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Re: Fühle mich hier nicht mehr wohl!

Verfasst: 14. Jun 2009, 13:32
von otterchen
Hallo Manu,

ja, das stimmt...
aber es ist für mich irgendwie vertrackt:
ich weiß nur: das will ich nicht.
Ich tue mich aber fürchterlich schwer, statt dessen zu äußern, was ich eigentlich will.
So als würde ich einen Radiosender nur mit Rauschen empfangen. Da heißt es jetzt für mich: am Knöpfchen drehen, bis ich klar höre, was ich eigentlich will

Re: Fühle mich hier nicht mehr wohl!

Verfasst: 14. Jun 2009, 13:42
von albert
Hallo Moya, imagine, Britta, Thomas, Otterchen und alle,

ich setze hier mal einige Zitate untereinander:

„Es gibt immer jede Menge von Gründen, sich angegriffen zu fühlen…
Aber angreifbar kann man nur sein, wenn man nicht an sich selbst glaubt, wenn man selbst findet, nicht richtig zu sein. Das ist die Basis dafür, angreifbar zu sein. Es ist nicht der andere, der angreift, du bist das, weil du nicht an dich selbst glaubst.“

„Jeder verfügt nun mal über Schwächen, Mängel und Fehler, die ihn zur Zielscheibe machen, wenn es denn jemand darauf auslegt.“

“Aber es gibt Toleranz, manchmal vielleicht auch Nachsichtigkeit wie einem kleinen Kind gegenüber, die viel gepriesene innere Achtsamkeit (nämlich nicht zu bewerten) und manchmal eben auch den Entschluss, sich zurückzuziehen.“

„ich glaube, dass Verwundbarkeit einfach etwas ganz Menschliches ist.“


Ein Urteil ist ein Angriff, aha. Ich weiß noch aus meiner Zeit in einer Behörde, dass ein Kollege äußerte, die Stellungnahme habe keinen Biss gehabt. Mit anderen Worten, der betreffende Sachbearbeiter sei zu zahm gewesen. Ich hatte damals den Eindruck, das gehört beim Umgang der Behörden untereinander dazu, anzugreifen und angegriffen zu werden. Zusammenarbeit über die Fachgrenzen hinaus war unspektakulär und war dann sehr bemerkenswert, wenn es darum ging, als Allianz mehrerer Behörden einen unbequemen Außenseiter nieder zu ringen.

Sich zurücknehmen ist Teil eines Rückzuges, es kann eine Haltung des Abwartens, der weiteren Arbeit im eigenen Kämmerlein sein und der steten Bereitschaft, neu zum Austausch bereit zu sein, auch auf andere wieder zu zugehen. Dann kann es auch ein Teil des Springens über den eigenen Schatten sein, das Überwinden der eigenen dunklen Seite und das kostet Überwindung von meiner Seite. Da ist z. B. jene Institution, die jahrelang einen Bereich nicht bearbeitet hat, offensichtlich gab es keine Probleme – in ihren Augen.

Aber dann hatten die Betroffenen ihre Probleme und sie wandten sich zuerst an jene, die im Bereich als „Konkurrenz“ weitergearbeitet hatten. Nach Jahren sah die Institution dann ihren Nachholbedarf und sie glaubte, mit massivem Einsatz von Geräten und Personal den Rückstand aufzuholen.

Einige Betroffene sind darauf angesprungen, es wurde ein Projekt in Gang gesetzt, es wurden Arbeitsberichte gedruckt, aber es wurde auch bemerkt, dass die Arbeitsergebnisse der „Konkurrenz“ nicht zitiert wurden. Das Zitieren wäre eine Öffnung auf ihrer Seite gewesen und ich kann darüber spekulieren, warum es nicht geschah. Sicherlich hätte man in solch einem Fall mehr arbeiten müssen und das selbstgezogene Personal hätte dafür nicht ausgereicht. So ist ein Rückzug verbunden mit verbissener Selbstisolation auch ein selbst gewähltes Verharren in teilweiser Untätigkeit.

Ich habe Verständnis dafür, dass die Überwindung der eigenen dunklen Seite nicht sofort und nicht überall und nicht jederzeit möglich ist und dass die Betroffenen dafür – wenn sie endlich doch in Gang kommt - die Einhaltung von verbindlichen Ritualen erwarten, dass die erarbeiteten Informationen über neutrale, externe Kanäle laufen.

