Ich hasse Depression

ratfragender
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Ich hasse Depression

Beitrag von ratfragender »

Hallo zusammen,

Ich hab gerade das Glück, dass meine Partnerin wieder in einer schlechten Phase steckt und ich trotz aller Strategien damit umzugehen langsam aber sicher immer wütender geworden bin. Damit nicht meine depressive Freundin Opfer meiner Wut wird will ich dem hier Luft machen und aufzählen was ich an der Krankheit alles hasse in der Hoffnung, dass mich das beruhigt. Ich lade jeden herzlich gerne dazu ein ebenso zu sagen was er daran "hasst".

Ich hasse es, dass mein Partner leidet und ich nicht helfen kann. Ich hasse es dabei zuzusehen wie traurig mein Partner ist und ich egal wie viel ich suche und wie gut ich es probiere keine Worte finden kann die zu meinem Partner durchdringen. Ich hasse es, dass Du mir zwischenzeitlich nicht das Gefühl geben kannst, dass Du mich liebst - bzw. Deine Art mir das zu zeigen für einen gesunden Menschen das Gegenteil bedeutet. Ich hasse es, dass ich vom Himmel in die Hölle geschickt werde und ich überhaupt nichts dafür kann. Ich hasse es, dass ich nicht die geringste Ahnung habe ob Du wieder gesund wirst oder Dein Leben lang damit zu kämpfen hast. Ich hasse es, dass Du Dir selbst nicht gestattest glücklich zu sein. Ich hasse es, dass ich mir selbst erklären muss warum Du mich nicht sehen oder hören kannst. Ich hasse es geduldig zu sein und Verständnis zu haben. Ich hasse es zu wissen, dass wir nicht in den Urlaub fahren können weil Dich das überfordert. Ich hasse dieses ewige hin und her. Und am aller meisten hasse ich es, dass ich Dich so sehr liebe mich so schrecklich hilflos fühle und ich nichts gegen meine Liebe zu Dir unternehmen kann!
velvet712
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Re: Ich hasse Depression

Beitrag von velvet712 »

Hallo Ratfragender,

ich hasse Depressionen auch.
Aber am meisten hasse ich im Moment mich.....
Dass ich nicht die Hilfe sein konnte, die ich sein wollte.

Ich wünsche Dir viel Kraft
velvet712
bigappel
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Re: Ich hasse Depression

Beitrag von bigappel »

Lieber Rat,

die Hilflosigkeit des Ertragens ist wohl in der Tat das Schwerste und die Einsicht, vielleicht niemals eine "normale" Beziehung führen zu können.

Du bist sicherlich momentan nicht zugänglich für meine kommenden Worte und ich hab echt Angst dafür, zu predigen, aber trotzdem möchte ich Dir für eine künftige Zeit (bitte jetzt momentan nicht drauf antworten) ein paar Gedanken mit auf den Weg geben:

Liebe fragt nicht, Liebe ist .... hast Du ja schon festgestellt.....

Auch wenn Du die Depression - manchmal ziemlich verständlich - hasst, so hast Du immer die Wahl: Du mußt nicht bei Deiner Freundin bleiben.

Was hält Dich?
Die tiefe Verbundenheit zu dieser Frau und möglicherweise die Erkenntnis, dass zwar eine Beziehung zu einem erkrankten Partner nicht einfach ist, mit ups und downs..... aber mal ehrlich:

was hält uns bei unseren Partnern?

Vielleicht (zumindest habe ich für mich diese Erfahrung gemacht) dies, dass trotz oder gerade durch diese Erkrankung eine immense Tiefe und Verbundenheit da ist, die so viel mehr ist..... als eine normale Beziehung`?

Ich würde auch mal gerne planen, oder Spontanität mit meinem Partner leben ..... mh. Funktioniert halt nicht.

Trotzdem möchte ich ihn für nichts auf der Welt gegen einen anderen Partner eintauschen.

Denk an das Gute der Beziehung, die Vorzüge, nicht nur das Negative, dann vergeht der Hass und die Liebe kommt wieder...!

Ich drück Dich mal ganz herzlich!

LG
Pia
Ein Tier zu retten, verändert nicht die Welt, aber die ganze Welt ändert sich für dieses Tier.
Nic9
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Re: Ich hasse Depression

Beitrag von Nic9 »

Hallo Ratfragender,

gerade kann ich deinen Text sehr, sehr gut nach empfinden. Quasi stecke ich gerade mittendrin.

Nachdem ich aber auch hier im Forum viele Ratschläge bekommen habe, bin ich gerade dabei, zu akzeptieren, das ich nichts ändern kann. Versuche momentan zur Ruhe zu kommen, um wieder Kraft für mich zu tanken, in Gedanken aber doch immer wieder bei ihm zu sein.

"Gib mir die Gelassenheit,
Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann,
den Mut, Dinge zu ändern,
die ich ändern kann,
und die Weisheit,
das eine vom anderen zu unterscheiden."

Ganz viele liebe mitfühlende Grüße
julcas
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Registriert: 11. Mär 2011, 17:57

Re: Ich hasse Depression

Beitrag von julcas »

Lieber Ratfragender,

auch ich hasse die Depression gerade in diesem Moment sehr, doch

was Pia schreibt regt mich zum Nachdenken an. Vielleicht gelingt es dir (und mir) ihre Worte wirken zu lassen, um wieder etwas gelassenenr zu werden und unser Vertrauen nicht zu verlieren.

lg julcas
pumalito
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Re: Ich hasse Depression

Beitrag von pumalito »

hallo ratfragender,

ich bin zwar betroffene, möchte dir aber trotzdem dazu antworten.

ich weis nur zu genau wie es sich anfühlt, wenn man sich nicht mehr fühlen kann u. somit auch nicht mehr den partner fühlt, sieht usw. .
diese hilflosigkeit habt ihr leider beide. diese frage, ob ich wieder gesund werde, stellte ich mir auch oft. ich weis es nicht !!! schieb es erstmal nach hinten, um erstmal zu lernen mit der depri LEBEN zu können. rom wurde ja auch nicht an einem tag erbaut.

ich habe meine große liebe verloren. einen großen anteil daran hat die deptession ! das weis ich jetzt!! und es macht mich tief traurig aber es war notwendig für uns beide !! was pia schreibt spricht mich auch sehr an.

ich wünsche dir /euch viel kraft!

l.g. jakomo
ratfragender
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Re: Ich hasse Depression

