Sich liebevoll ermutigen oder den inneren Schweinehund überwinden?

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FönX
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Sich liebevoll ermutigen oder den inneren Schweinehund überwinden?

Beitrag von FönX »

Hallo in die Runde,

ich möchte nur ein Thema zur Diskussion stellen, das mich selbst angeht. Durch die teilweise eiserne Disziplin meines Vaters und seinen Umgang mit sich selbst und mit anderen insbesondere mit mir bekommt die Selbstmotivation eine weitere neue Färbung.

Ich habe mich bei einem unangenehmen Termin in dieser Woche beobachtet, dass ich eher dazu neige, mich mit sachlichen Begründungen "zu überwinden" oder zu überreden, den Termin nicht zu schieben, sondern wahrzunehmen. Darüber sprach ich auch mit der Thera am Donnerstag.

Bei einem gestellten Gespräch mit mir selbst (in verschiedenen Rollen) vor einigen Wochen unter therapeutischer Anleitung merkte ich, dass es mir viel leichter fällt, so einen Entschluss zu fassen, wenn ich mir selbst gegenüber liebevolles Verständnis signalisiere. Ich weiß nicht, ob rüberkommt, was ich meine. Ich gebe mal ein Beispiel:

Selbstgespräch mit reiner Überwindung:
Ich habe Angst vor dem Termin
Termin ist aber wichtig
Habe trotzdem Angst, kann ich Termin nicht verschieben?
Ja, aber dann hast du morgen oder übermorgen die gleiche Angst.
OK, bringen wir es hinter uns und "beißen rein"!

Selbstgespräch mit liebevollem Verständnis:
Ich habe Angst vor dem Termin.
Was macht dir Angst?
Weiß nicht, unbekannte Personen, unbekannte Umgebung, weiß nicht, wie die Leute reagieren.
Aha, und was macht dir daran Angst?
Weiß nicht.
Was hast du bei den letzten Terminen erlebt, vor denen du Angst gehabt hast?
War alles halb so schlimm.
Könnte das heute auch so werden?
Warum nicht?
Na also, was meinst du? Sollen wir? Nur Mut!

Das war jetzt sehr stark vereinfacht, dafür aber eher anschaulich. Was haltet ihr davon? Könnt ihr liebevoll mit euch umgehen? Oder tretet ihr euch eher in den Hintern? Habt ihr den liebevollen Dialog üben müssen? Wie lange?

Liebe Grüße
FönX

Bei riesigen Nebenwirkungen essen Sie die Packungsbeilage oder schlagen Sie Ihren Arzt oder Apotheker.
La_crimosa
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Re: Sich liebevoll ermutigen oder den inneren Schweinehund überwinden?

Beitrag von La_crimosa »

Hallo FönX!
Danke für Deinen Thread!

Liebevolles ermutigen...

Ich führe oft "innere Dialoge" in der Art, die Du geschildert hast. Stelle dabei aber immer wieder fest, dass mir gerade das "liebevolle" schwer fällt.

Oftmals denke ich, wenn ich mich nicht "in den Hintern treten würde" und die Ängste einfach ignorieren würde, hätte ich so manche Hürde nicht genommen, sondern hätte mir "liebevoll" den Rückzug erlaubt...

Ich stehe da in einem Zwiespalt. Und vielleicht ist es ein Ausprobieren. Und vielleicht ist es ja auch möglich, sich liebevoll "in den Hintern zu treten"?! Die Frage der Überwindung?!

Ein interessantes Thema für mich, in meiner (momentanen) Situation...

Grüßlinge,
Susanne
wennfrid
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Registriert: 15. Feb 2010, 08:01

Re: Sich liebevoll ermutigen oder den inneren Schweinehund überwinden?

Beitrag von wennfrid »

Hi FönX
Mir geht es ähnlich, so wie du dich verhältst. Ich versuche, die Depression zu überwinden. Dies kostet mich sehr viel Energie, aber hinterher bin ich über mein Verhalten froh. Ich glaube, hier gibt es keine Art von Regelung, sondern jeder sollte sich nach seinem Bauchgefühl verhalten.
Viel Kraft und Energie

Fridolin
FrauRossi
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Registriert: 2. Jul 2011, 11:23

Re: Sich liebevoll ermutigen oder den inneren Schweinehund überwinden?

