warum können depressive den problemen nicht ins auge blicken?

sewi
Beiträge: 1606
Registriert: 15. Feb 2013, 23:02

warum können depressive den problemen nicht ins auge blicken?

Beitrag von sewi »

Captain Kirk
Beiträge: 633
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Re: warum können depressive den problemen nicht ins auge blicken?

Beitrag von Captain Kirk »

Weil sie die falsche Brille auf der Nase haben?
albert
Beiträge: 1284
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52
Kontaktdaten:

Re: warum können depressive den problemen nicht ins auge blicken?

Beitrag von albert »

Natürlich die Brille!
Das ist ein Ding mit einem Filter.
Normale Menschen habe einen normalen Filter, will sagen, alles Negative, das die eigene Person betrifft, wird aussortiert.
Depressive Menschen können verschiedene Filter haben,
im Zustand des äußerlich gesunden Eindrucks ist der Lügenfilter eingeschaltet,
im Zustand des erhöhten Stresspegels werden Machtdemonstrationen ausgesiebt.
Ein Anspruch auf Vollständigkeit wird nicht erhoben.
Fortsetzung ist offen, auch durch andere.
SRT
Beiträge: 317
Registriert: 1. Apr 2003, 19:24

Re: warum können depressive den problemen nicht ins auge blicken?

Beitrag von SRT »

Problemen sehe ich ganz tief ins Auge,
allein an nichtdepressiven Lösungsstrategien mangelt es und das macht so entsetzlich depressiv und hoffnungslos.
Und ein Gewöhnungseffekt ist auch dabei.
Vielleicht will ich auch gar nicht ohne meine "Probleme" sein.Nachher ist das alles was ich bin.
Und wenn meine "Probleme" weg wären,hätte ich
keine Depressionen mehr.Und was soll dann aus mir werden.

INUIT
Muriel
Beiträge: 421
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Re: warum können depressive den problemen nicht ins auge blicken?

Beitrag von Muriel »

„Die Tragik des modernen Menschen ist nicht,

daß er immer weniger über den Sinn des eigenen Lebens weiß,

sondern daß ihn das immer weniger stört”

(Václav Havel)





Hm, weil es schmerzhaft ist und mir Veränderungen abringt, die mir meine bisherige scheinbare Bequemlichkeit und Sicherheit nehmen würden und ich nicht weiss, was danach kommt ?

Weil ich meinen Schattenseiten ins Auge blicken muss und das weder angenehm noch schmerzfrei ist ?

Weil ich es aushalten muss, die "Böse", "Ungehorsame" und "Ungeliebte" zu sein, anstatt wie sonst mein Lob und meine Bestätigung aus dem "Brav und Unauffälligsein" zu ziehen ?

Weil ich die Schuld dann nicht mehr anderen zuschieben kann, sondern selbst ran muss ?

Weil die Depression auch ihren Krankheitsgewinn hat, den ich ungern aufgeben möchte ?

Weil ich Angst davor habe, was passiert, wenn ich mich endlich selbst auf meine Hinterbeine stelle und mich selbst behaupte, statt einfach "nur" bequem für die anderen zu sein ?

Weil ich lieber dazu gehöre, anstatt ich selbst zu sein ?

Weil ich durch meine Depression endlich Aufmerksamkeit bekomme und alle Rücksicht auf mich nehmen ?

Weil die Depression meine Berechtigung ist, mich endlich mal anders zu benehmen, als bisher ?



..
Wer zugleich seinen Schatten und sein Licht wahrnimmt,

sieht sich von zwei Seiten,

und steht somit in der Mitte.
tomroerich
Beiträge: 3102
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52
Kontaktdaten:

Re: warum können depressive den problemen nicht ins auge blicken?

Beitrag von tomroerich »

Weil es bedeuten würde, dass man sich ändern muss und dass nichts bleiben kann wie es ist.
Betroffene für Betroffene

http://www.depressionsliga.de
Captain Kirk
Beiträge: 633
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Re: warum können depressive den problemen nicht ins auge blicken?