Beitrag von ratfragender »

Vielen lieben Dank für die aufmunternden Worte! Wie gesagt - ich musste der Wut einfach ein bisschen Luft machen. Ich hatte ja eigentlich vermutet, dass es ein paar mehr Angehörige gibt die ihrer Wut/Verzweiflung Luft machen wollen. Verständnis ist gut und schön - aber ich denke man muss auch klare Grenzen setzen wo das Verständnis aufhört und diese Grenzen auch verteidigen.
Ich glaube kaum, dass ich meine Partnerin wegen der Depression liebe und ich sehe auch nicht in wie weit das hineindenken in einen unlogischen, kranken Menschen der Beziehung Tiefe gibt. Das harte Zeiten zusammenschweißen ist klar - aber das Leben bietet genug Herausforderungen - da brauche ich nicht unbedingt noch einen depressiven Partner um Tiefe zu bekommen. Ich liebe meine Partnerin nicht WEGEN ihrer Depression sondern TROTZ ihrer Depression. Das gibt der Sache vermutlich Tiefe - das ich nicht davonlaufe wenn es ernst wird. Das gilt natürlich für jeden anderen, der sich der Herausforderung stellt die Krankheit mit dem Partner gemeinsam durchzustehen. Das verlangt ziemlich viel von einem! Mir selbst beweist allein die Tatsache, dass ich bei meiner Partnerin bleibe dass ich sie liebe. Bei keiner anderen würde ich auch nur im Ansatz diese Geduld dafür aufbringen können. Keine Sekunde würde ich mir das geben!

Herzliche Grüße
ratfragender
bigappel
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Re: Ich hasse Depression

Beitrag von bigappel »

Guten Morgen lieber Rat,

ich liebe nicht die Depression meines LG;
die Depression gibt mir auch keine Tiefe;
die Auseinandersetzung mit meinem LG und seiner Erkrankung, die ich führen mußte (alternativ wäre die Trennung gewesen) um mir zu beantworten, ob ich das Leben mit ihm teilen kann im jetzt, hat mich zu Überlegungen geführt, zu denen ich definitiv ohne diese Erkrankung niemals gekommen wäre.

Seine Erkrankung hat mich herausgefordert, meinen kompletten Lebensentwurf bzw. Sichtweisen zu überdenken.

Wenn ich mehr als phasenweise Überlegungen dazu anstelle, "mir dies nur anzutun, weil ich meinen LG liebe", läuft möglicherweise etwas falsch.

Ich tue mir nichts an;
ich wähle immer wieder die Fortsetzung des gemeinsamen Lebens mit meinem LG und ich gucke in schlechten Zeiten immer wieder nach meinen Grenzen.

Grenzen muss es geben; in meiner persönlichen Situation insbesondere auch deswegen, weil ich ja nicht nur für mich das Leben mit dem Erkrankten entschieden habe, sondern auch für mein Kind, das nicht die Wahl hatte, sondern auch mit meinem LG leben muss und in irgendeiner Form die Erkrankung und ihre Auswirkungen verarbeiten muss.

Auch dieses Thema hat für mich enorme Grenzen, die es zu beachten gilt.

Wut ist normal; sie rauslassen ist nötig;
trotzdem empfinde ich vermutlich ganz anders als Du.

Ich "ertrage" nicht die Krankheit meines LG,
richte nicht mein Leben nach ihm und der Erkrankung aus, sondern lebe einfach im Jetzt mit ihm oder auch phasenweise ohne ihn (er ist dann nur körperlich anwesend).

Das bedeutet auch, dass ich in vielen Dingen auf mich und meine Freunde gestellt bin.
Aber ich habe für mich entschieden, dass dies für mich gut und richtig ist (ich schwebe übrigens nicht über den Wolken und bin nur happy; auch an mir zehrt die Erkrankung und bringt mich so manches Mal an meine Grenzen; aber dann sortiere ich für mich neu; gucke und lasse ruhen oder entscheide, ob ich den Weg weiter gehen kann).

Ich wünsch Dir jedenfalls weiterhin viel Kraft und hoffe, Du hast weiterhin Mut, hier Deinen Hass gegen die Erkrankung herauszulassen.

VG
Pia
Ein Tier zu retten, verändert nicht die Welt, aber die ganze Welt ändert sich für dieses Tier.
Hoffentlich
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Re: Ich hasse Depression

Beitrag von Hoffentlich »

Hallo Ratfragender,

„Ich hasse es, dass mein Partner leidet und ich nicht helfen kann. Ich hasse es dabei zuzusehen wie traurig mein Partner ist und ich egal wie viel ich suche und wie gut ich es probiere keine Worte finden kann die zu meinem Partner durchdringen. Ich hasse es, dass Du mir zwischenzeitlich nicht das Gefühl geben kannst, dass Du mich liebst - bzw. Deine Art mir das zu zeigen für einen gesunden Menschen das Gegenteil bedeutet. Ich hasse es, dass ich vom Himmel in die Hölle geschickt werde und ich überhaupt nichts dafür kann. Ich hasse es, dass ich nicht die geringste Ahnung habe ob Du wieder gesund wirst oder Dein Leben lang damit zu kämpfen hast. Ich hasse es, dass Du Dir selbst nicht gestattest glücklich zu sein. Ich hasse es, dass ich mir selbst erklären muss warum Du mich nicht sehen oder hören kannst. Ich hasse es geduldig zu sein und Verständnis zu haben. Ich hasse es zu wissen, dass wir nicht in den Urlaub fahren können weil Dich das überfordert. Ich hasse dieses ewige hin und her. Und am aller meisten hasse ich es, dass ich Dich so sehr liebe mich so schrecklich hilflos fühle und ich nichts gegen meine Liebe zu Dir unternehmen kann!“

