Erschöpft ... (lang)

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snowflake85
Beiträge: 47
Registriert: 10. Sep 2006, 00:59

Erschöpft ... (lang)

Beitrag von snowflake85 »

Hallo,

ich steck hier momentan in einer etwas verzwickten Lage... eigtl. habe ich grad gar keine Zeit hier zu schreiben, aber ich merke grad, dass es so einfach nicht mehr weitergeht.

Ich studiere seit zwei Jahren ein Studienfach (Bachelor Sc.) mit enormen Leistungsdruck an einer renommierten Universität. Das erste Semester ging noch so einigermaßen, alles war neu, als es dann zum ende auf die Prüfungen hinzu ging packte mich langsam die Angst. Ich wollte gut sein. Um jeden Preis, dabei realisierte ich auch, dass ich meine mir selber gesteckte Ziele so wohl nie erreichen werde, und war motiviert als auch frustriert zugleich. Die Prüfungsphase lief auch nicht so überragend, so dass ich die gesamten semester ferien "durchgelernt" habe und dann nicht-bestandenes bestanden und nicht-geschriebenes aufgeholt habe.
Daraufhin, also vor einem guten jahr begann dann ein Sommersemester, neuer und mehr Stress, zudem Semesterdauer kürzer, nebenbei die Suche nach einem Praktikum, und großes Schwanken zwischen extremer Motivation und extremer Frustration. Ich merkte, dass ich es mich innerlich auffrisst, das ganze Semester zu lernen, vorzubereiten, nachzubereiten um am Ende dann in einem Zeitraum von 1,5 Wochen das alles in 8x90minuten perfekt "auskotzen" zu können. Zudem wurde ich noch kurz vor der Prüfungswoche krank und lief insgesamt dann eher schlecht. Vier Tage nach meiner letzten Prüfung begann ich dann mit meinem dreimonatigen Praktikum am anderen Ende Deutschlands. Das hat mir sehr viel Spass gemacht. Ich finde es super, wenn ich Ergebniss sehe, wenn ich sehe dass etwas vorangeht. Nicht wie im Studium, dass man wochen/monatelang lernt und man trotzdem keinen Anhaltspunkt hat wie man steht. Da ich nur wenige Prüfungen bestanden hatte musste ich diese im Oktober nachholen. Für diese Woche hatte ich mir dann auch urlaub genommen. Bis dahin sah meine Woche so aus: Mo-Fr 7:30 - 17:00 Arbeit, dann kurz was essen machen, abends lernen (was mir eher schwer fiel..) Samstags, war ich in der Uni-Bibliothek dort (ganzen Tag) und Sonntags habe ich bei mir gelernt...
Leider hatte ich den Lernaufwand stark unterschätzt und dann im Oktober nur eine der Prüfungen bestanden.
Im November war ich dann auch wieder an der Uni, musste einiges nacharbeit, habe den ganzen Winter hart gearbeitet und dann im Februar wirklich viele Prüfungen bestanden. Daraufhin machte ich erstmal eine Woche sehr ruhigen Urlaub und kam danach halbereholt wieder zurück und lernte wieder die gesamten Semesterferien bis zum nächsten Prüfungstermin. Diesmal hatte ich den Druck 4 von 5 zu bestehen... habe im Endeffekt dann auch alle bestanden, trotz vorhergehender Seitenstrangangina, 40 Fieber und 4 Tage nur im Bett. Aber ich habe wirklich die Tage vor den Prüfungen die Nächte durchgelernt, cola, koffeintabletten, schokolade, aspirin und noch einige Dinge die ich hier unerwähnt lassen möchte...
Während der ganzen Zeit, eigentlich schon ab Anfang des Jahres also vier Monate vor dieser Prüfungsphase hatte ich mit schlechter Stimmung, Launenhaftigkeit, Heulkrämpfen, etc. zu kämpfen. In der Prüfungswoche war ich allerdings ein nervliches Wrack.. teilweise bekam ich in aller Öffentlichkeit Heulkrämpfe, in der Unibibliothek... und von dem was mein Freund abbekam/abbekommt möchte ich gar nicht reden.
Insgesamt machte sich die Tortur und mein kämpfen doch bezahlt und ich hab die Prüfungen nicht nur bestanden sondern auch gut.

