Bin depressive Mutter: Suche Mitbetroffene (keine postnatale Depression!)
Verfasst: 24. Nov 2007, 21:35
Hallo allerseits,
ich bin neu hier und habe nach ca. zehn Stunden Zögern vor dem Rechner endlich endlich gewagt, mich einzuloggen und Euch um Hilfe zu bitten.
Ich möchte mich Euch kurz vorstellen: Ich bin Ende 30 und war bis zur Geburt meines ersten Kindes 2007 Führungsperson in einem kleinem Unternehmen mit etwa 10 Mitarbeitern und permanentem Kundekontakt (Vertrieb). Ich betreue nun von zu Hause aus meine Key-Accounts. Nach außen erfülle ich (noch)die Klischees des kompetenten Ansprechpartners.
Soweit zur Fassade, die nun jedoch zu bröckeln beginnt. Der Putz fällt durch Aussetzer meinerseits in rasender Geschwindigkeit und riesigen Brocken ab. Ich habe den Depri seit der Geburt meines Kindes einfach nicht mehr unter Kontrolle.
Es liegt wohl keine typische postnatale Depression vor, denn es gibt eine facettenreiche Vorgeschichte:
Latent zerrüttetes Elterhaus unter gutbürgerlicher Fassade (Mutter mit aggressivem Kontrollwahn, Vater zurückgezogen-depressiv, beruflich überfordert und Burn-Out); meine Eltern haben sich nicht getrennt, sind heute noch zusammen; Terror und Aggression gehen weiter.
Übelste Pubertät inklusive Weglaufen von zu Hause
Anfang 20, während des Studiums, erster schwerer Neurodermitis-Schub.
Mitte 20 schwere Angststörung (Soziophobie in unmittelbarer Nähe anderer Menschen; zittern, so dass Essen oder Trinken am Tisch mit anderen Menschen unmöglich wurde; oder etwa eine Treppe zu passieren, auf der Kommillitonen saßen). Habe keinen Psychotherapeuten oder Psychater konsultiert, weil ich Angst hatte, nach dem Staatsexamen für das Lehramt an Gymnasien als "Irre" aussortiert zu werden (in Bayern gibt`s den berüchtigten Fragebogen mit eidesstattlicher Versicherung, in dem sowas abgefragt wird.) Selbsttherapie durch Aussetzen in Extremsituationen: Kellnern, Reiseleitungen. So lange es professionell war, hat das auch immer funktioniert, privat nur zwitweise durch härteste Autosuggestion. 1998 war`s dann langsam vorbei mit den körperlichen Symptomen.
2002: Nach 5 Jahren in der Medien-Szene mit 50-Stunden-Woche psychatrisch diagnostiziertes Burn-Out und Depression; Psychopahrmaka halfen nix. Dem Psychotherapeuten wollte ich mich nicht richtig öffnen, weil ich meine Zustand wohl verkannt und primär auf die extreme Arbeitsbelastung geschoben haben.
Nun schreiben wir 2007 und die Malaise hat mich mit geballter Wucht wieder eingeholt. Ich komme einfach nicht mehr klar. Und das Schlimmste: Ich kann die Symptome nicht mehr verstecken. Und diese artikulieren sich wie aus dem Lehrbuch: Rückzug (seit Jahren schleichend, habe keine Freunde mehr), Antriebslosigkeit, bleierne Müdigkeit, nichts macht mehr Freude (nicht mal Gartengestaltung oder Shoppen), körperliche Vernachlässigung (habe mich immer für alles Schöne, wie Mode, Kosmetik, Deko interessiert), keine Zukunftsperspektive, rastlose Hyperaktivität im Beruf - absolute Passivität daheim (bekommen keine Trommel Wäsche mehr gewaschen oder aufgehängt); vor gesellschaftlichen Anlässen, um die ich nicht herumkomme, kippe ich gerne mal prophylaktisch eine Flasche Wein, um dem Druck gewachsen zu sein. Etc., etc., etc.
Außer der Geburt des Kindes hatte mein Lebensgefährte dieses Jahr zwei schwere Zusammenbrüche mit Notoperationen (Tumor) und vor zwei Monaten ist mein kleiner Hund in jungen Jahren verstorben. Ich denke, diese Ereignisse waren nur Auslöser für diese neue, schwere Krise - nicht die Ursache; denn ein glücklicher, optimistischer, unbeschwerter Mensch bin ich eigentlich nie gewesen.
