Depressionen im Alter

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traumgarten
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Depressionen im Alter

Beitrag von traumgarten »

Depressionen im Alter :
hier spreche ich über Depressionen, die schon in der Kindheit beginnen und trotz Psychotherapie und medikamentöser Behandlung bis ins Alter anhalten.
Leider ist es nicht so, dass sich alle Formen der Depressionen erfolgreich für alle Zeiten "wegtherapieren" lassen.Anlässlich des Freitodes meines Bruders vor 10 Tagen und meiner eigenen teilweise schweren Depressionen seit 50 Jahren möchte ich aus Sicht der Betroffenen etwas dazu sagen.
Im Fall meines Bruders wurde er schon im Alter von 10 Jahren wegen Menschenscheuheit und Suizidgedanken lange Zeit ambulant mit Psychotherapie behandelt. Im weiteren Leben hat er u.a. ein Psychologiestudium mit "sehr gut" abgeschlossen.Während der Studienzeit machte er eine weitere Psychotherapie. Leider hielten seine Ängste an, er gab die Berufstätigkeit auf. In den folgenden Jahren, die er seine glücklichsten nannte, zog er mit sehr viel Einsatz seine beiden Kinder auf, bewältigte den gesammten Haushalt alleine, baute ein Haus aus und hatte einen großen Garten mit ökologischem Gemüse und Obstanbau nebst Bienenzucht. Die Probleme kamen erneut, als sich die Kinder naturgemäß immer mehr verselbständigten, seiner Frau die Beziehung zu eng wurde und die Trennung drohte. Er versuchte erneut bei drei verschiedenen Therapeuten einen Therapieplatz zu bekommen. Das wurde jeweils abgelehnt z.B. mit der Begründung, was er denn jetzt hier wolle, er hätte es doch sein Leben lang abgelehnt (60 J.) sich der Gesellschaft zu stellen. In der Not und unter dem enormen Stress lief er teilweise täglich Marathon. Ihm müssen die Fußnägel dabei abgefallen sein wie ich im nachherein erfuhr. Ich habe ihn wegen der Entfernung und meiner eigenen schwierigen Situation in den letzten 18 Monaten leider nicht gesehen. Er holte sich aber gelegentlich emotionale Unterstützung oder telefonischen Rat bei mir, da ich noch viel mehr ambulante und stationäre Erfahrung, dazu seit 20 Jahren ununterbrochene medikamentöse Erfahrung habe. Leider brach er eine medikamentöse Behandlung ab, weil sie nichts brachte. Er hatte vor einer Persönlichkeitsänderung Angst. Dazu kann ich nur sagen, dass man davor keine Angst haben muß. Allerdings wurden meine Medikamente auch oft gewechselt und im Laufe der Jahre erhöht, um eine Wirkung zu erzielen. Wenn das soziale Umfeld nicht stimmt, haben meine Medikamente allerdings auch nicht mehr die Möglichkeit, Depressionen zu verhindern. Das letzte Mal sprachen wir den Tag vor seinem Freitod miteinander. Er äußerte nichts von irgendwelchen entsprechenden Plänen, sondern sagte nur, er müsse noch irgend was anstreichen, bevor er mich besuchen kommt. Den Ernst der Lage habe ich auch nicht erkannt, da bei Männern anscheinend Depressionen anders auftreten. Wenn ich schwerste Depressionen habe, kann ich mich kaum noch rühren, liege bewegungslos im Bett, gehe im Zeitlupentempo und kann nicht mehr für mich kochen. Mein Bruder versorgte seine Familie bis zuletzt, arbeitete wie besessen im Garten und lief Marathon.
Auch ich sollte im letzten Jahr nach 2 monatiger stationären Therapie dringend mit ambulanter Therapie weitermachen. Allerdings wollte auch mich (61J.) niemand mehr haben. Wie ich von Bekannten aus der Therapeutenszene erfuhr, nennt man Leute wie mich und meinen Bruder "Therapeutenkiller". Am liebsten werden Patienten mit einfacherem Krankheitsbild genommen. Natürlich habe ich größtes Verständnis, dass jüngere Patienten, bei denen mit gutem Erfolg zu rechnen ist, vorrangig behandelt werden. Auch sind die finanziellen Mittel begrenzt. Im Grunde wäre für mich eine Lebensform wie im Wohnen Jung und Alt ideal, denn im Gruppenleben geht es mir in der Regel besser. Leider muß ich mich in der Nähe meiner behinderten Tochter aufhalten, die geistig behindert ist und im betreuten Wohnen lebt. Am Wochenende will sie abwechselnd zu Vater oder Mutter. Auch gesunde Menschen haben im Alter oft ein Problem mit Einsamkeit, wenn sie durch häufigen Wohnortwechsel, Arbeitslosigkeit und damit geringen finanziellen Möglichkeiten weniger Bekannte geschweige denn ein soziales Netzwerk haben. Als belasteteter Mensch mit Depressionen ist man natürlich nicht der Knüller für andere. Ich habe mich wohlweisslich zurückgezogen, wenn es mir nicht gut ging. Schon ein behindertes Kind in der Familie führt dazu, dass sich selbst Familienangehörige rar machen. Ich habe im Gegensatz zu meinem Bruder keine Probleme auf andere zuzugehen und zu sagen, dass ich sie nett finde. Ebenso gehe ich auf Nachbarn zu und biete Hilfe bei Betreuung ihres Kindes an. Trotzdem ist es schwer bis unmöglich, dabei Freunde zu finden.
Offen gesagt, ich werde mich so lange wie irgend möglich durchschlagen, allein schon, um meinen Kindern nicht irgendwie zu schaden. Ein großes Vergnügen ist ein solches Leben allerdings nicht, aber im Laufe der Jahre wird man ja sehr bescheiden.
Zarra
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Re: Depressionen im Alter

