Kontroll-Strategien angeeignet, um die eigenen Gefühle besser zu kontrollieren und vor allem, um sich negative Gefühle vom Hals zu schaffen.
Ein paar Beispiele für Kontroll-Strategien:
Essen, Süßigkeiten, Fastfood
Sport, Joggen, Spazieren gehen
Pornos, Sex
Schlafen
Drogen, Alkohol
Internet-Surfen, Videospiele
Selbstverletzendes Verhalten (SVV)
Positive thinking, Affirmationen, krampfhafter Optimismus...
usw.
Gut, fragst du dich jetzt vielleicht, aber was soll daran so schlecht sein?
Das Problem ist, es ist sehr schwierig, die eigenen Gefühle wirklich effektiv zu kontrollieren.
Es funktioniert (wenn überhaupt) meist nur für eine kurze Weile und kostet obendrein viel Energie.
Außerdem bringen die meisten Kontroll-Strategien weitere Langzeit-Nachteile mit sich.
Und zu guter Letzt halten dich solche Strategien davon ab, in den Momenten das zu tun, was WIRKLICH wichtig und sinnvoll wäre.
Auf lange Sicht produzieren wir dadurch meist noch mehr negative Gefühle, die wir wieder versuchen, mit Kontroll-Strategien von uns wegzustoßen, nur um damit für die Zukunft noch mehr und mehr negative Gefühle zu produzieren.
Exzessiver Gebrauch von Kontroll-Strategien ist ein Garant für depressive Episoden!
Ein sehr einfaches Beispiel:
Du musst für eine wichtige Prüfung lernen.
Doch du fühlst dich heute nicht besonders, die Stimmungsschwankungen kicken mal wieder rein, das Thema der Prüfung liegt dir so gar nicht, du bist angepisst über deine ätzenden lauten Nachbarn und du würdest grad alles lieber tun, als zu lernen. Sind ja noch ein paar Tage, denkst du dir und um die Trauer und Ängste zu vertreiben, rollst du dir eine schöne dicke Tüte, holst die Chips aus dem Schrank und schaust ein bisschen Fernsehen.
Doch selbst stoned will es dir nicht so richtig gelingen, dich vollständig zu entspannen. Die lästigen Gedanken an die Prüfung nagen an der Hintertür und du stopfst die Prüfungsunterlagen schnell in eine Schublade, damit du sie nicht mehr sehen musst.
Am nächsten Tag fühlst du dich schlapp, traurig und gerädert.
Wieder ein Tag rum und du hast noch weniger Lust und Motivation, mit dem Lernen anzufangen. Stattdessen triffst du dich mit einem Kumpel und ihr trinkt ein paar Bier.
Am nächsten Morgen wachst du mit einem Kater auf und eine dunkle Wolke schiebt sich langsam in dein Bewusstsein. „Du kriegst wirklich gar nichts auf die Reihe“ flüstert dir dein Verstand zu. Mit einem ekligen Gefühl im Magen ziehst du dir die Bettdecke über den Kopf...
Erkennst du das Muster?
Statt unsere negativen Gefühle zu akzeptieren und das zu tun, was zu tun ist, versuchen wir viel öfter den Gefühlen irgendwie auszuweichen – und produzieren dabei für unsere Zukunft fast immer noch mehr negative Gefühle.
Und wir erhöhen durch den Versuch der Kontrolle nicht nur den Schmerz in der Zukunft.
Nach und nach schleicht sich obendrein auch ein Gefühl von Hilflosigkeit und Verzweiflung ein. Ein Gefühl der Ohnmacht, gepaart mit einem Verstand, der uns immer stärker zuflüstert, dass wir zu nichts nütze sind, gar nichts gebacken kriegen und unser Leben einfach nur eine Katastrophe ist.
Und während wir verzweifelt versuchen, negativen Gefühlen auszuweichen, wächst die Angst und der Schmerz weiter und weiter, während unser Leben immer ärmer und grauer wird.
Kurz: Wir basteln uns eine Depression...
Kontrolle und die Depression
Aber manchmal gibt es nichts sinnvolles zu tun, denkst du jetzt vielleicht!