Drei Tage später begann schon dieses Sommersemester, ich stürzte mich von Anfang an voller Motivation auf eine Seminararbeit und eine Teilklausur steckte da unheimlich viel Arbeit (zu viel) hinein und beschänkte mein leben darauf. Seit zwei Wochen habe ich wieder meine volle Konzentration für die restlichen Fächer... Heute war die erste Prüfung, die letzte ist nächsten Freitag. bis dahin stehen noch 4 Prüfungen (eigtl 5 ) , davon 2 drittversuche an.

IST-Situation:

Seit zwei Wochen schlage ich mich mit Schlafstörungen, Müdigkeit, Schwindel, Kopfschmerzen, Lust- und Motivationslosigkeit herum. Ich kann einfach nicht mehr. Ich will momentan nur noch schlafen, schlafen schlafen.. aber ansonsten wüsste ich ehrlich gesagt auch gar nicht wie ich mich beschäftigen wollte...
Ich fühle mich um es mal besser zu beschreiben, wie ganz überl verkatert. ich komm so nicht mehr weiter und hab furchtbare Angst meine Drittversuche zu versauen....
Nebenbei greife ich beim lernen zu mitteln die oftmal mit "doping" bei studenten in verbindung gebracht werden, ich nicht näher nenne will aber über koffein tabletten doch weit hinaus gehen.
EIgtl. müsste ich gerade jetzt hochmotiviert sein. hab danach endlich mal eine woche richtig frei, bevor ich ins Ausland gehe und dort 4 Wochen Summeruniversity absolviere bevor ich dann Anfang September im Ausland studieren werde...

Ach ich weiss grad einfach nciht mehr weiter, ich schaff das nicht mehr, hab das Gefühl ich bin einfach dümmer als der Rest. Fühl mich momentan nur noch überfordert..

Manchmal spiele ich mit dem Gedanken mein ganzes Studium hinzuschmeissen, aber es macht mir ja eigtl schon Spass... Zum Beispiel habe ich das bei der Seminararbeit gemerkt. Das wissenschaftliche Arbeiten ohne stupides auswendiglernen ist genau meine Sache... aber Studium besteht nunmal (auch) zu einem großen Teil von auswendiglernen von theorien, modellen,....
Ausserdem habe ich nur noch 2 Semester bis ich theroetisch prüfungsfrei sein kann, wenn ich mich jetzt entsprechend und auch im Ausland reinhänge... und so kurz vor ende hinschmeisse wär der größte mist...


Irgendwie fühle ich mich auch unwohl mit dem Gedanken bereits jetzt mit 23 Jahren solche Probleme zu haben. Ich bin doch erst im Studium, wie soll denn das dann später im Job werden?!
cybolon
Beiträge: 2154
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Re: Erschöpft ... (lang)

Beitrag von cybolon »

Hallo Schneeflöckchen,

klassischer kann der Weg nach unten kaum noch getoppt werden, denke ich.
Der archetypische Weg in die Depression.

1)
"Ich wollte gut sein. Um jeden Preis"

Der erste Schritt, in die Abwärts-Spirale, nichtwahr? Zu hohe Anforderungen an sich selbst und die Umwelt.

2)
"die Nächte durchgelernt, cola, koffeintabletten, schokolade, aspirin und noch einige Dinge die ich hier unerwähnt lassen möchte..."

Typische, wenn nicht sogar logische Folge von 1)

3)
"steckte da unheimlich viel Arbeit (zu viel) hinein und beschänkte mein leben darauf."

Das bedeutet für mich: Die Waage, zwischen Belastung und Erholung, hat absolutes Übergewicht nach der Belastungsseite bekommen.

4)
"furchtbare Angst meine Drittversuche zu versauen...."

Ja, weil Perfektion wohl das Einzige ist, das Du Dir leisten möchtest. Woher aber sollen denn die Recourcen dafür kommen?

5)
Zu den AufPEPP - Mitteln:

Dem Auto Raketentreibstoff einzufüllen, anstelle von Benzin, hat die Folge, dass der Motor zwar ungeheuere Leistungssteigerung erfährt, aber drastisch an Haltbarkeit einbüßt. Er raucht nach 17 von 20 Runden spätestens ab.

6)
"hab das Gefühl ich bin einfach dümmer als der Rest. Fühl mich momentan nur noch überfordert.."

