Bruder schwerst depressiv: Ich weiß nicht mehr weiter

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pons69
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Bruder schwerst depressiv: Ich weiß nicht mehr weiter

Beitrag von pons69 »

Hallo,

bei meinem Bruder wurde vor einem halben Jahr eine agitierte Depression mit Wahnvorstellungen festgestellt. Es bestand seitweise Suizidgefahr. Seit der Diagnose war er 8 Wochen in der Psychatrie und ist seit 6 Wochen nun in einer Tagesklinik.

Zuhause ist er extrem inaktiv. Er schämt sich seiner Krankheit und geht nicht mehr aus dem Haus. Er hat so gut wie jeden Kontakt abgebrochen und vermeidet unter Leute zu gehen.

Wenn seine Frau etwas mit ihm unternehmen möchte, lehnt er es ab mit dem Argument, er fühlt sich dazu nicht in der Lage. Mit Freunden trifft er sich nicht, weil er nicht weiß, was er mit ihnen reden soll. Ausserdem würde es ihm ja doch nicht helfen.

Er ist nicht mehr in der Lage, für irgend etwas Interesse zu entwickeln oder Freude zu empfinden, selbst für seine Kinder nicht.

Gleichzeitig quält ihn seine mangelnde Aktivität aber sehr, da seine Therapeutin ihn immer wieder dazu auffordert und er dann meint, versagt zu haben, weil er nichts tut.

Wir wissen nicht mehr weiter, wie wir ihm helfen können. Er lehnt ja alle Vorschläge ab und sucht immer Ausreden.

Beispiel: Seine Frau möchte jetzt mit ihm in Urlaub fahren. Erst sagte er, die Tagesklinik erlaube es nicht. Nachdem seine Therapeutin ihn sogar dazu ermuntert hatte, behauptet er nun, seine Frau möchte in Wirklichkeit lieber ohne ihn fahren. Wenn er dabei wäre, verderbe es ohnehin nur den Urlaub.

Wir wissen wirklich nicht mehr, was wir noch tun sollen. Hat jemand von Euch Vorschläge? Was kann man als Angehörige tun, ihm zu helfen??

viele Grüße

Stefan
feuerfisch
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Re: Bruder schwerst depressiv: Ich weiß nicht mehr weiter

Beitrag von feuerfisch »

Hai Stefan

in bin selber Depri und habe auch einen depressiven Partner (er ist allerdings schon recht lange in einer stabilen Phase).

Hefen als Angehöriger ist so eine Sache....
Mach dir und der Familie klar das ihr allerhöchstens ünterstützen könnt, mehr nicht.

Ich finde es schon sehr gut dass er es in eine TK (Tagesklinik) schafft. So wie es sich lies ist er ja schon arg eingeschränkt, aber noch nicht ganz `eingeschlossen´.

Was ein Depri nur schwer aushält ist jede Art von Druck. Also drängt ihn nicht irgendetwas zu unternehmen, damit treibt ihr ihn nur weiter zurück. Sanftes Anstubsen ist aber möglich - und ganz klar das unterstützen eigenen Antriebs. Aber beides nur auf `Samtpfoten´.
Aber dass ein Urlaub für ihn jetzt nicht möglich ist, das ist (für mich) ganz klar! Dazu ist er gar nicht fähig.

Besser ist es für ihn einen einfach strukturierten Alltag aufzubauen. Viele Depris sind noch nicht einmal in der Lage aufzustehen und sich zu waschen. Immerhin kann dein Bruder das.

Ungewohntes kann in Angst verseten, macht unsicher. Große Menschenmengen sind beängstigend (wobei `groß´auch noch relativ ist!)

Aber was jetzt wichtig ist, das ist dass ihr - die Familie - euch gegenseitig unterstützt! Am Schlimmsten und am `gefährlichsten´ ist es für seine Frau und seine Kinder. Eine Depri belastet die ganze Familie, aber je dichter du dran bist, umso schwerer ist es zu ertragen. Da läuft man ganz schnell Gefahr selbst zu erkranken - wie dir das auch manche aus diesem Forum bestätigen könnten, die erst `nur´ einen Depri-Partner hatten, dann aber selbst erkrankt sind.