Wenn du grundlos traurig bist, weil dich gerade eine depressive Episode im Griff hat, gibt es nichts zu lernen oder zu bearbeiten.
Das stimmt. Aber selbst, wenn die Trauer oder das Leid keinen (sichtbaren) Auslöser hat, sind exzessive Kontroll-Strategien oft der falsche Weg.
Wenn du dich jedes Mal, wenn du traurig bist, mit ungesundem Essen vollstopfst, wirst du immer fetter und energieloser, was zu noch mehr Frust und Trauer auf lange Sicht führt, selbst wenn das fettige Essen in den Momenten vielleicht ein wenig Trost spenden mag.
Alkohol ist hier ein Paradebeispiel!
Alkohol betäubt den Schmerz der Depression, wirkt aber selbst auf lange Sicht depressions-verstärkend und raubt dir außerdem jede Energie, dein Leben konstruktiv zu gestalten.
Was glaubst du, warum so viele depressive Menschen gleichzeitig Alkohol- oder Drogensüchtig sind?
Sie benutzen den Alk und die Drogen nicht als Genussmittel, sondern als Kontroll-Strategie, um die Trauer und das Leid nicht mehr zu spüren.
So habe ich es jahrelang gemacht und ich bin so, ohne es zu merken, immer tiefer und tiefer in die Depression gerutscht – und ganz nebenbei auch noch in den Alkoholismus.
Aber natürlich gibt es auch Kontroll-Strategien, die keine so offensichtlichen Nachteile mit sich bringen, wie das bei Alkohol und fettigem Essen der Fall ist.
Wenn du zum Beispiel als Kontroll-Strategie ein langes Telefonat mit deiner besten Freundin führst, dann wirst du dadurch weder fett noch drogensüchtig.
Und natürlich ist so ein Trostgespräch hier und da auch nicht verboten, Gott bewahre!
Nichts läge mir ferne, als dir den Kontakt zu deinen Mitmenschen zu verbieten, wenn es dir nicht gutgeht. Regelmäßiger sozialer Umgang ist super wichtig!
Doch solltest du die Kontroll-Strategie "Anrufen bei Trauer" regelmäßig und exzessiv nutzen, wird deine Freundin irgendwann genervt davon sein, dich ständig aufheitern zu müssen, es gibt keine Garantie dafür, dass es dir nach dem Telefonat wirklich besser geht und zu guter Letzt: Du lässt dich nach wie vor von deinen Gefühlen kontrollieren und bist nicht in der Lage, die wirklich wichtigen Dinge in deinem Leben anzugehen.
Und ja, ich weiß, es ist nur menschlich, sich nicht mehr scheiße fühlen zu wollen. Niemand fühlt sich gerne scheiße! Doch vor deinen negativen Gefühlen davonzurennen bringt dich nicht weiter.
Es macht alles nur noch schlimmer!
Zwei Seiten derselben Medaille
Es gilt, eine unbequeme, aber wirklich wichtige Tatsache zu akzeptieren:
Wir können gute Gefühle nicht ohne die schlechten bekommen.
Wenn mir etwas wichtig genug ist, dass es mir wirklich positive Emotionen bereitet, wird es mir auch immer manchmal Kummer bereiten.
Ein paar Beispiele:
Eigene Kinder haben
Eine Liebesbeziehung
Eine Sportart lernen
In einer Band spielen
Auf Weltreise gehen
In eine neue tolle Stadt ziehen
Ein gutbezahlter Job
Nach den eigenen Werten leben
Deine Träume und Ziele verfolgen
usw.
All diese Beispiele haben das Potential, eine Menge wirklich positiver Gefühle auszulösen – und eben auch eine Menge negativer Gefühle.
Denk darüber nach!
Ich selbst hatte noch keine Liebesbeziehung, die mir nicht ab irgendeinem Punkt auch großen Kummer bereitet hat.
Und die schönsten und intensivsten Beziehungen waren meist auch die, welche mir am Ende den meisten Schmerz bereitet haben (Und sie waren es trotzdem wert!!).
Wenn du mit Eltern sprichst (oder vielleicht hast du sogar selbst Kinder) werden sie dir genau dasselbe sagen: Ein eigenes Kind zu haben ist die schönste Erfahrung, die sie jemals machen durften – und die stressigste, frustrierendste und anstrengendste Erfahrung gleichermaßen!
