Muss man verzeihen? (Sehr, sehr lang)

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Kampfgemuese
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Muss man verzeihen? (Sehr, sehr lang)

Beitrag von Kampfgemuese »

Hallo zusammen,

wie der Titel schon sagt, ist die Frage: muss man verzeihen? Muss ich verzeihen? Diese Frage beschäftigt mich seit gut einem halben Jahr, jeden Tag, und sie zerfrisst mich, weil meine bisherige Weigerung, zu verzeihen, so gar nicht meinem Schema „lieb und angepasst“ entspricht. Meine eigene Härte macht mir zu schaffen, obwohl ich aus meinem tiefsten Inneren nicht anders kann.

Es wird ein sehr langer Beitrag, da so viel vorgefallen ist. Doch die Frage am Ende bleibt: muss ich um das Seelenheil meines Mannes zuliebe verzeihen?

So richtig fing es im Sommer letzten Jahres an, auf einer Familienfeier meines Mannes kamen per Zufall sehr unschöne Dinge ans Tageslicht. Seine Eltern lebten augenscheinlich in geordneten Verhältnissen, führten und führen „erfolgreich“ ihren eigenen Betrieb; das war es, was mein Mann und ich aus der Ferne sahen, denn wir leben einige hundert Kilometer von seinen Eltern entfernt.

Dass es finanzielle Probleme gab, bemerkte ich erstmals 2008, als sie kein Geld für die Beerdigung des verstorbenen Großvaters hatten, und meinen Mann um Geld baten. Er nahm einen Kredit in fünfstelliger Höhe für sie auf, in seinem Namen. Mit diesem Betrag sollten auch noch andere Löcher gestopft werden, nicht nur die Beerdigung.

Vorletztes Jahr, erzählten sie uns anlässlich eines Besuches bei uns frei von der Leber weg, dass sie mit einer aus meiner Sicht wirklich dämlichen falschen Entscheidung – nämlich ein Callcenter für ihren Betrieb anzumieten, aber viel zu teure Adressen einzukaufen und die Arbeitsergebnisse nicht zu kontrollieren – gute 100.000 EUR Schulden gemacht haben. Ich war, gelinde gesagt, schockiert. Sie erzählten völlig emotionslos, dass sie dieses Callcenter nun nach 3 Jahren aufgegeben hätten, weil es sich ja nun offensichtlich nicht rechnen würde, wie man an dem Schuldenberg sehen könne, der sich in diesem Zeitraum angehäuft hätte.

Zu dieser Zeit boten Sie meinem Mann eine Eigentumswohnung im Nachbarhaus seines Elternhauses, das ihnen auch gehörte, zum Kauf an. Ich riet ihm davon ab. Doch der Bruder meines Mannes kaufte die andere der beiden verfügbaren Wohnungen und auch mein Mann sagte dem Kauf zu. Schon damals war mir klar, dass sie einfach nur Geld gebraucht haben, denn, mal ehrlich: welche Eltern verkaufen ihren Kindern ihr Erbe, wenn nicht aus diesem Grund?

Diese Eltern waren es, die sich dazu bereit erklärt haben, die Hausverwaltung der 3 Einheiten [Wohnung 1] zu übernehmen.

Um nun zum Sommer vergangenen Jahres zurück zu kommen… durch Zufall hatte ich die Gelegenheit, ein längeres Gespräch unter vier Augen mit dem Bruder meines Mannes zu führen. Sonst waren immer seine Eltern dabei gewesen. Bei diesem Informationsaustausch kamen schockierende Details ans Licht, denn so wie es aussah, wussten mein Schwager und seine Frau „die eine Hälfte der Wahrheit“ und mein Mann und ich „die andere Hälfte“.

Mein Schwager wusste nichts von den 100.000 EUR Schulden seiner Eltern. Er wusste auch nichts von dem Kredit, den mein Mann für die Beerdigung des Großvaters hatte aufnehmen müssen, weil sie kein Geld dafür hatten. Dafür wusste er, dass das Konto, dass seine Eltern für die Hausverwaltung der 3 Einheiten verwendeten (interessanterweise nicht getrennt von anderen Geldern, sondern vermischt mit Privatgeldern) gepfändet worden war. Er erzählte außerdem von einem Kreditbetrag von 2.500 EUR, den er und seine Frau seinen Eltern für die angeschlagene Firma gegeben hätte, den sie nur mit höchster Mühe und Not wieder zurück bekommen haben. Es kamen immer mehr Details ans Licht, so dass wir „Kinder und Schwiegerkinder“ uns dringlich zusammen setzten und darüber sprachen. Als die Pfändung des Kontos zur Sprache kam, wurde mein Mann ganz bleich. So habe ich ihn noch nie gesehen wie in diesem Moment.

Zu aller Schande kam in diesem Gespräch noch heraus, dass wir uns haben vorzüglich von den Eltern manipulieren lassen. Die eine Schwiegertochter wurde gegen die andere ausgespielt, so dass es über Jahre nie zu einem innigen Kontakt kam. Und wir waren alle so dumm und haben es nicht durchschaut; bis zu diesem Tag.

Ich fragte meinen Mann, ob der damalige Kredit für die Beerdigung des Großvaters der einzige Kredit an seine Eltern gewesen sei (der noch längst nicht abbezahlt ist) oder ob da noch etwas wäre, von dem ich nicht wüsste. Ganz weiß im Gesicht sagte er mir, er hätte gerade noch vor ein paar Tagen auf Bitten seiner Eltern deren Firma einen Kredit in Höhe von 5.000 EUR gegeben.

Wir vier waren uns einig, dass wir unbedingt mit den Eltern reden müssten, also stellten wir sie mehr oder weniger am nächsten Tag zu Rede. Wir baten sie darum, sich Hilfe zu holen, jemand, der sich Überblick verschafft. Das Wort Schuldnerberatung fiel oft. Wir sagten ihnen, dass wir sie lieben und ihnen helfen wollen, sie dafür aber bitte mit offenen Karten spielen müssen. Stumm schauten sie uns mit großen Augen an und sagten, so viele Schulden wären das doch nicht, sie hätten alles im Griff, und die Sache mit dem gepfändeten Konto wäre ja gar nicht so schlimm. Es wäre ja wohl logisch, dass sie das Hausverwaltungskonto am Anfang des Monats immer auf 0,00 EUR stehen haben und dann im Laufe des Monats eben die ganzen Zahlungen auf Dispo belastet werden, und am Ende des Monats würden sie grade wieder so viel drauf überweisen, dass das Konto auf 0,00 EUR steht. Und ich wäre ja zu dumm, um das zu verstehen. Ja, ja.