Dümmer, als der Rest bist Du gewiss nicht, liebe Sandrine! Es hat sich bei Dir, möglicherweise bereits in der Erziehung, ein ungeheurer Druck zur Perfektion aufgebaut und gewaltige Versagensängste. War Versagen bei Dir zuhause eine Schande?
(Ich frage aufgrund eigener Erfahrung...)

Überfordert trifft es nicht, den denn Du bist mit Sicherheit nicht dumm oder geistig unvermögend.

ÜBERLASTET

Schlicht und einfach: Erschöpft.

Erschöpfung: Im Pott ist zwar noch eine Lache Nudelsuppe, aber der Schöpflöffel kann sie nicht mehr erfassen, weil sie zu flach ist. Es fehlt inzwischen die Kraft, den Topf anzuheben, um den letzten Rest der Suppe auszutrinken.
Das ist vielleicht gut so!

Denn, so komme ich zu der Erkenntnis, dass jetzt ein kleinerer Löffel her muss, um der begehrten Nahrung in kleinen Schritten doch noch habhaft zu werden.

Will sagen:
Einen Ausgleich(!) auf der Waage schaffen!
Sich selbst für das kürzere Lernen belohnen.
Angenehme Tätigkeiten ins Leben (zurück)holen, die eine Balance zwischen Be- und Entlastung erzeugen.

Stellen wir uns doch einfach mal vor, der Raketentreibstoff ist noch im Tank, aber wir geben einfach kein Vollgas mehr.
Anstelle in der 17. Runde stehenzubleiben, erreichen wir in der 20. Runde, sicher das Ziel, wenn auch nicht auf Platz 1, sondern auf Platz 3.
Wäre das soo schlimm?

Ich hoffe, ich war jetzt nicht zu analytisch oder so.

Ganz liebe Wünsche und alle Daumen gedrückt!

Liebe Grüße
vom
cybolon
triste
Beiträge: 1061
Registriert: 22. Jun 2003, 16:38

Re: Erschöpft ... (lang)

Beitrag von triste »

Hallo Sandrine!

Dein Bericht ist die ganz typische Beschreibung von totaler Selbstüberforderung. Dein Ehrgeiz treibt Dich an, d.h., Dein Kopf regiert über den Rest Deines Seins...Deine Seele wird von Dir ja offenbar nicht erhört, auch nicht, wenn sie Dir Fieber, Angina und Erschöpfung schickt. Aber etwas in Dir hat Dich immerhin in dieses Forum geleitet und Dich sogar hier schreiben lassen, was doch ein Zeichen ist, nicht?

Du schreibst: "die Tortur und das Kämpfen haben sich gelohnt".
Ja - sie haben sich gelohnt, weil Du die Dir gesteckten Ziele erreicht hast, die Prüfungen bestanden hast. Aber das ist nur ein Teil Deiner selbst, der Erfolg. Du bist offenbar momentan allein darauf fokussiert, schreibst ja auch, dass Du ausser Arbeiten nichts mit Dir anzufangen wüsstest. Deine Seele hat aber auch andere Bedürfnisse, wie z.B. die Düfte und Geräusche in einem Wald wahrnehmen... Spass zu haben mit Freunden... die Wärme der Sonne und die Kühle des Wassers auf der Haut spüren... Entspannung im Schlaf finden.... ich kann das noch ewig weiter ausführen, aber ich glaube, Du verstehst?
Dein Ehrgeiz treibt Dich an...eigentlich eine gute Eigenschaft, denn nur so entwickelt sich Mensch weiter.
Aber der Preis für den Erfolg darf nicht so hoch sein, dass es Dir so schlecht geht. Es muss also ein Weg gefunden werden, wie Du Dein Studium erfolgreich absolvierst und Dich gleichzeitig auch wohl fühlst!
Dazu möchte ich Dir ernsthaft zu einer Psychotherapie raten, vielleicht hilft Dir bereits eine Kurzzeit-Therapie, um Dir aufzuzeigen, was Du falsch machst. Oder die Gründe für die Selbstausbeutung liegen tiefer, kann auch sein.
Tatsache ist, wenn Du so weiter machst, kommt der Burnout (wenn er nicht schon da ist).
Ich finde es toll, wenn Menschen zielstrebig sind und kämpfen und habe auch ein Faible für Leute, die etwas erreichen. Aber wenn die Art und Weise, das anzugehen, den Menschen krank macht, dann ist etwas nicht ok und muss abgeändert werden.