Wer vor dem Schmerz flieht, flieht vor dem Leben
Und um die oben genannte Wahrheit fortzuführen hier noch eine zweite, genauso entscheidende Wahrheit:
Beim verzweifelten Versuch, den negativen Gefühlen im Leben auszuweichen, weichen wir meist unbewusst auch den positiven Gefühlen aus, denn das eine ist nicht ohne das andere zu erlangen.
Kurz gesagt:
Alle Dinge, die dir wirklich wichtig sind, die dein Leben reich, sinnvoll und lebenswert machen, bereichern dein Leben mit einer Fülle an Emotionen.
Positiven wie negativen!
Diese simple Wahrheit wird uns in unserer Gesellschaft leider nicht beigebracht.
Wenn wir mit negativen Emotionen konfrontiert werden, haben wir nur zwei Reaktionen gelernt:
Kontrolliere oder werde kontrolliert!
Doch dieser Ansatz führt direkt zu noch mehr Unglück und Schmerz.
Akzeptanz statt Widerstand
Ein erfülltes Leben zu führen bedeutet nicht, den Schmerz und die negativen Gefühle zu entfernen oder zu meiden, sondern die eigene Beziehung zu diesen Gefühlen zu ändern.
Es bedeutet, zu lernen, die negativen Gefühle als notwendiges Übel zu akzeptieren und sich nicht von ihnen abhalten zu lassen, die Dinge zutun, die für ein erfülltes Leben nötig sind.
Ich habe selbst lange Zeit gebraucht um das zu verstehen.
Ich wollte mich besser fühlen! Nicht mehr traurig sein!
Doch oft sind die Dinge, die man dann tut, um sich schnell wieder besser zu fühlen genau die Dinge, die verhindern dass man langfristig aus der Depression entkommt.
Doch natürlich kann die Lösung nicht sein, die eigenen negativen Gefühle zu akzeptieren und fertig.
Einfach die Depression zu akzeptieren wird sie nicht verschwinden lassen.
Doch nur durch die Akzeptanz deiner Gefühle wirst du in der Lage zu sein, die Dinge zu tun, die notwendig sind, um dich von der Depression zu befreien, statt die Dinge zu tun, die dich auf lange Sicht immer tiefer in die Depression rutschen lassen.
Regelmäßig Sport machen, tägliche Meditations-Übungen, gesündere Ernährung, Ziele setzen, ein gesünderer Umgang mit den eigenen Gedanken, eigene Werte definieren und anfangen nach ihnen zu handeln – all das sind Dinge, die dir auf lange Sicht helfen können, aus der Depression zu entkommen. Und es sind rein zufällig auch alles Dinge, die sich am Anfang anstrengend, mühsam und stressig anfühlen.
Kennst du den Begriff Pain-Period?
Alles ist am Anfang schwer, bevor es einfach wird.
Doch Akzeptanz ist kein intellektueller Prozess. Es ist eine zutiefst körperliche Erfahrung, die vor allem daraus besteht, den eigenen emotionalen Schmerz zu beobachten. Den Schmerz als das beobachten, was er ist, nicht als das, was er vorgibt zu sein.
Der Schmerz ist kein großes gewaltiges Monster.
Er ist nur ein Gefühl. Ein unangenehmes Gefühl.
Aber er kann dir nichts tun. Und er geht vorbei. Alles geht immer auch wieder vorbei.
Dazu gibt es eine Fülle an effektiven Akzeptanz-Techniken, von der Vipassana-Meditation über die Ausdehnung der Akzeptanz-und Commitment-Therapie bishin zur Schmerzkörper-Beobachtung nach Eckart Tolle. Doch alle haben dasselbe Ziel: Den inneren Schmerz zulassen und akzeptieren, das er da ist. Aufhören zu kämpfen.
Begleitend mit Methoden der Gedankenentschärfung und einem hingebungsvollen Handeln nach den eigenen, vorher definierten Werten setzt man so einen Empowerment-Prozess in Gang, der einem auf lange Sicht helfen wird, sein Leben so zu gestalten, wie man es haben will und wie es einen nachhaltig glücklich macht.
