Ecken und Ablehnung

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MadMax
Beiträge: 383
Registriert: 1. Jun 2003, 14:05

Ecken und Ablehnung

Beitrag von MadMax »

Hallo zusammen!

In mir kommt gerade die Panik vor dem morgigen Tag durch. Ich hatte Freitag und heute noch 2 Resturlaubstage und somit ein schönes langes Wochenende, das mir tatsächlich Abstand vom Alltag verschafft hat. Umso schlimmer ist es, daran zu denken, dass es ab morgen wieder ganz normal weitergeht. Ich war eben bei der Therapie und es war sehr gut, einige Dinge mal ganz klar zu sehen. Mein Therapeut hat mir nahe gelegt, morgen auf der Arbeit mit einem Kollegen zu sprechen. Nicht mit der Tür ins Haus zu fallen so nach dem Motto "Ich bin depri, also kündigt mich folgerichtig", sondern das Ganze natürlich etwas diplomatischer anzugehen. Zwischendurch hatte ich tatsächlich das Gefühl, dass ich das morgen leisten könnte. Aber nun bin ich schon wieder dabei alles zu verdrängen und den auf den ersten Blick besseren Weg des totalen Rückzugs zu üben. Bloß nichts von mir nach aussen kommunizieren, immer schön Abstand halten. Das heisst wohl für den Augenblick, dass ich mir einen mehr oder weniger gemütlichen Nachmittag machen werde in dem Bewusstsein, dass ich mich morgen sowieso nicht werde überwinden können, sondern lieber zusehe, bloß nirgends anzuecken und somit (vermeintlicher) Ablehnung zu entgehen.
Hm, vielleicht kann der/die eine oder andere etwas mit diesen wirren Zeilen anfangen.

Für's Erste viele Grüße von

Mad Max
Emily
Beiträge: 1217
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Re: Ecken und Ablehnung

Beitrag von Emily »

Hallo Mad Max,

die erste Frage wäre, ob DU denn eigentlich dieses Gespräch wünschst, oder ob du am Arbeitsplatz eigentlich viel lieber die Fakten über die Depri für dich behalten willst.
Falls es so wäre, dass dir an einem offenen Gespräch gelegen wäre, dann hilft in so einer angstmachenden Situation manchmal folgende Übung:
Man stellt sich die an ihr teilnehmenden Personen so realistisch wie nur irgend möglich vor (Aussehen, Kleidung etc.). Dann stellt man sich in das innere Bild mit hinein, in deinem Falle würdest du dann der anderen Person sagen, was du ihr eben sagen möchtest über die Krankheit. Danach würdest du dir vorstellen, was denn so als schlimmstmögliche "Horrorvorstellungen" passieren könnte, z.B.
- dass der Kollege schreiend aus dem Zimmer rennt,
- dass er das ganze Haus zusammentrommeln könnte, etc.
Bei jeder neuen Angstattacke übt man diese geistige Vorstellung wieder. Dadurch hat man ein Mittel in der Hand, das der Angst den Boden wegzieht. So schlimm, wie du dir die Situation in deiner Vorstellung ausgemalt hättest, könnte sie morgen nicht sein. Du hättest eine gute Vorbereitung, wärest sozusagen bis zu einem gewissen Grad innerlich gewappnet.
Aber wie schon gesagt: Überlege erst einmal, ob du dieses Gespräch denn wirklich selbst wünschst, oder ob du nur dem Rat des Therapeuten folgen willst, aber innerlich gar nicht dahinterstehen kannst. Für mich war das Schweigen über die Krankheit nach außen auch ein Schutz, der mir Halt gegeben hat. Das muss jeder für sich selbst erspüren, was ihm eher gut tun würde, und was nicht.
Und noch etwas: Deine Angst vor Ablehnung entspringt nur der Depri. Sie hat keinerlei wirkliche Rechtfertigung.