Bin ich selbst ein Betroffener, gebe ich zu, dann spüre ich, dass es um mein liebstes Spielzeug geht, das macht mir zu schaffen; ich sehe mich in meiner Existenz bedroht. Wenn ich in mich selber reinblicke, dann bemerke ich die Verbiegungen aus der Kindheit, jene Anteile, die am Rand zur Persönlichkeitsstörung sich befinden und die ich nur in äußerster Notlage offen lege – weil sie Schwachpunkte sind. Ich unterscheide hier erworbene und angeborene Schwachpunkte.

Erworben sind sicherlich Persönlichkeitsstörungen, angeboren ist die Neigung zur Depression und die erhöhte Empfindlichkeit.
Ein solcher Schwachpunkt ist z. B. meine Verwundbarkeit. Ich muss damit leben, dass ich nicht alle Angriffe einfach wegstecken kann, bin nicht der Typ dafür. Aber ich habe im Verlauf von mehr als einem Fall gelernt, meine Verletzungen zu bearbeiten, teils auch mit Hilfe von außen. Das setzt mich heute in eine bessere Verfassung. Ich arbeite für mich weiter, sehe noch einmal nach und frage mich, wo habe ich in mir zu arbeiten. Wo gibt einen Bedarf und welche Möglichkeiten habe ich heute und mit den gegebenen Mitteln dafür?

So ist ein Rückzug mehr als nur das Verharren in der Isolation, er bietet die Möglichkeit zur Neuorganisation meines Selbst. Mehr als einmal habe ich dafür Hilfe von außen benötigt.
Danach muss ich für einen Neuanfang nicht lange suchen, die Gelegenheiten zum Austausch stehen im Raum. Ich sehe heute die Rituale, die dafür bereit stehen und genutzt werden können. Und ich kann mir die Menschen aussuchen, die bereit sind, sie ebenfalls zu nutzen für eine Begegnung in Augenhöhe.

Ob jene Menschen und Institutionen, die sich in selbst gewählter Isolation sich befinden, sich aufmachen und im Austausch konstruktiv arbeiten, kann ich nicht erzwingen. Ich kann nur von meiner Seite aus meine Haltung als Angebot deutlich machen.

Es gibt das berühmte Wort, die andere Wange hinzuhalten, wenn ich einen Streich auf eine Wange erhalten habe. Ich sehe, dass sich das verschieden interpretieren lässt. Für mich bevorzuge ich die oben ausgeführte Variante.

Es ist etwas lang geworden, aber eine erfolgreiche Therapie braucht auch ihre Zeit und ich sehe im Rückblick, dass es eine Reihe von Gesprächsserien mit verschiedenen Personen über viele Jahre war.

Grüße von
Albert

Re: Fühle mich hier nicht mehr wohl!

Verfasst: 14. Jun 2009, 13:48
von Guinevere
Hey Otterchen,

da gehts uns ja sehr ähnlich!

Ich hab schon vor gut zwei Monaten von meinem Thera ein Formular bekommen, auf dem ich das, was ich für mich in 1 Jahr, 3 J., 5 J., 10 J., 15 J., 20 J. erreichen möchte festhalten halten, mir übers Bett hängen soll, mit 12 x Berührung der Beine durch die Hände zum Kopf mir ins Bewusstsein führen soll (damit Beine und Kopf gleichgeschaltet sind).

Nun ist der Zettel immer noch leer, und ich hab null Ahnung, was ich da drauf schreiben sollte... mir aber dafür noch die von mir benötigte Zeit gebe. Ab und an kristallisiert sich da vom Anflug her schon was herraus. *auch schon was, ein Fortschritt ist *

Hm, edit: da *nach oben deut* hast es eh schon wieder das "sollte"

Re: Fühle mich hier nicht mehr wohl!

Verfasst: 14. Jun 2009, 14:07
von otterchen
Hallo Manu,

oh ja *seufz* da geht es uns wirklich ähnlich.

Schon in der Schule wussten viele aus meiner Klasse, wie es weitergehen sollte:
Ausbildung oder Studium, Familiengründung etc.

Und ich? Mein Ziel war es nur, von Zuhause wegzukommen. Und das war's. Bis heute anscheinend.
Bei mir würde auch immer noch ein leeres Blatt an der Wand hängen!

Was ich lediglich weiß, ist, dass ich weitermachen möchte auf dem Weg zu mir hin. Aber kann ich das festmachen an einem Zeitraum? Es dauert so lange, wie es dauert.
Aber es gibt schon Ziele:
sowas wie Selbstfindung, Zufriedenheit, Weisheit, Kontakte etc.
Aber alles so undeutlich wabernd im Nebel...