Doch ich werde dazu in Zukunft noch viel mehr dazu schreiben, denn dieser Artikel alleine ist schon wieder todes-lang geworden^^
...
Ich weiß, das ich vielen hier mit diesem Artikel vor den Kopf stossen werde.
Sie wollen nicht hören, dass es womöglich einen anstrengenden Weg aus der Depression gibt. Es ist viel einfacher, zu resignieren und davon auszugehen, dass es gar keinen Weg gibt und das nur der Selbstmord, 30 Jahre Therapie oder AD eine adäquate Lösung darstellen.
Hater und Flamer ich hör euch trapsen....
Bitte, wenn dir das was ich schreibe komplett nichts bringt, dann lies es nicht. Ich möchte Menschen helfen und inspirieren, aber ich weiß, dass es immer Leute geben wird, die unzufrieden mit der Hilfe sind, die ihnen angeboten wird, selbst wenn sie wie hier vollkommen gratis ist.
Sinnvolle Kritik und Ergänzungen sind natürlich jederzeit willkommen (:
Kleine Ergänzung:
Natürlich wird es immer auch Fälle geben, in welchen du nicht in der Lage sein wirst, deine negativen Gefühle zu akzeptieren und etwas sinnvolles zutun.
Ich meditiere selbst seit über 5 Jahren und mir passiert es immer noch ab und zu, dass ich mal von meinen Gefühlen überwältigt werde und es nicht schaffe, sie einfach nur zu akzeptieren.
Besonders heftige Episoden sind am Anfang meist noch zu stark, als dass man es schafft, sie vollständig zu akzeptieren. In solchen Fällen ist sicherlich ein Backup-Plan wichtig: Ein paar Notfall-Tools (Oder ein Werkzeugkasten, wie es auch manchmal heißt) aus heilsamen Tätigkeiten, die dich durch die Depression begleiten können. Der Unterschied zu Kontroll-Strategien sehe ich in folgender Vorgehensweise:
Man sollte immer erst versuchen, die Gefühle zu akzeptieren und weiter am Leben teilnehmen. Doch wenn es einem so gar nicht gelingt, sind solche vorher definierten Notfall-Tools nützlich, um sich selbst ein wenig zu stabilisieren und sich davon abzuhalten, doch in destruktive Muster (Wie Alkohol oder SVV) abzugleiten. Außerdem halten sie dich aktiv!
Ein paar Beispiele wären Fahrrad fahren, Spazieren gehen, mit dem Hund rausgehen, einen Freund besuchen und ähnliches. Jeder hat hier seine eigenen Vorlieben. Ich selbst setze mich dann auf´s Fahrrad und fahre eine Runde ins Grüne.
Liebe Grüße,
Octave
WICHTIG:
Um das potentielle gehate und geflame einzudämmen, dass auf meine unkonventionellen Ansichten zwangsläufig folgen wird, sei folgendes gesagt:
Der Inhalt des folgenden Artikels ist lediglich meine persönliche und subjektive Meinung und Erfahrung und erhebt keinerlei Anspruch auf objektiven Wahrheitsgehalt, auch wenn sich viele meine Erläuterungen auf, durch Studien untermauerte, wissenschaftliche Theorien stützen.
Ich versuche niemanden zu bekehren oder zu belehren.
Ich will keine Grundsatz-Diskussionen auszulösen oder die alten Forums-Member von ihren liebgewonnen Glaubenssätzen abringen.
Ich will lediglich helfen.
Und zwar ausschließlich den Menschen, die bereit sind, meine Hilfe anzunehmen.
Wem nicht gefällt, was ich schreibe, der soll bitte einfach aufhören zu lesen. Die Welt ist ein sehr viel angenehmerer Ort, wenn wir uns gegenseitig unsere Meinungen lassen, ohne ständig mit einem gekränkten Ego aufeinander loszugehen. Love and Peace und so!
Konstruktive Kritik und sinnvolle Ergänzungen sind natürlich gerne willkommen (:
Hallo die Damen und Herren,
Ich muss etwas gestehen: Ich habe im Moment absolut null Bock, diesen Text zu schreiben.