Jakomo: „diese hilflosigkeit habt ihr leider beide.“

Ich habe hier mitgelesen und wollte eigentlich nicht schreiben. Aber mir ist aufgefallen, dass dein Hass meinem sehr ähnelt.
Jetzt schreibe ich dir mal als „Kranke“ auf, was ich alles hasse.
Ich hasse die Depression.
Ich hasse mich.
Ich hasse es, dass ich mich wegen bzw. in meiner Depression von meinem Mann nach 25 Jahren scheiden lassen habe, weil die Krankheit in unserer Ehe erst im 23. Ehejahr nach einem traumatischen Erlebnis diagnostiziert wurde (sie war offensichtlich schon lange in mir – wie ein nicht ausgebrochener Virus).
Ich hasse den Tag, an dem mir gesagt wurde, dass ich lernen muss, damit umzugehen, dass ich KRANK bin. Ich hatte es noch nicht akzeptiert, als ich einen neuen Partner kennen gelernt hatte.
Ich hasse es, dass ich mich jetzt diesem neuen Partner zumute, weil ich die Krankheit nicht annehmen kann (bis heute nicht). Ich hasse es, dass ich ihm erst nach ca. einem ½ Jahr davon erzählt habe (MUSSTE), weil ich wieder eine mittelschwere Episode hatte.
Ich hasse es, ihn leiden zu sehen.
Ich hasse es, dass ich ihn schon wieder (wie meinen Ex-Mann auch) wegschicken will, obwohl ich immer hoffe, dass er sich nicht darauf einlässt. Ich hatte ja schmerzlich erfahren, wie es ist, wenn der Partner aufgibt – Zusammenbruch.
Ich liebe ihn, und er liebt mich auch (sagt er zumindest). Ich weiß aber, dass mein Schei…-Verhalten ihn ganz sicher ganz oft wütend macht. Er sagt nicht, dass er wütend ist. Doch ich sehe es, und ich sehe seine Hilflosigkeit.
Ich hasse manchmal seine Worte: „Schatz, wir schaffen das!“, „Schatz, hast du deine Medikamente genommen?“, „Warum geht es dir nicht gut? Was ist passiert – was war der Auslöser?“
Andererseits hasse ich es manchmal, wenn er gar nichts sagt, weil ich dann sofort denke, dass er wütend ist, oder dass er darüber nachdenkt, ob er sich nicht doch lieber von mir trennen sollte.
Ich hasse die Sätze, die ich mir täglich 100mal sage: „Ich kann nicht mehr. Ich habe keine Kraft mehr. Wie soll das weiter gehen. Es soll aufhören.“
Ich hasse dieses schwarze Loch, an dessen Rand ich so oft stehe.
Ich hasse …..
Ich hasse es, wenn andere Menschen mir einreden wollen, ich sei stark.

Lieber Ratsuchender, dieser Gefühlsausbruch hilft dir vermutlich gar nicht. Aber er überkam mich gerade beim Lesen. SORRY dafür.

Ich wünsche dir ganz viel Kraft im Umgang mit deiner Partnerin. Ich wünsche dir, dass eure Liebe alles aushalten kann.

L.G.
"Ready"
wütend

Re: Ich hasse Depression

Beitrag von wütend »

Warum etwas hassen, das zum Partner gehöhrt?

Ich hasse meine Depression nicht. Sie ist Teil von mir und meldet sich immer dann, wenn ich nicht gut genug auf mich aufpasse.

Das selbe gilt für die Depression meines Mannes.
wütend

Re: Ich hasse Depression

Beitrag von wütend »

>>Aber am meisten hasse ich im Moment mich..... Dass ich nicht die Hilfe sein konnte, die ich sein wollte.<<

He velvet712

vergiss den Gedanken, das du deinem Freund helfen könntest, denn das können nur Profis.
Akzeptanz von deiner Seite ist wesendlich hilfreicher.
ratfragender
Beiträge: 71
Registriert: 8. Aug 2011, 10:11

Re: Ich hasse Depression

Beitrag von ratfragender »

Liebe Parson,

Die Depression ist ein Teil meiner Partnerin. Meine Partnerin will nicht Depressiv sein. Depression ist eine Krankheit. Das ist ungefähr so als würde ich sagen: "Ich hasse den Krebs nicht, er ist Teil meines Großvaters". Die Krankheit gehört da nicht hin. Die Ausmaße der Krankheit können zum Teil sehr belastend sein und hemmen zwei Menschen die sich eigentlich lieben davor eine normale Beziehung zu führen. Ich sehe also in meinen streckenweisen negativen Gefühlen gegenüber dieser Krankheit nichts negatives.
Ich persönlich habe das Glück, dass ich keine Depressionen habe. Ich hoffe das bleibt auch so. Ich glaube wenn ich auch noch depressiv werden würde, dann hätte ich große Schwierigkeiten damit die Kraft für meine depressive Freundin aufzubringen.

Liebe Ready,
vielen Dank! Du hast damit tatsächlich sehr geholfen. Manchmal fehlt mir der Glaube, dass die Depression der Hauptgegner meiner Freundin ist bzw. der Kampf dagegen so schwer, dass lieber ich das Ziel werde. Interessant zu sehen, dass da trotzdem gedanklich noch klar ist, dass die Depression der Übeltäter ist.

Liebe Pia,

auch für Deine Worte danke ich! Meine Freundin und ich wohnen noch nicht zusammen. Das wollten wir aber kurz bevor es soweit war ist damals die Depression sehr stark ausgebrochen. Mir wäre es in einer gemeinsamen Wohnung auch recht, dass ich die Gelegenheit hätte für sie da zu sein. In schlechten Phasen z.B. hat sich kaum Motivation was zu kochen bzw. zu essen - das würde ich ihr dann abnehmen. Ich würde kein Gespräch verlangen oder sie zwingen Zeit mit mir zu verbringen sondern einfach nur in der Nähe sein wenn was ist. Sie hat auch zum Teil Alpträume und sucht dann meine Nähe wenn sie aufwacht. Durch die räumliche Trennung kapselt sie sich aber komplett von mir ab. Ich höre und sehe nichts von ihr. Allein zu wissen, dass sie im Bett liegt und schläft ist wesentlich beruhigender als nichts zu hören und zu sehen. Ich persönlich mache mir dann schon gelegentlich sorgen.
Auf der anderen Seite bin ich Realist genug und weiß, dass sie mit der Depression noch ein bisschen besser umzugehen lernen muss bis wir zusammen leben können. Immerhin bringt es mir und ihr rein garnichts wenn meine Anwesenheit phasenweise sehr schwer für sie ist.

Herzliche Grüße
ratfragender
bigappel
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Registriert: 10. Dez 2010, 08:10

Re: Ich hasse Depression

Beitrag von bigappel »

Lieber Rat,

ich freue mich, von Dir zu lesen .

Ich persönlich weiß nicht, ob ich diese Phasen, von tagelangem, wochenlangem geschweige denn monatelangem Nichts-Hören hätte akzeptieren können.