Also kümmere dich um deine Schwägerin und ihre Kinder, stubs sie an, dass es für sie das Beste ist wirklich in Urlaub zu fahren - nur halt ohne ihn. Ihr müsst unbedingt auf euch selbst achten, euch selbst schützen. Und was dann noch an Kraft übrig bleibt, dass steckt in die Geduld für deinen Bruder. Unterstützt ihn sanft bei eigenen Bemühungen (sehr viele von uns sind zum Beispiel kreativ tätig - besorgt ihm Materialien, wenn er sich in diese Richtung äußert), aber übt keinen Druck aus.

Die Akzeptanz der Depression ist ein großer und vor allem für den Depri sehr schwerer Schritt. Es ist etwas anderes ob man sich sagt das man diese Krankheit hat und sie bekämpft, oder ob man sie für sich selbst annehmen kann - und nicht die Symtome bekämpft, sondern seine Kraft gegen die Ursachen richtet.

Ist schwer, ich weiß. Ich weiß auch das mein Partner von mir allerhand aushalten muss. Die dummen Sprüche von mir...meine Lustlosigkeit irgendetwas zu unternehmen....überschäumende Energie andererseits.....meine selbstzerstörerischen Tendenzen...undundund.

ABER: ernimmt seine Krankheit als gegeben hin - und seine Ruhe und Gelassenheit geben mir wiederum die Kraft meine auszuhalten. Bei uns gibt es kein "Du mußt", sondern höchtens ein "es wäre schön, wenn..."

Es sind die Kleinigkeiten die es leichter machen.

Liebe Grüße

feuerfisch

.
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pons69
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Re: Bruder schwerst depressiv: Ich weiß nicht mehr weiter

Beitrag von pons69 »

Copy von Bea's Antwort

Lieber Stefan,

ich kann in allem nur Feuerfisch zustimmen.

Dein Bruder ist schwerst krank, das solltet ihr akzeptieren. Es macht keinen Sinn einen Menschen mit 40°C Fieber aufzufordern sich um seine Kinder zu kümmern, oder in den Urlaub zu fahren.
Es ist auch nicht die Aufgabe der Familie den Kranken zu therapieren. Hilfe ist durch Familienangehörige nicht möglich.
Eure Aufgabe besteht darin den Kranken anzunehmen wie er ist, mit ihn zu sprechen wenn er es möchte. Ihn nur zu beleiten auf SEINEM schweren Weg durch die Krankheit.

Und dazu ist es notwendig das alle Familienmitglieder das Leben so normal wie möglich weiterführen. Das ihr auf Eure Bedürnisse achtet und sie Euch selbst erfüllt, und achtet auf die Kinder, das es dehnen gut geht.
Nur so seit ihr in der Lage, den Kranken auf SEINEM Weg zu begleiten.

Alles gute Euch

Das sollte eigendlich als Antwort in Deinen Thread, Entschuldigung
Gruß Beatrix
pons69
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Re: Bruder schwerst depressiv: Ich weiß nicht mehr weiter

Beitrag von pons69 »

Hallo Feuerfisch und Bea,

vielen Dank für Eure Antworten.

Wir wissen, dass seine Krankheit sein Verhalten bestimmt und wir ihn nicht drängen dürfen. Es ist aber auf jeden Fall gut, es noch mal von Euch zu hören und daran erinnert zu werden. Vielleicht erwarten wir wirklich schon zu viel von Ihm.

Aber auf der anderen Seite hat sich sein Abkapseln immer mehr noch verstärkt. Und je länger er nicht das Haus verlässt, um so schwieriger fällt es ihm, diesen ersten Schritt zu tun und Leute zu treffen.

Momentan habe ich das Gefühl, dass die Hürde, wieder soziale Kontakte zu entwickeln, immer größer wird, je länger er sich isoliert. Auch seine Therapeutin fordert ihn ja auf, aktiv zu werden.

Wie soll er denn seine Angst und Scham vor Leuten überwinden, wenn er sich immer weiter isoliert und selbst kleinste Dinge versucht zu vermeiden und nur zuhause sitzt und grübelt?

viele Grüße

Stefan
feuerfisch
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Re: Bruder schwerst depressiv: Ich weiß nicht mehr weiter

Beitrag von feuerfisch »

Hai Stefan

ich hab grad nicht so viel Zeit, darum nur mal eben ganz auf die Schnelle was mir in den Kopf kommt:

Er KANN momentan nicht unter Menschen gehen - das ist ein rumdoktorn an Symptomen.
Das er nicht unter Menschen geht liegt sicher unter anderm daran das er momentan kaum Selbstwertgefühl hat.
Kommt das Gefühl für den eigenen Wert wieder, so wird er auch raus gehen können. Und ja, sicher hast du Recht, je länger das dauert, desto schwieriger wird es für ihn.