Ich spreche aus Erfahrung und weiß heute, dass ich mich nicht mit anderen vergleichen darf. Leistungsfähigkeit ist individuell...und das hat keine Auswirkung auf die Qualität! Nur der Modus, wie Du arbeitest, muss eben auf Deine eigene Leistungsfähigkeit passen, verstehst Du? das bedeutet nicht, dass Du weniger kannst, als andere!
Dein Bewertungssystem dessen, was Du zu leisten hast, könnte mal renoviert werden. Und ich bin sicher, Du kannst das Studium auch schaffen, wenn Du auch anderes als die Uni in Deinem Leben zulässt. Dir scheint es momentan vermutlich unmöglich, aber es geht! (Man kann auch ein Urlaubssemester einschieben, auch krankheitsbedingt, und davon geht die Welt nicht unter!)

Ich hab´s mit Teilzeit arbeiten geschafft, mit Ruhepausen akzeptieren, mit Beschäftigungen, die ganz andere Talente in mir freigelegt haben, als meine Kopfarbeit, und nicht weniger befriedigend sind!

Das Leben ist mehr, als Prüfungen zu bestehen, und um das wirklich verinnerlichen zu können, solltest Du Hilfe in Anspruch nehmen (Therapeut, Arzt).
Du hast jetzt schon Gedanken, das Studium hinzuschmeissen. Aber es gibt bestimmt einen Weg dazwischen. Bei mir gab es ihn.

Viel Glück - und sei gut zu Dir!
Virginia
klappi
Beiträge: 34
Registriert: 30. Nov 2006, 14:56

Re: Erschöpft ... (lang)

Beitrag von klappi »

Hallo Sandrine,

ich befinde mich in einer sehr ähnlichen Situation. Ich studiere ebenfalls, bin nebenbei als Hilfskraft für einen meiner Professoren tätig und hab noch nen weiteren Job. Außerdem bin ich noch ehrenamtlich stark engagiert. In den Semesterferien werden dann Praktika gemacht. Urlaub ist für mich ein Fremdwort.

Mir passiert es wie Dir ständig, dass ich mich überfordere. Bei mir liegt dies sicher auch daran, dass ich Angst vor Ruhe hab. Weil ich Ruhe immer mit depressivem Loch gleichsetze. Will heißen, dass ich, wenn ich denn mal Ruhe hab, meist noch depressiver werde. Solange ich aber beschäftigt bin, geht es einigermaßen. Ich funktioniere eben einfach. Letztlich ist diese Selbstüberforderung gleichzeitig ein Selbstschutz, mit den Risiken und Nebenwirkungen eines Burnouts.

Manchmal ackere ich auch nächte durch. Mein Rekord lag bei 42 Stunden lernen am Stück. Anders, dachte ich, würde ich das alles nicht schaffen.

Ich kann nur dringend an Dich appelieren, Dir mal eine Auszeit zu gönnen. Und wenn es nur ein paar Tage sind, aber Du musst Deine Akkus aufladen. Auch ich bemühe mich neuerdings darum, zumindest einen Tag in der Woche frei zu haben.

Ich wünsche Dir viel Kraft.

Klappspaten
Gabriele
Beiträge: 663
Registriert: 11. Jul 2007, 22:18

Re: Erschöpft ... (lang)

Beitrag von Gabriele »

Hallo Sandrine,


>Irgendwie fühle ich mich auch unwohl mit dem Gedanken bereits jetzt mit 23 Jahren solche Probleme zu haben. Ich bin doch erst im Studium, wie soll denn das dann später im Job werden?!<

>Das wissenschaftliche Arbeiten ohne stupides auswendiglernen ist genau meine Sache<
> Manchmal spiele ich mit dem Gedanken mein ganzes Studium hinzuschmeissen>
>und so kurz vor ende hinschmeisse wär der größte mist<