Um das ganze etwas abzukürzen: das Auto meines Mannes, dessen Finanzierung auf den Namen seines Vaters gelaufen war und das grade einen Monat vorher abbezahlt war, wäre um ein Haar weg gewesen, weil das Finanzamt seinen Eltern mit einer Forderung von 150.000 EUR im Nacken saß. Sie waren zu dämlich gewesen, für die letzten Jahre Steuererklärungen für den Betrieb abzugeben und sind darum geschätzt worden. Der Gerichtsvollzieher ging schon seit Monaten bei ihnen ein und aus, wie wir von einer Tante meines Mannes erfahren haben.

Mein Mann sah seine Existenz bedroht, ich meine auch, weil wir nicht wussten, inwieweit er als Sohn für die Schulden der Eltern herangezogen werden kann. Wir mussten uns anwaltlich beraten lassen. In seiner Verzweiflung überlegte er sogar, sich ins Ausland versetzen zu lassen, am besten in ein Krisengebiet, damit er genug Geld verdient, um alles bezahlen zu können. Wäre ich nicht über die Maßen in meinem „Ich- muss-zusehen-wie-ich-diese-Scheiße-rette“-Trip gewesen, wäre spätestens zu diesem Zeitpunkt die Depression erneut wie eine riesige Welle über mich geschwappt und hätte mich verschluckt.

Wir baten die Eltern um Auskunft, inwieweit die Rechnungen für die 3 Wohneinheiten bezahlt sind. Die Antwort war: alles in Ordnung. Wir forderten Unterlagen von ihnen, die wir nie bekamen. Wochen später kam heraus, dass die Gebäudeversicherung schon seit einem dreiviertel Jahr nicht mehr existierte, weil die Eltern das Geld (das sie anteilig von ihren Söhnen ja dafür bekommen haben) nicht bezahlen konnten. Ich erfuhr durch eigene Recherche auch, dass bei den Energieversorgen auch offene Posten vorhanden waren.

Ich hörte so viel Mist in diesen Wochen… seine Eltern sagten mir in mehreren Telefonaten, dass sie mit dem Gedanken spielen, den Mieter in der Wohnung meines Mannes (!) auf Eigenbedarf zu kündigen und selbst in die Wohnung zu ziehen. Oder, leicht abgewandelt: die Großmutter, die noch im 1 OG des Elternhauses wohnte, solle in die Wohnung ziehen, die dann aber vorher – selbstverständlich auf Kosten meines Mannes – altersgerecht umgebaut werden müsse. „Zumindest das Bad!“.

Sie drückten meinem Schwager Bargeld in die Hand, gingen mit ihm zur Bank, ließen ihn das Geld auf sein Konto einzahlen und auf ein anderes Konto überweisen, da sie selbst ja keinen Zugriff mehr auf ihre Konten hatten.

Es kam ans Licht, dass die Finanzierung der Wohnungen, die sie an ihre Söhne verkauft haben, vorne und hinten nicht passt (Kombifinanzierung, leider unterfinanziert). Außerdem haben sie meinen Mann bei der Finanzierung der Wohnung 10.000 EUR extra aufnehmen lassen, mit der Begründung, er solle sie für „eventuelle Renovierungen“ auf einem extra Konto parken.( Dieser Betrag wurde irrsinnigerweise in die Kaufsumme im notariellen Vertrag aufgenommen). Mein Mann zahlt also für Geld, dass er nicht braucht, mehr Sollzinsen, als er Guthabenzinsen für die Anlage desselben bekommt. Wenn ich Euch jetzt noch sage, dass im Namen der Firma seines Vaters das Wort „Finanzplanung“ vorkommt, lacht ihr Euch wahrscheinlich kaputt, aber es ist die bittere Wahrheit.

Nunja, die kompletten 10.000 EUR sind nicht mehr auf dem separaten Konto geparkt, denn davon sind ja die 5.000 EUR Privatkredit für die Firma der Eltern runtergegangen. Als ich sie fragte, ob es ihnen denn nicht klar gewesen sei, dass ihr Sohn nicht grade mal ein paar tausend Euro aus dem Ärmel schütteln könnte, war die Antwort , dass sie davon ausgegangen sind, dass er das Geld doch gehabt hat, sonst hätten sie ja nieeeee danach gefragt oder was gewollt.

Natürlich ging es meinen Mann sehr schlecht und er verfiel im Gegensatz zu mir in Lethargie. Konnte nichts mehr entscheiden. Ich dagegen fuhr zur Höchstform auf, für einen Zeitraum von gut fünf Wochen schlief und aß ich kaum noch, war ständig am Telefonieren und organisieren, damit der Karren wieder aus dem Dreck kam. Meiner Schwägerin und meinem Schwager sei es verziehen, da sie komplett „büro-fremde“ Berufe haben und mit Dokumentation und Recherche nicht viel am Hut haben. Da mein Mann sich komplett zurück zog, blieb alles an mir hängen, was natürlich auch zu heftigen Spannungen in unserer Beziehung führte. Ich holte Angebote von Verwaltern ein, telefonierte mit Anwälten, der Gemeinde, Versorgern, Ämtern, Versicherern für die fehlende Gebäudeversicherung, Verwandten, und meinen Schwiegereltern, die mir am Telefon vorheulten, wie schlimm doch alles für sie sei, weil das Finanzamt ihnen so Druck machen würde, und dass sie Nachts kaum mehr schlafen könnten, geschweige denn etwas Esse. Ich fragte sie, ob sie denn ernsthaft glauben, dass es ihrem Sohn, meinem Mann, besser gehen würde. Es wurde überhört, es interessierte sie nicht.

Das Ende vom Lied und von den erwähnten 5 Wochen war, dass wir eine Eigentümerversammlung anberaumten (deren Einberufung ich vom Vater fordern musste, deren Tagesordnungspunkte ich vorschlagen musste, deren Protokollführung ich übernahm, usw, usf), in der wir den Vater meines Mannes seines Amtes enthoben und einen externen Verwalter einberiefen. (Was auch gar nicht so einfach war, wie es sich so in einem Satz geschrieben anhören mag, mit DEM Hintergrund). Außerdem formulierte ich einen privaten Darlehensvertrag, der für den „Beerdigungs-Kredit“ schon längst überfällig war.

Bei der Versammlung mussten wir uns von den Eltern sagen lassen: „Wir waren fest davon überzeugt, dass ihr heute mit der Polizei hier steht und uns verhaften lasst!“

Meine Güte.

Danach beruhigte sich alles etwas, aber die Stimmung blieb frostig. Meinem Mann ging es zusehends schlechter, wurde, so will ich behaupten (weil ich es ja kenne) depressiv. Er ging zu einem Psychiater und bekam Antidepressiva, die ihm leider nicht halfen. Er schlief schlecht, war immer schlecht drauf, konnte sich bei der Arbeit nicht mehr konzentrieren. Ich war einfach nur wütend, wütend und nochmal wütend.