Versuchs doch mal auf die Stille Tour, damit er sich nicht noch weiter zurückzieht. Zum Beispiel ihn einladen auf ein Picknick im Grünen - wo ihr ganz alleine seid, also nicht gerade im Rummel, wo alle Welt sich trifft, sondern wirklich an einen einsamen Ort.
Würde euch das für den Anfang nicht reichen?

In Eile

feuerfisch


P.S.: ich hab irgendwo hier eine sehr gutes kleines Heftchen für Angehörige, ich wills mal raussuchen

.
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BeAk

Re: Bruder schwerst depressiv: Ich weiß nicht mehr weiter

Beitrag von BeAk »

Lieber Stefan,

würdest Du Dich mit 40°C Fieber aus dem Haus trauen, unter Menschen gehn?

Jeder Schritt den Dein Bruder macht kostet ihm fast unmenschliche Kraft. Jeder Mensch, ja jedes Lebenwesen das er trifft, verlangt ihrgendeine Reaktion von ihm, meist Freundlichkeit. Er ist aber nicht mal in der Lage seine Gesichtszüge zu bewegen, noch ihrgend etwas zu empfinden, wie soll dann freundlich sein. Er ist zu Interaktionen mit Mitmenschen kaum in der Lage.

Dein Bruder geht täglich in eine Tagesklinik, das ist harte arbeit für ihn. Dort trifft zwangsläufig viele Menschen. Das er dann, wenn er zuhause ist, nicht auch noch weiter andere Menschen treffen will, ist mehr als logisch. Nach einem 8 Stundentag möchte jeder erst mal seine Ruhe haben, auch ohne schwerst krank zu sein.

Allein die Anwesenheit der Familiemitglieder wird ihn schon an seine Grenzen bringen.

Lieber Stefan, wenn Deine Schwägerin sich einsam fühlt und/oder die Kinder Abwechselung brauchen, sollten sie unbedingt aus dem Haus gehn und sich mit Freunden treffen, einen Stadtbummel machen oder was auch immer. Das ist ganz wichtig dieses ohne schlechtes Gewissen zu tun.
Aber der Kranke braucht daran nicht teilzunehmen, sondern nur wenn er es möchte.

- Akzeptierzt den Kranken so wie er ist, ohne ihn ändern zu wollen,
- laßt ihn machen was er für richtig hält, es ist allein seine Krankheit,
- ihr könnt ihm nicht helfen,
- und ihr seit auch nicht verantwortlich dafür das es ihm besser geht.

Sorgt Gut für Euch, das ihr Euch wohl fühlt, jeder für sich und gemeisam für die Kinder.
Denn ein jeder ist für sein eigenes Wohlergehn verantwortlich. Dein Bruder ist nicht für das Wohlergen seiner Frau oder seiner Geschwister verantwortlich.
Das ist ganz wichtig zu erkennen.
feuerfisch
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Re: Bruder schwerst depressiv: Ich weiß nicht mehr weiter

Beitrag von feuerfisch »

Hai Stefan

Hab das Heftchen gefunden!

Da drin sind sehr gute Infos, die Depression ist dort auf die Schnelle gut erklärt. Ich hab´ schon einiges an Info-Heftchen in den Fingern gehabt, aber dieses finde ich wirklich empfehlenswert. Ich hab es aus der Praxis meines Therapeuten.

Es heißt "Depression verstehen - bei der Bewältigung helfen"

Leider ist es von einem Pharmakonzern - von daher hier meine Frage an die Mods ob ich die Bezugsquelle hier angeben darf?

Aber einen Link hab ich: www.denkepositiv.com

Ich hoffe das hilft ein wenig weiter

*wink*

feuerfisch


@ Bea

Na Hai du!
Wie oft treffen wir uns in denselben Threads. Wie gehts dir denn?

*knuddels*

feuerfisch

.
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BeAk

Re: Bruder schwerst depressiv: Ich weiß nicht mehr weiter

Beitrag von BeAk »

Liebes Feuerfischchen,

gut gehts mir. Trotz NPS. Oder weil? Wer weis.