Re: Fühle mich hier nicht mehr wohl!

Verfasst: 14. Jun 2009, 14:25
von Guinevere
Hallo Otterchen,

Aber es gibt schon Ziele:
sowas wie Selbstfindung, Zufriedenheit, Weisheit, Kontakte etc.

Gute Ideen! Danke!

Aber alles so undeutlich wabernd im Nebel...

Hm, das macht bei mir u.a das mir mangelnde Durchsetzungsvermögen , und auch die "Angst" vor Konflikten, die dadurch wohl anstehen werden...

Re: Fühle mich hier nicht mehr wohl!

Verfasst: 14. Jun 2009, 14:26
von tomroerich
Hi Wolke,

@Thomas, das verstehe ich nicht. Mich vollkommen zu akzeptieren, bedeutet für mich eben gerade, mich MIT meiner Verletzlichkeit zu akzeptieren.

Das würde heißen, dass das, was du bist, auch Schmerz ist und das wiederum heißt, dass sich das Leben selbst feindlich ist. Warum solltest du für dich akzeptieren, was dir weh tut? Warum solltest du dann etwas gegen Depressionen tun? Weil die dann doch zu unkzeptabel sind? Wie geht man dann insgesamt mit dem Problem "Leid" um - nach dem Prinzip, dass eine gewisse Portion davon akzeptabel sein muss?

Ich habe da wirklich eine andere Einstellung. Das einzige, was ich verdiene und auch jeder andere, ist vollkommenes Glück. Es gibt nichts an meiner Natur oder der Natur von irgendjemand, das Strafe verdient - also Schmerz. Du musst dir nur vor Augen halten, was tatsächlich passieren würde, wenn jeder das versteht.

Dennoch heißt das nicht, Schmerz zu verdrängen, weil das nicht die Weise ist, wie das Problem gelöst werden kann. Die Alternative heißt nicht Akzeptanz oder Vedrängung sondern Akzeptanz oder Aufgeben. Aufgeben ist etwas grundsätzlich anderes als verdrängen. Und was aufgegeben werden muss ist, sorry, genau der Glaube, dass Leid zum Leben gehört, weil es der Glaube ist, dass etwas mit dir nicht stimmt. Wenn du das glaubst, lädst du das Leid ein, weil du es für dich als angemessen ansiehst.

Dahinter versteckt sich aber nur die Überzeugung, Strafe zu verdienen und daher schuldig zu sein. Das will dir die Welt (incl. ihrer irdischen Interpretationen über das Christentum) einreden, indem sie dich in tausend Situationen bringt, die scheinbar belegen, dass du es tatsächlich bist. Ständig machst du was "falsch", wirst scheinbar abgelehnt, lädst du scheinbar Schuld auf dich - schon von Geburt an. Kein Wunder, dass Leid schließlich als logische Konsequenz aus dieser Schuld akzeptiert wird. Nur gibt es überhaupt keine Schuld - das ist eine Theorie, die sicherstellen soll, dass du den Weg in die Freiheit nicht findest.


Wir hatten hier mal diese Religions-Diskussionen. "Unverwundbarkeit" scheint mir so losgelöst, so abgehoben, Verwundbarkeit dagegen irdisch, Jesus zum Beispiel ist menschlich, weil er verwundbar ist.

Tatsächlich ist Unverwundbarkeit mit einer Loslösung verbunden aber nicht mit Verdrängung. Die (Er)lösung liegt darin, dass du dir deine angebliche Schuld vergibst und dazu musst du sie anschauen und nicht verdrängen.

Jesus hat aber nicht das Menschliche des Leids demonstrieren wollen sondern eben, dass dies nicht das letzte Wort ist - durch die Auferstehung. Nach dem Motto "Tod, wo ist dein Stachel, Hölle, wo ist dein Sieg?" Es ging auch nie um eine Auferstehung im Körper sondern um die Neugeburt im Geist. Es ging darum aufzuzeigen, dass deine wirkliche Natur nicht irdisch ist sondern dass du ein Wesen bist, das eine irdische Erfahrung macht.


Liebe Grüße von

Thomas

Re: Fühle mich hier nicht mehr wohl!

Verfasst: 14. Jun 2009, 14:39
von Guinevere
Nachtrag an Otterchen und sorry, für wohl mittlerweile "offtopic"..

Aber kann ich das festmachen an einem Zeitraum? Es dauert so lange, wie es dauert.