Schließlich mussten wir Ende letzten Jahres wieder zu seinen Eltern fahren, weil nun die Großmutter im Sterben lag. Seine Mutter hatte nichts besseres zu tun, als ihm nach der Ankunft von einem Heulkrampf geschüttelt in die Arme zu fallen und sich von IHREM SOHN trösten zu lassen. Ich fand das so schrecklich, weil mein Mann Trost gebraucht hätte (so alt ist er nämlich auch noch nicht). Er bekam aber keinen. Im Gegenteil; an diesem Abend war es wie immer: seine Eltern ignorierten ihn zumeist. Wenn sie eine Frage an ihn richteten und er zur Antwort ansetze, drehten sie den Kopf schon wieder weg und redeten mit jemand anderem. Mir tat es so weh, den Schmerz und die Fassungslosigkeit in den Augen meines Mannes zu sehen!

Also verabschiedete sich mein Mann von seiner Großmutter, die er nicht mehr lebend wieder sehen würde, und wir fuhren nach drei Tagen zurück. Ich war immer noch voller Zorn, denn die ganze Zeit, so sehe ich das, benutzen meine Schwiegereltern ihre Kinder für ihr Wohl, nutzen sie aus.

Als mein Mann mich bat, seinen Eltern zu sagen, warum ich mich so abweisend verhalte, schrieb ich ihnen einen Brief. Vier Seiten. Ich brachte alles aufs Tapet. Dass ich finde, dass sie ihre Kinder seelisch mißbrauchen, sie für ihr Seelenheil benutzen, aber nicht für sie da sind. Dass ihre Kinder aber ihre Eltern brauchen, und sie zu blind dazu sind, das zu sehen. Dass ich sie für das, was sie ihnen angetan haben, verachte. Dass ihnen Gott, oder an wen auch immer sie glauben mögen, gnaden solle, wenn sie ihre Kinder noch einmal so verletzen oder sie noch einmal um Geld bitten; dann lernen sie mich kennen. Ich schrieb alles, was mich seit Wochen belastete und was nachweislich in dutzenden Telefonaten auch die heftigst ausgedrückte Meinung von Schwager und Schwägerin war.

Dieser Brief führte dazu, dass sich die Eltern meines Mannes mit Schwager und Schwägerin ausgesprochen haben und sich wieder angenähert haben. Finde ich auch schön, die wohnen ja direkt nebeneinander und da ist guter Kontakt schonmal hilfreich. Leider schläft der so mühsam erkämpfte gute Kontakt zu Schwager und Schwägerin nun wieder ein, da sie sich ja nun wieder gut mit den Eltern verstehen, ich aber nicht.

Mit mir kommunizieren die Eltern überhaupt nicht mehr, so wie ich es mir in meinem Brief an sie geschrieben habe „Und was uns anbelangt: guten Tag, guten Weg! Mehr ist nach dem Schauspiel, das ihr vollführt habt, beileibe auch nicht mehr zu ertragen. Und ich erwarte, dass wir das so hinbekommen, dass es meinen Mann nicht im geringsten belastet und er das Gefühl bekommt, zwischen den Stühlen zu sitzen“. Zumindest an die Kontaktverweigerung halten sie sich, dafür bin ich dankbar.

Aber ich sehe, wie sehr es meinen Mann schmerzt. Seine Mutter ruft des öfteren an und weint am Telefon, weil für sie alles so schlimm ist, und weil ich „sie hassen“ würde, und weil sie so gerne eine Aussprache hätte. Ich bin dafür aber nicht bereit. Ich bin immer noch der Meinung, das eine Mutter ihr Kind weder an Weihnachten noch an Silvester noch sonst irgendwann am Telefon anschluchzen muss, wenn es selbst angeschlagen ist. Und es sind noch so viele andere Dinge passiert, die ich hier gar nicht schreiben kann, weil es ja so schon den Rahmen sprengt.

Würdet ihr an meiner Stelle verzeihen? Das Argument dafür ist ja, dass es die Eltern meines Mannes sind. Ich sage ihm ja auch, er soll BITTE Kontakt mit ihnen halten und dass es mir wichtig ist, dass er ein gutes Verhältnis zu ihnen hat. Aber ich, nee, das grenzt wirklich an Hass, was ich für sie fühle, weil ich ihnen nicht verzeihen kann, was sie ihren Kindern , meinem Mann, WISSENTLICH angetan haben.

Auf lange Sicht ist es sicher ungünstig, diesen Zustand weiter aufrecht zu erhalten. Aber, hey, ich seh es echt nicht ein. Ich hab zumindest in meiner jetzigen Stimmung überhaupt kein Problem mit der Vorstellung, diesen Menschen nie wieder zu begegnen. Andererseits weiß ich, dass es meinen Mann belastet, und das möchte ich auch nicht.

Muss man verzeihen?

Wer es bis hierher geschafft hat, ohne das die Augen bluten: herzlichen Glückwunsch ;o)

Uffz, jetzt kann ich auch nicht mehr… .
Liebe Grüße
Kampfgemuese
Phosphor
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Re: Muss man verzeihen? (Sehr, sehr lang)

Beitrag von Phosphor »

Um es kurz zu machen und direkt auf die Eingangafrage einzugehen:

In meinem Leben hatte ich bisher nie den Eindruck, dass man sich die Haltung des Verzeihens oder Nicht-Verzeihens aussuchen könne. Aber wie dem auch sei, Verzeihen ist auf jeden Fall die bessere Alternative. Wenn du nicht verzeihst und stattdessen angefressen bleibst, kostet dich allein dieser Zustand Unmengen an Kraft, die dir anderswo fehlen. Insofern bin ich schon aus pragmatischen Gründen fürs Verzeihen.

Aber bitte nicht mit "klein beigeben" oder "ducken" verwechseln

Insofern alles Gute!
FrauRossi
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Beitrag von FrauRossi »

paco
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Re: Muss man verzeihen? (Sehr, sehr lang)

Beitrag von paco »

Hallo kampfgemüse,

ich meine wie FrauRossi, dass Deine Schwiegereltern nicht böswillig gehandelt haben. Aber sie waren sehr dilettantisch und hatten das Geschäft nicht im Griff. Nur hätten sie ihre Kinder und deren Partner nicht auch noch in das Schlamassel reinziehen dürfen.

Bei Deiner jetzigen Befindlichkeit ist Dir ein Verzeihen nicht möglich, was ich verstehen kann. Dich ärgert die Unehrlichkeit Deiner Schwiegereltern. Die Karre aus dem Dreck zu ziehen, wird Gespräche erfordern. Wenn die erfolgt sind, wirst Du evtl Deine emotionale Einstellung zur Angelegenheit, Deine Sichtweise und Dein Verhalten ändern können.

Erlaube Dir im Augenblick eine Portion Egoismus und tu das, wonach Dir ist. Die für Dich richtige Reaktion auf lange Sicht wird sich dann mit der Zeit ergeben.