Liebe Grüße,
Emily.
MadMax
Beiträge: 383
Registriert: 1. Jun 2003, 14:05

Re: Ecken und Ablehnung

Beitrag von MadMax »

Liebe Emily!

Hab vielen Dank für Deine rasche Antwort.
Da gibt es zwei Punkte. Zum einen die Sache, ob ich es selber möchte. Am liebsten würde ich reinen Tisch machen. Also einigen Leuten ganz offen sagen, was Sache ist, sprich sehr bewusst auch die Wörter Depression und Krankheit benutzen. Allerdings wär das vermutlich das Dümmste, was ich machen könnte. So eine Firma wird nunmal unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten geleitet und da passt ein Depressiver, der keine Leistung bringt und dafür auch noch bezahlt wird, einfach nicht rein. Leider.
Das andere ist die Vorbereitung auf so ein Gespräch. Mein Therapeut hat mir geraten, für mich die passende Formulierung zu finden und auch aufzuschreiben. Dafür hat er mir einige Anregungen aus seinem "Ideenpool" mitgegeben. So weit so gut. Das Problem, das sich da jetzt für mich stellt ist, dass es unbequem ist, sich auch nur vorzubereiten und sich mit einem potenziellen Gesprächsverlauf auseinanderzusetzen. Lieber überhaupt erst gar nicht dran denken und sich morgen auch keinem Risiko aussetzen.
Hm, ich möchte mich gar nicht damit beschäftigen müssen, sondern einfach wie am Wochenende Ruhe vor den Problemen des ganz normalen Arbeitsalltags haben und erstmal zu mir selbst finden.
Veränderung kostet Kraft….

Mad Max
caba
Beiträge: 51
Registriert: 22. Jan 2004, 14:09

Re: Ecken und Ablehnung

Beitrag von caba »

Hey, Madmax,
darf ich Dir meine Erfahrung zu dem "Outen" sagen: Lass es im Job sein! Erzähle es Freunden, guten, vertrauenswürdigen Bekannten oder der engsten Familie, aber nicht im Job. Da steigen Ängste auf von: He,wieviel Unsinn wird der hier anrichten, bis o je, das gibt mengenweise Krankentage. Den aufgeklärteren Kollegen wirst Du leid tun (das hilft Dir nicht weiter), die anderen - besonders die Personalverantwortlichen - werden Dich misstrauisch beobachten. Leider ist unsere Krankheit immer noch stigmatisiert.Ich weiss nicht, ob Du in der Akutphase stark genug bist, dem entgegenzuwirken. Ich habe meinen heissgeliebten Beruf nach 24 Jahren durch meine Offenheit verloren (was mehrere Schübe auslöste). Du müsstest schon einen sehr sozialen, verständnisvollen Chef und ebensolche Kolleg/innen haben.
Ich bin damals in ein tiefes Loch gefallen, habe aber durch viele Glücksfälle einen tollen neuen Job gefunden.
Also ich mag Offenheit sehr - kann diese aber in Deinem Fall nicht empfehlen.
Ich wünsche Dir einen nicht so stressigen ersten Arbeitstag - und lass es langsam angehen - liebe Grüße
Carina