Das Alter hat doch nichts mit einem Durchhänger zu tun. Eher schon damit, ob Du Dir sicher bist, ob die Fachrichtung das Richtige ist.
Durch Dein Seminar hast Du doch schon „geübt“ und festgestellt, dass Dir die Arbeit liegt und Spaß macht. Das Studium ist doch die „Grundausbildung“.
Was studierst Du? z.B. geisteswissenschaftlich oder naturwissenschaftlich (welches Fach) und: auf Lehramt oder Diplom / Master / Bachelor?
Abhängig davon, was Du studierst: Deine Aufgabe im Job müsste in Zukunft ja genau das sein, an dem Du arbeitest, was Dir liegt, nämlich wissenschaftliches Arbeiten ohne stupides Auswendiglernen.
Also musst Du Dir sicher sein, in welche Richtung Deine spätere Arbeit geht.
Also auf keinen Fall hinschmeißen, wär ja schade drum, so kurz vorm heiß ersehnten Ende.
Also wie schon von den Anderen geschrieben, kürzer treten, Pausen machen, Dir was Gutes tun, nicht so sehr an Dir zweifeln und darauf achten, dass Du Dein Studium danach ausrichtest, was Dir die Erfüllung bringt.

Liebe Grüße Gitte
schuckel
Beiträge: 7
Registriert: 20. Jul 2008, 22:03

Re: Erschöpft ... (lang)

Beitrag von schuckel »

Liebe Sandrine,

entschuldige bitte meinen allzu langen Beitrag. Habe lange überlegt, ob ich ihn so lassen soll und mich dann dafür entschieden. Ich hoffe, er kann dir in deiner Situation Mut machen und dir die ein oder andere neue Perspektive zum Thema Studium und Leistung verschaffen...

in deiner Beschreibung finde ich mich selbst wieder, denn vor ziemlich genau drei Jahren, (ebenfalls mit 23) ging es mir ebenso. Auch ich studiere im Bachelor- bzw. Mastersystem und hatte enorme Probleme, mit dem Leitungsdruck fertig zu werden. Die Anforderungen, die die Studienordnung vorzugeben scheint, Prüfungstermine, Vorbereitung von Referaten, Abgabetermine von Hausarbeiten, die Kommilitonen, mit denen man sich vergleicht (...), all das stellte für mich eine Motivation dar, immer mehr leisten zu wollen. Ich erwartete von mir hervorragende Noten, hätte mein Studium auch gern schneller absolviert, als es die Regelstudienzeit vorgibt (schließlich wollte ich meinen Eltern nicht ewig auf der Tasche liegen); ich lernte und arbeitete ohne Pause, teilweise mit Wochenenden und Nachtschichten, schließlich musste alles perfekt werden.
Irgendwann stellten sich Erschöpfung, Konzentrationsschwierigkeiten. Kopfschmerzen, und Schwindel ein; außerdem Schlafstörungen, weil ich auch nachts immer nur darüber nachdenken konnte, wie ich meine Arbeit für's Studium bewältigen sollte und riesige Angst hatte zu versagen. All das habe ich zunächst einmal ignoriert. Um meine mir selbst gesetzten Ziele einhalten zu können, habe ich meine Anstrengungen verdoppelt. "Schließlich schaffen andere es auch", "Ich bin nur zu faul, muss einfach mehr arbeiten" waren typische Gedanken zu dieser Zeit. Es gab nichts anderes mehr außer meinem Studium, denn ich musste ja funktionieren und Leistung bringen, da blieb nicht mehr viel Platz für Freunde, Freizeit und Erholung. Nicht die erwartete Leistung zu bringen kam einer persönlichen Niederlage und damit einer totalen Selbstabwertung gleich.

In meinem Fall endete das Ganze in der Depression (wobei ich auch sagen muss, dass hier auch noch andere Faktoren, z.B. meine familiäre Situation eine Rolle spielten). Ich wurde zunehmend lust- und antriebsloser, kam kaum noch aus dem Bett. Konzentrationsschwierigkeiten, Atembeschwerden, Kopf- und Magenschmerzen, Schwindel und totale Erschöpfung mischten sich mit Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit, weil ich mittlerweile einfach mit allem, auch mit den kleinsten Alltagstätigkeiten, völlig überfordert war. Ich sah keinen Sinn darin, überhaupt noch aufzustehen, schließlich konnte ich mein Arbeitspensum ja doch nicht bewältigen. Das Ganze zog sich über ca. ein Jahr hin, bis ich mich dazu entschied, eine Psychotherapie (Verhaltensthreapie) zu machen, weil ich mir selbst nicht mehr zu helfen wusste.