Beitrag von Zarra »

Liebe traumgarten,

ich glaube, solch ein Erleben im engen Familien- oder Freundeskreis ist ein harter Schlag, der viele Gedanken durcheinanderwürfeln läßt. - Ich möchte Dir einfach mein Mitgefühl ausdrücken.

Zarra
Köchlein
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Re: Depressionen im Alter

Beitrag von Köchlein »

Hallo Traumgarten,

auch ich möchte dir zu deinem Verlust mein bedauern ausdrücken.

Es ist aber gut das du hier schreibst, finde ich.

Vor allem finde ich es gut das du immer weiter kämpfst und für deine Kinder da sein willst.

Habe selbst eine Tochter 15 jr.Würde alles für sie tun auch sie ist für mich der Grund warum ich am Mittwoch in die Klinik gehe bin 52 jr. und eigentlich auch schon immer Depressiv.

Ich wünsche dir alle kraft der Welt und bleibe am Ball.

Wolfgang
traumgarten
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Re: Depressionen im Alter

Beitrag von traumgarten »

Danke für die Antworten. Samstag war die Trauerfeier. Da mein Bruder nicht religiös gebunden war, haben u.a.wir vier Geschwister was zu ihm gesagt . Obwohl es mir schwer fiel, weil ich sehr traurig war, habe ich erklärt, dass mein Bruder mit Sicherheit nicht seinen Kindern schaden wollte. Er hatte sich bei seiner Familie im Abschiedsbrief noch mal für die schönsten Jahre seines Lebens bedankt.(die letzten neun Jahre hatte seine Frau allerdings einen Liebhaber und wollte, dass mein Bruder auszog, was er nicht verkraftet hat).
Mir hat vor allem die Anwesenheit meines Freundes geholfen. Wir kennen uns noch nicht so lange, aber dieser Zusammenhalt hat mit Sicherheit die Freundschaft bestärkt.
krimi56
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Re: Depressionen im Alter

Beitrag von krimi56 »

Liebe Traumgarten,

es ist gut, dass du deine Gefühle hier aufgeschrieben hast. Mein Mitgefühl zum Tod deines Bruders.
Ein Danke dafür, dass du uns einen Teil deiner jahrelangen Erfahrung mitteilst.

Dein Erlebnis mit deinem Bruder, deine Gefühle verstehe ich sehr gut. Du wirst auch keine Erklärung dafür finden, dass er dir einen Tag vor seinem Freitod nichts von seinem Plan gesagt hat.
- Das letzte Mal sprachen wir den Tag vor seinem Freitod miteinander. Er äußerte nichts von irgendwelchen entsprechenden Plänen, sondern sagte nur, er müsse noch irgend was anstreichen, bevor er mich besuchen kommt. –

Vielleicht hat er an diesem Tag an dem er mit dir sprach auch gar nicht konkret daran gedacht. Manche planen es regelrecht, andere handeln aus einer Situation heraus. Ich will nicht sagen, dass solche kranken Personen nicht schon öfters darüber nachgedacht haben. Doch das Umsetzen ist eine andere Sache. Sein Schritt war geplant, nur vielleicht nicht für einen bestimmten Tag.