Ich bin müde, hatte einen langen Tag und würde mich lieber mit einem netten Mädchen treffen, einen coolen Film gucken oder einfach mit meinen WG-Mitbewohnern in der Küche quatschen und ein Bierchen trinken.
Und trotzdem sitze ich hier und schreibe. Warum? Weil ich weiß, dass es sinnvoll ist. Auch wenn es sich im Moment nicht so anfühlt...
Kontroll-Strategien und ihre Folgen
Kennst du das?
Du hattest einen richtig üblen Tag, so ziemlich alles lief schief und während du eh schon geladen warst, hat dich vielleicht auch noch irgendjemand völlig zu Unrecht kritisiert. Es regnet in Strömen, die Nachbarskinder kreischen und überhaupt haben sich das Leben und die Welt mal wieder gegen dich verschworen.
Was tust du normalerweise in solchen Situation?
Ein paar Bier trinken?
Kette rauchen?
Einen fetten Becher Eiscreme essen?
Rumbrüllen und Sachen umschmeißen?
Erst mal einen schönen Porno anmachen um besser zu entspannen?
All diese Tätigkeiten, die man in solchen Momenten tut, haben eigentlich nur einen Zweck:
Der Versuch, die negativen Gefühle zu vertreiben, sodass man sich wieder entspannter, geerdeter und glücklicher fühlen kann. Es sind Kontroll-Strategien, da man mit diesen Tätigkeiten versucht, die eigenen Gefühle zu kontrollieren.
Wir alle haben uns im Laufe unseres Lebens bestimmte Kontroll-Strategien angeeignet, um die eigenen Gefühle besser zu kontrollieren und vor allem, um sich negative Gefühle vom Hals zu schaffen.
Ein paar Beispiele für Kontroll-Strategien:
Essen, Süßigkeiten, Fastfood
Sport, Joggen, Spazieren gehen
Pornos, Sex
Schlafen
Drogen, Alkohol
Internet-Surfen, Videospiele
Selbstverletzendes Verhalten (SVV)
Positive thinking, Affirmationen, krampfhafter Optimismus...
usw.
Gut, fragst du dich jetzt vielleicht, aber was soll daran so schlecht sein?
Das Problem ist, es ist sehr schwierig, die eigenen Gefühle wirklich effektiv zu kontrollieren.
Es funktioniert (wenn überhaupt) meist nur für eine kurze Weile und kostet obendrein viel Energie.
Außerdem bringen die meisten Kontroll-Strategien weitere Langzeit-Nachteile mit sich.
Und zu guter Letzt halten dich solche Strategien davon ab, in den Momenten das zu tun, was WIRKLICH wichtig und sinnvoll wäre.
Auf lange Sicht produzieren wir dadurch meist noch mehr negative Gefühle, die wir wieder versuchen, mit Kontroll-Strategien von uns wegzustoßen, nur um damit für die Zukunft noch mehr und mehr negative Gefühle zu produzieren.
Exzessiver Gebrauch von Kontroll-Strategien ist ein Garant für depressive Episoden!
Ein sehr einfaches Beispiel:
Du musst für eine wichtige Prüfung lernen.
Doch du fühlst dich heute nicht besonders, die Stimmungsschwankungen kicken mal wieder rein, das Thema der Prüfung liegt dir so gar nicht, du bist angepisst über deine ätzenden lauten Nachbarn und du würdest grad alles lieber tun, als zu lernen. Sind ja noch ein paar Tage, denkst du dir und um die Trauer und Ängste zu vertreiben, rollst du dir eine schöne dicke Tüte, holst die Chips aus dem Schrank und schaust ein bisschen Fernsehen.
Doch selbst stoned will es dir nicht so richtig gelingen, dich vollständig zu entspannen. Die lästigen Gedanken an die Prüfung nagen an der Hintertür und du stopfst die Prüfungsunterlagen schnell in eine Schublade, damit du sie nicht mehr sehen musst.
Am nächsten Tag fühlst du dich schlapp, traurig und gerädert.
Wieder ein Tag rum und du hast noch weniger Lust und Motivation, mit dem Lernen anzufangen. Stattdessen triffst du dich mit einem Kumpel und ihr trinkt ein paar Bier.