Da staune ich immer Bauklötze, wenn ich dies hier lese. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sich bei dem Sachverhalt vermutlich nie wirklich eine Beziehung zwischen meinem LG und mir hätte aufbauen können.

Der Entschluss, wirklich unter eine gemeinsame Meldeadresse zu ziehen war auch für meinen LG schwierig.

Das Herz hat wohl immer ja gesagt; aber dann schlichen sich wieder die üblichen "klappt ja eh nicht, kann ja gar nicht .... ppp" Bedenken wieder ein.

Ein großes Thema war für meinen Freund auch, die Angst, sich nicht mehr so wie gewohnt zurückziehen zu können.

Ein anderer Thread einer Betroffenen (Frau Rossi) handelt auch davon. Das ist erstmal ziemlich in die Hose gegangen.

Trotzdem halte ich es für möglich, ein gemeinsames Leben in einem Haushalt zu führen; was Du anbringt kann ich 1000% verstehen (ihre körperliche Anwesenheit; versorgen pp); dies fühle ich auch so....

Bei uns war es allerdings so, dass ich ziemlich "Federn" lassen mußte.
Bei meinem LG ist vermutlich eine Angststörung (Depris daraus resultierend) das Problem und so war es dann quasi nur möglich, dass ich Deko-Kram und das Kinderzimmer meines Kindes mit zum Einzug gebracht habe.

Meinen nahezu kompletten Wohnungsinhalt konnte ich bei meinem Vater lagern, sonst hätte ich das gar nicht gemacht.
Mehr Veränderungen wären aber gar nicht mit ihm möglich gewesen. Ich habe mich aber bewußt dafür entschieden und bereue es nicht einen Tag.

Du solltest nicht denken, ich hätte immer eine entspannte, geduldige, verstehende Art und Weise mit der Erkrankung umzugehen.

Diverse andere Forianer hier, kennen schon mein Gejammer .
Ich war oft an dem Punkt, besonders in den Zeiten, als ich mit einem "Koma-Patienten" (das war mal ein Vergleich eines Forianers) zusammengelebt habe, nur war die Hülle immer im Haus anwesend.

Da ging monatelang gar nichts mehr.
Da hat mich auch seine Anwesenheit nicht mehr positiv gestimmt...... ich hatte nur noch das Gefühl Singl mit erwachsenener Männerhülle zu sein. War nicht einfach........aber vielleicht notwendig.

Es braucht Zeit, viel Zeit, diese Erkrankung und die daraus resultierenden Handlungen des Partners zu verstehen und damit umzugehen.... und zwar so, dass man sich selber gut tut; es ist eine Entwicklung die man durchmacht und der Ausgang ist Ungewiss..... aber das unterscheidet sich nicht von einer "gemeinen" (also normalen) Beziehung.

Ich möchte Dir Mut machen gut nach Dir zu gucken, Deinen wirklich Grenzen und Dich manchmal, so wie Du es auch gemacht hast, aus der Situation rauszunehmen, um durchzuatmen und Luft und Kraft zu holen.

Das war genau richtig!

Ich habe übrigens vor zwei Tagen meinem LG
einen Heiratsantrag gemacht (ich, einem Mann einen Heiratsantrag; ich kann es selber noch nicht glauben) und er hat sowas von klar und eindeutig "ja" gesagt.

Das ist einfach wunderschön.
Wie wir das umsetzen können, organisatorisch, ist momentan noch kein Thema; aber ehrlich gesagt, ist uns das auch nicht wichtig.

Viel mehr erschien es mir als der nochmalige, offizielle Beschluss für uns gemeinsame Lebensziele zu haben und wenn auch nur der Weg vielleicht das Ziel ist.

Es kann einfach klappen; allerdings step by step......

es grüßt Dich von Herzen,
Pia, deren vielleicht größte Aufgabe im Leben ist, Geduld zu lernen
Ein Tier zu retten, verändert nicht die Welt, aber die ganze Welt ändert sich für dieses Tier.
julcas
Beiträge: 569
Registriert: 11. Mär 2011, 17:57

Re: Ich hasse Depression

Beitrag von julcas »

Hallo Pia,

ich gratuliere. Da warst du ja echt mutig. super. Das ist so schön. Da geht mir wirklich das Herz auf.

Mein Freund und ich sind gerade in dieser Phase wo monatelang nichts geht, nur die lehre Hülle hier ist. Ich kann nachvollziehen, wie es dir dabei ging. Leider ist er noch immer nicht bereit in eine Klinik zu gehen. Ende Januar hat er endlich einen Termin beim Psychiater. Ich hoffe das er mit Medikamenten etwas zugänglicher wird für eine Therapie und sich vor allem auch darauf einlassen kann. (am 12.01. hat er wieder Psychologen Termin nach 6 wöchiger Pause) Leider versäumte er in der Vergangenheit immer wieder Termine bei seiner Psychologin.

Ich wünsche euch beiden von Herzen alles Glück der Welt, das eure Liebe so stark ist und ihr beiden gemeinsam alle Höhen und Tiefen und was das Leben sonst noch so bereit hält, meistert.

lg julcas
wütend

Re: Ich hasse Depression

Beitrag von wütend »

>>Manchmal fehlt mir der Glaube, dass die Depression der Hauptgegner meiner Freundin ist bzw. der Kampf dagegen so schwer, dass lieber ich das Ziel werde. <<

He ratfragender

deinem Partner wird es warscheinlich so lange nicht besser gehen, wie er die Depression als Feind ansieht. Akzeptanz der Störung sorgt warscheinlich eher für Linderung. Und dann ist es sinnvoll, zu schauen warum man depressiv ist und daran zu arbeiten.
3193e42
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Registriert: 9. Dez 2011, 01:33
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Re: Ich hasse Depression

Beitrag von 3193e42 »

Liebe Anghörige,
lieber Ratfragender!

Ihr Angehörigen tut nicht NICHTS!

Schon alleine das Ihr da seit, ist so unendlich viel!
Glaubt mir, Meine Familie hatte mit mir Drei Suizid Versuche, und die Vorbereitung zum finalen vierten Versuch mit erlitten.

Dabei fielen meiner Frau die Abschiedsbriefe, die ich vorbereitet hatte in die Hand. Das hat sie richtig fertig gemacht. Zum Glück bin ich durch diese ganzen Dinge, "aufgewacht" und habe die Chance bekommen, etwas zu ändern.