Diese Erfahrung habe ich machen müssen. Meine Tochter hat im Dezember letzten Jahres einen Versuch gemacht sich das Leben zu nehmen. Es war gescheitert, weil ihr Mann rechtzeitig den Notarzt holen konnte.
Von einer anderen Situation her wusste ich, dass auch sie diesen Gedanken schon öfters hatte. Sie konnte mir jetzt auch nicht versprechen nicht wieder einen Versuch zu machen. Sie sagte zu mir: Mama, es war in diesem Moment so, dass ich es tun wollte.

Dass dein Bruder so viel gelaufen ist. Sehr wahrscheinlich ist er seinen Gedanken, seinen Gefühlen davon gelaufen. Mir geht es jedenfalls so. Ich laufe jetzt keinen Marathon, aber wenn ich draußen unterwegs bin ist mein Kopf frei. Da sind meine Krankheiten weit weg von mir, auch die Sorge um meine Tochter.

Ich möchte dich ermuntern, hier deine Gefühle weiter aufzuschreiben. Deine Gedanken werden hier immer gelesen. Für dich ist es wie Sprechen und uns helfen dein Gedanken auch.

LG krimi
"Denk nicht daran, wie viel zu tun ist, welche Schwierigkeiten zu bewältigen sind oder welches Ziel erreicht werden soll, ...sondern widme dich gewissenhaft der kleinen Aufgabe, die gerade ansteht."
- Elisabeth Tova Bailey -
traumgarten
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Re: Depressionen im Alter

Beitrag von traumgarten »

Liebe Krimi 56

danke für Deinen Beitrag. Das mit Deiner Tochter ist eine schreckliche Ungewißheit, ich kann Deine Sorgen gut verstehen. Aus eigenem Erleben kenne ich die Kombination von starken Depressionen und dem Wunsch, nicht mehr zu leben . Man fühlt sich von der ganzen Welt verlassen oder empfindet auch eine Art Zerstörungswut sich selbst gegenüber. Früher wurde immer gesagt, man würde nur die Aufmerksamkeit erwecken wollen, wenn man so ehrlich war und über solche Gedanken sprach. Ich habe mir angewöhnt, mich zurückzuziehen und die Klappe zu halten. Letztes Jahr war es aber so schlimm, dass ich mich selbst eingewiesen habe, weil ich befürchtete, die Kontrolle zu verlieren. Ich habe dann ein bischen gelogen und mich im Rahmen der Station glaubhaft von Suizidplänen distanziert, um nicht in die Geschlossene zu kommen. Da habe ich nämlich auch sehr schlechte Erfahrungen gemacht. Einfach unter Mitpatienten zu sein, hat mir schon innerhalb einiger Tage erst mal geholfen. Mich lenkt das ganz gut von mir ab.
Aber ehrlich gesagt, war meine Rettung eine Freundschaft, die sich über Internet langsam angebahnt hat. Wir haben erst wegen der Entfernung täglich gechattet und treffen uns jetzt an den Wochenenden.
Nach meiner Erfahrung kommt eine Deppression nicht einfach so. Bei mir war es das schulische oder berufliche Scheitern, eine unglückliche Beziehung. Manchmal konnte ich es regelrecht beobachten, wie eine starke Wut z. B. gegen meinen Ehemann sich irgendwann in Depression umwandelte. In Beziehungen, wo Streiten "verboten" ist oder man aus vielerlei Gründen nicht entkommen kann, besteht die Gefahr der Depression besonders. Solange man noch in der Lage ist, irgend einen Sport am besten an der frischen Luft zu betreiben (bei mir Paddeln oder LL-Schi) kann man sich etwas helfen, das seelische Gleichgewicht zu behalten. Auch in ganz schlimmen Zeiten, wie letztes Jahr wo ich wie gelähmt nur noch im Bett lag und mein Kurzzeitgedächtnis total ausgeschaltet war (ich suchte ständig Schlüssel und Geld, obwohl ich mich bemühte, sie an der gleichen Stelle abzulegen und wußte nie, ob ich die Medikamante gerade schon genommen hatte, oder nicht), war ich plötzlich wieder "normal", als ich eine Woche mit dem Kanuverein wegfuhr und stand sogar als erster auf, um für alle das Frühstück zu machen.
Vielleicht fällt Dir auch etwas ein, was ein Auslöser für die Depressionen Deiner Tochter sein könnte und wie man ihr helfen könnte. Das ist bei jedem unterschiedlich. In meiner Familie wurden wir Kinder, insbesondere mein Bruder und ich schon im Alter von wenigen Monaten ins Kinderheim gegeben, wenn die Eltern verreisen wollten oder an mehr oder weniger vertraute Personen verteilt, weil meine Mutter ständig zusammenbrach mit Überforderung oder Ängsten. Auch Schulschwierigkeiten führten bei mir dazu, dass ich ins Internat kam, um die Mutter nicht zu belasten. Man konnte sich nur durch fleißiges Mithelfen (ich kochte mit 8 Jahren schon mal)einen Platz in der Familie sichern, und durch möglichst unauffälliges pflegeleichtes Dasein. Das sind alles olle Kamellen, aber Isolation ist nach wie vor ein wunder Punkt für mich, der drohende "Rauswurf" meines Bruders aus seiner Familie wurde von ihm erst mit noch mehr Versorgen der ganzen Familie beantwortet, obwohl er damit allen schon auf den Wecker ging, und führte am Ende zu seinen Suizid.
Ich hoffe, vielleicht mit meinen jahrelangen Erfahrungen aus der Sicht einer Betroffenen etwas Licht ins Dunkel zu bringen
krimi56
Beiträge: 1919
Registriert: 25. Dez 2011, 11:45