Am nächsten Morgen wachst du mit einem Kater auf und eine dunkle Wolke schiebt sich langsam in dein Bewusstsein. „Du kriegst wirklich gar nichts auf die Reihe“ flüstert dir dein Verstand zu. Mit einem ekligen Gefühl im Magen ziehst du dir die Bettdecke über den Kopf...
Erkennst du das Muster?
Statt unsere negativen Gefühle zu akzeptieren und das zu tun, was zu tun ist, versuchen wir viel öfter den Gefühlen irgendwie auszuweichen – und produzieren dabei für unsere Zukunft fast immer noch mehr negative Gefühle.
Und wir erhöhen durch den Versuch der Kontrolle nicht nur den Schmerz in der Zukunft.
Nach und nach schleicht sich obendrein auch ein Gefühl von Hilflosigkeit und Verzweiflung ein. Ein Gefühl der Ohnmacht, gepaart mit einem Verstand, der uns immer stärker zuflüstert, dass wir zu nichts nütze sind, gar nichts gebacken kriegen und unser Leben einfach nur eine Katastrophe ist.
Und während wir verzweifelt versuchen, negativen Gefühlen auszuweichen, wächst die Angst und der Schmerz weiter und weiter, während unser Leben immer ärmer und grauer wird.
Kurz: Wir basteln uns eine Depression...
Kontrolle und die Depression
Aber manchmal gibt es nichts sinnvolles zu tun, denkst du jetzt vielleicht!
Wenn du grundlos traurig bist, weil dich gerade eine depressive Episode im Griff hat, gibt es nichts zu lernen oder zu bearbeiten.
Das stimmt. Aber selbst, wenn die Trauer oder das Leid keinen (sichtbaren) Auslöser hat, sind exzessive Kontroll-Strategien oft der falsche Weg.
Wenn du dich jedes Mal, wenn du traurig bist, mit ungesundem Essen vollstopfst, wirst du immer fetter und energieloser, was zu noch mehr Frust und Trauer auf lange Sicht führt, selbst wenn das fettige Essen in den Momenten vielleicht ein wenig Trost spenden mag.
Alkohol ist hier ein Paradebeispiel!
Alkohol betäubt den Schmerz der Depression, wirkt aber selbst auf lange Sicht depressions-verstärkend und raubt dir außerdem jede Energie, dein Leben konstruktiv zu gestalten.
Was glaubst du, warum so viele depressive Menschen gleichzeitig Alkohol- oder Drogensüchtig sind?
Sie benutzen den Alk und die Drogen nicht als Genussmittel, sondern als Kontroll-Strategie, um die Trauer und das Leid nicht mehr zu spüren.
So habe ich es jahrelang gemacht und ich bin so, ohne es zu merken, immer tiefer und tiefer in die Depression gerutscht – und ganz nebenbei auch noch in den Alkoholismus.
Aber natürlich gibt es auch Kontroll-Strategien, die keine so offensichtlichen Nachteile mit sich bringen, wie das bei Alkohol und fettigem Essen der Fall ist.
Wenn du zum Beispiel als Kontroll-Strategie ein langes Telefonat mit deiner besten Freundin führst, dann wirst du dadurch weder fett noch drogensüchtig.
Und natürlich ist so ein Trostgespräch hier und da auch nicht verboten, Gott bewahre!
Nichts läge mir ferne, als dir den Kontakt zu deinen Mitmenschen zu verbieten, wenn es dir nicht gutgeht. Regelmäßiger sozialer Umgang ist super wichtig!
Doch solltest du die Kontroll-Strategie "Anrufen bei Trauer" regelmäßig und exzessiv nutzen, wird deine Freundin irgendwann genervt davon sein, dich ständig aufheitern zu müssen, es gibt keine Garantie dafür, dass es dir nach dem Telefonat wirklich besser geht und zu guter Letzt: Du lässt dich nach wie vor von deinen Gefühlen kontrollieren und bist nicht in der Lage, die wirklich wichtigen Dinge in deinem Leben anzugehen.
Und ja, ich weiß, es ist nur menschlich, sich nicht mehr scheiße fühlen zu wollen. Niemand fühlt sich gerne scheiße! Doch vor deinen negativen Gefühlen davonzurennen bringt dich nicht weiter.