Langsam zeigen sich die Früchte der monatelangen Kernerarbeit, um die Depression zurück zu drängen.

Das alles auszuhalten ist so viel von den Angehörigen verlangt, und so viele stehen es durch. Bei mir hat es nicht geklappt, wir haben uns getrennt, sind aber wenigstens noch Freunde geblieben.

Also nicht verzweifeln, je tiefer der Betroffene sinkt, um so wichtiger sind Sie als "Beschützer und Bewahrer" der betroffenen Person.

Beschützer ist nicht handgreiflich, sondern fürsorglich und umsorgend gemeint.
Bewahrer ist die Aufrechterhaltung des Umfeldes und der Umgebung ggf. Arbeit,Vermögen und Besitz.

Ich kann den Frust nachvollziehen, da ich nach vier Jahren Depression und vorheriger Selbstständigkeit, völlig mittellos und un-selbstständig war.

Also, machen Sie sich Mut, sehen sie die selbstzerstörerischen Grübeleien nicht als Angriff. Selten sind diese Dinge so gemeint.

Unser Kopf ist so voller Selbstzweifel und Grübeleien, das wir darüber die Kommunikation und die direkten Fragen der Person/en, die wir am meisten lieben, völlig verpeilen. Mir ging es so, das ich auf einfachste Fragen meiner Frau nicht richtig antworten konnte. Ich musste zuerst 5-10 Minuten (!) überlegen, was ich sagen soll/kann/mag/will/darf/möchte/dachte/hätte/wäre/wenn.

Sie sehen schon, das ging ein ganz stilles Feuerwerk im Kopf los, in meinem Kopf! An der Oberfläche, saß ich meiner Frau gegenüber, und die verlor die Fassung über einen geliebten Mann, der ihr offenbar nicht antworten konnte oder wollte.

Darüber verlor sich die Liebe, leider.

Daher appelliere ich an Sie, sich das verhalten von uns Depressiven nicht mit "normalen" Augen zu sehen. Wir sind in uns, in der Depression gefangen. Man sieht keine Läsionen oder Brüche, gebrochene Beine, wie bei andern Krankheiten.

Oftmals legen wir ständig Verschiebungs-Taktiken, Vermeidungs-Strategien und Verdrängung der stärksten Art an den Tag.

Gerade i.M. noch bereit, den versprochenen Arztbesuch zu machen, sind wir am nächsten Tag schon wieder zu schwach oder zu ängstlich, um uns dazu auf zu raffen.

Der mangelnde Selbstwert, zieht letzte Reserven aus uns heraus und macht uns von allen Seiten angreifbar.

Der Angehörige umsorgt uns, wir nehmen das meist nebelhaft wahr, sind es uns gleichzeitig aber nicht wert, das er es tut. Daraus entstehen manchmal groteske Situationen und Dialoge.

Hier ein Beispiel, viel von Ihnen werden so etwas kennen, so oder so ähnlich.

Angehörige,
"Ich fahre einkaufen, magst du etwas haben, hast du auf etwas Lust?"

Betroffener
Denkt, "Lust, ich habe schon lange auf nichts mehr Lust, ich will nur alleine sein"
Sagt, "Ich habe auf nichts Lust"

Angehörige,
"Etwas was Du besonders magst?"

Betroffener
Denkt, "Was soll ich denn mögen, ist doch sowieso alles den Bach runter, da mag man doch nichts mehr, da ist man fertig mit der Welt!"
Sagt, "Nein, gibt Nichts was ich mag"

Angehörige,
"Ich bringe Dir das xyz mit, das magst Du doch"

Betroffener
Denkt, "ja das mochte ich mal, das ist lange her, meine Arbeit mochte ich auch, mein Auto, meine Stellung, alles futsch, hat doch alles keinen Wert, ich bin doch fertig für alle Zeiten! Und jetzt werde ich auch noch daran erinnert."
Sagt, "Nein bitte nicht, ich will es nicht"

Ggf. ist der Depressive in der Situation auch noch grober/subtiler in der Äußerung oder vielschichtiger.

Es versteht sich von selbst, das die Angehörige verzweifelt ist, und sich fragt, was sie denn nun schon wieder falsch gemacht hat.

Sie hat Nichts gemacht, nur eine "normale" Frage gestellt, Depressive reagieren aber auf ALLES, mit Zweifel, Depression und mangelndem Selbstwert.

Zuversicht, Hoffnung, Motivation und Durchhaltewillen sind praktisch nicht mehr bei uns Depressiven vorhanden. Daher auch die nahezu Handlungsunfähigkeit, die Panik und Angst-Attacken, die Unfähigkeit, kleinste und einfachste Aufgaben oder Termine zu erfüllen!

Pläne machen ist etwa so, als würden sie sagen "Flieg zum Mond!", Pläne ausführen ist so, als würden Sie sagen "Flieg zum Mars!". Also völlig unerreichbare Dinge für uns!

Gepaart mit der Verschiebung, Verdrängung und der Vermeidungs-Strategie entstehen ggf. "Lügen-Gebilde" die diesem Unvermögen geschuldet sind.

Die "Lügen" entstehen ganz spontan und nicht zielgerichtet, der einzige Zweck ist das Bedürfnis, den Termin oder Aufgabe nicht machen zu müssen!

Wenig hilfreich sind tatsächlich Hinweise wie, "Mach doch mal was!" oder "Du sitzt den ganzen Tag vor dem Fernseher, merkst Du das denn nicht?", oder der Klassiker "Früher hast Du das gerne gemacht!"

Unsere Kognitiven Fähigleiten sind wenig angegriffen bei den Depressiven Krankheiten.

Ich konnte und kann während der gesamten Zeit eine Brücke berechnen, oder einen Brief an das Finanzamt beantworten.

Aber ich traute mich nicht den Brief zu öffnen und/oder es interessierte mich nicht, und die Berechnung hätte ich nicht machen können, weil ich alle Vorbereitungen und Planungen dazu nicht hätte schaffen können. Dazu braucht es Motivation und Durchhaltevermögen, und das hat man nicht mehr. Aber man kann immer noch das große und kleine Ein mal Eins!

Im Namen Ihrer betroffenen Familienmitglieder/Angehörige/Freunde, bleiben Sie stark, und bleiben sie in der Nähe!

Danke!

