Sinnfrage

Antworten
turbo
Beiträge: 21
Registriert: 13. Jan 2010, 21:07

Sinnfrage

Beitrag von turbo »

Hallo Zusammen,

ich bin neu hier, noch etwas nervös, aber ich fange einfach mal an.
Habe gerade meine erste depressive Phase - hoffentlich - hinter mir, dauerte rund 6 Monate. Mit Therapie und Valdoxan ging es.

Es würde mir mein Leben leichter machen, wenn ich für mich die Frage nach dem Sinn meines Lebens klären könnte.
Wie geht es Euch diesbezüglich?

Viele Grüße
Umba
Babi
Beiträge: 1963
Registriert: 23. Jul 2009, 17:07

Re: Sinnfrage

Beitrag von Babi »

Hi umba,
diese Frage stelle ich mir auch immer wieder.
Warum lebe ich, warum bin ich geboren, wenn ich doch nur leiden muß?
Darauf muß jeder selbst eine Antwort finden, denn jeder denkt anders darüber.
Ich habe bisher geglaubt, der Sinn meines Lebens ist es, meinen Sohn großzuziehen und dafür zu sorgen, daß er nie so große Probleme hat wie ich, sondern in einem Elternhaus voll Liebe und Wärme aufwächst und das habe ich auch geschafft, auch wenn ich das allein bewältigen mußte ohne Partner.
Aber jetzt wird mein Sohn bald zu seinem Dad ziehen und die Frage ist verstärkt wieder bei mir aufgetaucht.
ABer ich tue mir sehr schwer, eine Antwort zu finden.
Liebe Grüße Babi
Man sieht nur mit dem Herzen gut, das wesentliche ist für das Auge unsichtbar
(Exupery)
:) ;)
bradforhelp
Beiträge: 344
Registriert: 11. Nov 2009, 13:55

Re: Sinnfrage

Beitrag von bradforhelp »

Ich denke, die Sinnfrage ist nicht nur eine existentielle Frage, sondern auch eine philosophische und vielleicht schließt sich auch ein Kreis.

Das Leben ist ja mehr als nur Leid zu erfahren, auch wenn einem das manchmal anders vorkommt.
Immer wenn ich mich aus einer schlimmen Phase erholt habe, denke ich, ich sollte dauerhafter dankbar und vielleicht auch demütig (altes Wort sein.
Zu diesem Thema könnte ich viel theoretisieren.

Ich freue mich, dass meine Kinder ihren Weg gehen.

brad
"In den Tiefen des Winters erfuhr ich schließlich, dass in mir ein unbesiegbarer Sommer liegt."

Albert Camus
turbo
Beiträge: 21
Registriert: 13. Jan 2010, 21:07

Re: Sinnfrage

Beitrag von turbo »

Hi Babi,

vielleicht mache ich mit Thema auch ein zu großes Fass auf?
Es geht mir auch einfach mal darum zu erfahren, wo Ihr für Euch so ansetzt?
In einer sinnvollen Tätigkeit? Oder in einer sinnhaften Denkweise?
Ich finde es verdammt schwer, überhaupt einen Ansatz zu finden.

Viele Grüße!
Umba
turbo
Beiträge: 21
Registriert: 13. Jan 2010, 21:07

Re: Sinnfrage

Beitrag von turbo »

Hallo Brad,

was meinst Du mit "Kreis schliessen"?

Viele Grüße
Umba
kormoran
Beiträge: 3276
Registriert: 29. Mai 2007, 21:56

Re: Sinnfrage

Beitrag von kormoran »

hallo umba,

willkommen im forum!

oh, die vermaledeite frage nach dem sinn.
stellt sie, wer gesund ist, überhaupt?
und ehrlich: würde es dir das leben wirklich erleichtern, den sinn zu kennen? das könnte ja erst recht verstörend sein, stell dir vor, dieser sinn widerspräche deiner vorstellung vom leben ganz und gar ...

es hat zu dieser frage hier mal einen sehr langen thread gegeben. in den späteren phasen gab es darin sehr spannende postings.

hier für dich ausgegraben:
http://www.kompetenznetz-depression.de/ ... 1193161414

nicht abschrecken lassen! du musst ja nicht alles lesen, aber ein bisschen blättern bringt vielleicht ein paar gute gedanken.