Beitrag von Captain Kirk »

Weil sie automatisiert sind. Fremdgesteuert.
Und diese Fremdsteuerung, die als eigene angesehen wird, bestimmt die Verarbeitung und beschwert somit den bewußten Blick auf das eigentliche Problem. Außerdem verstehen sie ihr eigenes System nicht, weil es ja gar nicht ihr eigenes ist. Aber das wissen sie noch nicht. Ihre Seele weiß es.
_Mary
Beiträge: 273
Registriert: 7. Sep 2003, 00:21

Re: warum können depressive den problemen nicht ins auge blicken?

Beitrag von _Mary »

wenns Dich echt interessiert:

den Problemen ins Auge zu blicken, heißt, sich mit Dingen auseinander zu setzen, die sehr schmerzhaft sind. Dieser Schmerz kann so groß sein, dass die Seele es auch nur Schritt für Schritt erlaubt, sich genauer damit auseinander zu setzen. Es sind Schutzmechanismen, die man nicht so ohne weiteres allein durch genügend Willen überwinden kann.

Es ist ganz natürlich, dass jeder erst mal Strategien entwickelt, um den Schmerz loszuwerden, indem er ihn verdrängt oder betäubt.
Langfristig führt das dazu, dass man immer mehr Strategien entwickeln muss, um zu verdrängen oder zu betäuben. Dieser Kampf führt trotz aller Bemühungen zur Niederlage (z.B. in die Depression).

Es ist Angst vor dem Schmerz, die einen veranlasst, auszuweichen.
Es sind Wut und Frust, die entstehen, weil der Schmerz sich trotz aller Bemühungen immer wieder meldet.
Noch mehr Schmerz, Angst und Wut kommen hinzu, weil man nicht verstanden wird.
Die Angst wird größer, Sorgen und Verzweiflung tauchen auf, immer mehr zweifelt man an sich selber, entwickelt Gefühle von Schuld, Versagen und Minderwertigkeit.
Es entsteht eine Spirale von negativen Gefühlen, die immer stärker werden. Trotz aller Kraft, die man einsetzt, liegt man irgendwann am Boden.
Und dann?

Denkst Du, es ist leicht, sich einzugestehen, dass man trotz aller Mühe genau das Gegenteil erreicht hat?
Denkst Du, es ist leicht, sich wieder aufzuraffen, wieder neu kämpfen zu müssen, wenn man restlos am Boden liegt?
Denkst Du, es ist leicht, genau da hinzuschauen, was traurig macht, was wütend macht, was Angst macht?
Denkst Du, es ist leicht, Schritt für Schritt durch diese Gefühle zu gehen, denen jeder am liebsten ausweicht?
Denkst Du, es ist einfach, alte Strategien loszulassen, die einem bisher noch ein bisschen Sicherheit vermittelt haben, weil dabei überschaubar war, was passieren wird.
....
Meinst Du wirklich, es wäre so einfach, den Problemen ins Auge zu blicken???

Denkst Du, dass Dir so ohne weiteres eine passende Lösungsstrategie für Deinen Schmerz einfällt?

Mary
_Mary
Beiträge: 273
Registriert: 7. Sep 2003, 00:21

Re: warum können depressive den problemen nicht ins auge blicken?

Beitrag von _Mary »

Nachtrag:
Die größte Schwierigkeit besteht eigentlich darin, überhaupt zu erkennen, wo genau die Probleme sitzen, denen man dann ins Auge schauen kann!
Mary
tomroerich
Beiträge: 3102
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52
Kontaktdaten:

Re: warum können depressive den problemen nicht ins auge blicken?

Beitrag von tomroerich »

@captain
Das gefällt mir gut, Captain
Betroffene für Betroffene

http://www.depressionsliga.de
Emily
Beiträge: 1217
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Re: warum können depressive den problemen nicht ins auge blicken?

Beitrag von Emily »

@ Mary:

Wahre Worte, die du da gesagt hast.

Zu deinem zweitletzten Satz: "Denkst du, dass dir so ohne weiteres eine passende Lösungsstrategie für deinen Schmerz einfällt?" Sollte einem endlich doch nach endloser Grübelei eine scheinbar passende Lösungsstrategie für den Schmerz eingefallen sein, kommt noch das Problem hinzu, dass es schon ein wahrer Glückstreffer wäre, wenn die erste Lösungsstrategie auch die "richtige" wäre. Und die erneute Suche nach weiteren Lösungsstrategien kostet eine Kraft, die man beim besten Willen als Depri oft nicht hat. Auch da beißt sich die Katze der Depression wieder einmal in den Schwanz.