LG paco
FrauRossi
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Beitrag von FrauRossi »

Kampfgemuese
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Re: Muss man verzeihen? (Sehr, sehr lang)

Beitrag von Kampfgemuese »

Hallo ihr Lieben,

boah, ich bin beeindruckt und sehr dankbar, dass ihr Euch das wirklich „angetan“ habt und diesen sehr langen Text gelesen habt, UND mir noch geantwortet habt! Heute früh nach dem Aufwachen dachte ich, och nee, was hat mich den gestern geritten, dass ich das alles ins Forum gesetzt hab, ich lösch das lieber wieder… .

DANKE!

@Phosphor
„In meinem Leben hatte ich bisher nie den Eindruck, dass man sich die Haltung des Verzeihens oder Nicht-Verzeihens aussuchen könne.“ Dieser Satz von Dir hat bei mir einiges in Bewegung gebracht, darüber muss ich mal eingehend nachdenken. Du schreibst auch „aber nicht mit „klein beigeben“ oder ducken verwechseln“ – genau! Da seh ich meine emotionale Schwierigkeit; nämlich den goldenen Mittelweg nicht zu finden und entweder brüllend vor ihnen zu stehen oder in das „lieb-Kind-Schema“ zu verfallen. Hui, da hab ich noch Verbesserungspotenzial… ;o)

@Frau Rossi
Ich finde, das Beispiel mit dem Auto, dass Du so schön beschrieben hast, sehr, sehr treffend! Ja, wenn man irgendwann auf die andere Seite zugeht, dann erfährt man deren Hintergründe und kann beginnen, zu verstehen, und vielleicht auch zu verzeihen. Sonst bin ich auch ein total harmoniebedürftiger Mensch, aber diese Sache hat mir doch seelisch die Schuhe ausgezogen. Vielleicht sollte ich mich eher fragen, warum ich offensichtlich (noch) nicht verzeihen will? *grübel* Manchmal glaub ich, dass es damit zusammenhängt, dass ich schon oft so sehr verletzt worden bin und irgendwann endlich den Punkt gefunden hab, an dem ich es geschafft habe, mich von solchen Leuten abzuwenden. Was „weg“ ist, kann mir nicht mehr weh tun. Wie ich das aber aus Euren Beiträgen rauslese, so ist das ein Irrtum, denn es tut mir trotzdem weh, weil es noch da ist, noch nicht geklärt.

@Paco
Auch Dir herzlichen Dank für Deine Antwort. Ich bin begeistert, wie interessant es sein kann, Dinge aus neutralen Perspektiven zu betrachten! Wenn man die ganzen Gefühle und die Wut weg lässt, dann ist die Quintessenz genau das, was du geschrieben hast: es ist blöd gelaufen, aber die für mich richtige Reaktion auf lange Sicht wird sich dann mit der Zeit ergeben. Und das nimmt mir ein wenig von dem Druck in mir, etwas tun zu müssen.

Und Euch allen möchte ich noch sagen, dass ihr mir etwas für mich sehr wichtiges gesagt habt: dass es eine Art Energieverschwendung meinerseits ist, wenn ich so weiter mache. Dass ich meine Kräfte anderweitig sicher gut gebrauchen könnte. So habe ich das noch gar nicht gesehen! Ihr seid super!

Dankbare Grüße
Kampfgemuese
Kampfgemuese
Beiträge: 129
Registriert: 11. Mär 2010, 15:07

Re: Muss man verzeihen? (Sehr, sehr lang)

Beitrag von Kampfgemuese »

Liebe Frau Rossi,

huch, jetzt bin ich aber platt. Und ein bisserl zwiegespalten. Du schreibst, dass ich theoretisch nur das verzeihen kann, was MIR angetan wurde und was mich selbst betrifft. Darüber hatte ich noch gar nicht nachgedacht und mein erster Impuls war: logisch! Frau Rossi hat absolut Recht!

Nur, wenn man doch sieht, dass die Eltern den Partner wie Dreck behandeln, hmja… da kann ich das doch nicht so stehen lassen? Oder müsste ich das so stehen lassen, damit mein Mann sich selbst beginnt zu wehren? Meine Gedanken sind grade sehr zwiespältig, weil ich zum einen denke, dass ich meinen Partner doch unterstützen muss, wenn er selbst nicht dazu in der Lage ist. Auf der anderen Seite hast Du mit Deinem Beitrag einen Punkt getroffen, bei dem es in mir klingelt und ich mich fragen muss: kann es sein, dass ich die Wut und den Zorn, den ich da gegenüber seinen Eltern in mir habe, stellvertretend für die Wut, die ich auf MEINE Eltern habe, fühle? Weil ich mit meinen Eltern den Kontakt nunmal nicht abbrechen kann? Weil für mich früher niemand da war, der mich beschützt hat? Ach Du Schande… .

Boah, Frau Rossi, Dein Beitrag und die Aspekte, die Du mir da richtigerweise vor Augen hältst, schieben eine Menge festgefahrener Dinge in meinem Kopf durch die Gegend. Wenn sich das alles, was jetzt aufgewirbelt wird, erst mal wieder setzt – dann kann nur etwas gutes dabei rauskommen.

Finde nicht mal nen anständigen letzten Satz, also muss vorerst das reichen: DANKE!!!

Liebe Grüße
Kampfgemuese
elas
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Registriert: 12. Mär 2009, 16:50

Re: Muss man verzeihen? (Sehr, sehr lang)

Beitrag von elas »

Guten Abend Kampfgemuese,



Dein Beitrag hat mich während des ganzen Tages immer wieder mal beschäftigt, deswegen nun einen Beitrag von mir.

Ich finde, all das was Du schreibst, zeigt einfach, wie kompliziert und verstrickt die Beziehungen in Familien sein können.
Und das ohne böse Absicht und den anderen Familienmitgliedern schaden zu wollen.

In der Generationenfolge hofft und wünscht, erwünscht man sich von den Eltern, dass sie mit ihrem Leben, und dazu gehören auch die Finanzen in einer Selbständigkeit, klarkommen.

Und dann geschieht all das, wie Du es beschreibst. Die Eltern wurden zu Kindern.
Kommen nicht klar, Lügen und Intrigieren, Spielen aus, Verschweigen etc. etc.
Böser Wille _wahrscheinlich nicht.
Trotzdem_unerträglich.

Dich kann ich nur bewundern. Du hast eine Herkules_Arbeit geleistet.
Parallel auch immer Deine Erkrankung im Auge habend.
Hut ab!!!

Deine Wut, Dein Zorn, Deine Frustration und all die negativen Gefühle sind berechtigt.
Es ist eine unmögliche Situation.
Auch die Tatsache, dass sich Schwager und Schwägerin wieder brav ducken, da nebenan wohnend, und schnell wieder zur Tagesordnung übergehen wollen.