lieber gruß
kormoranin
 http://www.depressionsliga.de
*** zurück ins leben!
bradforhelp
Beiträge: 344
Registriert: 11. Nov 2009, 13:55

Re: Sinnfrage

Beitrag von bradforhelp »

Hallo Kormoranin,

ich glaube, jeder stellt sich die Frage nach dem Sinn. Vielleicht ist es nicht der Wortlaut und wahrscheinlich ist die Intensität unterschiedlich, aber jeder möchte doch ein sinnerfülltes Leben führen.
Auch als ich noch nicht depressiv war, hat mich die Sinnfrage beschäftigt. Das sind doch auch ganz existentielle Dinge wie, was will beruflich machen, will ich Familie haben usw. Was will ich mit meinem Leben anfangen.

@ umbra,
mit Kreis schließen meine ich, dass eins in das andere einfließt. Macht es Sinn, ein "guter Mensch" zu sein, wie immer man das definiert? An wem orientiere ich mich? Wer oder was ist das Maß meiner Dinge. Das sind für mich alles Sinnfragen, die sich beliebig erweitern lassen.

brad
"In den Tiefen des Winters erfuhr ich schließlich, dass in mir ein unbesiegbarer Sommer liegt."

Albert Camus
kormoran
Beiträge: 3276
Registriert: 29. Mai 2007, 21:56

Re: Sinnfrage

Beitrag von kormoran »

hallo brad,

hmmm. ich habe jetzt den ersten absatz deiner antwort noch einmal ganz genau gelesen und bin draufgekommen, warum wir gar nicht so weit auseinander liegen:

die sinnfrage, wie umba sie stellt, so wie ich es verstehe, ist eher die philosophisch-existenzielle-allumfassende. naturgemäß kommen auch gesunde glückliche menschen auf diese frage, aber wirklich drängend wird sie zum thema, wenn wir aus dem lot sind.

das, was du beschreibst, und da stimme ich dir zu, dass das ein natürlicher bestandteil gesunder lebensgestaltung ist, das ist: welchen sinn gebe ich meinem leben - aktiv!

gute nacht!
kormoranin
 http://www.depressionsliga.de
*** zurück ins leben!
lt.cable
Beiträge: 556
Registriert: 5. Mär 2008, 20:55
Kontaktdaten:

Re: Sinnfrage

Beitrag von lt.cable »

Hallo umba!

Ich kann verstehen, dass es recht verstörend für einen sein kann, wenn man noch frisch im "Depri-Geschäft" ist. Es liegt nun schon gute zehn Jahre zurück, dass ich in dieser Situation war, allerdings ging es mir ganz genau so. Für mich war die erste Episode - und das habe ich allerdings erst in der Rückschau erfassen können - das tiefste Loch, aus dem ich je habe klettern müssen. Die folgenden Episoden waren auch nicht immer einfach, einige sogar durchaus furchterregend, aber häufig hat mich die Gewissheit getragen, dass es auch wieder besser werden wird. Die Sinnfrage begleitet mich vielleicht noch länger als die Depression. Die Beschäftigung mit ihr bringt meiner Erfahrung nach keinen Funken Gutes in irgendein Leben. Die Sinnfrage ist vielleicht der einzig sinnlose Gegenstand, mit dem man sich im Leben beschäftigen kann. Dabei, auf der Suche nach dem Sinn, den es nicht gibt, verpasst man nämlich allzu oft sinnstiftende Ereignisse, Erlebnisse, Kontakte. Meiner Meinung nach hat dieses ganze Theater, das sich Leben nennt, keinerlei Sinn; zumindest erfüllt mich das, was anderen Sinn gibt (Ausbildung, Job, etc.), höchstens mit einer gesteigerten Leere. Statt Sinn gibt es für mich eher das Recht, genauer unser persönliches Recht auf eine gute Zeit, stimulierende Kontakte mit anderen Menschen, auf Erlebnisse und Erfahrungen, die uns das Gefühl geben, lebendig zu sein. Dennoch: Ich würde auch heute noch gerne mit denjenigen "Normalos" tauschen, die die Sinnfrage gar nicht erst stellen. Ab dem Punkt, wo ich begonnen habe, die Dinge stärker zu hinterfragen, hat sich für mich nur die Orientierungslosigkeit zu vergrößern begonnen.
Kurzum: Halte dich nicht mit der Sinnfrage auf. Und hoffe. Das Leuchtfeuer der Hoffnung mag in manch dunkler Nacht nur noch schwer zu vernehmen sein, doch verlöschen wird es niemals.