Emily.
chrissy
Beiträge: 309
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Re: warum können depressive den problemen nicht ins auge blicken?

Beitrag von chrissy »

eine sehr schöne frage ist das.

weil es oft leichter und ungefährlicher ist fortzulaufen.
und erst wenn man die richtige tür gefunden hat, durch die es durchzugehen notwendig wäre für ein besseres leben, kann man sie auch öffnen.
leider hängt manchmal ein altes, verrostetes schloss daran, und es will sich einfach nicht knacken lassen.

gruss
chris
_Mary
Beiträge: 273
Registriert: 7. Sep 2003, 00:21

Re: warum können depressive den problemen nicht ins auge blicken?

Beitrag von _Mary »

Hallo Emily,
das kenne ich auch nur zu gut. Inzwischen stelle ich mir die Frage, ob die Suche nach Lösungsstrategien wirklich für mich der richtige Ansatz ist.

Mary
Emily
Beiträge: 1217
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Re: warum können depressive den problemen nicht ins auge blicken?

Beitrag von Emily »

Hallo Mary,
das kann ich verstehen, aber ist das Suchen nach Lösungsstrategien nicht etwas, das unserem innersten Bedürfnis voll und ganz entspricht? Würde man diesem Bedürfnis nicht zuwiderhandeln, wenn man die Suche aufgeben würde?

LG, Emily.
amica
Beiträge: 59
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Re: warum können depressive den problemen nicht ins auge blicken?

Beitrag von amica »

Danke captain-Dein Beitrag trifft für mich den Punkt.Fremdgesteuert ist absolut treffend-die Frage ist wohl, wann kommen wir dahinter wer oder was uns fremdsteuert?
tomroerich
Beiträge: 3102
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52
Kontaktdaten:

Re: warum können depressive den problemen nicht ins auge blicken?

Beitrag von tomroerich »

Hallo myself,

die Frage "wann" ist wohl nicht zu beantworten aber wenn wir nach dem WIE fragen, ist der Anfang schon gemacht.

Meint

Thomas
Betroffene für Betroffene

http://www.depressionsliga.de
Nachttaube
Beiträge: 295
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Re: warum können depressive den problemen nicht ins auge blicken?

Beitrag von Nachttaube »

stellt sich überhaupt die Frage??? Ich habe hier sehr wenige kennengelernt, die Ihre Probleme nicht ins Auge sehen konnten. Es fand sich nur noch keine persönliche Lösung.
Um von mir zu reden: was ist mit meinem Weltschmerz über diese Unvollkommene Menschheit, die trotz Bewustsein und "Intelligenz" Krieg, Elend und Ungerechtigkeit, Umweltzerstörung und Massenvernichtungswaffen erschaffen kann. Warum soll ich meine tiefe Trauer über intolleranz der Glaubensfrage negieren und es als typische Depri-Brille sehen? Nein, dass kann nicht der Weg sein. Die Gedanken sind frei und durchaus richtig, nur dürfen diese Gedanken nicht das Leben bestimmen, indem sie als Negativ-Gedanken dominieren. Ich will meine sensibilität gegenüber meiner Umwelt nicht verlieren, ich möchte aber damit besser umgehen und die positiven Seiten intensiver betrachten
Nachttaube
_Mary
Beiträge: 273
Registriert: 7. Sep 2003, 00:21

Re: warum können depressive den problemen nicht ins auge blicken?

Beitrag von _Mary »

Stimmt, Emily, ich habe übersehen, dass das, was ich jetzt mache, im Grunde genommen auch eine Lösungsstrategie ist. Ich habe mich bisher zu viel darauf konzentriert, Dinge anders anzugehen (diese Lösungsstrategien meinte ich). Ich kenne die Ursachen, die langfristig zur Depression geführt haben, aber es ist ein langer Weg bis dahin gewesen, auf dem viel passiert ist. Rational kann ich vieles zurückverfolgen, aber das gelingt mir nicht auf der Gefühlsebene. Deshalb versuch ich jetzt rational an das Thema Gefühle heranzugehen.