Es macht alles nur noch schlimmer!
Zwei Seiten derselben Medaille
Es gilt, eine unbequeme, aber wirklich wichtige Tatsache zu akzeptieren:
Wir können gute Gefühle nicht ohne die schlechten bekommen.
Wenn mir etwas wichtig genug ist, dass es mir wirklich positive Emotionen bereitet, wird es mir auch immer manchmal Kummer bereiten.
Ein paar Beispiele:
Eigene Kinder haben
Eine Liebesbeziehung
Eine Sportart lernen
In einer Band spielen
Auf Weltreise gehen
In eine neue tolle Stadt ziehen
Ein gutbezahlter Job
Nach den eigenen Werten leben
Deine Träume und Ziele verfolgen
usw.
All diese Beispiele haben das Potential, eine Menge wirklich positiver Gefühle auszulösen – und eben auch eine Menge negativer Gefühle.
Denk darüber nach!
Ich selbst hatte noch keine Liebesbeziehung, die mir nicht ab irgendeinem Punkt auch großen Kummer bereitet hat.
Und die schönsten und intensivsten Beziehungen waren meist auch die, welche mir am Ende den meisten Schmerz bereitet haben (Und sie waren es trotzdem wert!!).
Wenn du mit Eltern sprichst (oder vielleicht hast du sogar selbst Kinder) werden sie dir genau dasselbe sagen: Ein eigenes Kind zu haben ist die schönste Erfahrung, die sie jemals machen durften – und die stressigste, frustrierendste und anstrengendste Erfahrung gleichermaßen!
Wer vor dem Schmerz flieht, flieht vor dem Leben
Und um die oben genannte Wahrheit fortzuführen hier noch eine zweite, genauso entscheidende Wahrheit:
Beim verzweifelten Versuch, den negativen Gefühlen im Leben auszuweichen, weichen wir meist unbewusst auch den positiven Gefühlen aus, denn das eine ist nicht ohne das andere zu erlangen.
Kurz gesagt:
Alle Dinge, die dir wirklich wichtig sind, die dein Leben reich, sinnvoll und lebenswert machen, bereichern dein Leben mit einer Fülle an Emotionen.
Positiven wie negativen!
Diese simple Wahrheit wird uns in unserer Gesellschaft leider nicht beigebracht.
Wenn wir mit negativen Emotionen konfrontiert werden, haben wir nur zwei Reaktionen gelernt:
Kontrolliere oder werde kontrolliert!
Doch dieser Ansatz führt direkt zu noch mehr Unglück und Schmerz.
Akzeptanz statt Widerstand
Ein erfülltes Leben zu führen bedeutet nicht, den Schmerz und die negativen Gefühle zu entfernen oder zu meiden, sondern die eigene Beziehung zu diesen Gefühlen zu ändern.
Es bedeutet, zu lernen, die negativen Gefühle als notwendiges Übel zu akzeptieren und sich nicht von ihnen abhalten zu lassen, die Dinge zutun, die für ein erfülltes Leben nötig sind.
Ich habe selbst lange Zeit gebraucht um das zu verstehen.
Ich wollte mich besser fühlen! Nicht mehr traurig sein!
Doch oft sind die Dinge, die man dann tut, um sich schnell wieder besser zu fühlen genau die Dinge, die verhindern dass man langfristig aus der Depression entkommt.
Doch natürlich kann die Lösung nicht sein, die eigenen negativen Gefühle zu akzeptieren und fertig.
Einfach die Depression zu akzeptieren wird sie nicht verschwinden lassen.
Doch nur durch die Akzeptanz deiner Gefühle wirst du in der Lage zu sein, die Dinge zu tun, die notwendig sind, um dich von der Depression zu befreien, statt die Dinge zu tun, die dich auf lange Sicht immer tiefer in die Depression rutschen lassen.
Regelmäßig Sport machen, tägliche Meditations-Übungen, gesündere Ernährung, Ziele setzen, ein gesünderer Umgang mit den eigenen Gedanken, eigene Werte definieren und anfangen nach ihnen zu handeln – all das sind Dinge, die dir auf lange Sicht helfen können, aus der Depression zu entkommen. Und es sind rein zufällig auch alles Dinge, die sich am Anfang anstrengend, mühsam und stressig anfühlen.