Beitrag von FrauRossi »

Hallo Fönx,

Gute Idee, gerade weil ich daß mit dem liebevoll mit mir selbst nicht gut mache.

Ich gehöre mehr zu Kategorie: mir selbst in den Hintern treten. Aber das klappt ja nicht mehr.

Also werd ich es jetzt mal so probieren wie du sagst. Wie's läuft schreib ich dann.

LG FrauRossi
La_crimosa
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Re: Sich liebevoll ermutigen oder den inneren Schweinehund überwinden?

Beitrag von La_crimosa »

Hallo nochmals...

... ein wenig weiter gedacht...

Für mich steckt in dem "liebvollen" Umgang auch ein Ernst-nehmen: ein Wahrnehmen und Ernst-nehmen meiner eigener Person, meiner Befindlichkeit, meiner Ängste und Widerstände.

Beim "in den Hintern treten" übergehe ich meine Gefühle.

Trotzdem braucht es das manchmal, oder?

Gruß,
Susanne
La_crimosa
Beiträge: 468
Registriert: 28. Mär 2010, 22:05

Re: Sich liebevoll ermutigen oder den inneren Schweinehund überwinden?

Beitrag von La_crimosa »

Hallo Fridolin!
Klar gibt es keine "allgemeingültigen Regeln" - nur ein Austausch über die unterschiedlichen Wirklichkeiten...

Wenn ich mich immer auf mein Bauchgefühl verlassen würde, wäre käme ich nicht mehr aus dem Bett!
Die Frage ist doch: wer "regiert" das Bauchgefühl gerade. Und da ist ein liebevolles Nachfragen und Verstehen vielleicht ganz hilfreich: "wer" (welcher Gedanke/welche Stimme ect.) macht gerade das Gefühl. Was sind die begleitenden Gedanken?

Und dann kommt - finde ich - das Spannende: wie gehe ich dann liebevoll damit um? Kann ich beispielsweise meine Angst dann auch mal "zur Seite bitten" und ihr sagen, dass sie in dieser Situation "unnötig" ist. Ihr danken, dass sie mich bestimmt schon vor einigem geschützt hat. Ich (auf sie) aufpassen werde und mit ihr später nochmal in einen Dialog trete... usw.

Ich ignoriere meine Ängste lieber und zwinge mich "da durch" zu müssen. (Aus der Erfahrung, dass es hinterher dann doch gar nicht so schlimm wie befürchtet war... Aber manchmal auch mit der Erfahrung, dass es genau so schlimm wie befürchtet war...)

Wilde, unausgegorene Gedanken...
von einer
Susanne
32168
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Re: Sich liebevoll ermutigen oder den inneren Schweinehund überwinden?

Beitrag von 32168 »

hallo in die runde!

das liebevole mit mir selbst umgehen muß ich auch noch üben...ich erwarte von mir immer 100%. und wenn ich dann in schlechten phasen wie jetzt (und nicht so leistungsfähig bin), versuche ich´s imer mit der popotrittmethode.

auch fällt es mir dann schwer, fortschritte positiv zu bewerten. eigentlich müßte ich mich freuen, wenn ich wieder den ganzen tag aktiv war, nicht viel gegrübelt habe und dann
abends müde ins bett falle.

aber ich sehe meine "topform" immer als selbstverständlich und kann mir schwächen sehr schwer zugestehen.

grüße,
hope
maribo
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Registriert: 10. Nov 2010, 00:24

Re: Sich liebevoll ermutigen oder den inneren Schweinehund überwinden?

Beitrag von maribo »


Hallo FönX,

Wenn ich solche Worte wie: __eiserne Disziplin, Müssen o.ä.__ höre/lese, hab ich gleich ´nen dicken Stein im Magen….
Ich spüre totale Abwehr und Blockaden in mir.
Das mit dem Tritt in den Allerwertesten, ist bei mir irgendwie schon lange wirkungslos,
macht mir eigentlich nur noch mehr Druck, den ich nicht aushalten kann/möchte.

