Depressionen im Alter
Verfasst: 10. Jan 2014, 19:58
Depressionen im Alter :
hier spreche ich über Depressionen, die schon in der Kindheit beginnen und trotz Psychotherapie und medikamentöser Behandlung bis ins Alter anhalten.
Leider ist es nicht so, dass sich alle Formen der Depressionen erfolgreich für alle Zeiten "wegtherapieren" lassen.Anlässlich des Freitodes meines Bruders vor 10 Tagen und meiner eigenen teilweise schweren Depressionen seit 50 Jahren möchte ich aus Sicht der Betroffenen etwas dazu sagen.
Im Fall meines Bruders wurde er schon im Alter von 10 Jahren wegen Menschenscheuheit und Suizidgedanken lange Zeit ambulant mit Psychotherapie behandelt. Im weiteren Leben hat er u.a. ein Psychologiestudium mit "sehr gut" abgeschlossen.Während der Studienzeit machte er eine weitere Psychotherapie. Leider hielten seine Ängste an, er gab die Berufstätigkeit auf. In den folgenden Jahren, die er seine glücklichsten nannte, zog er mit sehr viel Einsatz seine beiden Kinder auf, bewältigte den gesammten Haushalt alleine, baute ein Haus aus und hatte einen großen Garten mit ökologischem Gemüse und Obstanbau nebst Bienenzucht. Die Probleme kamen erneut, als sich die Kinder naturgemäß immer mehr verselbständigten, seiner Frau die Beziehung zu eng wurde und die Trennung drohte. Er versuchte erneut bei drei verschiedenen Therapeuten einen Therapieplatz zu bekommen. Das wurde jeweils abgelehnt z.B. mit der Begründung, was er denn jetzt hier wolle, er hätte es doch sein Leben lang abgelehnt (60 J.) sich der Gesellschaft zu stellen. In der Not und unter dem enormen Stress lief er teilweise täglich Marathon. Ihm müssen die Fußnägel dabei abgefallen sein wie ich im nachherein erfuhr. Ich habe ihn wegen der Entfernung und meiner eigenen schwierigen Situation in den letzten 18 Monaten leider nicht gesehen. Er holte sich aber gelegentlich emotionale Unterstützung oder telefonischen Rat bei mir, da ich noch viel mehr ambulante und stationäre Erfahrung, dazu seit 20 Jahren ununterbrochene medikamentöse Erfahrung habe. Leider brach er eine medikamentöse Behandlung ab, weil sie nichts brachte. Er hatte vor einer Persönlichkeitsänderung Angst. Dazu kann ich nur sagen, dass man davor keine Angst haben muß. Allerdings wurden meine Medikamente auch oft gewechselt und im Laufe der Jahre erhöht, um eine Wirkung zu erzielen. Wenn das soziale Umfeld nicht stimmt, haben meine Medikamente allerdings auch nicht mehr die Möglichkeit, Depressionen zu verhindern. Das letzte Mal sprachen wir den Tag vor seinem Freitod miteinander. Er äußerte nichts von irgendwelchen entsprechenden Plänen, sondern sagte nur, er müsse noch irgend was anstreichen, bevor er mich besuchen kommt. Den Ernst der Lage habe ich auch nicht erkannt, da bei Männern anscheinend Depressionen anders auftreten. Wenn ich schwerste Depressionen habe, kann ich mich kaum noch rühren, liege bewegungslos im Bett, gehe im Zeitlupentempo und kann nicht mehr für mich kochen. Mein Bruder versorgte seine Familie bis zuletzt, arbeitete wie besessen im Garten und lief Marathon.
Auch ich sollte im letzten Jahr nach 2 monatiger stationären Therapie dringend mit ambulanter Therapie weitermachen. Allerdings wollte auch mich (61J.) niemand mehr haben. Wie ich von Bekannten aus der Therapeutenszene erfuhr, nennt man Leute wie mich und meinen Bruder "Therapeutenkiller". Am liebsten werden Patienten mit einfacherem Krankheitsbild genommen. Natürlich habe ich größtes Verständnis, dass jüngere Patienten, bei denen mit gutem Erfolg zu rechnen ist, vorrangig behandelt werden. Auch sind die finanziellen Mittel begrenzt. Im Grunde wäre für mich eine Lebensform wie im Wohnen Jung und Alt ideal, denn im Gruppenleben geht es mir in der Regel besser. Leider muß ich mich in der Nähe meiner behinderten Tochter aufhalten, die geistig behindert ist und im betreuten Wohnen lebt. Am Wochenende will sie abwechselnd zu Vater oder Mutter. Auch gesunde Menschen haben im Alter oft ein Problem mit Einsamkeit, wenn sie durch häufigen Wohnortwechsel, Arbeitslosigkeit und damit geringen finanziellen Möglichkeiten weniger Bekannte geschweige denn ein soziales Netzwerk haben. Als belasteteter Mensch mit Depressionen ist man natürlich nicht der Knüller für andere. Ich habe mich wohlweisslich zurückgezogen, wenn es mir nicht gut ging. Schon ein behindertes Kind in der Familie führt dazu, dass sich selbst Familienangehörige rar machen. Ich habe im Gegensatz zu meinem Bruder keine Probleme auf andere zuzugehen und zu sagen, dass ich sie nett finde. Ebenso gehe ich auf Nachbarn zu und biete Hilfe bei Betreuung ihres Kindes an. Trotzdem ist es schwer bis unmöglich, dabei Freunde zu finden.
Offen gesagt, ich werde mich so lange wie irgend möglich durchschlagen, allein schon, um meinen Kindern nicht irgendwie zu schaden. Ein großes Vergnügen ist ein solches Leben allerdings nicht, aber im Laufe der Jahre wird man ja sehr bescheiden.
hier spreche ich über Depressionen, die schon in der Kindheit beginnen und trotz Psychotherapie und medikamentöser Behandlung bis ins Alter anhalten.