Kennst du den Begriff Pain-Period?
Alles ist am Anfang schwer, bevor es einfach wird.
Doch Akzeptanz ist kein intellektueller Prozess. Es ist eine zutiefst körperliche Erfahrung, die vor allem daraus besteht, den eigenen emotionalen Schmerz zu beobachten. Den Schmerz als das beobachten, was er ist, nicht als das, was er vorgibt zu sein.
Der Schmerz ist kein großes gewaltiges Monster.
Er ist nur ein Gefühl. Ein unangenehmes Gefühl.
Aber er kann dir nichts tun. Und er geht vorbei. Alles geht immer auch wieder vorbei.
Dazu gibt es eine Fülle an effektiven Akzeptanz-Techniken, von der Vipassana-Meditation über die Ausdehnung der Akzeptanz-und Commitment-Therapie bishin zur Schmerzkörper-Beobachtung nach Eckart Tolle. Doch alle haben dasselbe Ziel: Den inneren Schmerz zulassen und akzeptieren, das er da ist. Aufhören zu kämpfen.
Begleitend mit Methoden der Gedankenentschärfung und einem hingebungsvollen Handeln nach den eigenen, vorher definierten Werten setzt man so einen Empowerment-Prozess in Gang, der einem auf lange Sicht helfen wird, sein Leben so zu gestalten, wie man es haben will und wie es einen nachhaltig glücklich macht.
Doch ich werde dazu in Zukunft noch viel mehr dazu schreiben, denn dieser Artikel alleine ist schon wieder todes-lang geworden^^
...
Ich weiß, das ich vielen hier mit diesem Artikel vor den Kopf stossen werde.
Sie wollen nicht hören, dass es womöglich einen anstrengenden Weg aus der Depression gibt. Es ist viel einfacher, zu resignieren und davon auszugehen, dass es gar keinen Weg gibt und das nur der Selbstmord, 30 Jahre Therapie oder AD eine adäquate Lösung darstellen.
Hater und Flamer ich hör euch trapsen....
Bitte, wenn dir das was ich schreibe komplett nichts bringt, dann lies es nicht. Ich möchte Menschen helfen und inspirieren, aber ich weiß, dass es immer Leute geben wird, die unzufrieden mit der Hilfe sind, die ihnen angeboten wird, selbst wenn sie wie hier vollkommen gratis ist.
Sinnvolle Kritik und Ergänzungen sind natürlich jederzeit willkommen (:
Kleine Ergänzung:
Natürlich wird es immer auch Fälle geben, in welchen du nicht in der Lage sein wirst, deine negativen Gefühle zu akzeptieren und etwas sinnvolles zutun.
Ich meditiere selbst seit über 5 Jahren und mir passiert es immer noch ab und zu, dass ich mal von meinen Gefühlen überwältigt werde und es nicht schaffe, sie einfach nur zu akzeptieren.
Besonders heftige Episoden sind am Anfang meist noch zu stark, als dass man es schafft, sie vollständig zu akzeptieren. In solchen Fällen ist sicherlich ein Backup-Plan wichtig: Ein paar Notfall-Tools (Oder ein Werkzeugkasten, wie es auch manchmal heißt) aus heilsamen Tätigkeiten, die dich durch die Depression begleiten können. Der Unterschied zu Kontroll-Strategien sehe ich in folgender Vorgehensweise:
Man sollte immer erst versuchen, die Gefühle zu akzeptieren und weiter am Leben teilnehmen. Doch wenn es einem so gar nicht gelingt, sind solche vorher definierten Notfall-Tools nützlich, um sich selbst ein wenig zu stabilisieren und sich davon abzuhalten, doch in destruktive Muster (Wie Alkohol oder SVV) abzugleiten. Außerdem halten sie dich aktiv!
Ein paar Beispiele wären Fahrrad fahren, Spazieren gehen, mit dem Hund rausgehen, einen Freund besuchen und ähnliches. Jeder hat hier seine eigenen Vorlieben. Ich selbst setze mich dann auf´s Fahrrad und fahre eine Runde ins Grüne.
Liebe Grüße,
Octave