Hm, der Zeitraum dient ledig als Zielsetzung , um nicht "Treibholz" zu sein.

Nun, ich möchte was erreichen, was mich in dieser Welt noch hält... mal schaun

Liebe Grüße allen,
manu

Re: Fühle mich hier nicht mehr wohl!

Verfasst: 14. Jun 2009, 15:39
von tomroerich
Liebe Brittka,

ich möchte keine Schale aus Gleichgültigkeit um mich haben. Ich möchte berührbar, sensibel sein. Ich möchte Schmerz und Trauer empfinden können. Denn all dies ist menschliches Empfinden!

Ist denn die Alternative dazu, Schmerz empfinden zu können, Gleichgültigkeit? Ist Sensibilität eine Eigenschaft, die Schmerz und Trauer zur Bedingung hat? Ist Berührbarkeit Berührung durch Schmerz? Wie berührt dich Liebe, wie macht Liebe sensibel, macht Liebe etwa gleichgültig?

Wenn du diese zwei Weisen, die Welt zu erleben, gegenüberstellst, können die wirklich nebeneinander existieren oder scließen sie sich gegenseitig aus? Kann Liebe Schmerz wünschen?

Sogar Siegfried hatte nach dem Bad im Drachenblut, das ihn weitgehend unverwundbar machte, diese verwundbare Stelle zwischen seinen Schulterblättern zurückbehalten

Deshalb ist Siegfried ja auch ein Beispiel dafür, dass man sich mit Mitteln der Magie und des Äußeren (Siegfried wollte sich durch die Kräfte des Bösen unverwundbar machen, indem er sie zu nutzen versuchte)nur doppelt verwundbar machen kann. Es geht aber um die Einsicht, dass man von Natur aus unverwundbar geschaffen ist und dass nur der Glaube, dies sei nicht so, eine gefährliche Welt hervorbringt. Gerade der Versuch, sich zu veteidigen wie Siegfried es tat, ist der beste Beweis dafür, dass man an Verwundbarkeit glaubt.




Liebe Grüße,

Thomas

Re: Fühle mich hier nicht mehr wohl!

Verfasst: 14. Jun 2009, 15:42
von Clown
«Und was aufgegeben werden muss ist, sorry, genau der Glaube, dass Leid zum Leben gehört, weil es der Glaube ist, dass etwas mit dir nicht stimmt.»

der Glaube, dass etwas mit mir nicht stimmt - ich muss erst mal merken, dass ich diesen Glauben in mir habe. Der tarnt sich nämlich ganz schön. Ich denke, ich bin ihm auf die Spur gekommen, hat aber lang gedauert!

«Wenn du das glaubst, lädst du das Leid ein, weil du es für dich als angemessen ansiehst.»

Das Gesetz der Resonanz, ja? Teuflisch, weil dadurch mein Glaube sozusagen 'bewiesen' wird.

«Nur gibt es überhaupt keine Schuld - das ist eine Theorie, die sicherstellen soll, dass du den Weg in die Freiheit nicht findest.»

Thomas, WER hat Interesse daran, dass Menschen den Weg in die Freiheit nicht finden? Davon profitiert doch nicht wirklich jemand.

«dass du dir deine angebliche Schuld vergibst und dazu musst du sie anschauen und nicht verdrängen.»

Meine angebliche Schuld anschauen und sie mir vergeben, indem ich mir klarmache, dass sie gar nicht existiert. Das klingt schwierig, geht wohl nur auf der Ebene, die du am Schluss erwähnst:

«Es ging auch nie um eine Auferstehung im Körper sondern um die Neugeburt im Geist. Es ging darum aufzuzeigen, dass deine wirkliche Natur nicht irdisch ist sondern dass du ein Wesen bist, das eine irdische Erfahrung macht.»

Grüße,

Clown

PS: Ich find's große Klasse, dass aus dem Ärgernisanlass so ein spannender Austausch geworden ist - wieder mal das Sandkorn-in-der-Auster-Phänomen!

Re: Fühle mich hier nicht mehr wohl!

Verfasst: 14. Jun 2009, 15:43
von tomroerich
Hi Holgi,

<em>Ich denke, also bin ich.</em>

Denken zu können, setzt Sein voraus. Es kann nicht umgekehrt sein. Also: Ich bin, also denke ich.

Grüßle,

Thomas

Re: Fühle mich hier nicht mehr wohl!

Verfasst: 14. Jun 2009, 15:49
von Guinevere
Hm, ich denk schon, dass Freude und Leid, Licht und Dunkelheit sich bedingen, und wenn man in keinem der beiden stagniert, beide Energien ständig im Wandel sind, dann...