PS: Ich hasse meine Depression auch, und erwürge sie, wenn ich sie erwische! Bis dahin nehme ich sie an, lulle sie ein, und lenke sie ab, und lebe derweil ein "normales" Leben!
^^^^^^^^^^^^^^^^^

Mein Blog http://www.depressionselbsthilfe.blogger.de



*** Selbstwert ist die Basis aller Emotionen! ***



Deutsche DepressionsLiga eV

http://www.depressionsliga.de
aseia
Beiträge: 72
Registriert: 7. Jul 2007, 19:21

Re: Ich hasse Depression

Beitrag von aseia »

Hallo Henry,

danke für diesen Beitrag.Ich habe ihn kopiert und so als Mail verschickt wie Du ihn geschrieben hast.Ich kann meinem Mann nichts erklären, vielleicht versteht er ja durch diese Mail wie es mir geht.
Es ist mir als Betroffener ohnehin schon "peinlich" genug immer wieder zu sagen, dass ich krank bin und Depressionen habe.
Danke
aseia
pumalito
Beiträge: 26
Registriert: 11. Nov 2011, 20:15

Re: Ich hasse Depression

Beitrag von pumalito »

hallo henry,

danke schön für die offenen worte !! die idee von aseia es zu kopieren habe ich auch umgesetzt u. werde es dem einen o.anderen mal zum lesen geben!

auch meinem ex-partner schicke ich es, vielleicht kann er unsere probleme die wir hatten verstehen und für sich verarbeiten.

ich wünsche dir einen schönen 4. advent

jakomo
ratfragender
Beiträge: 71
Registriert: 8. Aug 2011, 10:11

Re: Ich hasse Depression

Beitrag von ratfragender »

Vielen lieben Dank für die zahlreichen Antworten! Ich bin überwältigt über das Ergebnis dieses Themas. Es hat mir persönlich sehr viel gebracht, dass sich einige Betroffene hier zu Wort gemeldet haben. Ich danke vielmals für die Zeilen und lade jeden Angehörigen herzlich gerne dazu ein sich seiner "Wut oder Verzweiflung" Luft zu machen bevor es ihn auffrisst genauso wie ich es sehr begrüße, dass die Betroffenen hier einen Einblick in ihre Welt gewähren und es (zumindest mir) ermöglichen das ganze nachvollziehbarer zu machen. Danke nochmals!
bigappel
Beiträge: 1488
Registriert: 10. Dez 2010, 08:10

Re: Ich hasse Depression

Beitrag von bigappel »

Liebe Julcas,

danke für Deine Glückwünsche .

Die Zeit, die Du gerade durchlebst, ist wirklich kraftzehrend.
Paß bitte gut auf Dich auf!!!!

Und sei ehrlich zu Dir, mit welchen Situationen Du leben kannst, aber übereile keine Entscheidungen.

So manches muss erst wachsen und ggf. auch die Überlegungen zum bestehenden und zum möglichen Beziehungsentwurf und die Tatsache, dass unsere Angehörigen zeitweise keine Partner sein können und vor allen Dingen, vielleicht auch in Situationen, in denen wir Stärke und Hilfe bräuchten, dies ggf. nicht gegeben werden kann in dem Umfang, den man vielleicht wünschen würde.

Wenn Du magst, schreib Dich hier aus;
ich habe damals das Forum hier arg strapaziert, weil ich mich monatelang nicht mehr wahrgenommen fühlte und damit überhaupt nicht zu Recht kam.

Wenn Dein Freund nicht in eine Klinik will... tja, ich habe meinen quasi genötigt.
Er sagt auch selber, es war richtig und in Bezug auf seine Angststörung hat es ihm auch etwas gebracht, aber in Bezug auf die Therapie, rein gar nichts.

Im Heute, sage ich ihm ganz klar meine Meinung zu dem, was er in Bezug auf Therapie / nicht Therapie macht, aber ich kann heute akzeptieren, dass er seinen Weg in seinem Tempo geht.

In früheren Zeiten habe ich mich immer gefragt, warum geht er es nicht mal endlich an. Er hat alle Chancen dieser Welt, bekommt ratz fatz Termine wie er will, kann in alle Kliniken, wie er will. Warum in Hergotts Namen nutzt er das nicht.......

Ich denke die Antwort lautet: weil er die Erkrankung nach wie vor nicht akzeptiert.
Es wird zwar besser, aber akzeptiert habe ich sie, er nicht.........
Aber das ist seine Sache.......

Ich wünsche Dir jedenfalls alles erdenklich Gute und habe immer und sehr gerne ein offenes Ohr für Dich! Gern auch ohne Ratschläge .

Lieber Henry,

danke für Deine Zeilen.

In guten Zeiten hat mein LG mir die Situation genau so erklärt.
Trotzdem fällt es mir immer wieder schwer, zu akzeptieren oder eher dran zu denken und meinen LG (wenn auch nicht gewollt, macht es aber auch nicht besser) nicht unter Druck zu setzen mit Nachfragen, wenn eh nix geht.
Wenn er sich abmüht, mir zu antworten und es einfach nicht schafft...... und ich dann doch wieder nachfrage ;-(

An der Stelle muss ich sagen, dass die erkrankten Menschen auch so manches Mal einen ziemlichen Langmut mit uns Angehörigen haben müssen...... danke dafür!

Auch, wenn wir Angehörigen nicht wirklich nachfühlen können, was dieser Erkrankung mit einem macht, so sind die Threads der Betroffenen mit ihren Schilderungen doch eine riesen Hilfe, um die eigenen Zweifel und Ängste, die wir Angehörigen so haben, besser händeln zu können und vielleicht doch annähernd einen Begriff davon zu bekommen, wie es sein muss.

Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass z.B. nur die Menschen, die selber Krebskrank sind oder waren, die Todesangst nachempfinden können, wenn man zur Nachuntersuchung muss und was dann abläuft, ohne das man es beeinflussen oder stoppen kann; aber das Ernst genommen werden der Menschen, die es zwar nicht nachfühlen können, die einem aber den Raum geben so zu empfinden und angenommen zu werden, tun einem gut.

So ähnlich stelle ich es mir auch mit der psychsichen Erkrankung vor.