Ob Du verzeihen musst? Und so schnell?
Nein, denke ich.
Deine Empörung und all die anderen hässlichen Gefühle sind mehr als normal.
Sie haben ihre Berechtigung und müssen raus.
So schnell geht das nicht mit dem Verzeihen in solch wesentlichen Dingen.

Wären es fremde Menschen gewesen, bzw . Freunde und Bekannte, die Euch in so eine Situation gebracht hätten, dann würdet Ihr so jemanden nie wieder sehen wollen, würdet die Freundschaft kündigen, wegen Vertrauensmissbrauch.

Nun, mit den Eltern/Schwiegereltern ist es wieder schwieriger. Es sind die emotionalen Verstrickungen etc. etc.

Denn_ein kompletter Beziehungsabbruch oder jahrelanger Hass sind, so wie es Vorposter schon gesagt haben kontraproduktiv bzw. seelisch und körperlich ungesund.

Ich denke_dann, wenn Du die Kraft hast, und auch das Bedürfnis verspürst, Dich mit Deiner Schwiegermutter/ mit Deinen Schwiegereltern wieder zusammenzusetzen und alles zu bereden, dann mach es.
Nicht vorher.

Jedes Handeln hat doch eine Konseaquenz. Das ist das Normalste auf Gottes Erden.
Und Deine Schwiegereltern können Euch jetzt nicht nur anheulen, und das Köpfchen gestreichelt haben wollen, sondern, sie sind ja erwachsen und müssten sich eigentlich mit den Konsequenzen ihres Handelns konfrontieren lassen.

Hmmh, Familienberatungsstellen und Familientherapie fallen mir da schon noch ein, als vielleicht eine Hilfe.
Obwohl da ja meistens hilflose Eltern ihren entgleisten Kindern gegenüberstehen.
In diesem Fall ist es ja anders herum.
Eltern haben enormen Mist gebaut, und den Söhnen, die doch selber hart arbeiten und für eigene Familien verantwortlich sind,
Schlimmes aufgebürdet.

Ich weiß nun nicht, ob mein Beitrag hilfreich ist für Dich, Kampfgemuese.

Es ist das, was mir so durch den Kopf ging.
Wenn es nicht passen sollte, vergiss es schnell.


Herzlich
Selas
________________________________

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Kampfgemuese
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Re: Muss man verzeihen? (Sehr, sehr lang)

Beitrag von Kampfgemuese »

Guten Abend Selas,

ganz lieben Dank für die netten Zeilen, die mir sehr gut getan haben!

Das musste ich nun unbedingt noch loswerden; für heute kann ich nicht mehr schreiben, werde Dir aber morgen antworten :o)

Liebe Grüße
Kampfgemuese
Kampfgemuese
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Re: Muss man verzeihen? (Sehr, sehr lang)

Beitrag von Kampfgemuese »

Hallo Frau Rossi,

ganz kurz noch; mir ist noch etwas aufgefallen, bei Deinem Satz

„Du darfst das für dich natürlich ablehnen aber in dem du den Eltern sagst: Wie könnt ihr nur?... Änderst du nicht und das ist auch nicht produktiv.“

Das ist richtig, ein reines „Frust-Abladen“ finde ich auch sinnlos, weil es nichts bewirkt. Ich habe in meinem Eingangspost vergessen zu schreiben, dass ich meine Schwiegereltern in meinem Brief an sie außerdem sehr eindringlich darum gebeten habe, darüber nachzudenken, ob sie sich vielleicht bei ihren Kindern für das entschuldigen wollen, was sie ihnen angetan haben und sie auch darum gebeten habe, ihren Kindern nach Möglichkeit endlich einmal die Eltern zu sein, die sie so dringend brauchen. Sie haben sich tatsächlich bei ihren Söhnen entschuldigt, aber die Rolle der Eltern, die sich um ihre Kinder kümmern, und nicht umgekehrt, haben sie noch nicht gefunden.

Von daher hatte ich schon ein klares Ziel vor Augen. Aber wie gesagt, das hab ich in meinem Eingangspost nicht geschrieben, war einfach zu viel ;o)

Herzliche Grüße
Kampfgemuese
FrauRossi
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Beitrag von FrauRossi »

tomroerich
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Re: Muss man verzeihen? (Sehr, sehr lang)

Beitrag von tomroerich »

Hallo Kampfgemüse,

ich versuche mal, deine Erzählung auf einen allgemeinen Nenner herunterzubrechen:

Wir möchten alle fair und wertschätzend behandelt werden und sind ziemlich schnell schlecht auf die zu sprechen, die das nicht zu tun scheinen.

Man muss also ehrlicherweise feststellen, dass wir dazu neigen, die gewünschte Wertschätzung anderen auch zu verweigern, wenn wir empfinden, dass uns diese nicht in der gewünschten Weise behandeln. Wir fühlen uns durch die Verweigerung von Wertschätzung berechtigt, diese nun unsererseits auch zu verweigern.

Und ich glaube, dass sich hier ein sehr grundlegender Webfehler unserer Vorstellung von Wertschätzung und Fairness zeigt: Diese werden nicht bedingungslos gewährt sondern basieren eher auf einem Handel. Eine Enttäuschung lässt unseren Vorsatz, wertschätzend zu handeln, ziemlich schnell zunichte werden und wird dann durch das Gefühl ersetzt, zu Bestrafung berechtigt zu sein.

Dieser Mechanismus ist so mächtig und so tief in uns verankert, dass er sich durch gewöhnliches Nachdenken nicht beherrschen lässt. Der bewusste Entschluss, zu verzeihen, obwohl sich in uns etwas sträubt und nach Vergeltung ruft, darf keine großmütige Geste sein, die auf angemessene Strafe verzichtet - das wäre reine Arroganz. Wirkliches verzeihen übernimmt die Verantwortung für die eigenen Gefühle, die ein Ereignis ausgelöst hat und bedeutet dann:

"Du kannst mir keine Gefühle machen, sondern ich reagiere auf dich in einer Weise, die mir persönlich entspricht. Deshalb entlasse ich dich aus der Verantworung für meine Gefühle und übernehme diese jetzt selbst."

LG

Thomas
Betroffene für Betroffene

http://www.depressionsliga.de
FrauRossi
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Beitrag von FrauRossi »

Kampfgemuese
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Re: Muss man verzeihen? (Sehr, sehr lang)

Beitrag von Kampfgemuese »

Hallo Selas,

nun endlich folgt meine Antwort auf Deinen Beitrag – vielen lieben Dank dafür!

Du schreibst, dass das alles einfach zeigt, wie kompliziert und verstrickt die Beziehungen in Familien sein können. Da muss ich spontan daran denken, dass ich Familientreffen per se schon nicht mag, da ich die Spannungen, die von Person X zu Person Y und ggf. von beiden noch zu Person Z in der Luft liegen, förmlich sehen, ja mit der Hand greifen kann.