Gleichgültigkeit gegenüber allem, empfinde ich dem "Tod" gleich.

Re: Fühle mich hier nicht mehr wohl!

Verfasst: 14. Jun 2009, 16:02
von otterchen
Hallo,

ich komme gerade nicht mehr mit.
Was hat Verletzbarkeit denn unbedingt mit Schuld und Leid zu tun?

Nehmen wir mal an, ich bin in einer Beziehung und wurde angelogen/betrogen, was weiß ich...

Das tut weh! Das verletzt mich.

Wie würdest Du, Thomas, damit umgehen?
Ich bin schon froh, wenn ich diesen Schmerz wahrnehmen kann und nicht verdränge, mehr noch: wenn ich die einzelnen Facetten, die Vielschichtigkeit des Fühlens wahrnehmen kann.

Natürlich habe ich nichts als Glück auf dieser Welt verdient - aber so ist die Welt nunmal nicht. Ich bin nicht Jesus (sorry, wenn sich jemand jetzt angegriffen fühlt), ich bin ein Mensch.
Ich glaube, erst wenn ich keine Hoffnungen und Träume mehr habe, kann ich nicht mehr enttäuscht werden. Will ich so werden? Nein. Dann lebe ich lieber mit Enttäuschungen.
Ich will mich auch lieber öffnen und meine zarten Stellen zeigen - auch auf die Gefahr hin, dass dort ein Stachel hineingestoßen wird. Und ich will diese zarten Stellen behalten, ich will kein dickes Fell überall. Ergo kann es passieren, dass mir wehgetan wird.


Edit @ Manu:
ja, ich glaube auch, dass beide Seiten zusammengehören. Das ist Leben.

Re: Fühle mich hier nicht mehr wohl!

Verfasst: 14. Jun 2009, 16:10
von Guinevere
Otterchen

>Was hat Verletzbarkeit denn unbedingt mit Schuld zu tun?



(Ein bisserl gekürzt)

Re: Fühle mich hier nicht mehr wohl!

Verfasst: 14. Jun 2009, 16:13
von cool
Wer niemals Schmerz erfahren "durfte", wer ihn nie empfunden hat oder nicht mehr empfinden will, wer meint unverletzlich oder unverwundbar zu sein, ist nicht überlebensfähig, sondern nur tote Materie. Ähnlich einem Stein, wobei ich nicht wirklich sagen kann, ob und wie ein Stein fühlt.
Denn ich bin ein Mensch und kein Stein.

Verletzlichkeit, Verwundbarkeit und die Fähigkeit Schmerzen zu spüren,vielleicht auch nur ein Unwohlsein, zeigen uns Lebewesen unsere Grenzen auf. Zeigen an, wo Gefahr ist, oder auch nur, wo kein so guter Platz für uns ist, um die Möglichkeit zu haben, gut zu wachsen und zu gedeihen, um zu dem zu werden, wofür wir bestimmt sind. Um unseren Weg zu gehen.

Darum halte ich im Forum auch niemanden zurück, wenn er für sich entscheidet, daß er sich für eine bestimmte Zeit, oder für immer aus dem Forum zurückziehen oder verabschieden möchte. Das Forum ist vielleicht eine Station in unserem Leben, an der wir für eine gewisse Zeit intensiv verweilen, aber es muß auch die Zeit oder es müssen Zeiten kommen, an denen es auch ohne Forum geht.
Sonst wird man hier wahnsinnig, falls man es nicht bereits ist.

Ich habe im Spätsommer des Jahres 2001 hier angefangen zu lesen und erst viel später angefangen zu schreiben.
Es gibt Wellenbewegungen, was die Atmossphäre im Forum betrifft. Ebbe und Flut.
Ruhige und produktive Zeiten dazwischen.
Manchmal baut sich sogar fast ein Tsunami auf.
Aber das Forum übersteht und überdauert das. Nun schon seit fast 10 Jahren.

Sehr schade ist, wenn neue Leute gerade in einer unwirtlichen Zeit ins Forum kommen.
Ob und wie man das abstellen könnte, weiß ich nicht.
Es ist ein öffentliches Internet-Forum. Die Tür steht immer offen. Was wichtig ist, um ein niederschwelliges Hilfs-Angebot für Depressive anzubieten. Andererseits wird es immer ein Balance-Akt für die Moderation sein, hier Grenzen zu ziehen. Beziehungsweise sich rauszuhalten. Herr Dr. Niedermeier spricht immer mal wieder von den Selbstreinigungskräften des Forums.