Re: Depressionen im Alter

Beitrag von krimi56 »

Hallo Traumgarten,

es ist gut, dass du und deine anderen Geschwister bei der Trauerfeier etwas Persönliches sagen konntet.
So wurde der Wert eures Bruders noch einmal hervorgehoben. Dadurch wurde er nicht auf den Wert des Menschen reduziert der bewusst seine Familie auf diese Weise verlassen hat. Hervorgehoben wurde der Mensch, der Bruder, der Mann, der Vater – mit all seinen Eigenschaften die ihn liebenswert machten.

Auslöser für die Depression meiner Tochter? Leider zieht sich diese Art der Depression auch mit den Folgen (erfolgtem Suizid) durch die Familie meines Mannes über Generationen hinweg.
In der Pubertät begann die Depression sich zu entwickeln. Leider längere Zeit unentdeckt, weil sie sich lange Zeit verstellen konnte.
Unsere Kinder, ich habe auch noch einen Sohn, wurden immer in unsere familiären Aktivitäten mit einbezogen. Es gab kein „Wir ohne euch“.
Auch die Urlaube besprachen wir als Familie.
Da meine Tochter Neurodermitis hat begann während der Zeit der Pubertät die Phase, dass sie sich nicht hübsch fand, weil ihre Haut oft gereizt, kaputt, wund und auch blutig gekratzt war. Da begann sie einen Waschzwang zu entwickeln, indem sie sich oft die Hände wusch oder Gegenstände reinigte weil sie glaubte, diese seien von ihr mit Blut verschmiert. In dieser Zeit wurde für mich ihre Depression sichtbar. Es begann eine anstrengende Zeit und sie dauert immer noch an. Sie war aber auch zum Glück mit guten Zeiten unterbrochen. Diese Zeiten hielten leider nicht lange an, da sie verschriebene Medikamente nicht regelmäßig nahem, Therapien nicht durchzog.
In der Zwischenzeit war meine Tochter bereits zweimal in einer Klinik.
Das zu meiner Tochter.

Hier ist jetzt aber das Thema „Depression im Alter“.
Seit dem ich hier lese und schreibe habe ich erfahren, dass viele Betroffene nun an Jahren vorgerückt schon in jungen Jahren an Depression erkrankt waren. Es immer wieder längere Phasen gab in denen es ihnen besser bis gut ging.