Du schreibst „Und dann geschieht all das, wie Du es beschreibst. Die Eltern wurden zu Kindern.
Kommen nicht klar, Lügen und Intrigieren, Spielen aus, Verschweigen etc. etc.
Böser Wille _wahrscheinlich nicht.“

Wenn ich darüber nachdenke, finde ich das faszinierend, dass ihr alle, die ihr mir auf meinen Beitrag geantwortet habt, davon ausgeht, dass meine Schwiegereltern nicht aus bösem Willen gehandelt haben. Und da horche ich in mich rein und frage mich, warum ich das nicht kann: davon ausgehen, dass es ohne bösen Willen geschehen ist. Ja, ich gestehe, in meinem Inneren WILLl ich aus mir unerfindlichen Gründen wohl auch glauben, dass sie alles aus Absicht getan haben, die Lügen, die Intrigen, das Ausnutzen. Ist halt schön einfach für mich und enthebt mich der Verwantwortung, darüber nachzudenken.

„Ob Du verzeihen musst? Und so schnell? Nein, denke ich. „ Danke dafür! Das ganze ist nun fast ein halbes Jahr her und „so schnell“, darauf wäre ich nicht gekommen. Es fühlt sich zwar immer noch an, als wäre es erst gestern gewesen, aber wenn ich auf den Kalender schaue, drückt mich das Datum in die Ecke „na, jetzt wird´s doch aber echt mal Zeit, warum kannst du das nicht, ist doch schon sooo lange her!?“


Ich sehe das so wie Du: wären es fremde Leute gewesen, wäre ein Kontaktabbruch unausweichlich gewesen. Da es aber die Familie ist, ist es schwieriger, und auf Dauer wohl nicht auszuhalten. Vermutlich werde ich, wenn ich irgendwann mal soweit bin und es zu einer Aussprache kommt, klare Grenzen setzen müssen. Zum Beispiel, dass ich nicht will, dass man bei Treffen nur mit mir redet und den eigenen Sohn links liegen lässt, so wie es jahrelang geschehen ist. Und dass ich sofort „Stopp“ sage, wenn wieder angefangen wird, über Person X aus der Familie zu lästern. Oder wenn wieder angefangen wird, über die „faulen Angstellten“ zu jammern, die bei einem 400 EUR-Job nicht dazu bereit sind, zwei Tage extra ohne Lohnausgleich zu arbeiten; und dass man die doch am besten kündigt. (Waaah, da krieg ich schon wieder nen Zorn, wenn ich nur dran denke…).
Ich merke schon und kann mich nur wiederholen, dass es offensichtich saubequem für mich ist, die Kontaktsperre aufrecht zu erhalten, denn da muss ich nix dafür tun *seufz*

Danke für den Tipp, erst dann auf sie zuzugehen, wenn ich mich dazu bereit fühle, nicht vorher. Auch das nimmt mir Druck, den ich mir selbst aufgebaut habe. Ich sollte mir wohl wirklich vorher Gedanken darüber machen, was genau ich von einem Gespräch erwarte und wie es in Zukunft weiter gehen soll, damit wir alle damit leben können. So wie früher wird es auf jeden Fall nie wiede sein (das wäre in Anbetracht dessen, was passiert ist, auch nicht wünschenswert, haha), was kaputt ist, ist kaputt.

Was ich momentan wirklich als akut empfinde ist die dauernde Anruferei und das, so sehe ich das, unter Druck setzen meines Mannes. Doch da muss ich glaub ich denken: er ist selbst erwachsen, er muss selbst seine Grenzen setzen, wenn es ihm zuviel ist. (Nur leider hab ich das Gefühl, dass sie damit nicht nur ihn, sondern auch unsere Beziehung unter Druck setzen).

Danke auch für den Tipp mit den Familienberatungsstellen, da hab ich noch gar nicht dran gedacht! Ohne das jetzt negativ bewerten zu wollen, weil ich die Idee nämlich wirklich gut finde – kann ich mir nicht vorstellen, dass es tatsächlich etwas bringt, weil die Familie meines Mannes zum einen nicht unbedingt die gesprächigste ist, was Probleme angeht, und ich mich zum anderen sehr gut daran erinnere, was man mir zum Thema „Angebotseinholung von anderen Verwaltern“ gesagt hat: „Du hast unsere Probleme im ganzen Ort breitgetreten, Du hast uns an einen Pranger gestellt, wir können nicht mehr auf die Straße gehen! Wie konntest Du bei der Angebotseinholung nur schreiben, dass es finanzielle Probleme gibt? Das ist, als würde man Leuten, die schon am Boden liegen, nochmal nachtreten! Wir könnten uns ja gleich vor den Zug werfen!“. Zur Schuldnerberatung wollten sie auch nicht, haben nicht mal angerufen, mit der Begründung „Die haben ja eh keine Zeit“, und „Weißt Du, wie lange die Wartezeiten da sind!“, und „Selbst die, die behaupten, sie wären kostenlos, nehmen doch Geld!“

Ich denke, das Verhalten meiner Schwiegereltern ist sehr, sehr schambesetzt. Und lieber sind die andren dran Schuld als sie selbst. (Was nicht heißt, dass ich mir den Schuh nicht auch gern anzieh..).

A propos „schambesetzt“… ich schäme mich auch, Euch mit diesem Thema so sehr in Anspruch zu nehmen :o( Jaaa, ich weiß, es steht jedem frei, sich damit zu beschäftigten und zu antworten, aber trotzdem… ist unangenehm, obwohl es mir sehr, sehr gut tut, alles mal rauslassen zu können und Euer Feedback zu bekommen. DANKE!!

Herzliche Grüße

Kampfgemuese
elas
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Registriert: 12. Mär 2009, 16:50

Re: Muss man verzeihen? (Sehr, sehr lang)

Beitrag von elas »

Guten Morgen Kampfgemuese,

na, schämen musst Du Dich ganz gewiss nicht, wenn Du hier ausführlich ein nun in der Tat komplexes Problem erörrterst/darstellst.
Manches lässt sich eben nicht in 2 Sätzen erklären.
Und Du möchtest ja Antworten haben, die auch Hand und Fuß haben, also ist eine differenzierte Darstellung richtig.

Mich hat es nicht belastet und ich hab Dir gern geantwortet. Auch jetzt Dein letztes Posting, es ist ja noch viel verzwackter, als ich es dachte.
Da Deine Schwiegereltern Dir jetzt auch noch den Schwarzen Peter zuschieben wollen, indem sie Dir Vorwürfe machen.
Hackts bei denen?

Mir kommt es wirklich so vor, dass sie für ihre Misere keine Verantgwortung übernehmen wollen, es zeigt sich auch in ihrer "Bettelei", Du und Dein Mann, ihr mögt doch bitte endlich wieder gut mit ihnen sein.