Herzliche Grüße
Pia
Ein Tier zu retten, verändert nicht die Welt, aber die ganze Welt ändert sich für dieses Tier.
julcas
Beiträge: 569
Registriert: 11. Mär 2011, 17:57

Re: Ich hasse Depression

Beitrag von julcas »

Hallo Pia,

wie wahr, diese Zeit ist wirklich kraftzehrend. Am Wochenende hat mein Freund gearbeitet. Viele Stunden, doch ich bin froh das er arbeiten geht. Er nimmt ja sonst nicht am Leben teil. Die ganze Woche ist er zu Hause und ja da geht nicht wirklich etwas. Ich lasse ihm tagsüber die Hunde da, damit er eine Aufgabe hat, die er auch, mal so, mal so meistert. Z. Bsp. kommt er nicht dran vorbei am Nachmittag eine Runde an der frischen Luft zu gehen. Wenn er das nicht geschafft hat, kann ich das am Abend nachholen.

Natürlich habe ich auch Phasen wo ich mich frage, wie alles weiter gehen soll. Ich kann nicht in die Zukunft schauen, vielleicht ist das gut so.

Ich frage mich auch warum er die Angebote nicht nutzt, Therapie, Klinik u.s.w. Der Grund ist der deines LG. Er hat die Krankheit noch nicht akzeptiert. Ich bleibe weiter dran und hoffe das er, wenn er AD nimmt, vielleicht etwas zugänglicher wird für dieses Thema.

Letzte Woche sagte ich ihm das ich mit seinem Vater telefonieren werde, wegen einem Weihnachtsbesuch. (er hat seinen Vater das ganze Jahr noch nicht angerufen, ich telefoniere ab und an mit ihm)
Er fragte mich, ob ich da hin will. Ich sagte: "Ja ich werde deinen Vater besuchen und du kannst sehr gern mitkommen, wenn du möchtest. Wenn du nicht möchtest, fahre ich allein." Er meinte ich könne doch da nicht allein hinfahren und er käme schon mit.
Wir werden sehen. Heute morgen fragte ich ihn, ob er mit seinem Vater telefonieren möchte, bezüglich unseres Besuches. Er wollte mich mittags anrufen und mir sagen, ob er angerufen hat, oder ob ich das machen soll.
Gerade sagte er mir das ich das machen soll und das ich seinem Vater ausrichten soll, das es ihm leid tut.

Es ist sehr schmerzlich für mich, die Ängste meines Freundes zu erleben. Ich bin auch überhaupt nicht sicher, ob er mich bei dem Besuch begleiten wird. Nun ich mache den Besuch für mich, nicht für ihn. Sein Vater ist ein ganz lieber Mensch, der mich sehr mag und ich mag ihn auch sehr. das ist der Grund warum ich ihn besuchen werde.

Die Verfassung meines Freundes hat sich in den letzten Wochen wirklich stark verschlechtert. Zuerst hatte er "nur" Angst vor Terminen. Inzwischen geht er am liebsten gar nicht vor die Tür. Er hat Angst vor Menschen, Angst vor dem Schlafen gehen, Angst vor dem neuen Tag, Angst vor jeglichem Kontakt mit wem auch immer. Er schläft fast gar nicht mehr, ernährt sich völlig unzureichend (ißt den ganzen Tag nichts und am abend nascht er nur) Er hat starke Selbstzweifel und extreme Schuldgefühle.

Er ist in seiner Depression ganz ruhig und ganz lieb. Er sagt mir ganz oft das er mich liebt und das ich ihm so viel gebe. Manchmal streichelt er mir über den Kopf im vorbeigehen. Ich bin sehr dankbar dafür, das er nicht zu Aggression neigt und das er sich nicht von mir abwendet. Manchmal denke ich zwar das ich das nicht mehr länger mit ansehen kann, doch wenn ich daran denke überhaupt nicht zu wissen wie es ihm geht, bin ich wirklich dankbar das er bei mir ist.

Liebe Pia, ich bin für jeden deiner Ratschläge dankbar. Ich beschäftige mich viel mit dem Thema, doch du weißt wie schwer der Alltag mitunter sein kann. Dann hilft mir das Forum sehr, mich wieder zu sammeln und eben nicht aufzugeben.

ich wünsche dir, deinem LG und natürlich deiner Tochter alles erdenklich Gute und ich lese immer sehr gern von dir.

lg julcas
Hoffentlich
Beiträge: 136
Registriert: 18. Nov 2011, 09:26

Re: Ich hasse Depression

Beitrag von Hoffentlich »

Hallo liebe Angehörige von uns Depressiven,
ich schreib eben nochmal kurz dazwischen. Ich bin so tief beeindruckt, dass ihr euch so viele Gedanken darüber macht, was ihr wie/wann tun/sagen oder nicht tun/sagen sollt/könnt. Und wir verkriechen uns in uns selbst - wollen in Ruhe gelassen werden, wenn es uns schlecht geht.
Von mir muss ich sagen, dass mir völlig andere Gedanken im Kopf herum schwirren, was mein Partner wohl immer so denkt. Ich glaube immer, dass er sich Gedanken darüber macht, wielange er das noch aushält, weil meine Depri-Episoden so negativ unsere Beziehung beeinflussen. Außerdem glaube ich immer, dass er überlegt, ob er nicht lieber heute als morgen gehen würde, dass er es aber nicht tut, weil er Mitleid mit mir hat, oder weil das mit einem aufwändigen Auszug verbunden wäre. Ich will kein Mitleid. Im Gegenteil - weil ich ihm das alles nicht länger zumuten möchte, sage ich ihm immer, dass er lieber gehen soll. Ich weiß nicht, was ich tun würde, wenn er wirklich ginge. Ich frage mich so oft, was ich an seiner Stelle tun würde.

L.G.
"Ready"
ratfragender
Beiträge: 71
Registriert: 8. Aug 2011, 10:11

Re: Ich hasse Depression

Beitrag von ratfragender »

Liebe Ready!

Naja es scheint fast so als sei auch hier die Depression als "Filter" der Übeltäter. Ich habe schon selbst bemerkt, dass in schlechten Phasen (oder im Übergang dahin) meine Freundin Dinge teilweise negativ interpretiert bei welchen ich im Traum nicht daran gedacht hätte, dass das negativ ausgelegt werden könnte.
Zeitweise kann einem schon mal der Geduldsfaden reißen. Das hängt aber weniger damit zusammen, dass man den Partner nicht mehr liebt sondern vielmehr, dass die Angst stellenweise groß wird, dass man den Partner verliert oder sich sorgt ob der Partner es schaffen wird. Immerhin möchte man ja gemeinsam eine glückliche Zukunft aufbauen!
Ich hab in den schlechten Phasen meiner Freundin eher Sorge, dass sie mich verlässt und nicht, dass ich sie verlasse.
Ich habe auch lange gebraucht bis ich verstanden habe, dass wenn meine Freundin so kalt und hart tut, dann ist sie am aller empfindlichsten. Es sind also viele Missverständnisse zwischen Angehörigen und Betroffenen! Ein Forenuser (ich glaube so-calm) hatte das mal versucht sehr blumig philosophisch auszudrücken. Im wesentlichen meinte er glaub ich, dass trotz der gleichen "Sprache" die Wahrnehmung so unterschiedlich ist, dass man sich fast schon Missverstehen muss! Immerhin ist es nicht damit getan Worte auszusprechen sondern das entscheidende (und gefährliche) ist die Bedeutung die die Kommunikationspartner den Worten geben.