http://www.youtube.com/watch?v=9K30e9O3Nng
Ein Nilpferd wollte zum Ballett
als schönster aller Schwäne.
Nur war es fürs Ballett zu fett.
So scheitern viele Pläne.
- Charles Lewinsky
turbo
Beiträge: 21
Registriert: 13. Jan 2010, 21:07

Re: Sinnfrage

Beitrag von turbo »

Hallo Zusammen,

vielen lieben Dank für Eure Anregungen.
Ja, ich bin noch recht frisch im Depri-Geschehen, so dass ich hier vielleicht Fragen stelle, die Ihr schon längst hinter Euch gelassen habt. Von daher profitiere ich umso mehr von Euren Erfahrungen.
Das Loch der letzten 6 Monate war schon sehr tief und dunkel...und verstörend. Wie eben diese Sinnfrage auch. Und die Frage, ob die Frage nach dem Sinn überhaupt Sinn macht.

Viele Grüße
Umba
freebird
Beiträge: 1137
Registriert: 15. Dez 2003, 13:58

Re: Sinnfrage

Beitrag von freebird »

Hallo Umba,

Herzlich Willkommen.

Ich habe die persönliche Erfahrung gemacht, dass die Sinnfrage stets ein typisch depressiver Gedankengang ist und in einer depressiven Phase zu nichts führt, außer zum Grübeln.

Erst wenn ich wieder einigermaßen stabil bin, kann ich der Frage nachgehen und herausfinden was mein Leben sinnvoll macht. Dabei hat mir stets meine Therapeutin sehr geholfen.

Viele Grüße
Corinna
----------------------------------------------------------

Frage nicht danach, warum du lebst. Akzeptiere einfach, dass du existierst.
tomroerich
Beiträge: 3102
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52
Kontaktdaten:

Re: Sinnfrage

Beitrag von tomroerich »

Hallo Umba,

Das Loch der letzten 6 Monate war schon sehr tief und dunkel...und verstörend. Wie eben diese Sinnfrage auch. Und die Frage, ob die Frage nach dem Sinn überhaupt Sinn macht.

Connies pragmatische Antwort finde ich gut. Es ist typisch, dass man als Depressiver die Sinnfrage stellt, weil man ihn ja soeben verloren hat. Es ist wichtig, das zu sehen, weil du nicht davon ausgehen kannst, diese Frage ausgerechnet dann zu lösen, wenn du krank geworden bist. Bevor du also daran verzweifelst ist es gut sich daran zu erinnern, dass du diesen Sinn gerade jetzt nicht finden kannst.

Trotzdem kann es sehr nützlich sein zu erkennen, woran das liegt, dass die Depression das Leben scheinbar sinnlos macht.

Die Sinnfrage wird nie gestellt, solange man glücklich ist. Eine philosophische Lösung dafür gibt es nicht. Nur die Frage, was uns glücklich macht und was Glück verhindert, ist wirklich wichtig und die ist nicht philosophisch, obgleich man unendlich darüber philosophieren kann. Glücklich wird man, wenn man sich selbst hat und das entzieht sich jeder Definition.

Es gibt keine Bedingungen dafür, sich selbst zu haben, es gibt nur Ursachen dafür, sich zu verlieren - es ist eine Frage davon, worauf man seine Aufmerksamkeit richtet. Die allermeisten Menschen, die ich kenne, glauben, dass Glück und somit Sinn davon abhängen, dass man bestimmte Dinge bekommt. Unsere ganze Gesellschaft glaubt das. Der richtige Partner, das richtige Auto, das richtige Haus. Und dann noch die richtigen Möbel und den richtigen Hund. Die richtigen Kleider und die richtigen Urlaubsreisen. Dann, wenn ich das alles habe, werde ich mich glücklich fühlen. Und das tritt nicht ein.