Bevor alles komplett eskaliert und aus dem Ruder läuft, werde ich mich demnächst wohl in ärztliche Betreuung begeben. Dies ist nicht einfach, denn in meiner Kleinstadt kennt mich jeder (v. a. die Ärzte sind meine Kunden) und Auto kann ich seit Jahren wegen mangelnder "Erdung" nicht mehr fahren (wird selbstverständlich perfekt vertuscht).
Ich bin von meinem engsten Umfeld jüngst auch schon auf Wesensveränderungen angesprochen worden.
Betonen muss ich, dass ich mich in Gegenwart meines Kindes grundsätzlich und extrem zusammenreiße. Darauf konzentrieren sich alle meine Anstrengungen. Es gibt auch genügend Studien und Forschungen mit eindeutigen Aussagen: Nämlich dass Kinder mit depressiver Mutter einem erhöhtem Risiko ausgesetzt sind, in das gleiche Muster zu verfallen oder mit erheblichen Beeinträchtigungen rechnen müssen. Das sehe ich ja auch an meiner Vita - und ich bin wahrlich keine Freundin der klassischen Psychoanalyse nach dem Motte "Kindheit kaputt, alles kaputt". Im Gegenteil glaube ich an Selbstbestimungsfreiheit des menschlichen Geistes und lehne auch genetischen Determinismus als einseitige Erklärung ab.
Unter diesen vielen Studien fehlen mir konkrete Problemlösungsstrategien, wie man effektiv im Alltag mit Baby/Kind gegensteuern kann. Ich suche bei Euch im Forum den Rat von bzw. den Austausch mit Müttern, denen es ähnlich geht wie mir. Wie gelingt es Euch, Euren Alltag zu wuppen und den Depri von Euren Kinder fernzuhalten? Was sind Eure individuellen Strategien, mit den Kindern zu lachen, zu weinen und auch in der tiefsten Krise immer auf ihre konkreten Bedürfnisse eingehen zu können?
Euer Feedback würde mich wirklich sehr freuen. Allein das Entdecken der Site war schon eine große Hilfe: habe heute das erste mal seit Jahren beim Lesen wieder geweint.
Alles Gute für Euch und viele helle, freudige Stunden
amaha
ich bin neu hier und habe nach ca. zehn Stunden Zögern vor dem Rechner endlich endlich gewagt, mich einzuloggen und Euch um Hilfe zu bitten.
Ich möchte mich Euch kurz vorstellen: Ich bin Ende 30 und war bis zur Geburt meines ersten Kindes 2007 Führungsperson in einem kleinem Unternehmen mit etwa 10 Mitarbeitern und permanentem Kundekontakt (Vertrieb). Ich betreue nun von zu Hause aus meine Key-Accounts. Nach außen erfülle ich (noch)die Klischees des kompetenten Ansprechpartners.
Soweit zur Fassade, die nun jedoch zu bröckeln beginnt. Der Putz fällt durch Aussetzer meinerseits in rasender Geschwindigkeit und riesigen Brocken ab. Ich habe den Depri seit der Geburt meines Kindes einfach nicht mehr unter Kontrolle.
Es liegt wohl keine typische postnatale Depression vor, denn es gibt eine facettenreiche Vorgeschichte:
Latent zerrüttetes Elterhaus unter gutbürgerlicher Fassade (Mutter mit aggressivem Kontrollwahn, Vater zurückgezogen-depressiv, beruflich überfordert und Burn-Out); meine Eltern haben sich nicht getrennt, sind heute noch zusammen; Terror und Aggression gehen weiter.
Übelste Pubertät inklusive Weglaufen von zu Hause
Anfang 20, während des Studiums, erster schwerer Neurodermitis-Schub.
Mitte 20 schwere Angststörung (Soziophobie in unmittelbarer Nähe anderer Menschen; zittern, so dass Essen oder Trinken am Tisch mit anderen Menschen unmöglich wurde; oder etwa eine Treppe zu passieren, auf der Kommillitonen saßen). Habe keinen Psychotherapeuten oder Psychater konsultiert, weil ich Angst hatte, nach dem Staatsexamen für das Lehramt an Gymnasien als "Irre" aussortiert zu werden (in Bayern gibt`s den berüchtigten Fragebogen mit eidesstattlicher Versicherung, in dem sowas abgefragt wird.) Selbsttherapie durch Aussetzen in Extremsituationen: Kellnern, Reiseleitungen. So lange es professionell war, hat das auch immer funktioniert, privat nur zwitweise durch härteste Autosuggestion. 1998 war`s dann langsam vorbei mit den körperlichen Symptomen.