Re: Fühle mich hier nicht mehr wohl!

Verfasst: 14. Jun 2009, 16:22
von Clown
Hallo Otterchen,

«Nehmen wir mal an, ich bin in einer Beziehung und wurde angelogen/betrogen, was weiß ich...Das tut weh! Das verletzt mich.»

Ja klar tut das weh. Aber wodurch und wie eigentlich genau? Was läuft innerlich ab, bei meinen Gedanken, Gefühlen und körperlichen Empfindungen, dass das Endergebnis als 'Schmerz' bezeichnet wird?

Grüße,

Clown

Re: Fühle mich hier nicht mehr wohl!

Verfasst: 14. Jun 2009, 16:40
von Regenwolke
@Thomas,
ich seh es wie Otterchen. Ich verstehe diese Verbindung von Verletzlichkeit und Schuld/Strafe einfach nicht.
Verletzlichkeit steht für mich im Zusammenhang mit Berührbarkeit - wenn ich mich berühren lasse, kann ich nunmal auch verletzt werden. Ich bin doch auch körperlich verletzbar, das ist eben so als Lebewesen.

Re: Fühle mich hier nicht mehr wohl!

Verfasst: 14. Jun 2009, 16:41
von otterchen
Ja was, Clown?

Magst Du das berichten?



Re: Fühle mich hier nicht mehr wohl!

Verfasst: 14. Jun 2009, 16:49
von tomroerich
Liebe Otterchen,

Ich möchte Schmerz und Trauer empfinden können.

Ich auch!

Ich glaube allerdings, Thomas sieht das anders, kann das sein? Das Thema hatten wir ja schon ausführlich diskutiert und ich habe Thomas so lange mit meinen Fragen gelöchert, bis ich nicht mehr konnte. Anstrengend war das! Thomas, magst Du Dich hierzu nochmal äußern?

Wir sollten unterscheiden:

a) Die Fähigkeit, Schmerz und Trauer zu empfinden
b) Schmerz und Trauer zu wollen, sich dafür zu entscheiden

a) ist immer gegeben, man kann es als eine Möglichkeit sehen, die der Geist hat. Doch ist es imo eine Möglichkeit, die aus der Nichtkenntnis seiner eigenen Natur stammt. Schmerz und Trauer oder jedes Leid allgemein ist seiner Natur nach die Wirkung der Ursache "Ich bin nicht das, was ich wirklich bin sondern etwas anderes". Anders gesagt, ist Leid das Ergebnis einer Dissoziation von sich selbst und die kommt daher, dass man Angst vor sich selbst hat. Ich sehe es also eindeutig nicht so, dass Leid "zu mir gehört" sondern ganz im Gegenteil so, dass es ausdrückt, dass ich mich selbst nicht habe und nicht kenne - ich bin mir selbst entfremdet. Nur das kann eine Ursache von Leid sein. Das Leben erschaftt nicht etwas, das seiner Natur nach an sich selbst zu leiden hat.

Deshalb ist eine Entscheidung für b)eine Entscheidung dafür, sich selbst entfremdet zu bleiben.


Mein damaliger Versuch, mir das zusammenzureimen, war folgender:
Wer bislang in seiner Depression nur negativ gefühlt hat, konzentriert sich mehr darauf, diese "negativen" Gefühle zu eliminieren bzw. sie umzuwandeln und ihnen so wenig Platz wie möglich einzuräumen.

Wer wie ich bislang meisterlich im Verdrängen von Gefühlen war, der freut sich geradezu, wenn wieder diese "negativen" Gefühle auftauchen und wir uns endlich wieder traurig, verzweifelt, hilflos, wertlos etc. fühlen können.

Very good! Begrüße deine sog. neg. Gefühle aus einem einfachen Grund: Sie sind die sichtbare Spitze deines Eisberges der Selbstentfremdung und sie zeigen dir, was los ist. Hier ist der Eisberg der Kälte! Doch willst du diesen Eisberg? Es ist gut, dass du ihn siehst - nun kannst du anfangen, ihn aufzulösen, indem du ihn erwärmst. Das ist die Seite der Akzeptanz deiner Gefühle - du verdrängst sie nicht, sondern du schaust an. Du nimmst sie als Gelegenheit, sie aufzulösen. Wie willst du etwas auflösen, was du nicht siehst? Verdrängung wäre: Da ist kein Eisberg, es gibt nichts aufzulösen! Verdrängung verbirgt ihn vor dir.