>
> Mad Max

MadMax schrieb:
> Hallo zusammen!
>
> In mir kommt gerade die Panik vor dem morgigen Tag durch. Ich hatte Freitag und heute noch 2 Resturlaubstage und somit ein schönes langes Wochenende, das mir tatsächlich Abstand vom Alltag verschafft hat. Umso schlimmer ist es, daran zu denken, dass es ab morgen wieder ganz normal weitergeht. Ich war eben bei der Therapie und es war sehr gut, einige Dinge mal ganz klar zu sehen. Mein Therapeut hat mir nahe gelegt, morgen auf der Arbeit mit einem Kollegen zu sprechen. Nicht mit der Tür ins Haus zu fallen so nach dem Motto "Ich bin depri, also kündigt mich folgerichtig", sondern das Ganze natürlich etwas diplomatischer anzugehen. Zwischendurch hatte ich tatsächlich das Gefühl, dass ich das morgen leisten könnte. Aber nun bin ich schon wieder dabei alles zu verdrängen und den auf den ersten Blick besseren Weg des totalen Rückzugs zu üben. Bloß nichts von mir nach aussen kommunizieren, immer schön Abstand halten. Das heisst wohl für den Augenblick, dass ich mir einen mehr oder weniger gemütlichen Nachmittag machen werde in dem Bewusstsein, dass ich mich morgen sowieso nicht werde überwinden können, sondern lieber zusehe, bloß nirgends anzuecken und somit (vermeintlicher) Ablehnung zu entgehen.
> Hm, vielleicht kann der/die eine oder andere etwas mit diesen wirren Zeilen anfangen.
>
> Für's Erste viele Grüße von
>
> Mad Max
Kedi
Beiträge: 89
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Re: Ecken und Ablehnung

Beitrag von Kedi »

Lieber MadMax,

wie ist denn nun dein Arbeitstag verlaufen? Wofür hast du dich entschieden?

Solltest du in "Anpassung" verblieben sein, nimm es dir bitte bicht übel. Schwierige Botschaften an den/die KollegIn zu übermitteln, geht nicht auf Knopfdruck und braucht oftmals einfach den richtigen Moment - und den zu schaffen, liegt nicht in der Macht nur einer Person.

Jedenfalls finde ich es gut, dass du mit deiner Selbstfindung beschäftigt bist - solange du dir auch die dafür nötige Zeit gewährst.

Einen lieben Gruß,
Kedi
Conny37
Beiträge: 244
Registriert: 24. Mai 2003, 21:34

Re: Ecken und Ablehnung

Beitrag von Conny37 »

Hi Mad Max!

Ich kann dir ja mal von einem positiven Beispiel berichten. Ich habe mich damals offenbart. Ich habe eine sehr alte Chefin, von der ich dachte, dass sie sehr berechnend ist. Die grosse Überraschung war, dass sie sich voll hinter mich gestellt hat. Und als ich dann in die Klinik musste- habe ich mit ihr telefoniert- weil ich Angst um meinen Arbeitsplatz hatte. Da hat sie mich beruhigt. Sie hatte eine kurzfristige Aushilfe mit Zeitvertrag eingestellt. Und später dann sogar gebeten, nicht zu früh wieder die Arbeit aufzunehmen, um auch sicherzustellen, dass ich wieder ganz gesund bin. Die Kollegen haben ganz normal reagiert-keiner hat irgendwelche dummen Bemerkungen gemacht.
Inzwischen stehe ich wieder voll im Arbeitsleben an meinem alten Arbeitsplatz. Es ist nichts von dem eingetreten, was ich befürchtet hatte.

Lieben Gruss
Conny
MadMax
Beiträge: 383
Registriert: 1. Jun 2003, 14:05

Re: Ecken und Ablehnung

Beitrag von MadMax »

Hallo ihr!

Es ist genau meine Befürchtung, dass zuviel verraten nur schädlich ist. So wie ich die Situation bei uns in der Firma einschätze, wär es nicht die beste Idee. Offensichtlich gibt es auch positive Ausnahmen, nur in meinem Fall bin ich nicht von einem guten Ausgang überzeugt. Wahrscheinlich ist es das Beste, den goldenen Mittelweg zu finden, sprich durchaus etwas mehr preiszugeben, aber wohlweislich die Wörter Krankheit und Depression zu vermeiden. Das Ganze halt auf eine etwas "normalere" Ebene stellen und nicht zu heftig alles "rausbrüllen". Ich hoffe nur mal, dass ich solange durchhalte und nicht doch irgendwann der grosse Knall kommt, der druck zu stark wird, es einfach nicht mehr geht und ich alles preisgebe.