Diese Zeiten habe ich gut überstanden, es ging mir sehr gut. Mit Diagnose meiner Krankheit begann sich bei mir eine Depression zu entwickeln. Ein Zustand den ich bei mir nie für möglich gehalten hatte. Der Grund ein ganz anderer ist und mit der Form der Depression meiner Tochter nicht zu vergleichen ist.
Und ich durch Therapie und ohne Medikamente auf dem Weg bin dem Ganzen Herr zu werden. Ich bin optimistisch es zu schaffen. Auch wenn sich zwischen durch immer mal wieder ein Loch auftut in das ich auch prompt falle.

LG krimi
"Denk nicht daran, wie viel zu tun ist, welche Schwierigkeiten zu bewältigen sind oder welches Ziel erreicht werden soll, ...sondern widme dich gewissenhaft der kleinen Aufgabe, die gerade ansteht."
- Elisabeth Tova Bailey -
Selea

Re: Depressionen im Alter

Beitrag von Selea »

Guten Morgen liebe Traumgarten.

Dein Eingangsposting hatte mich sehr bestürzt.
Vorallem auch mit dem Schicksal Deines Bruders.
Und zum zweiten dann mit den Aussagen von bekannten Theras: man, frau sei ein Therapeutenkiller, wer also in solchem Alter, in dem ich mich auch bewege, immer wieder doch mit Depris kämpft.

Am liebsten hätte ich laut gerufen, nein, ich kenne hier in meiner Stadt eine tolle Psychotherapeutische Klinik, die sich auf einer Station auch mit Oldies spezialisiert hat. Wohlwissend, dass in dem Alter über Pensionierung, Berentung oder andere Themen auch wieder Aktualisierungen auftreten können, bzw. dies auch zu meisternde Lebenskrisen sind.

Nun ja, mit diesen ambulanten TherapeutInnen. Wenn ich ehrlich bin, von einem Grünschnabel würde ich mich auch nicht gerne behandeln lassen, also jemand sehr sehr Junges. Da mangelt es halt doch noch an Lebenserfahrung.
Und vielleicht hat der Eine oder Andere Therapeut Deinen Bruder abgelehnt, weil einfach noch zu wenig Berufs_und Lebenserfahrung.
Bitter. Für Deinen Bruder, für Dich, für die Situation.

Du erzählst weiter von Deiner Familiensituation als Kind.
So typisch eben, für damals. Pille und andere Verhütungsmittel noch nicht erfunden, dann kamen halt Kinder, ungewollte, mit denen frau, man sich überfordert gefühlt hat.
So war das. Familienplanung ging so nich, wie heute.

Traumatisch und schlimm, Kind in einer solchen Familienkonstellation gewesen zu sein. Ewig brüchige Beziehungssysteme zu erleben.
Wann komme ich wieder weg, ins Heim, zu Verwandten, wann ist Mutter wieder überfordert........in vielen Büchern nachzulesen, Fundament für die depressive Persönlichkeit.

Gerade diese Tage habe ich wieder in einem älteren Buch gelesen, Frederic F. Flach:. Depression als Lebenschance _ Seelische Krisen und wie man sie nutzt.

Er spricht in seinem Buch davon, dass vor Ausbruch jeder Depression ein erheblicher emotionaler Stress vorhanden gewesen sein muss.
Eine Trennung, androhende Ehescheidung, Kündigung der Arbeitsstelle, Todesfälle u.v.m.
Oft auch Kumulierungen.
Und, dass es Menschen gebe, die sehr sehr empfindlich auf Verluste reagieren. Menschen, die als Kinder schon früh ein Elternteil verloren haben , oder in den Büchern von Giger_Bütler nachzulesen, Menschen, die eine enorme Beziehungsbrüchigkeit mit den eigenen Eltern erleben mussten.

Solche Menschen seien sehr "begabt" für Depressionen.

Warum hole ich so lange aus? Ich finde es gut, immer wieder sich dieses Gewordensein vor Augen zu halten.
Wo sind meine wunden Stellen, wo kann ich evt. wieder in eine Depression rutschen. etc. etc.

Sehr traurig finde ich, wenn Du uns erzählst, dass die Ehefrau Deines Bruders seit 9 Jahren!!!!! einen neuen Freund / Liebhaber hatte, und niemand in diesem Beziehungsgeflecht den Mut hatte, auszusteigen, erwachsenen Lösungen zu finden, einen klaren Schnitt zu machen. Sich selbständig auf die Beine zu machen, auch wenn es der Super_Gau ist, es sehr weh tut.