Was macht Dein Klinikaufendhalt? Verschoben, aber nicht aufgehoben?

Alles Gute
Lisa23

Re: Bruder schwerst depressiv: Ich weiß nicht mehr weiter

Beitrag von Lisa23 »

Hallo Stefan,

ich lese schon eine Weile mit und spüre einen gewaltigen Druck.

Ich bin selbst depressiv und auf dem Rückzug, wenn man das so nennen will. Ich für meinen Teil würde eher sagen, ich bin auf der Suche nach meiner Welt, meinem Leben. Das was ich noch zu leisten vermag, ohne Druck, ohne Versagensängste.

Depressionen kann man niemandem nehmen, Außenstehende können sie nicht heilen. Ich habe vor 16 Jahren meinen Mann verloren, er hatte Krebs. Für uns alle ist es logisch, dass wir diese Krankheit keinem nehmen können und sie als Außenstehende auch nicht heilen können. Wir können nur begleiten und hoffen, dass eine Heilung eintritt. Ansonsten sind wir auf die Kunst der Ärzte und die Heilungskräfte der Natur angewiesen.

Mit Depressionen verhält es sich nicht anders.

Ich brauche alle Kraft, den ganz normalen Alltag zu bewältigen. Zum Glück bin ich berentet und lebe überwiegend allein. Ich habe einen Lebenspartner, der noch berufstätig ist und auch sonst weiß, seine Freizeit mit Aktivitäten zu füllen, an denen ich nicht immer teilnehmen muss.

Ich lebe einen Tag nach dem anderen. Einladungen und Verabredungen nehme ich nur unter Vorbehalt an. Es gibt so viele Dinge, die mich heute nicht mehr interessieren, die ich total unwichtig finde. Das ganz normale Leben, findet bei mir nicht mehr statt.

Du schreibst selbst - Bruder schwerst depressiv, d.h. ganz einfach, es geht nichts mehr auf Knopfdruck. Sei wieder lustig, aktiv, munter, gut gelaunt, mach jeden Blödsinn mit, werde nicht müde, halte durch, kümmere Dich um die Kinder, geh arbeiten, hilf mir im Garten, sei wieder wie früher - das ist vorbei.

Was Dein Bruder braucht, ist Ruhe, Verständnis, die Möglichkeit, sich ohne schlechtes Gewissen zurückziehen zu können.

Die Tagesklinik ist wirklich harte Arbeit. Es heißt auch nicht unbedingt, wenn Therapeuten zu mehr Aktivitäten auffordern, dass das dann immer Aktionen mit Familie und Freunden werden sollen. Vielleicht hätte Dein Bruder Spaß an Spaziergängen, ganz allein? Ein Buch zu lesen, in aller Ruhe? Ein Instrument zu lernen usw.

Kranke Menschen müssen mit ihren Kräften sehr gut haushalten. Druck verursacht ungeheueren Stress und verbraucht sehr viel Kraft. Deshalb, weniger ist wirklich mehr und macht mit der Zeit oft zufrieden und ausgeglichen, das Grübeln läßt nach und es kann sogar ein gewisses Wohlbefinden entstehen.

Ich möchte mein altes Leben nicht wieder haben. Es war voller Hektik, berufl. Stress, Ängsten, Überforderung, schlaflosen Nächten, zuviel Ablenkung, zuviele Eindrücke, die nicht verarbeitet werden konnten, zuviele Menschen, irgendwann war alles zu viel.

Ich wünsche Deinem Bruder, dass ihr behutsam mit ihm umgeht. Solange er seine Familie hat, wird er nicht zum Einsiedler. Laßt ihn erstmal zur Ruhe kommen.

Liebe Grüße, Lisa
pons69
Beiträge: 5
Registriert: 9. Jun 2007, 08:42

Re: Bruder schwerst depressiv: Ich weiß nicht mehr weiter

Beitrag von pons69 »

Hallo zusammen,

vielen herzlichen Dank für Eure Antworten. Ich denke und hoffe, sie helfen mir im Umgang mit meinem Bruder.

Als Beatrix hier im Thread gefragt wurde, wie es ihr gehe, war ihre Antwort 'Mir geht es gut'. Das hat mir gefallen. Mein Bruder hat in den fünf Monaten seiner Krankheit, bisher nur gesagt, 'Mir geht es schlecht' und wirklich an überhaupt nichts Interesse. Es gibt bisher einfach keinen Fortschritt. Das macht uns ja so Angst.