So entstehen leicht Depressionen denn all das ist nur der Beweis dafür, dass ich ohne all diese Dinge unvollständig und ohne Wert bin. Und wenn ich schließlich begreife, dass all meine Bemühungen nicht dazu führen, dass ich glücklich bin, dann schließlich wird die Sinnfrage drängender und drängender. Das kann auch nicht anders sein, denn wo ist derjenige dabei abgeblieben, den das alles glücklich machen soll? Der sucht und sucht und sucht dort, wo nichts ist. Ich selbst bin mein Glück und wo finde ich mich selbst als dort, wo ich bin? Im Partner? Im Auto? In der Urlaubsreise? Bin ich da? Was weiß ich über den, der immer dabei ist, bei jeder Urlaubsreise, jeder Partnerschaft und den ich überall hin mitnehme und doch ständig missachte, indem ich alles wichtig finde bloß nicht den, der es erlebt? Wie kann man da nicht depressiv werden?



Thomas
Betroffene für Betroffene

http://www.depressionsliga.de
quarktasche
Beiträge: 299
Registriert: 9. Nov 2009, 12:18

Re: Sinnfrage

Beitrag von quarktasche »

Hallo umba,

das ist wirklich eine sehr schwere Frage, die wohl nur jeder für sich selbst beantworten kann. Ich hab auch noch nicht "die" richtige Antwort für mich gefunden, wahrscheinlich gibt es mehrere Möglichkeiten, so was wie einen Sinn zu finden. Bisher - und in den schlimmsten Phasen- hat mir v.a. die Sorge um und für mein Kind Halt gegeben. Leider ist das nicht unbedingt tragfähig.Ganz sicher stehst du mit deiner Suche nicht allein da.
Wahrscheinlich haben die anderen recht, dass es keinen Sinn macht, über den Sinn gerade dann zu grübeln, wenn es einem schlecht geht. Leider drängt sie sich dann gerade auf...

LG Bohne
Schnarchi
Beiträge: 668
Registriert: 24. Jan 2004, 18:05
Kontaktdaten:

Re: Sinnfrage

Beitrag von Schnarchi »

Das Leben hat keinen Sinn, und es braucht auch keinen.
freebird
Beiträge: 1137
Registriert: 15. Dez 2003, 13:58

Re: Sinnfrage

Beitrag von freebird »

Hey Schnarchi,

Worauf stützt du deine Theorie?

Gruß
Corinna
----------------------------------------------------------

Frage nicht danach, warum du lebst. Akzeptiere einfach, dass du existierst.
Schnarchi
Beiträge: 668
Registriert: 24. Jan 2004, 18:05
Kontaktdaten:

Re: Sinnfrage

Beitrag von Schnarchi »

Hey

Auf die Tatsache, dass es schon Leben vor der Sinnfrage gab

Wenns 'nen "Sinn" gibt, dann isses bestenfalls die Reproduktion.

Angenommen, die Menschheit stirbt aus.
Hatte es dann einen Sinn, dass es sie gab, oder einen, dass wir verschwunden sind ?
Babi
Beiträge: 1963
Registriert: 23. Jul 2009, 17:07

Re: Sinnfrage

Beitrag von Babi »

Hey umba,
ist doch o.k., daß du Fragen stellst.
Du darfst nie vergessen, jeder Mensch ist wichtig und jeder einzelne ist nicht grundlos auf der Welt, das sage ich mir immer wieder.
Ich denke, der Hauptknackpunkt ist, daß man wieder ein Gefühl für sich selbst bekommen muß und das ist gar nicht einfach.
Du machst hier auch kein zu großes Fass auf, aber ich denke schon, daß du manchen von uns mit der Frage an seine Grenzen bringst, weil das viele von uns sich selber immer noch fragen.
Liebe Grüße Babi
Man sieht nur mit dem Herzen gut, das wesentliche ist für das Auge unsichtbar
(Exupery)
:) ;)
bradforhelp
Beiträge: 344
Registriert: 11. Nov 2009, 13:55

Re: Sinnfrage

Beitrag von bradforhelp »

Hallo,

das Denken ist Teil unseres Leben. Durch Denken sind wir fähig zu hinterfragen und zu verstehen. Für mich ist ein Leben ohne Sinn, und damit meine ich meine persönlichen Lebensziele, nicht vorstellbar. Ich bin ständig auf der Suche nach Sinn, unabhängig von meiner Depression und die Sinn gebenden Elemente in meinem Leben verändern sich auch. Das sind nicht immer große Sachen, auch kleine Dinge wie ein Theaterbesuch bereichern mein Leben und machen es deshalb sinnvoll.