Die Frage, wie man mit 23 Jahren schon so fertig sein kann, und wie es erst werden soll, wenn ich im Beruf stehe (denn ich bin ja NUR im Studium), habe ich mir damals immer wieder gestellt. Mittlerweile denke ich, dass kein Job, den ich irgendwann einmal ausüben werde, mindestens 12Stunden volle Aufmerksamkeit am Tag plus Nacht- und Wochenendschichten von mir verlangen wird. Irgendwann kommt man nach Hause und hat Feierabend.
Im Studium ist es auf Grund des unregelmäßigen Alltags sehr schwer, einen festen Tagesablauf zu bekommen. Mir hat der Rat meiner Therapeutin sehr geholfen, meinen Tag nicht nach der Frage "Was muss ich heute noch schaffen" sondern ganz stur nach Zeit einzuteilen. Wenn ich lerne oder Hausarbeiten schreibe, ist bei mir mittlerweile um spätestens 18.00Uhr Feierabend und es gibt mindestens ein bis zwei uni- und lernfreie Tage pro Woche, egal was ich geschafft habe oder noch schaffen muss. Wenn ich irgendwann einen Beruf erfolgreich ausüben möchte ist es wichtig, meine Möglichkeiten, aber auch meine Grenzen zu kennen und einzuhalten. Nur so kann ich dauerhaft durchhalten.

Eigentlich sollte das hier gar nicht der Bericht meiner eigenen Geschichte werden... Ich möchte auch nicht den Teufel an die Wand malen und dir zusätzlich Stress oder Angst verursachen, aber ich denke, dass du jetzt noch die Möglichkeit hast, die Notbremse zu ziehen. Hör auf deinen Körper, der offensichtlich dringend eine Pause braucht! Verschaffe dir Ruhe und Entspannung, gönn dir auch mal was Gutes und übe Tätigkeiten aus, die dir Spaß machen. Nur so kannst du entspannt an deine Arbeit denken. Kein Mensch kann pausenlos Leistung bringen. Mit psychischen und körperlichen Beschwerden, die aus der Überforderung resultieren wird diese definitiv nicht zu bewältigen sein.

Mittlerweile geht es mir relativ gut. Es hat lange gedauert, bis ich meine eigenen (Leistungs-) Grenzen akzeptieren konnte. Ich habe gelernt, achtsam mit mir umzugehen und auf die Signale meines Körpers zu hören. Ich fühle mich immer noch häufig überfordert, was für mich ein klares Zeichen ist, ein Pause zu machen, Durchzuatmen und meine Ziele und meine Vorgehensweisen zu überdenken. Dadurch bin ich mittlerweile viel gelassener und ohne Druck macht mein Studium wieder richtig Spaß. Ich bestimme mittlerweile mein Tempo selbst, denn ich bin keinesfalls mehr bereit, Leistung zu bringen und Erwartungen zu erfüllen, wenn dies auf Kosten meiner Gesundheit geht. Wer zwingt einen denn, in der Regelstudienzeit fertig zu werden? Das schaffen ohnehin nur die wenigsten. Gerade im Studium kann man sich im Gegensatz zum späteren Arbeitsleben viele Freiheiten erlauben. Ich werde mein Studium in diesem Jahr mit guten Noten, viel wichtiger aber relativ stressfrei und unter körperlichem und psychischem Wohlbefinden abschließen. Ich habe zwei Semester länger studiert, als es die Studienordnung vorgibt - dafür bin ich um einige Erfahrungen reicher und habe viel Zeit und Energie in persönliches Wachstum gesteckt. Diese Investition hat sich allemal gelohnt und ich habe das Gefühl, dass sich mit der nötigen Gelassenheit fast alles bewältigen lässt.

Ich hoffe, ich konnte dir mit meinem Beitrag ein wenig "Mut zur Lücke" verschaffen, den man im Studium immer gut gebrauchen kann. Wenn du alles nur halb so sorgfältig machst, wie du es von dir erwartest, wirst du sehr wahrscheinlich besser zum Ziel kommen, als mit übersteigertem Perfektionismus. Ich wünsche dir, dass auch du die Freiheit und die schönen Seiten an deinem Studium entdeckst und damit auch den Spaß und das Interesse an deinem Studienfach wiederfindest. Ganz viel Erfolg dafür!!

Liebe Grüße,
Kristin
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