Ich sollte dazu sagen, es ist das erste Mal, dass eine Depression bei ihm diagnostiziert wurde, und es war wie ein Schock für ihn. Er hatte vorher in seinem Umfeld mit dieser Krankeit überhaupt keine Berührung. Er kann seine Krankheit einfach nicht akzeptieren.

Darf ich Euch fragen, wie Ihr es aufgenommen habt, als das allererste Mal eine Depression bei Euch erkannt wurde? Wie habt Ihr gelernt, eine Depression zu akzeptieren und damit zu leben?

viele Grüße

Stefan
BeAk

Re: Bruder schwerst depressiv: Ich weiß nicht mehr weiter

Beitrag von BeAk »

Lieber Stefan,

meine schwere Episode war 2005, und es hat noch mal über 1 Jahr gebraucht bis sämtliche Symptome verschwunden sind.
Und die Diagnose Deines Bruder ist F 32.3 eine schwere depressive Episode mit psychotischen Symptomen, das heißt er hat den schwersten Schweregrad, noch einen mehr als ich. 1/2 halbes Jahr Behandlung ist nicht besonders viel, bei der Diagnose.

Was die Akzeptanz der Störung angeht, tun sich Männer, meine Erfahrung nach damit besonders schwer. Meinen Mann habe ich erst mit einem Scheidungsantrag zum Behandlung bewegen können.
Ja und als es ihm wieder besser ging, wurde ich dann krank. Allerdings brauchte bei mir niehmand ihregendwelche Überredungskünste anwenden, mein Mann war mir Beispiel genug.

Ich denke, wenn es Dir und seiner Frau gelingt, Deinen Bruder als Kranken so zu akzeptieren wie er ist, ohne die Erwartung zu hegen das er wieder funktionieren müßte, dann wäre Deinem Bruder viel Druck genommen. Dann würde es ihm vielleicht leichter fallen, seine Kranksein zu akzeptieren.
Lisa23

Re: Bruder schwerst depressiv: Ich weiß nicht mehr weiter

Beitrag von Lisa23 »

Hallo Stefan,

ich kann mich Bea's Worten nur anschließen.

5 Monate sind bei so einer Erkrankung gar nichts. Dein Bruder ist jedoch sehr aktiv, was die Behandlung anbelangt. Oft dauert es allein Monate, bis Patienten zu Klinikaufenthalten bereit sind. Für eine Tagesklinik braucht man eine gewisse Stabilität, die z.B. ich nicht habe und ich bin schon wesentlich länger krank, als Dein Bruder. Bei mir sind es mittlerweile auch schon Jahre.

Dein Bruder arbeitet, was die Krankheitsbewältigung anbelangt, sehr gut mit. Ich glaube auch, er will wieder gesund werden und macht alles, was in seiner Kraft steht. Ob es ausreicht, das müsst Ihr abwarten.

Ich denke genau wie Bea, dass es jetzt an Euch liegt, den Bruder, den Mann, den Vater so zu akzeptieren, wie er ist. Auf schnelle Erfolge zu hoffen, wäre für alle Beteiligten fatal. Einfach den Druck wegnehmen. Ist das so schwierig?

Liebe Grüße, Lisa
flora80
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Registriert: 24. Mär 2003, 18:48

Re: Bruder schwerst depressiv: Ich weiß nicht mehr weiter

Beitrag von flora80 »

Hallo Stefan!