Leider ist es nicht so, dass sich alle Formen der Depressionen erfolgreich für alle Zeiten "wegtherapieren" lassen.Anlässlich des Freitodes meines Bruders vor 10 Tagen und meiner eigenen teilweise schweren Depressionen seit 50 Jahren möchte ich aus Sicht der Betroffenen etwas dazu sagen.
Im Fall meines Bruders wurde er schon im Alter von 10 Jahren wegen Menschenscheuheit und Suizidgedanken lange Zeit ambulant mit Psychotherapie behandelt. Im weiteren Leben hat er u.a. ein Psychologiestudium mit "sehr gut" abgeschlossen.Während der Studienzeit machte er eine weitere Psychotherapie. Leider hielten seine Ängste an, er gab die Berufstätigkeit auf. In den folgenden Jahren, die er seine glücklichsten nannte, zog er mit sehr viel Einsatz seine beiden Kinder auf, bewältigte den gesammten Haushalt alleine, baute ein Haus aus und hatte einen großen Garten mit ökologischem Gemüse und Obstanbau nebst Bienenzucht. Die Probleme kamen erneut, als sich die Kinder naturgemäß immer mehr verselbständigten, seiner Frau die Beziehung zu eng wurde und die Trennung drohte. Er versuchte erneut bei drei verschiedenen Therapeuten einen Therapieplatz zu bekommen. Das wurde jeweils abgelehnt z.B. mit der Begründung, was er denn jetzt hier wolle, er hätte es doch sein Leben lang abgelehnt (60 J.) sich der Gesellschaft zu stellen. In der Not und unter dem enormen Stress lief er teilweise täglich Marathon. Ihm müssen die Fußnägel dabei abgefallen sein wie ich im nachherein erfuhr. Ich habe ihn wegen der Entfernung und meiner eigenen schwierigen Situation in den letzten 18 Monaten leider nicht gesehen. Er holte sich aber gelegentlich emotionale Unterstützung oder telefonischen Rat bei mir, da ich noch viel mehr ambulante und stationäre Erfahrung, dazu seit 20 Jahren ununterbrochene medikamentöse Erfahrung habe. Leider brach er eine medikamentöse Behandlung ab, weil sie nichts brachte. Er hatte vor einer Persönlichkeitsänderung Angst. Dazu kann ich nur sagen, dass man davor keine Angst haben muß. Allerdings wurden meine Medikamente auch oft gewechselt und im Laufe der Jahre erhöht, um eine Wirkung zu erzielen. Wenn das soziale Umfeld nicht stimmt, haben meine Medikamente allerdings auch nicht mehr die Möglichkeit, Depressionen zu verhindern. Das letzte Mal sprachen wir den Tag vor seinem Freitod miteinander. Er äußerte nichts von irgendwelchen entsprechenden Plänen, sondern sagte nur, er müsse noch irgend was anstreichen, bevor er mich besuchen kommt. Den Ernst der Lage habe ich auch nicht erkannt, da bei Männern anscheinend Depressionen anders auftreten. Wenn ich schwerste Depressionen habe, kann ich mich kaum noch rühren, liege bewegungslos im Bett, gehe im Zeitlupentempo und kann nicht mehr für mich kochen. Mein Bruder versorgte seine Familie bis zuletzt, arbeitete wie besessen im Garten und lief Marathon.
Auch ich sollte im letzten Jahr nach 2 monatiger stationären Therapie dringend mit ambulanter Therapie weitermachen. Allerdings wollte auch mich (61J.) niemand mehr haben. Wie ich von Bekannten aus der Therapeutenszene erfuhr, nennt man Leute wie mich und meinen Bruder "Therapeutenkiller". Am liebsten werden Patienten mit einfacherem Krankheitsbild genommen. Natürlich habe ich größtes Verständnis, dass jüngere Patienten, bei denen mit gutem Erfolg zu rechnen ist, vorrangig behandelt werden. Auch sind die finanziellen Mittel begrenzt. Im Grunde wäre für mich eine Lebensform wie im Wohnen Jung und Alt ideal, denn im Gruppenleben geht es mir in der Regel besser. Leider muß ich mich in der Nähe meiner behinderten Tochter aufhalten, die geistig behindert ist und im betreuten Wohnen lebt. Am Wochenende will sie abwechselnd zu Vater oder Mutter. Auch gesunde Menschen haben im Alter oft ein Problem mit Einsamkeit, wenn sie durch häufigen Wohnortwechsel, Arbeitslosigkeit und damit geringen finanziellen Möglichkeiten weniger Bekannte geschweige denn ein soziales Netzwerk haben. Als belasteteter Mensch mit Depressionen ist man natürlich nicht der Knüller für andere. Ich habe mich wohlweisslich zurückgezogen, wenn es mir nicht gut ging. Schon ein behindertes Kind in der Familie führt dazu, dass sich selbst Familienangehörige rar machen. Ich habe im Gegensatz zu meinem Bruder keine Probleme auf andere zuzugehen und zu sagen, dass ich sie nett finde. Ebenso gehe ich auf Nachbarn zu und biete Hilfe bei Betreuung ihres Kindes an. Trotzdem ist es schwer bis unmöglich, dabei Freunde zu finden.
Offen gesagt, ich werde mich so lange wie irgend möglich durchschlagen, allein schon, um meinen Kindern nicht irgendwie zu schaden. Ein großes Vergnügen ist ein solches Leben allerdings nicht, aber im Laufe der Jahre wird man ja sehr bescheiden.