Ich halte es eher mit der__ "liebevollen" __ "mich überzeugen/beruhigen" __Methode.
Und da beginnen auch schon die Probleme….
Oft ist die Barriere sehr hoch, ich bin völlig blockiert von meinen Ängsten und Vorstellungen eines vor mir liegenden Ereignisses
(ob nun erfreulicher oder weniger erfreulicher Natur), dass ich, für mich gefühlt:___ eine Ewigkeit brauche,
ehe sich mein Kopf/Verstand einschaltet und ich dieses __ liebevolle, Klarheit bringende Zwiegespräch__, mit mir führen kann.
Wenn ich das geschafft/überwunden habe, geht es meist leichter, die dunklen Ahnungen/Wolken sind ausgeblendet, und ich schaue gelassener auf das, was auf mich zu kommt.

Habt ihr den liebevollen Dialog üben müssen? Wie lange?

Mir ist erst so nach und nach // mit dem ständig wachsenden Verstehen dieser Krankheit // klar geworden, dass ich mich ja selber beeinflussen kann, mit meinen Gedanken, ob nun negativ oder positiv. Besser natürlich POSITIV
Und ich bin froh, dass ich das inzwischen "begriffen" habe, und ich weiß auch,
dass mir noch ein langer Weg des "Übens" bevor steht.

Am schönsten ist das Gefühl des Erfolges/Selbstvertrauens für mich, wenn ich ein Treffen oder einen Termin hinter mir habe,
und ich die nächsten Tage " in der Spur " bleibe, ich nicht abstürze.
Aber man/ich kann es schaffen, so wie du und viele andere hier, das gibt mir ZUVERSICHT….
Liebe Grüße __ maribo
______________________________
*ICH MUSS NICHT - ABER - ICH KANN*
Antiope
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Re: Sich liebevoll ermutigen oder den inneren Schweinehund überwinden?

Beitrag von Antiope »

Für mich ist der "innere Schweinehund" jemand, der mich auf etwas aufmerksam machen will. Inzwischen kenne ich ihn gut genug, dass dann, wenn er partout nicht will, einfach nichts draus wird.
Um ihn manchmal zum Mitmachen zu bewegen, ist diese liebevolle Umgehensweise als einziges geeignet.
Sonst würde es so ausgehen: Druck erzeugt Gegendruck. Da mein Schweinehund einen antrainierten Stiernacken hat, kann er allerhand aushalten.
FönX
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Re: Sich liebevoll ermutigen oder den inneren Schweinehund überwinden?

Beitrag von FönX »

Hallo Ihr Lieben,

ich bin ziemlich erschöpft von den Ereignissen des Tages, wenn auch positiv überrascht über den Verlauf dieses Fadens. Ich werde morgen alles durchlesen.

Liebe Grüße
FönX

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anna54
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Re: Sich liebevoll ermutigen oder den inneren Schweinehund überwinden?

Beitrag von anna54 »

Hallo zusammen

ich bin eindeutig für den liebevollen Umgang mit mir selbst.
Viel erinnert mich an meinem Verhalten,an ein ängstliches Kindverhalten.
Ich habe Lebenserfahrung verloren,das kann ich nicht erzwingen,wieder sicher zu sein.
Bei mir ist die Belohnung nach einer großen Überwindung und Anstrengung wichtig.

Ich gebe den kleinen Überwindungen genug Wichtigkeit,ich mache es nicht klein.
Nur bei genügend Bewegung draußen überwinde ich jedes Nichtwollen und Nichtkönnen,aber dann "fluche" und "schimpfe"ich mit meiner Langsamkeit.
anna54
FönX
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Re: Sich liebevoll ermutigen oder den inneren Schweinehund überwinden?

Beitrag von FönX »

Also, ich denke auch, es ist besser, Verständnis gegenüber sich selbst für irgendwelche Ängste aufzubringen. Wie ich weiter oben schrieb, mag sich an der Notwendigkeit für einen Termin, der mir Angst oder Unbehagen bereitet, nichts ändern. Aber wenn ich im inneren Dialog Verständnis zeige, sinkt die negative Anspannung, und ich sehe es gelassener. Denn aus vielen Erfahrungen weiß ich ja, dass die Angst allermeistens unbegründet ist. Im Sinne von "Nichts ist so schlimm wie die Angst davor.".

Fazit für mich: Ich muss meinen inneren Dialog verstärken und mir gegenüber liebevolles Verständnis aufbringen. So ermutige ich mich nachhaltig, auch wieder schwierigere Situationen zu meistern.

Liebe Grüße
FönX

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Schwert10
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Registriert: 9. Mär 2011, 15:50

Re: Sich liebevoll ermutigen oder den inneren Schweinehund überwinden?