Ich finde es sehr schön, dass du dich so um deinen Bruder sorgst. Ich kann mich meinen Vorschreibern im Prinzip anschließen, wollte aber noch mal ganz kurz etwas aus meiner persönlichen Erfahrung mit Angehörigen schreiben. Ich habe es in meinen schweren Phasen als exrem belastend empfunden, wenn mein Unfeld ständig meinte, mich zu irgendwas motivieren zu müssen. Ich habe mich sehr überfordert und nicht wahrgenommen gefühlt. Für Nicht-Depressive ist es schwer nachzuvollziehen, dass zum Beispiel ein "ganz kurzer" Spaziergang von einer halben Stunde für einen Depressiven Menschen extrem anstrengend ist. Stell dir vor, du bist unter einer Käseglcoke, nichts kommt wirklich an dich heran, du nimmst nur verschwommen wahr, was um dich herum passiert. Aber du WILLST es spüren und mitbekommen, also strengst du dich ganz doll an. - So in etwa fühlte es sich für mich zum Beispiel an, wenn ich raus gehen "musste". Da sind fünf Minuten schon eine ganze Menge...
Was ich sagen will: Natürlich wollen Ärzte und Therapeuten, dass dein Bruder wieder in eine aktive Rolle kommt. Aber das ist nicht Aktivität, wie der "Normalo" es versteht. Ganz, ganz wenig ist schon ein riesen Erfolg. Und wenn es für dich nach ganz wenig aussieht, dann ist es für den Depressiven immer noch viel... Sich auf die Terrasse in die Sonne setzen oder so was. - Scheint auf den ersten Blick total inaktiv, ist aber eine enorme Anstrengung. Man muss erst mal ganz, ganz langsam wieder spüren lernen, dass es Dinge gibt, die einem gut tun. Und nichts ist schlimmer, als ständig belagert zu werden. Lasst ihm einfach Freiraum, er ist den ganzen Tag in der TK mit Menschen zusammen. Ich war im letzten Jahr auch in einer TK und ich war komplett erledigt, wenn ich nachmittags nach Hause kam. Therapie ist sehr, sehr anstrengend.

Gruß von Flora
feuerfisch
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Re: Bruder schwerst depressiv: Ich weiß nicht mehr weiter

Beitrag von feuerfisch »

Hai Sefan

Zitat von dir:

>>> Als Beatrix hier im Thread gefragt wurde, wie es ihr gehe, war ihre Antwort 'Mir geht es gut'. Das hat mir gefallen. Mein Bruder hat in den fünf Monaten seiner Krankheit, bisher nur gesagt, 'Mir geht es schlecht' und wirklich an überhaupt nichts Interesse. Es gibt bisher einfach keinen Fortschritt. Das macht uns ja so Angst.<<<

Es kommt jetzt vielleicht bei dir falsch an, aber ich möchte dir sagen dass du nicht weißt was eine Depression ist. Klar, im Groben gesehen evt. schon, aber das sind höchstens angelesene Sachen, oder erzählte. Weißt du, man kann keinem Menschen erklären WAS eine Depression ist und wie man sich fühlt. Das können nur Menschen verstehen die sie schon einmal hatten. Wie gesagt, bitte nicht falsch verstehen. Selbst viele Leute die wieder aus der Depri raus sind können sich selbst in der Rückschau nicht verstehen.

Die Gedanken werden unter anderem schwarz, Gedankenkreiseln tritt auf. In meinen schlimmen Zeiten vermag ich noch nicht einmal einen einzigen Satz zuende denken, bevor das nächste Thema kommt....

Wenn die Welt grau und schwarz wird, nimmt man nicht mehr viel wahr, oder nur Negatives - oder als krasser Gegensatz nimmt man ZUVIEL wahr, was man aber gedanklich gar nicht mehr verarbeiten kann.

Das sind aber nur Beispiele und bei weitem nur ein minimaler Ausschnitt dessen was in einem Depri vorgeht...

Und wieder zurück zu dem Zitat:
Im meiner SHG gibt es eine Frau der ICH meist sage wie es ihr geht - von ihrem eigenen Empfinden her geht es ihr immer schlecht. Erst wenn ich ihr sage: "Hey, dir gehts aber gut heute, dein Zittern ist weniger und du bewegst dich freier".....DANN beginnt sie nachzudenken und fast immer kommt dann von ihr "Stimmt, du hast recht, ich habe das gar nicht so wahrgenommen"
Ihre Wahrnehmung ihrer Selbst ist stark eingeschränkt, aber sie freut sich sehr darüber wenn man ihr klar macht dass auch bei ihr Schwankungen festzustellen sind. Allerdings ist sie auch in der Lage dazu an sich zu arbeiten (meine Hochachtung an sie an dieser Stelle - die liebe Frau ist über 70!)

Und ich weiß nicht wie es deinem Bruder geht - aber für mich war es ein verdammt großer Schritt dass ich irgendwann einmal sagen durfte wie es mir wirklich geht. In der SHG habe ich etwa 1 1/2 Jahre lang gesagt das es mir nicht gut geht, zwischendurch konnte ich das dann auch woanders sagen. Aber was meinst du was geschah als ich dann endlich mal gesagt hatte "Es ist ok heute"? Und ich habe es auch so empfunden *freu*

Das A und O bei Depris sind zwei Dinge für Angehörige:
1. auf sich selbst gut acht geben
2. Geduld

Eine Depri hat halt lange gebraucht um zu entstehen - und sie braucht auch lange um wieder zu gehen.