Herzliche Grüße
ratfragender
julcas
Beiträge: 569
Registriert: 11. Mär 2011, 17:57

Re: Ich hasse Depression

Beitrag von julcas »

Liebe Ready,

du würdest wahrscheinlich an seiner Stelle genauso kämpfen, für euch, für die Liebe, wie es dein Freund tut.
Natürlich haben wir Angehörige auch Gedanken wie "wie lange halte ich das noch aus, oder, wie soll das weiter gehen"
Das hat nichts damit zu tun das wir darüber nachdenken zu gehen, sondern manchmal ist die Sorge, der Schmerz und die Hilflosigkeit so groß das wir nicht klar sehen können. Mitleid, nun ich weiß nicht ob das Mitleid ist. Ich denke es ist Liebe und eine tiefe Verbundenheit zueinander und eine große Portion Hoffnung. Und es sind die Erinnerungen an die schöne, "gesunde" Zeit und es ist der Wille den Partner (die Partnerin) nicht zu verlieren, sondern zu unterstützen. Es ist das Wissen darum, das Depression heilbar ist und es ist der Partner an sich der uns hält.

lg julcas
bigappel
Beiträge: 1488
Registriert: 10. Dez 2010, 08:10

Re: Ich hasse Depression

Beitrag von bigappel »

Liebe Ready,

natürlich kann auch ich nur für mich sprechen, welche Gedanken ich mir mache in der Beziehung zu meinem LG, natürlich weiß ich nicht, was in Deinem Freund vorgeht;
aber vieles, ist doch bei uns Angehörigen und Erkrankten ähnlich.

Ich glaube, eine Hauptaufgabe sowohl der Angehörigen, wie auch der Erkrankten ist, die höchstpersönlichen Probleme bei der Person zu lassen, wo sie hingehören.

Ich hoffe, ich kann jetzt dies so positiv vermitteln, wie ich es meine. Ich versuche es einfach mal:

Ich möchte, dass mein Lebensgefährte mir überläßt zu entscheiden, ob ich mein Leben mit ihm verbringen möchte. Ich möchte, dass er mir zutraut, dass ich meine Grenzen kenne und wahre, wenn die Erkrankung zuviel Raum einnimmt.

Das dies für den Erkrankten vermutlich eine Riesenherausforderung ist, ist mir klar, das das Wesen der Depression möglicherweise eben ist, gerade auch fortwährend die eigenen Grenzen überschritten zu haben.

Es ist ganz klar, dass man sich um den anderen sorgt, manchmal für ihn mitdenkt, zweifelt. Aber dann ist auch gut .

Es ist meine Entscheidung, dass ich mein Leben mit meinem LG verbringen / teilen möchte. Ich entscheide dies nicht aus Mitleid oder finanziellen Gründen oder Gründen der Bequemlichkeit, sondern weil ich ihn als Menschen liebe. Einfach liebe.
Ihn. Mit Krankheit. Mit Defiziten, aber auch ihn als wundervollen intelligenten, gewitzten Mann, als Freund, als Liebhaber.

Das wünsche ich mir, dass mein LG das endlich mal akzeptiert und mir zutraut, dass ich weiß, was ich entscheide und selbst wenn ich falsch entscheide, über meine Kräfte gehe, dann ist das meine Entscheidung, nicht seine und somit nicht in seiner Verantwortung
.

Soll heißen: es ist wie es ist und so ist es
in Ordnung .

Mitleid.
Du möchtest kein Mitleid.
Das kann ich verstehen. Ich vermute bzw. eigentlich schreibst Du es klar: Du hast Deine Erkrankung nicht akzeptiert.
Das kann ich verstehen. Ging mir (keine Depressionen) genauso. Ich wollte "normal" sein.

Aber Mitleid, im Sinne von "verstehen, sehen, dass es eine schwere Krankheit ist; sehen, dass der Erkrankte kämpft, Normalität zu erhalten" oder ähnliches, ist nichts, was von dem Gegenüber böse oder abfällig gemeint ist.

Ich glaube auch nicht, dass wir Angehörige diese Art von "Mitleid" für den Partner empfinden. Natürlich leiden wir mit, wenn wir sehen, wie die Krankheit Euch quält.

Fändest Du es unnormal / unverständlich, wenn es mir weh tut, wenn mein Kind krank oder verletzt ist, ich mich kümmere, etwas "mitleide".

Das ist das normalste der Welt, würdest Du mir sagen. Weil ich mein Kind liebe.

Wir Angehörigen, lieben unsere Partner und wen man liebt, dem wünscht man kein Leid.
Das ist alles .

Laß es doch bitte zu, Euch zu lieben.
Die Verantwortung / Entscheidung, ob man als Erkrankter eine Beziehung führen kann oder möchte oder Liebe für das Gegenüber empfinden kann, können wir Euch nicht im generellen abnehmen.

Aber wen und ob ich liebe, kann der Erkrankte nicht entscheiden, das ist einfach, wie es ist..... .

Liebe Ready, auch Du wirst geliebt und Du tust niemandem etwas an.

Alles andere, wie Rat es geschrieben hat, sind oft Missverständnisse in der Kommunikation durch die verschiedenen Wahrnehmungen. Aber beide Seiten; Angehöriger und Erkrankter können mit der Zeit lernen, verstehen und aufeinander zu zugehen oder auch einfach für eine Zeit loszulassen vorübergehend um mit neuer Kraft dann wieder aufeinander zu zu gehen (wie schreibt man das um Gottes willen ).

Herzliche Grüße
Pia
Ein Tier zu retten, verändert nicht die Welt, aber die ganze Welt ändert sich für dieses Tier.
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