PS: Ich musste schon als Schülerin die Frage "Macht das Leben einen Sinn - wenn ja - welchen erörtern". Und das ist lange her.

brad
"In den Tiefen des Winters erfuhr ich schließlich, dass in mir ein unbesiegbarer Sommer liegt."

Albert Camus
turbo
Beiträge: 21
Registriert: 13. Jan 2010, 21:07

Re: Sinnfrage

Beitrag von turbo »

Hallo Thomas,

gute Antwort...Da muss ich jetzt erstmal drüber nachdenken.

Viele Grüße
Umba
mystery60
Beiträge: 344
Registriert: 13. Nov 2009, 11:12

Re: Sinnfrage

Beitrag von mystery60 »

Hallo ihr Vielen ...

Danke kormoranin für den Link, habe gestern schon einiges gelesen aber noch nicht alles.

Zu Michael:
Das ist eine Betrachtungsweise. Insofern gibt es keinen Sinn für nichts, das Leben insgesamt hätte dann keinen Sinn, weder für Mensch noch für Tier, alles ist irgend ein (blöder) Zufall und wir Menschen haben (blöderweise) so ein großes Gehirn bekommen, dass wir uns die Frage überhaupt stellen können. Frag mal einen Stein, der schon ein paar Millionen Jahre länger existiert, was sein Sinn ist, außer dass ich über ihn gestolpert bin.

Andere Betrachtungsweise: Der Mensch ist nun mal Mensch und nicht Tier, Pflanze oder Stein. Er hat ein Gehirn und kann denken und er stellt sich viele Fragen, auch nach dem woher und wohin und nach dem Sinn. Also wenn die Frage da ist, kann man auch Antworten "entwerfen". Ich könnte ja auch fragen, wozu ist die Erde und der Kosmos da? Naja, vielleicht sind sie nur die Atome eines großen Organismus und die scheinbar unendliche Ausdehnung ist nur ein Aufklappen eines Flügels eines "großen" Schmetterlings, der wieder in einem Kosmos lebt ... und so fort.
Reproduktion macht da auch keinen Sinn, wenn der Mensch keinen Sinn hat, warum soll er sich dann reproduzieren?

So Sichtweisen wie: nichts hat Sinn ..., es gibt keine Realität .... lösen ein gewisses Unbehagen in mir aus, denn daraus kann man ja schnell auf die Idee kommen, wenn es keinen Sinn gibt, gibt es keine Ethik oder Moral, es gibt kein wozu und keine Verantwortung, letztlich gibt es nichts - also ist alles erlaubt, ich kann andere unterdrücken, ausbeuten, kann egoistisch sein, kann zerstören, töten .... alles egal, denn nichts zählt.

Wenn es aber wirklich egal wäre, wie wir leben, wie würde man werten und in welcher Art Welt würde man leben wollen:
a) in der Welt, in der jeder macht was er will, der Starke sich durchsetzt, die Schwachen beiseite geschoben werden, alles auf Macht, Intrige, Betrug, etc. aufgebaut ist o d e r
b) in einer Welt, in der man mit Menschen ist, es also Mitmenschen gibt, mit denen man zusammen etwas macht, sich unterstützt, hilft, der Starke dem Schwachen hilft, man gemeinsam mehr schafft als der stärkste Einzelne allein?