Beitrag von Schwert10 »

Ich bin auch für liebevolles Verständnis, solange es nicht dazu führt, alles Mögliche einfach nicht zu tun. Sich selbst zu ermutigen oder zu überzeugen ist bestimmt förderlicher als Selbstzwang. Der hat uns zum Teil ja direkt in die Depression geführt.
Andererseits sind wir auch ganz normale Menschen, die gelegentlich zu bequem oder unwillig sind, ohne daß etwas Dramatisches dahintersteckt. Wir können auch faule Ausreden!
Mein Innerer Schweinehund ist ein ganz lieber, sehr dickköpfiger Gefährte. Er will eben manchmal auch mit mir Gassi gehen, also ab und zu mal entspannt für eine Weile seinen Wünschen nachgeben! Wenn er müde ist, können wir uns aufraffen, zu tun was nötig ist!

@ maribo
Und ob ich den liebevollen Dialog üben muß! Sich fertigmachen geht von allein (bin ich blöd wie kann man sich nur so anstellenpaß doch auf ich Dussel.......).Gar nicht so einfach, da noch ein liebevolles Wort dazwischenzukriegen! Man muß erst mal merken, daß man so mit sich selbst redet, aber dann kann man seinem Inneren Kritiker sagen, er soll die Klappe halten und bewußt was Nettes zu sich selbst sagen. Wie lange? Keine Ahnung, ich sage seit 30 Jahren oder länger gehässiges Zeug zu mir, die Nettigkeiten setzen sich nur langsam durch. Ich kann nur sagen: "Paß auf, was du sagst!" ,hihi
Das Leben ist wertvoll

ob es nun strahlend ist wie ein diamant

oder dunkel wie kohle

beide sind aus demselben stoff.
aquamarin
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Registriert: 2. Jul 2011, 19:14

Re: Sich liebevoll ermutigen oder den inneren Schweinehund überwinden?

Beitrag von aquamarin »

Ein allgemeines Wort vorweg: Es tut gut zu lesen, dass nicht nur ich mich mit bestimmten Prozessen "herumschlage", sondern dass ich mich in euren Fragen und Diskussionen wiederfinde...

Mir selbst fehlt ein liebevoller Umgang mit mir selbst. Ich bin streng und unnachgiebig und will also die Bockigkeit des Schweinehundes mit Macht überwinden - ich trete ihm in den Hintern. Und ich glaube, dass das manchmal auch notwendig ist, denn er hat mit seiner Bockigkeit und seinen Unlustgefühlen nicht immer Recht. Viele Dinge hätte ich nicht geschafft und würde ich heute nicht schaffen, wenn ich nicht mit dem Verstand den "Gegen-Gefühlen" im Inneren Einhalt geboten hätte.

Nur war es wohl bei mir zuviel des Verstandes. Denn der wenig liebevolle Umgang mit mir hat mich von mir selbst entfernt. Suse hat es oben beschrieben, ein liebevoller Umgang mit sich selbst hat etwas damit zu tun, sich selbst ernst und wichtig zu nehmen. Etwas, das zumindest ich nicht gelernt habe.

Ist die Balance zwischen beidem das "Erfolgsrezept"?

aquamarin
Antiope
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Registriert: 10. Jan 2011, 21:38

Re: Sich liebevoll ermutigen oder den inneren Schweinehund überwinden?

Beitrag von Antiope »

Für mich ist die Frage, was denn die Bockigkeit oder die Unlustgefühle hervorgerufen hat oder was sie in Wirklichkeit wollen?

Oh ja, man kann sehr wohl fesseln und knebeln und prügeln - aber verliert man dann nicht die Achtung vor sich selbst?
Wenn ich einen Teil von mir als "bockig", "häßlich" usw tituliere, wie geht es dann dem anderen Teil?

Wenn also der Schweinehund gerade keine Lust auf "Spazierengehen" hat - mhm, werde ich ihn dann mit "Du sch..blöder Kerl" beschimpfen oder einfach nur wissen wollen: "mannmannmann, warum nicht? Welchen Grund hast Du?" Wenn "zu kalt", dann Jacke an. Wenn "Regen!!!", dann Matschstiefel an.
Kein Bock, etwas zu tun? Wird einen Grund dafür geben - und wenn ich das weiß, wird der Grund vielleicht weniger kriegsentscheidend.
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