Sei froh über jeden, der dich ärgert. Er zeigt dir, dass der Eisberg noch da ist und ohne ihn wüsstest du es nicht. Sei glücklich über jeden, der dich verletzt, aus dem gleichen Grund. Verstehe aber, dass es DEIN Eisberg ist und dass ihn der andere nicht erzeugt hat. Das ist: Verantwortung übernehmen. Aber nicht: Schuld sein. Schuld ist die Natur des Eisbergs. Und wenn du ihn fühlst, den Eisberg - bei jeder Gelegenheit - vergib ihn und lass ihn los. In der konkreten Situation. Halte einfach einen Moment inne, bevor du das oder den für deinen Eisberg beschuldigst und für das, was dich verletzt hat. Wenn du das tust, machst du es wiederum wirklich für dich und überzeugst dich selbst davon, dass Eisberge niemals schmelzen. Das ist der Kreislauf von verletzen und streiten. Erinnere dich statt dessen daran, dass du auch deinen Frieden wählen kannst. So wählst du deine Unverletzlichkeit. jedes mal, wenn du das tust, schmilzt der Eisberg ein wenig mehr. Du musst es lediglich nicht mehr wählen, das ist alles. Du wählst dein Leid aber dadurch, dass du mit Ärger und Wut reagierst.

Aber das braucht Übung. Doch wirst du schnell Erfolge haben und du wirst sehen, dass nichts dran ist an Schmerz und Leid - du benötigst es zu nichts außer zum Unglücklichsein

Und außerdem: laut meiner Definition gibt es bei Gefühlen weder ein negativ noch ein positiv. Das klingt nämlich so, als müsste man die negativen Gefühle eliminieren - und das war genau das, was mich in die Verdrängung und damit in die Depression gebracht hat. Gefühle sind. Sie gehören zu uns, auch wenn sie sich für uns manchmal nicht angenehm anfühlen.

Nein, mit Eliminieren hat es nichts zu tun. Es gibt überhaupt keinen Weg, Gefühle zu eliminieren. Sie zu verdrängen, eliminiert sie nicht, sie werden nur unsichtbar für dich und können dann nicht aufgelöst werden. Es geht nur darum, was du wählst, denn das bekommst du auch. Solange du eine reagierende Seelenmaschinerie bist, die Verletzungsgefühle immer wieder ausagiert in Streit und Chaos, wählst du nichts. Du bist Treibholz. Und du wirst dich so fühlen, als sei Verletzung dein Leben und wie du selbst. Wählst du aber deinen Frieden und dein Glück, dann wählst du dich selbst, denn Frieden und Glück sind deine Natur.

Herzliche Grüße!

Thomas

Re: Fühle mich hier nicht mehr wohl!

Verfasst: 14. Jun 2009, 16:51
von Guinevere
Liebes Otterchen

Ich bin schon froh, wenn ich diesen Schmerz wahrnehmen kann und nicht verdränge, mehr noch: wenn ich die einzelnen Facetten, die Vielschichtigkeit des Fühlens wahrnehmen kann.

Da gehts uns wieder mal ähnlich . War dann z.B. in Bezug auf meinen Vater auch so, dass ich ihm dadurch seine Grenzen aufzeigen konnte. Ihn bat, dass er das unterlassen solle, mich ständig (aus nem Minderwertigkeitskomplex seinerseits) blöd anzureden, sich ständig über mich lustig zu machen,...das hat dann für mich weniger mit "Schuld" zu tun, sondern eher mit Respekt, Achtung, Werten...

Re: Fühle mich hier nicht mehr wohl!

Verfasst: 14. Jun 2009, 17:14
von niederländer
Chappeau Albert !!


Gruss,

Benny

Re: Fühle mich hier nicht mehr wohl!

Verfasst: 14. Jun 2009, 17:28
von Liber
Lieber Thomas,

>Wir sollten unterscheiden:

>a) Die Fähigkeit, Schmerz und Trauer zu empfinden
>b) Schmerz und Trauer zu wollen, sich dafür zu entscheiden

Ganz genau! Und ich glaube, Konstantin Wecker, Otterchen und mir ging es um Punkt a) (Korrigier mich, Otterchen, wenn das für dich nicht gilt, ja?)


Die Fähigkeit, Schmerz und Trauer zu empfinden ist aber aus meiner Sicht nicht dasselbe wie Leid. Leid entsteht dann, wenn wir uns für b) entscheiden.