Liebe Grüße
Mary
Eduard
Beiträge: 23
Registriert: 7. Okt 2003, 16:17

Re: warum können depressive den problemen nicht ins auge blicken?

Beitrag von Eduard »

Alle Probleme von depressivkranken kommen daher, weil sie eine Funktionsstörung im Gehirn haben. Irgendwelche Nervenbahnen sind falsch verschaltet oder benötigte Biostoffe werden gar nicht oder fehlerhaft hergestellt. Dadurch entstehen Gefühle wie Traurigkeit, Trostlosigkeit, Sinnlosigkeit, Leere, Selbstmordgedanken, alles nur negativ sehen, Grübelei usw.. Meistens kommt das daher, weil irgendwelche Fehler in den Genen des Betroffenen vorliegen oder durch irgendwelche Viren (Borna-Virus), die das Gehirn angreifen. Wichtig ist, sich bewußt zu sein, das die Depression und damit verbundene Gedanken absolut keinen Sinn machen, sondern nur eine Fehlfunktion des Gehirnes darstellen. Deshalb kann die Depression auch nur dadurch vergehen, indem diese Funktionsstörung repariert wird, wie man zum Beispiel ein Fahrrad repariert
christoph6667
Beiträge: 121
Registriert: 3. Mai 2003, 17:41

Re: warum können depressive den problemen nicht ins auge blicken?

Beitrag von christoph6667 »

hallo eduard, dein beispiel mit dem Fahrrad finde ich irgendwie komisch. der mensch hat doch auch eine seele die das fahrrad nicht hat und die lässt sich nicht so einfach reparieren. nur bei der endogenen depression trifft das zu, virus, gene ect.
barbara
SRT
Beiträge: 317
Registriert: 1. Apr 2003, 19:24

Re: warum können depressive den problemen nicht ins auge blicken?

Beitrag von SRT »

Hallo Eduard,
endlich sagt mal einer wo es lang geht.
Wegen meiner Depression kann ich das aber alles gar nicht annehmen was du schreibst,doch das ist ja wiederum die Depression die es verhindert doch das weisst du ja auch.
Wegen meiner irgendwie falsch verdrahteten und fehlerhaften Nerven,kämpfe ich immer noch mit Neugier und auch mit Ironieanfällen.Und jetzt halte ich es nicht mehr aus.Deshalb möcht ich dich bitten noch ein wenig von dir zu erzählen.Also ob du auch Depressionen hast oder hattest?
Vielleicht bist du auch nur missionarisch unterwegs,und wenn ja für was?

Das reicht jetzt erstmal an Neugier Bis bald muss,noch ein Fahrrad heil machen
INUIT
barney

Re: warum können depressive den problemen nicht ins auge blicken?

Beitrag von barney »

Hallo Eduard,
eigentlich wollte ich etwas zu Deinem Opus sagen, aber mir fehlen einfach die Worte.
Bernd
tomroerich
Beiträge: 3102
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52
Kontaktdaten:

Re: warum können depressive den problemen nicht ins auge blicken?

Beitrag von tomroerich »

Hallo Eduard,

eine so verkürzte Sichtweise habe ich bisher noch nicht kennengelernt. Wann ist denn etwas "richtig" verschaltet und woran erkennt man das? Sicher daran, dass einer keine Depressionen hat? Sind Kriminelle auch nicht richtig verschaltet?

Fragen über Fragen...

Thomas
Betroffene für Betroffene

http://www.depressionsliga.de
sandrak
Beiträge: 530
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Re: warum können depressive den problemen nicht ins auge blicken?

Beitrag von sandrak »

Hallo Inuit,

habe gerade deinen Beitrag hier gelesen:

Problemen sehe ich ganz tief ins Auge,
allein an nichtdepressiven Lösungsstrategien mangelt es und das macht so entsetzlich depressiv und hoffnungslos.
Und ein Gewöhnungseffekt ist auch dabei.
Vielleicht will ich auch gar nicht ohne meine "Probleme" sein.Nachher ist das alles was ich bin.
Und wenn meine "Probleme" weg wären,hätte ich
keine Depressionen mehr.Und was soll dann aus mir werden.

Ich les noch ein bißchen weiter, ich wollte dir nur sagen, das an deinen worten was dran ist...

lieben gruß
Sandra
Antworten