Für mich ist die Sinnfrage nicht nur eine Frage in der Krise, die mich weiter verunsichert oder nach unten zieht. Im Gegenteil! Die Sinnfrage ist die Frage, die ich mir jeden Tag von neuem stellen sollte, um mir darüber klar zu werden, was ich mit meinem Leben, das mir noch bleibt, anfangen will. Ob ich jemande anderen übers Ohr hauen will oder lieben jemandem helfen oder banaler gesprochen, ob ich etwas für mich tun sollte und ggf. auch für andere oder ob ich einfach meine Alltagsroutine "ableben" sollte, um abends ggf. völlig geschafft zu sagen, der Tag wäre auch wieder geschafft, das hätte ich wieder hinter mich gebracht.
Die Sinnfrage ist für mich eher Aufbruch. Nachdenken, die Routine überdenken, das "Normale" in Frage stellen, den Dingen auf den Grund gehen, die Kernfragen stellen: wer bin ich, was will ich? Daraus Kraft schöpfen und aus dieser Haltung die Entscheidungen des Alltags aber auch meines Lebens treffen. Ist es so richtig, wie ich es mache, bin ich auf dem richtigen Weg, sollte ich hier weniger, dort mehr tun, was sollte ich in meiner Partnerschaft verbessern, bin ich ein guter Vater, was läuft gut, was weniger, was mache ich im Beruf, wem nützen meine Handlungen, wem schaden sie, etc?

Für mich ist die Sinnfrage eine Chance zur immer wieder neuen Selbst-Justierung. Also nicht nur ein deprimiertes "ach, was soll das alles denn..." sondern ein "was soll das alles - ist es das, was ich will, will ich mein Leben dafür geben oder habe ich andere Ziele, habe ich den Mut diese Ziele zu verfolgen, überwinde ich die Angst und die Hindernisse, welche Alternativen gibt es, wie bleibe ich mir treu, was will ich wirklich?
Damit hängen ja auch andere Fragen zusammen, die hier im Forum diskutiert werden: wozu ist die Depression da, was nützt sie mir?

So, wieder einen Stein ins Wasser geworfen...
TG
lt.cable
Beiträge: 556
Registriert: 5. Mär 2008, 20:55
Kontaktdaten:

Re: Sinnfrage

Beitrag von lt.cable »

Hallo zusammen!

Interessante Denkanstöße, aber ich bleibe dabei: Für mich gehört die "Sinnfrage" gut weggeschlossen in den Giftschrank des Lebens. Lebensziele, da schwingt für mich als Geschädigten der Leistungsgesellschaft schon gleich wieder die Frage nach der Leistung mit. Nein, ich brauche keine Lebensziele, um mich vor irgendwem verantworten zu können. Ich bin und das reicht bereits völlig aus, was danach noch kommt, ist freiwillige Zugabe meinerseits. Für mich ist es ein befreiendes Gefühl, das festzuhalten. Erst wenn man sich von dem Druck befreit, alles angeblich mit irgendwelchem Sinn begründen zu müssen, wird man wirklich frei sein. Mir nimmt das Hinwegfegen der Sinnfrage die Angst davor, vor anderen und auch vor mir selbst (!) zu versagen. Und obwohl ich dem Scheingötzen Sinn bewusst abschwöre, habe ich Freude am Leben, habe ich Dinge, die mich interessieren und die ich ausprobieren, die ich erreichen möchte. Seien wir ehrlich: Wenn wir nicht wirklich ein großes Rad drehen und damit Bleibendes schaffen, wird sich unser individueller "Sinn" in wenigen Generationen wieder verloren haben. Auch ohne Sinn gibt es nichts, wovor man sich fürchten müsste.

Bezogen auf mich persönlich kann ich zuletzt feststellen: Ich bin lebensmüde, hege allerdings keinen Todeswunsch. Das ist etwas, was vielen anderen wahrscheinlich Angst machen würde. Mir macht es keine Angst. Mir ist das der Startpunkt für meinen Weg ins Leben.
Ein Nilpferd wollte zum Ballett
als schönster aller Schwäne.
Nur war es fürs Ballett zu fett.
So scheitern viele Pläne.
- Charles Lewinsky
freebird
Beiträge: 1137
Registriert: 15. Dez 2003, 13:58

Re: Sinnfrage

Beitrag von freebird »

Guten Morgen Schnarchi (hähä, passt gerade wie die Faust auf´s Augen) !

Dein Ansatz klingt nach der Theorie der Existenzphilosophie von Satre und Camus.

Damit setze ich mich auch gerade auseinander.

Viele Grüße
Corinna
----------------------------------------------------------

Frage nicht danach, warum du lebst. Akzeptiere einfach, dass du existierst.
Antworten