Was ich weiter oben noch ausdrücken wollte: zur Zeit zweifle ich daran, ob es diese Unverwundbarkeit überhaupt gibt bzw. ob sie erstrebenswert ist. Wir sind geistige Wesen, die eine irdische Erfahrung machen. Und zu dieser Erfahrung gehören doch AUCH Schmerz und Trauer. Nicht Schuld! Auch nicht Leid im Sinne, in Schmerz und Trauer zu verharren, weil wir sie "verdienen".

>Ist denn die Alternative dazu, Schmerz empfinden zu können, Gleichgültigkeit?

Nein, ganz bestimmt nicht! Ich habe Konstantin Weckers Satz so interpretiert. Meine Meinung ist das nicht.


>Ist Sensibilität eine Eigenschaft, die Schmerz und Trauer zur Bedingung hat? Ist Berührbarkeit Berührung durch Schmerz?

Nein, sie hat sie nicht zur Bedingung, aber Schmerz und Trauer gehören AUCH dazu zur ganzen Palette der menschlichen Empfindungen und Gefühle. Und es ist ein Merkmal von Leben, sie spüren zu können. Wichtig ist, sie nicht mit Strafe für eine "Schuld" zu verwechseln.

>Wenn du diese zwei Weisen, die Welt zu erleben, gegenüberstellst, können die wirklich nebeneinander existieren oder scließen sie sich gegenseitig aus? Kann Liebe Schmerz wünschen?

Liebe ist - ja, ich glaube, der Hintergrund für ALLES. Kein Gegensatz dazu.


Das wäre eine extra Diskussion wert !

Ganz wichtiges Thema für mich im Moment.


Liebe Grüße
Brittka

Re: Fühle mich hier nicht mehr wohl!

Verfasst: 14. Jun 2009, 17:52
von Clown
Hallo Otterchen,

ich schrieb dir: 'Was läuft innerlich ab, bei meinen Gedanken, Gefühlen und körperlichen Empfindungen, dass das Endergebnis als 'Schmerz' bezeichnet wird?'

Und du hast so reagiert:
«Ja was, Clown? Magst Du das berichten?»

Nein, ich mag nicht berichten, das bringt DIR nämlich gar nichts. Du äußerst doch die Haltung, dass Verletzbarkeit nichts mit Schuld und Leid und Fehlglaube ('ich habe Leid verdient, weil ich nicht in Ordnung bin') zu tun habe. Meine Fragen könnten dich auf eine andere Spur bringen, wenn du sie für dich beantwortest, so meinte ich es. Das habe ich wohl zu verkürzt rüber gebracht.

Grüße,

Clown

Re: Fühle mich hier nicht mehr wohl!

Verfasst: 14. Jun 2009, 17:58
von otterchen
Hallo Brittka,

ja, hast Du richtig gesehen.



Hallo Clown,

tja, was würde mich verletzen?
Nun, ich konstruiere mal ein Beispiel:
da ist eine Person meines Vertrauens, und die klaut mir auf einmal Geld und bringt mich damit in arge Schwierigkeiten, weil ich irgendwas nicht mehr bezahlen kann.

Das schmerzt. Der Vertrauensbruch, die Enttäuschung, die Probleme, dich ich auf einmal dadurch habe.

Re: Fühle mich hier nicht mehr wohl!

Verfasst: 14. Jun 2009, 18:01
von Regenwolke
Zitat
"Lieber Thomas,
>Wir sollten unterscheiden:
>a) Die Fähigkeit, Schmerz und Trauer zu empfinden
>b) Schmerz und Trauer zu wollen, sich dafür zu entscheiden
Ganz genau! Und ich glaube, Konstantin Wecker, Otterchen und mir ging es um Punkt a) (Korrigier mich, Otterchen, wenn das für dich nicht gilt, ja?)"

@Brittka, ich glaube, Du meintest mich, nicht Otterchen. Und ja, mir ging es mit dem Wecker-Zitat auch um Punkt a).

Re: Fühle mich hier nicht mehr wohl!

Verfasst: 14. Jun 2009, 18:15
von Clown
Entschuldigung Otterchen, aber du verstehst mich immer noch nicht.

Meine Frage ist nicht WAS dich verletzen würde, sondern wie das innerlich dann abläuft mit der Verletzung - hinsichtlich körperlicher Empfindungen, Gedanken und Gefühlen. Das bei sich mal genauer zu beobachten könnte aufschlussreich sein.

Nun lasse ich es aber gut sein.

Grüße,

Clown