Da Dein Bruder, der einfach auch nur verharrt ist in einer lebensschädigenden Situation. Trennung für ihn vielleicht aufgrund seiner frühkindlichen Erfahrungen nur noch der Super_Gau sein konnte , statt dessen halt lieber Ausharren, noch weiter den Rest an
Selbstwert zu verlieren.
Und dann auch da eine Ehefrau, für die es kein Signal für einen neuen eigenen Aufbruch ist, seit Jahren einen Liebhaber zu haben, und nicht die Augen aufzumachen, welche Veränderungen und Entwicklungen bei ihr vielleicht innerseelisch anstünden.

Eine hochexplosive Situation.

Etwas Besseres als den Tod finden wir überall.

Das meine ich wirklich nicht sarkastisch oder unempathisch. Ich kenne solche Gedanken. Leider.
Bin aber sehr froh, die meiste Zeit :roll: ganz foh zu sein, auf dieser Erde sein zu dürfen. Mit allen Macken, Ecken und Kanten......

Manchmal ist nur wichtig, in einer einem ausichtslos erscheinenden Krise, dass es Menschen gibt, egal ob soziales Netz oder Fachleute, die einem irgendwie über diese schwere Phase hinweghelfen.
Dann öffnen sich auch wieder andere Wege.

Es ist meine Lebenserfahrung. Ich habe etliche mutige Trennungen hingelegt in meinem Leben.
Ich lasse mich nicht mehr schlecht behandeln. Definitiv nicht.
Als Kind war ich ausgeliefert an so eine Familiensituation.
Als Erwachsene habe ich auch nicht immer gleich aufgegeben, wenns mal schwierig wurde irgendwo.
Nie.

Aber mutige Trennungen und Schritte sind manchmal einfach lebensnotwendig. Im wahrsten Sinne des Wortes.

Traumgarten, es ist schön, dass Du berichtest, Du hättest in einer neuen angehenden Beziehung jemanden gefunden, der Dir derzeit zur Seite steht. Das gönne ich Dir und das ist wichtig.

Suizide sind sehr tragisch. Das sage ich als eine Frau, die schon einige Male im Freundschaftskreis von diesem 'Thema sehr direkt betroffen gewesen ist.
Ich denke dann immer, ach hätte der Mensch doch noch ein wenig abgewartet, bis sich die Krise lichtet, wieder Licht am Ende des Horizontes ist, und dann wäre es ja auch wieder weitergegangen.
So denke ich.
Manchmal denke ich dann auch, was hat denn gefehlt, um das zu verhindern, welcher Mensch, welcher Satz, welche Empathie.....
....welches Fünkchen an innerer Kraft.

Es tut mir immer sehr weh, auch wenn ich nur davon lese hier in den Foren. Nun, weil ich um meine eigene Brüchigkeit diesbezüglich weiß.


Traumgarten, ich wünsche Kraft.


Herzlich
Selas
traumgarten
Beiträge: 10
Registriert: 4. Aug 2008, 03:01

Re: Depressionen im Alter

Beitrag von traumgarten »