2002: Nach 5 Jahren in der Medien-Szene mit 50-Stunden-Woche psychatrisch diagnostiziertes Burn-Out und Depression; Psychopahrmaka halfen nix. Dem Psychotherapeuten wollte ich mich nicht richtig öffnen, weil ich meine Zustand wohl verkannt und primär auf die extreme Arbeitsbelastung geschoben haben.
Nun schreiben wir 2007 und die Malaise hat mich mit geballter Wucht wieder eingeholt. Ich komme einfach nicht mehr klar. Und das Schlimmste: Ich kann die Symptome nicht mehr verstecken. Und diese artikulieren sich wie aus dem Lehrbuch: Rückzug (seit Jahren schleichend, habe keine Freunde mehr), Antriebslosigkeit, bleierne Müdigkeit, nichts macht mehr Freude (nicht mal Gartengestaltung oder Shoppen), körperliche Vernachlässigung (habe mich immer für alles Schöne, wie Mode, Kosmetik, Deko interessiert), keine Zukunftsperspektive, rastlose Hyperaktivität im Beruf - absolute Passivität daheim (bekommen keine Trommel Wäsche mehr gewaschen oder aufgehängt); vor gesellschaftlichen Anlässen, um die ich nicht herumkomme, kippe ich gerne mal prophylaktisch eine Flasche Wein, um dem Druck gewachsen zu sein. Etc., etc., etc.
Außer der Geburt des Kindes hatte mein Lebensgefährte dieses Jahr zwei schwere Zusammenbrüche mit Notoperationen (Tumor) und vor zwei Monaten ist mein kleiner Hund in jungen Jahren verstorben. Ich denke, diese Ereignisse waren nur Auslöser für diese neue, schwere Krise - nicht die Ursache; denn ein glücklicher, optimistischer, unbeschwerter Mensch bin ich eigentlich nie gewesen.
Bevor alles komplett eskaliert und aus dem Ruder läuft, werde ich mich demnächst wohl in ärztliche Betreuung begeben. Dies ist nicht einfach, denn in meiner Kleinstadt kennt mich jeder (v. a. die Ärzte sind meine Kunden) und Auto kann ich seit Jahren wegen mangelnder "Erdung" nicht mehr fahren (wird selbstverständlich perfekt vertuscht).
Ich bin von meinem engsten Umfeld jüngst auch schon auf Wesensveränderungen angesprochen worden.
Betonen muss ich, dass ich mich in Gegenwart meines Kindes grundsätzlich und extrem zusammenreiße. Darauf konzentrieren sich alle meine Anstrengungen. Es gibt auch genügend Studien und Forschungen mit eindeutigen Aussagen: Nämlich dass Kinder mit depressiver Mutter einem erhöhtem Risiko ausgesetzt sind, in das gleiche Muster zu verfallen oder mit erheblichen Beeinträchtigungen rechnen müssen. Das sehe ich ja auch an meiner Vita - und ich bin wahrlich keine Freundin der klassischen Psychoanalyse nach dem Motte "Kindheit kaputt, alles kaputt". Im Gegenteil glaube ich an Selbstbestimungsfreiheit des menschlichen Geistes und lehne auch genetischen Determinismus als einseitige Erklärung ab.
Unter diesen vielen Studien fehlen mir konkrete Problemlösungsstrategien, wie man effektiv im Alltag mit Baby/Kind gegensteuern kann. Ich suche bei Euch im Forum den Rat von bzw. den Austausch mit Müttern, denen es ähnlich geht wie mir. Wie gelingt es Euch, Euren Alltag zu wuppen und den Depri von Euren Kinder fernzuhalten? Was sind Eure individuellen Strategien, mit den Kindern zu lachen, zu weinen und auch in der tiefsten Krise immer auf ihre konkreten Bedürfnisse eingehen zu können?
Euer Feedback würde mich wirklich sehr freuen. Allein das Entdecken der Site war schon eine große Hilfe: habe heute das erste mal seit Jahren beim Lesen wieder geweint.
Alles Gute für Euch und viele helle, freudige Stunden
amaha