Liebe Grüße

feuerfisch

.
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feuerfisch
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Re: Bruder schwerst depressiv: Ich weiß nicht mehr weiter

Beitrag von feuerfisch »

@ Bea

ich hoffe das ist ok für dich, Stefan, wenn ich ihr hier antworte.

Schön das es dir gut geht !
Vielleicht weil so langsam die Akzeptanz kommt? Ich lebe auch mit Wahrheiten besser, auch wenn sie auf den ersten Blick erschreckend sind.

Meinen Klinikaufenthalt hatte ich im März beantragt. Vor zwei Wochen (oder sind´s schon drei?) kam dann die Zusage von der Klinik - nun muss ich noch abwarten was die KK dazu sagt....
Ich hasse diese Warterei, wenn man Ungewissen hängt.
Der Aufenthalt ist auf meinen Wunsch für den Herbst vorgesehen, geht arbeitstechnisch einfach nicht anders.
Es ist auf jeden Fall für mich schon mal gut dass ich wenigstens von der Klinik die Zusage habe. So habe ich einen Ankerpunkt mehr, der mich durchhalten läßt. Das ist zur Zeit schwierig für mich.

*mal drück*

feuerfisch

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Hina1
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Registriert: 23. Mai 2006, 23:23

Re: Bruder schwerst depressiv: Ich weiß nicht mehr weiter

Beitrag von Hina1 »

Hallo Stefan,

hier ist schon so viel wichtiges geschrieben worden. Beim Lesen Deiner Zeilen ist mir nur immer wieder eines durch den Kopf gegangen. Warum ist es in diesen Breitengraden eigentlich so schrecklich normal zu wissen, was für andere eigentlich gut oder besser wäre? Warum versucht man immer für andere zu denken? Warum kann man nicht als Persönlichkeit mit oder ohne Krankheit einfach nur so akzeptieren werden, wie man ist, auch wenn das mal nachteilig für andere sein sollte. Oftmals führt nämlich genau diese Anspruchshaltung, die durch andere aufgebaut werden, geradewegs in die Depression.

Es ist aber leider so, dass viele eher der Meinung sind, sie hätten eher für andere als für sich verantwortlich zu sein. Ein bisschen auf den Kopf gestellte Welt. Ich habe vor einiger Zeit mal mit einer Ärztin, die viele Jahre in Taiwan war, gesprochen, was die Chinesen eigentlich mit Depressiven machen. Da kam von ihr die Antwort, sie lassen ihn sein. Das bezog sich nicht auf, sie lassen ihn links liegen, sondern sie lassen ihn seine Krankheit überstehen. Das hat mich sehr beeindruckt. Das wichtigste ist, dass der Kranke seine Krankheit überwinden will und solange der Wille da ist, so lange wird er genau das tun, was er auch schafft, um sich da langsam wieder ans Tageslicht zu arbeiten. Eine Depression ist eine so üble Krankheit, daß es keinen sehnlicheren Wunsch gibt, als diese Krankheit los zu werden. Aber es braucht eben seine Zeit und das ist der Punkt, der viel zu wenig akzeptiert wird.

Eine Depression vergeht leider nicht wie eine Erkältung. Es braucht in der Regel viel Zeit, bis der Körper auf oft schon in der Kindheit gelegte krankmachende Muster und die Summe von anderen Belastungen mit einer Depression reagiert. Diese krankmachenden Muster kann man nicht einfach mal so von eben auf gleich ablegen. Das ist ein langer Prozess, auch wenn man bereits erkannt hat, was schief läuft. Nicht umsonst sind die Therapien recht langwirig. Es ist nämlich mit langer harter Arbeit verbunden. Und Dein Schwager tut sehr viel dafür. Er geht tagtäglich in eine Tagesklinik. Das ist unglaublich viel. Ich glaube, Ihr könnt Euch kaum vorstellen, was für harte Arbeit er da leistet. Er schämt sich, unter Leute zu gehen aber er macht es jeden Tag. Er hat meine allergrößte Hochachtung. Jedes Einreden auf ihn, bezüglich anderer Aktivitäten muß ihm vorkommen, als würden ihm Bleikugeln ans Bein gehängt werden. Das ist wie ein Gürtel, der immer enger geschnallt wird auch wenn keiner was sagt. Aber er weiß, was eigentlich von ihm erwartet wird und das reicht schon aus. Und trotz allem geht er einem geregelten Tag nach.