Liebe Selas,

danke für die vielen Überlegungen. Um es etwas klarer zu machen: bis zu diesem Sommer hatte die Frau meines Bruders abgestritten, einen Liebhaber zu haben. Wenn mein Bruder den Verdacht äußerte, sagte sie immer, er sei nur eifersüchtig. Dann brachte sie den Lover im Sommer mit nach Hause und stellte ihn vor ihm und den Kindern als Liebhaber vor, mit dem sie jetzt zu verreisen gedenke und sich zu ihm bekenne, mit meinem Bruder aber nichts mehr zu tun haben wolle. Dieser Mann wollte aber gar keine Frau für sich, er hatte sich immer nur gebundene Frauen gesucht. Es führt zu weit, die ganze Geschichte zu erzählen. Jedenfalls meinte meine Schwägerin auf der Trauerfeier, ohne ihren Geliebten hätte sie es gar nicht so lange mit meinem Bruder ausgehalten. Da kam noch Armut hinzu, die Rente meines Bruders lag auf Harz 4 Niveau, die Frau arbeitet nicht und die Kinder sind kurz vor den Schulabschlüssen und Studium. Das eigene Haus wäre kaum zu halten gewesen, Mein Bruder wollte auch den Kindern keine Wohnung im Sozialbereich zumuten. Jetzt klagen sie, es wäre noch so viel im Haus zu renovieren und es war ja auch so, dass mein Bruder den Haushalt allein geführt hatte, das muß die arme Frau jetzt selber machen.
Dass Patienten mit langen Therapieerfahrungen und dennoch weiter bestehenden Depressionen (incl. Persönlichkeitsstörungen) unter Therapeuten Therapeutenkiller heissen, habe ich von meinem Freund, er ist der Ex einer Therapeutin. Vermutlich wird das nicht direkt zu Patienten gesagt. Daher weiss ich auch, dass am liebsten erfolgsversprechende Patienten genommen werden. Ist ja irgendwie menschlich verständlich.Mir selbst wurde bei Ablehnung gesagt, ich solle doch froh sein, dass er, der Therapeut so verantwortungsvoll sei, eine Behandlung abzulehnen, die seine Fachkompetenz übersteige. Ich laufe unter schweren Depressionen und Trauma. Bei einer Therapeutin wurde mir gleich in der ersten Stunde gesagt, ich solle Ehrenamt machen. Nun habe ich 25 Jahre lang meine Tochter mit Down-Syndrom gepflegt, hatte nie jemand, der das Kind mal genommen hätte, damit mein Mann und ich was zusammen unternehmen konnten. Jetzt habe ich sie noch an Wochenenden, wo sich alles nach ihren Bedürfnissen dreht. Ich bin zwar gern unter Menschen, es muß aber nicht ständig in der Rolle der Gebenden sein. Das war ja schon in der Kindheit so, dass wir um das Wohl der Mutter besorgt sein mußten, als Kinder wenig Beachtung fanden.
Für mich ist es aber irgendwie beruhigend, dass sich hier der eine oder andere outet, auch älterer Patient mit Depressionen zu sein. Selbst als Patient fragt man sich ja öfter, woran es liegt, dass die Krankheit trotz jahrelanger Therapie weiterbesteht. Manche Therapeuten schieben es darauf, man hätte nicht "richtig" mitgearbeitet. Ich habe immer gedacht, je mehr ich rede, desto besser müsse es mir gehen. Das Gegenteil war der Fall. Besonders das "schlecht machen" der eigenen Familie ist mir gar nicht bekommen. Nach den Stunden kam ich mir nur beschämt vor, als hätte ich mich nackig ausgezogen, wärend der Therapeut angezogen blieb. Oft hatte ich gerade nach Therapiestunden Suizidgedanken.
Die Medikamente haben im Laufe der Jahre zugenommen. Bis etwa 40 Jahre konnte ich sie immer wieder mal absetzen. Seitdem nehme ich sie ständig in zunehmendem Maße. Z.Zt. Edronax 12mg täglich gegen Depressionen (Höchstmenge),Ergenyl (ein Antiepileptikum, dass vor Stimmungsschwankungen schützt) und Promethazin als Bedarfsmedikation bei Ängsten und Schlafstörungen. Das macht einen aber den Rest des Tages so kaput, dass ich möglichst vermeide, es zu nehmen und lieber ne Nacht wach bleibe. Sorge machen mir die Langzeitnebenwirkungen. Schon jetzt brauchte meine Leber nach einer OP mit Narkose 3 Monate, um wieder auf normale Werte zu kommen, durch die Medis ist sie schon voll belastet. Ich ernähre mich gesund und trinke keinen Alkohol. Allerdings ist die Leber wie alle Organe im Bauchraum bei mir nur so groß wie beim Kind, was bei einer Magen OP festgestellt wurde. Mich würden die Erfahrungen anderer Menschen interessieren, die seit Jahrzehnten solche Medis nehmen.

Mit lieben Grüßen an alle
Selea

Re: Depressionen im Alter

Beitrag von Selea »

Hallo liebe Traumgarten. :)

Danke für diesen Beitrag.
Ich war sehr unsicher mit meinem eigenen Beitrag an Dich.
Es ist so ein fragiles und schweres Thema, was Deinen Bruder anbelangt.
Ich hatte auch Angst , die Mods könnten meinen Beitrag löschen oder editieren.