Wenn sie Euch mal wieder am Telefon diesbezüglich plagen, dann kannst Du denen ja ganz klar sagen, dass Du einfach noch Zeit brauchst.
Das Ganze sei ja heavy und Du müsstest es erst einmal verarbeiten.

Und Du musst in erstetr Linie eine Lösung finden, die Dir innerlich gut tut. Denn Deine Schwiegereltern sind ja Menschen, denen Du nicht komplett aus dem Weg gehen kannst.
Und gute Lösungen brauchen eben auch Zeit.

Dir wünsche ich von Herzen gute Lösungen.
Bleib stark, und vielleicht geh doch mal alleine für ein paar Beratungen in eine Familienberatung. Die geben oft ganz gute Anstöße.

Herzlich
Selas
________________________________

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Lebensringe sind auch Themenringe
Eva-M
Beiträge: 105
Registriert: 10. Jul 2011, 21:35

Re: Muss man verzeihen? (Sehr, sehr lang)

Beitrag von Eva-M »

Hallo Kampfgemüse,

ich habe das alles hier gelesen und mir sind ein paar Dinge dazu eingefallen. Ich möchte aber erstmal einen Teil meiner Geschichte erzählen.

Meine Eltern haben ihr eigenes Geschäft gegründet als ich ca 9 oder 10 Jahre alt war. Als ich 13 war haben sie noch ein zweites dazu gekauft. Alles mit Kredit finanziert (soweit ich weiß, sie haben mich aus den finanziellen Dingen immer rausgehalten). Das Ladengeschäft war 50km von unserem Wohnort entfernt, also auch immer 2 Std Fahrzeit am Tag.

Meine Oma hat bei uns im Haus gewohnt und im Haushalt geholfen, während mein Vater im Außendienst oder im Laden war und meine Mutter die Büroarbeit gemacht hat. Es war meine Oma die mir die Tür aufgemacht hat wenn ich aus der Schule gekommen bin und sie hat das Essen auf den Tisch gestellt. Je älter meine Oma wurde und je weniger sie im Haushalt machen konnte, desto mehr habe ich übernommen. Was hätt ich auch anderes machen sollen wenn ich keine Klamotten mehr im Schrank hatte, außer zu bügeln?

Meine Mutter war zwar meisten zu Hause wenn ich zu Hause war, aber Zeit hatte sie keine für mich. Meinen Vater habe ich meistens nur Sonntags zum Mittagessen gesehen. Geredet wurde in unserer Familie sowieso nie viel. Außer wenn meine Eltern sich stritten.

Als meine Oma dann bettlägerig wurde war ich 20 Jahre und gerade am Ende meiner Ausbildung bzw. habe danach Vollzeit gearbeitet. Wir haben meine Oma zu Hause gepflegt bis zu ihrem Tod (inkl waschen, wickeln und füttern). Wir haben nicht miteinander geredet. Wir haben einfach nur noch funktioniert. Die Wäsche habe ich zum waschen zu meiner anderen Oma gefahren.

Nach dem Tod meiner Oma ist jeder von uns seinen eigenen Weg gegangen. Die einzigen die mich gefragt haben wie es MIR geht war meine beste Freundin und mein Tanzlehrer.
Meiner Eltern waren zu sehr mit sich selbst und dem Geschäft beschäftigt. Dummerweise hatte meine Mutter schon früher dafür gesorgt das sich niemand in unsere Angelegenheiten einmischt. Dementsprechend ist auch keiner aus der Verwandtschaft auf die Idee gekommen mir zu helfen. Ich hatte gelernt das man nicht nach Hilfe fragt. Das würde ja bedeuten das man zugeben muss es nicht alleine zu schaffen.

Ein paar Jahre später mussten sie das Geschäft zumachen weil die Bank den Geldhahn zugedreht hat.

Ich habe inzwischen verstanden das meine Eltern das für mich getan haben was sie konnten, aber es war halt leider nicht das was ich als Kind/Jugendliche gebraucht hätte. Aber sie hätten nur bedingt etwas daran ändern können.

Meine Mutter ist auch nur ein Opfer ihrer eigenen Mutter. Sie konnte es ihr wohl nie recht machen. Meine Oma hat immer ihren Sohn bevorzugt. Aber die Frau hat zwei Weltkriege mit- und überlebt. Und nach dem Krieg gab es wichtigeres als Psychotherapie.


Ich denke, wenn man bedenkt das ältere Generationen noch andere Vorstellungen und Möglichkeiten hatten als wir heutzutage, wird es leichter nachzuvollziehen warum sie so handeln und nicht anders.

Ich hoffe ihr versteht was ich meine.

Grüße Eva
PerryRhodan
Beiträge: 329
Registriert: 9. Apr 2011, 14:14
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Re: Muss man verzeihen? (Sehr, sehr lang) - Antwort auch!

Beitrag von PerryRhodan »

Hallo Kapfgemüse!

[Frau Rossi]:
Hass ist nicht das Gegenteil von Liebe. Der Gegenteil von Liebe ist Angst. Hass entsteht durch Angst. Ich kann jemanden hassen, den ich liebe. Weil er so ist wie ich bin, ich diesen Teil von mir aber ablehne, z.B. Unehrlichkeit.

Zudem stimme ich Frau Rossi vollkommen überein:Es ist das Problem der Schwiegereltern, welches diese tragen müssen. Ihr könnt ihnen nichtfinanzierend unter die Arme greifen, aber nur solange sie euch nicht weitere Probleme verheimlichen oder euch belügen. Dann muss sofort damit Schluss sein! So wie du es beschreibst, hört sich das an als wären die Schwiegereltern "Spielsüchtig"!!! Das heisst es besteht eine akute Abhängigkeitsgefahr.

> Ich kann auch verstehen, was du sagst: weg aus meinem Leben dann können sie mir nicht mehr schaden.
Das halte ich im diesem Fall für grundlegend. Nur durch eine Trennung und zwar in Form einer Distanzierung kann hier helfen nicht weiter in den Sog der Schwiegereltern und deren selbstverschuldeten Finanziellen Not zu geraten!

Und du wirst beständig und immer mehr in dieses Schema dieser Familie hineingezogen! Dein Mann kann nicht mehr und so musst du dieses Situation retten, die von den Schwiegerelter verursacht wurde und weiter verschlimmert wird.

Wenn dein Mann nicht mehr reagieren, sondern nur noch agieren kann, und damit dich zum reagieren nötigt, so muss er auch mit deinem Tun und Handeln zufrieden sein. Sonst kann der Rettungsweg von dir und deinem Mann nicht funktionieren. Es geht hier NICHT um die Finanzen der Schwiegereltern!

Dein Mann muss dir gegenüber alles offenlegen. Ansonsten besteht die Gefahr, das er das Verhalten seiner Eltern auf dich und die Kinder weiter überträgt!!!