Die Idee mit dem Urlaub, auch dass ihm das die Therapeutin empfohlen hat, die macht mich wirklich sehr stutzig. Eine Veränderung der Situation und dann auch noch eine örtliche mit anderen Eindrücken, einem anderen Rhythmus, fremden Menschen, ungewohnter Umgebung, das ist bei vielen Depressiven genau das, was es noch schlimmer werden lässt. Solch ein Experiment würde ich in so einer Situation um nichts in der Welt eingehen. Ich hatte im letzten Jahr selbst in der Depression gesteckt. Alleine die Wohnung zu verlassen war schon ein Greul aber auch noch auf Reisen zu gehen, das wäre unvorstellbar gewesen.

Lieber Stefan, wenn Du für Deinen Bruder etwas tun willst, dann kannst Du es durchaus machen. Unterstütze so gut es geht Deine Schwägerin mit den Kindern. Für sie ist es wichtig zu wissen, dass jetzt nicht all die Last alleine auf ihr liegt. Das ist dann auch für Dein Bruder gut, wenn er sich nicht noch darüber Sorgen machen braucht. Mehr kannst Du leider nicht tun, ausser viel Geduld aufbringen.

Du hattest noch gefragt, wie es bei uns so mit der Depression war. Naja, sicher so wie bei den meisten hier. Ich steckte längst drin, nahm es aber nicht wirklich wahr. Anderen gings schließlich noch schlechter und ich hatte schließlich einen handfesten Grund, warum es mir nicht gut ging. Der typische Seblstbetrug. Nach ein paar Monaten ging dann gar nichts mehr. Aber das war dann auch der letzte Tag, wo es abwärts ging. Dann fing ich an, es zu akzeptieren und dagegen anzukämpfen. Aber mehr noch gegen die Krankheit mußte ich gegen einige Leute, die mir "gutes" tun wollten, ankämpfen. Das war dann noch anstrengender. Bei der Überwindung der Depression kamen immer mal wieder keine Fortschritte. Beim zur Wehr setzen gegen Leute, die die Krankheit nicht akzeptieren wollten und mich permanent in Schwung bringen wollten, gabs leider keine Erfolge. Aber ich muss gerechtigkeitshalber sagen, es war die grosse Ausnahme. Die meisten Leute in meinem Umfeld haben wunderbar reagiert und mich auch mit der Krankheit akzeptiert.

Heute gehts mir wieder richtig gut und ich bin genauso unternehmungslustig wie früher vor der depressiven Episode. Man ist hinterher sozusagen wieder der oder die Alte - allerdings etwas Achtsamer im Umgang mit mir selbst.

Liebe Grüße
Hina
pons69
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Re: Bruder schwerst depressiv: Ich weiß nicht mehr weiter

Beitrag von pons69 »

Hallo Beatrix,

Du erwähnst eine Schweregradeinteilung. Kennst Du einen Link oder Literatur, wo ich mehr dazu finden kann?

viele Grüße

Stefan
BeAk

Re: Bruder schwerst depressiv: Ich weiß nicht mehr weiter

Beitrag von BeAk »

Lieber Stefan,

jetzt haben wir Dich so geschockt, das Du nur noch nach dem Diagnosesystem fragst?


Diagnosen werden dem ICD-10 entnommen.
Die Diagnose Deines Bruder dürfte F32.3 sein, nach Deinen Schilderungen.

Google mal ICD-10

Alles Gute Euch
cool
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Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Re: Bruder schwerst depressiv: Ich weiß nicht mehr weiter

Beitrag von cool »

Lieber Stefan,

hier findest du den Diagnoseschlüssel ICD-10

http://www.dimdi.de/static/de/klassi/di ... fr-icd.htm

Du wirst bei den F-Diagnosen fündig und dort die Diagnosen ab F30.

Grüße Cool
KristinaB
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Registriert: 25. Dez 2006, 11:00

Re:

Beitrag von KristinaB »

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