Nun. Es ist und bleibt so traurig mit Deinem Bruder.
So, so die Ehefrau hat in ihrer Ehe Verwirrspiele vom Feinsten gespielt.
Da soll mensch nicht kirre werden?

Hmmh. Eins habe ich in meinem Leben gelernt. Das mit der Verantwortung, auch für mich selber.
Kann ich einen Partner _dauerhaft_ nicht mehr ertragen, bzw. eine Freundin, bzw. eine Nachbarschaft/Wohnort, eine berufliche Situation, und wenn ich schon Einiges an Änderungen diesbezüglich versucht habe, dann trenne ich mich aus solchen lähmenden Verstrickungen.
Ja, dann muss ich als Frau halt arbeiten gehen, die Komfortzone, die mir ein ungeliebter Partner aber immer noch bietet, die muss ich dann verlassen.

Aber auch ich als Mensch darf Partnerin und Kinder verlassen, wenn es absolut nicht mehr geht.
Damit spreche ich nicht für ein "schnelles Wegwerfen" von gewachsenen Beziehungen.

Nichts lähmt mehr und macht depressiver, als destruktive Beziehungen, ein destruktives Beziehungsumfeld.
Egal wo und mit wem.
..unter Therapeuten Therapeutenkiller heissen, habe ich von meinem Freund, er ist der Ex einer Therapeutin.
schreibst Du.
Da bin ich ja beruhigt, dass dieses Wort nicht in einer Therapie oder Vorgespräch gefallen ist, sondern nur so.

Ich finde es sehr verantwortlich, wenn ein Therapeut einen Klienten ablehnt. Es hat mit mangelnder Erfahrung zu tun, oft hat es mit einem Thema zu tun, an dem der Therapeut selber nagt etc. etc.
Und auch mit erlernten Schulen etc. etc.
Ja, es ist besser, wenn so ein Therapeut an andere Fachleute verweist.
Eigene Grenzen zu erkennen ist gut. In jeder Hinsicht.

Ja, liebe Traumgarten, es ist blöd, an rezidivierenden Depressionen zu leiden. So wie ich auch, an leichteren und mittelschweren meistens, 2 mal eine schwere Depression.
Depressionen sind eine Rückfallerkrankung. Genaue Prozentzahlen hab ich nicht im Kopf, aber sehr viele von uns Depris erleiden nach der ersten Episode im Laufe des Lebens weitere.
Und da ist niemand dran Schuld.
Im Buch Depressionen für Dummies steht gleich auf der 2.Seite
Geben Sie sich nicht die Schuld:Die Depression hat viele Ursachen. Sie haben sicherlich nicht um ihre Depression gebeten.
Ja, auch ich habe als ganz junge Frau etliche Jährchen Psychoanalyse gemacht, der Königsweg damals. Iss ja schon Jahrzehnte her.
Und man sprach auch von Therapiefähigkeit, etc. etc.
Und Menschen über 40 seien nicht mehr therapiefähig.
Und, wer doch wieder Symptome bekäme, hätte nicht genug gearbeitet an sich......ach dieser ganze Bullshit eben.

Heute ist die Wissenschaft und die daraus resultierenden Therapiemöglichkeiten einfach weiter. In jeder Hinsicht.

Und auch so alte Zauseln wie wir, werden als therapiefähig eingestuft. Längst, nicht nur mittlerweile. Jawoll.
Sogar meiner psychotischen Mutter wurde noch mit 85 im Kreiskrankenhaus ihrer kleineren Stadt eine Psychotherapie angeboten, eine Gesprächstherapie!!!!Jawoll.
Was sie aber nicht angenommen hat.

Traumgarten, sicherlich ist Dir schon aufgefallen, dass dieses Forum auch in Unterforen aufgeteilt ist.
So gibt es ein Unterforum "Pharmakologie".
Auch dort kannst Du gut Threads eröffnen , vielleicht auch zu Deinem letzt genannten Thema Deiner Medikationen etc. etc.
Und bekommst vielleicht gezieltere Rückmeldungen als hier in diesem Unterforum "Umgang mit der Krankheit".

Sei herzlich aufgenommen hier im Forum. Hier schreiben etliche Ältere.
Du bist kein Sondermodell. OH_ NO :lol: :lol:
Es gab in der Vergangenheit auch schon viele interessante Threads zum Thema Altern etc . etc.

Alles Gute wünscht
Selas
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