Heute hatte sich die ganze Sache für's Erste erledigt, weil der betreffende Kollege, mit dem ich gesprochen hätte, krank ist. Das kommt mir natürlich sehr recht, ist aber doch nur wieder aufgeschoben und verdrängt.

Naja, nun zunächst etwas Erholung im Schlaf suchen.

Euch allen liebe Grüße!

Mad Max
Kabutako
Beiträge: 0
Registriert: 8. Mär 2004, 19:31

Re: Ecken und Ablehnung

Beitrag von Kabutako »

Hallo Carina,

ich stimme Dir 100%-ig zu! Ehrlichkeit ist schön und gut, aber zuviel Ehrlichkeit ( und das ist hier eindeutig der Fall!) wird negative Auswirkungen haben ( was wiederum neue, negative Impulse freisetzt, die uns überhaupt nicht gut tun!)Es gibt sehr wenig Arbeitgeber und Mitarbeiter, die Verständnis für Depris haben!Es wird oft getuschelt und man gehört auch irgendwie nicht mehr dazu! Dabei spielen Freunde eine sehr grosse Rolle im Umgang mit dieser Erkrankung!

Viele liebe Grüsse

Birgit
girasol
Beiträge: 40
Registriert: 9. Jan 2004, 23:10

Re: Ecken und Ablehnung

Beitrag von girasol »

Hallo MadMax,

vor allem kostet Veränderung Mut. Ich war so verzweifelt mit meiner Situation in der Familie und auf Arbeit, dass ich den Mut hatte es zu ändern, die ersten Schritte zu wagen. Und ich habe absolute Angst gehabt, ich konnte kaum schlafen und habe nach Strategien für mich gesucht, um zur Ruhe zu kommen. Und mit jedes Gespräch, jede Diskussion hat mir geholfen, es besser formulieren zu können und vor allem die Angst davor verletzt zu werden, wenn ich jemanden seine/ihre Grenzen zeige. Ich will geliebt werden und ich dachte immer, dass schaffe ich, wenn ich alles schlucke, immer die starke Frau nach außen hin "spiele". Aber schwache Seiten zu zeigen, seine eigenen hohen Mauern niederzureissen oder doch vielleicht besser Türen einzubauen, hat mir sehr geholfen, zu erkennen, dass auch andere Menschen Ängste haben, sich verletzt fühlen usw. Wir Depris haben diese Angst nicht allein für uns, sondern sie sind ein wichtiger Teil des Menschen, sie ist lebensnotwendig, denn sonst können wir keine Gefahren mehr erkennen, aber vielleicht verstecken wir uns auch gern dahinter. Wir wollen ja nur, dass es uns gut geht. Und deshalb ertragen wir alles, nur um nicht abgelehnt zu werden. Ich denke, dass irgendwann der Punkt kommt, an dem man sich entscheiden muss, ob mann oder frau es ertragen kann, abgelehnt zu werden. Ich persönlich habe gute Erfahrungen sammeln können mit dem Erzählen über meine Depris, ich betone nur gute Erfahrungen, besonders auf Arbeit und im Freundeskreis, denn fast jeder ist in irgendeiner Weise mit diesem Problem schon mal konfrontiert worden. Sei es die Eltern, Freunde, Kollegen, Bekannte usw. Es gibt in Deutschland Millionen von Menschen die Depris hatten, haben oder wieder bekommen. Mir hat es sehr geholfen, aber jeder muss sich selbst an irgendeiner Stelle entscheiden.

Ciao Girasol
MadMax
Beiträge: 383
Registriert: 1. Jun 2003, 14:05

Re: Ecken und Ablehnung

Beitrag von MadMax »

Hallo!

Das ist ja überraschend und schön, dass hier noch Postings kommen. Ist schliesslich schon ein Weilchen her, dass ich den Thread eröffnet hab.
Mittlerweile liegen die Dinge schon wieder etwas anders, aber trotzdem Danke für die Beiträge!

Mad Max
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