Ich würde mit einem Rechtsbeistand, bzw. rechtlicher Beratung im Hintergrund folgendes Tun:
- Du und dein Mann getrennte Veranlagung! Dein Ehemann trägt alle aufgenommenen Kredite, die er für die Schwiegereltern und daraus resultieren aufgenommen hat! Denn es geht hier um DICH! Ansonsten bleibt hier nur die Scheidung, wobei auch wieder der Mann diese Schulden trägt.
- Ist die Wohnung auch allein auf deinen Mann überschrieben. Er muss alleine im Grundbuch stehen. Es dürfen keine Hypotheken der Eltern darauf laufen! Ist die Wohnung schuldenfrei und die Schwiegereltern sind rechtlich nicht mehr daran beteiligt, wäre es besser dein Mann überschreibt die Wohnung an Dich.
- Alle Kredite für die Schwiegereltern müssen auf diese überschrieben werden!
- Keine Bürgschaften für die Schwiegereltern ausüben!
- Prüfen: Kinder haften nicht für die Schulden ihrer Eltern! Wie sieht es mit weiteren anderswärtigen Haftungen und sozialen Pflichten aus?

Also:
1. Es geht um DEINE finanzielle Sicherheit und die der eigenen Kinder!
1. Dein Mann und du müsst alle gegenseitigen finanziellen Verpflichtungen voneinander wissen. Aufschub gilt nicht!
2. DieVerbindlichkeiten zwischen den Schwiegereltern und euch müssen aufgelöst werden. Notfalls die Schulden auf andere verkaufen oder übertragen!
3. Wie sieht es mit der Rücklagenbildung für das gemeinsame Haus aus? Nur eine Konto führen, bei dem jeder bei Entnahme gegenseitig unterschreiben muss. Die Pfändung von gemeinsamen Rücklagen ist eigentlich nicht rechtens, aber wenn keine Absicherungen vorgenommen werden leider möglich… Da wir das Geld von Dir mitempfändet, hä? Unterbinden!

> Doch die Frage am Ende bleibt: muss ich um das Seelenheil meines Mannes zuliebe verzeihen?
Nein! Ich bin der Meinung es ist der falsche Ansatz. Denn für das Seelenheil deines Mannes ist dieser selbst zuständig. Ich kann das Seelenheil eines anderen nicht retten, wenn ich alles dafür tue, um die Situation nicht zu bereinigen. Aus Liebe schon gar nicht, denn Liebe beruht darauf das ich dem anderen verzeihe und nicht das ich ihm Verzeihen muss, um ihn zu lieben! Es wäre als der falsche und unehrliche Ansatz. - Also, warum solltest du deinem Mann zu Liebe verzeihen, du hast das schon längst getan, in dem du mit trägst, was er getan hat? Verzeihen hat auch nichts damit zu tun, um meine Liebe und meine Beziehung zu bestätigen. Denn die Beziehung beruht auf Vertrauen.
Wenn dein Mann dich ständig im Vertrauen betrügt, auch viele kleine Kredite machen eine grosse Summe, die zur Überschuldung führt, dann musst du daraus deine Konsequenzen ziehen. Ob du ihn liebst oder nicht.
Erst wenn die Abhängigkeit konsequent von deinem Mann zu deinen Schwiegereltern gelöst wird und Distanz eingeführt wird, kann ich verzeihen.
Es gibt mehrere Beziehungen, über die du dir klar wären musst.

1. Es geht in erster Linie um DICH und deine Kinder, die Bezeigung zw. Dir und ihnen. Also auch die finanzielle Absicherung. -> Abhängigkeiten lösen, indem ihr die finanziellen Schulden komplett auf die deines Mannes übertragt.
2. Dann geht es um die Beziehung zwischen dir und deinem Mann. Darin haben die Schwiegereltern nichts verloren! Sie sind immer noch die Eltern und er das Kind! Kinder können für ihre Eltern sorgen, wenn sie es für sich selbst tun. Die Schulden und Probleme seiner Eltern dürfen nicht eure werden!
-> Abhängigkeiten lösen. Dein Mann muss seine finanziellen Schulden zurück an die Eltern übertragen. Denn es droht eine Überschuldung, Insolvenz.
3. "Bei der Versammlung mussten wir uns von den Eltern sagen lassen: „Wir waren fest davon überzeugt, dass ihr heute mit der Polizei hier steht und uns verhaften lasst!“
-> liegt hier eine verschleppte Insolvenz in der Luft???
4. Die Beziehung der Schwiegereltern gehen euch, also insbesondere deine Mann nichts an!
5. Die Beziehung deines Mannes und die der Geschwister, insbesondere die offenen Finanzstrukturen müssen geklärt und gelöst werden. Die Beziehung zwischen deinem Mann und dir gehen dich ansonsten nichts an.
6. Das Beziehungsgeflecht zwischen den Geschwistern gehen auch nichts an.

Ich glaube ihr könnt euch in einer Familienaufstellung, am besten ohne die Eltern, schnell über die Abhängigkeiten und dem gegenseitigen Ausspielen durch die Eltern schnell über die Strukturen und Funktionen bewusst werden!

> Das Ende vom Lied und von den erwähnten 5 Wochen war, dass wir eine Eigentümerversammlung anberaumten (deren Einberufung ich vom Vater fordern musste, deren Tagesordnungspunkte ich vorschlagen musste, deren Protokollführung ich übernahm, usw, usf), in der wir den Vater meines Mannes seines Amtes enthoben und einen externen Verwalter einberiefen. (Was auch gar nicht so einfach war, wie es sich so in einem Satz geschrieben anhören mag, mit DEM Hintergrund). Außerdem formulierte ich einen privaten Darlehensvertrag, der für den „Beerdigungs-Kredit“ schon längst überfällig war.
Richtig so, das ist der richtige Weg! Ihr seid auf der Forderungsseite, die Eltern auf der Schuldnerseite. Die Schwiegereltern sind nicht die Opfer, sie sind die Täter. Sie machen deinen Mann dir gegenüber zum Täter. Sie machen die Geschwistern zu Tätern untereinander!!!
Alles schriftlich. Alles Protokollieren und die Parteien unterschreiben lassen. Wenn ihr schon die Schuldenbelastung übernehmt, dann müssen sich die Schwiegereltern euch gegenüber offenbaren. Ansonsten ist die Konsequent, dass ihr - nach dem ihr eure eigene finanzielle Probleme und Abhängigkeiten gelöst habt - den Schwiegereltern keinen Euro leiht. Hilfe anbietet, wenn ihr wollt…

Euer Weg mit aus der Depression. Und das von Thomas ausdrucken und an die Wand hängen, damit ihr beide es jeden Tag seht.

Achso liebe Schwiegereltern, werdet endlich erwachsen und löst eure Prbleme selbst

Gruss,
PR
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"Wozu ist das?" "Das ist blaues Licht." "Und was macht es?" "Es leuchtet blau."
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