Ein bißchen Mut für alle

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barilla
Beiträge: 127
Registriert: 14. Sep 2005, 19:23

Ein bißchen Mut für alle

Beitrag von barilla »

Hallo an Alle!

Nach meiner letzten schweren depressiven Episode im Sommer/Frühherbst letzten Jahres inklusive erneuter Tabletteneinnahme kann ich sagen, dass ich momentan rundum zufrieden und glücklich mit mir und meiner Situation bin.
Während meiner letzten Dep. war ich der festen Überzeugung, dass das nie wieder aufhören wird. Mir ging es damals derart beschissen (sorry!), dass ich weder ein noch aus wusste.
Aber irgendwie habe ich mich aus dieser Falle mithilfe von Medikamenten und meiner Psychth. auch wieder herausgezogen. Manchmal kann ich es selbst kaum glauben.

Ein großer Schritt in Richtung Genesung war sicherlich ein klärendes Gespräch mit meinem Vater, den ich seit ca. 8 1/2 Jahren nicht mehr gesehen habe. Wir haben uns das erste Mal über diverse Erlebnisse in meiner Kindheit unterhalten, bei denen ich mich von ihm erheblich im Stich gelassen gefühlt habe (dieses schwierige Verhältnis zu meinem Vater ist sicherlich auch mit für meine Depressionen verantwortlich wie ich während meiner Psych-Thera. herausgefunden habe.). Wir haben bei unserem Gespräch geweint und es war wie eine Befreiung für mich. Ich habe das Gefühl, ich konnte jetzt endlich Frieden schliessen mit meiner Vergangenheit und meine Kindheit in Frieden verlassen bzw. Abschied von ihr nehmen.

Ich werde nächsten Monat 28 und ich habe jetzt erst das Gefühl, dass ich nun erwachsen bin bzw. erwachsen werden kann.
Durch meine Beschäftigung mit meiner Kindheit während meiner Therapie habe ich zum ersten Mal für mich die Trauer, die Wut usw. um meinen verloren geglaubten Vater zugelassen, habe mich getraut, nochmal alles, was in meiner Kinheit passiert ist, zu zulassen, den verdrängten Schmerz gespürt, um ihn langsam aber sicher heilen zu lassen.
In all der Zeit der Verdrängung war neben meinen Depressionen immer das Gefühl in mir, dass da in mir irgendetwas ist, was noch raus muss, das wie ein einengendes Netz um mich ist.
Ich denke heute, dass das die Problematik mit meinem Vater war, über die ich mit ihm vorher nie gesprochen habe. Seit dem Telefonat mit ihm neulich, bei dem ich ihm das erste mal gesagt habe, dass er mir in meiner Kindheit so oft gefehlt hat etc., habe ich das Gefühl von einer ganz anderen Ruhe in mir.
Ein Gefühl von Frieden in und mit mir!

Ich möchte Euch alllen damit Mut machen durchzuhalten. Ich habe ein halbes Leben mit psychischen Krankheiten aller Art (Waschzwänge, generalisierte Angststörung, Depressionen)zugebracht und ich bin immer wieder an Punkte in meinem Leben gekommen, an denen ich eigentlich absolut nicht mehr konnte, physisch wie psychisch. Aber irgendwie war der Lebenswille doch immer wieder stärker und ich habe den Kampf wieder aufgenommen und weiter gemacht. Hinfallen, aufstehen, hinfallen, aufstehen hieß die Devise.
Und siehe da: Heute sitze ich hier und kann sagen:

ICH BIN GLÜCKLICH!!!

Es lohnt sich immer für sich zu kämpfen!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!

Alles Liebe für Euch
BARILLA
Denker
Beiträge: 645
Registriert: 11. Apr 2005, 13:55

Re: Ein bißchen Mut für alle

Beitrag von Denker »

Hallo Barilla,
vielen Dank für deinen Beitrag. Es gibt ja nicht so wahnsinnig viele positive Beiträge hier und ich kann nur hoffen, dass es bedeutet, dass alle, denen es besser geht, sich hier nicht mehr blicken lassen.
Ich habe ähnliche Erfahrungen mit den Gefühlen gegenüber meinem Vater gemacht. Vor 2 Jahren hätte ich sicher noch gesagt, meine Kindheit wäre sehr durchschnittlich gewesen. Heute weiß ich, dass ich jahrelang physisch und psychisch schwer misshandelt worden bin. Dieses Wissen zuzulassen, den Schmerz darüber zu spüren, wütend zu werden usw., das hat mir wirklich weiter geholfen. Das hat dazu geführt, dass ich den Schmerz irgendwann loslassen konnte.
Oft wird man aufgefordert, seinen Eltern zu vergeben, den sie haben es ja nicht besser gewusst, haben auch nur ihr bestes gegeben und hatten selber vielleicht misshandelnde Eltern. Alles schön und gut. Aber diese Abkürzung funktioniert nicht, wenn man sich dem Schmerz nicht stellt!
Ich habe nicht den Eindruck, dass du mit deinem Beitrag ausdrücken wolltest, für immer geheilt zu sein. Ich empfinde es für mich derzeit so:
Bislang schwerste und relativ lange depressive Phase bis Herbst 2004, ein mittelschwerer Rückfall mit mittlerer Dauer im Spätsommer 2005 und ein kleiner Rückfall mit kurzer Dauer in der ersten Woche 2006. Seit Herbst 2004 nehme ich mit einer Unterbrechung Antidepressiva. Wenig später habe ich eine Gesprächstherapie angefangen. Außerdem habe ich eine Menge Bücher gelesen und mich ausführlich im Internet informiert. Schließlich habe ich mir noch eine Selbsthilfegruppe zur moralischen Unterstützung gesucht. Als dies hat dazu geführt, dass ich mit der Krankheit umgehen kann. Ich habe gelernt, Depressionen als Krankheit zu sehen und nicht als Charakterschwäche. Ich habe akzeptiert, dass ich unter dieser Krankheit leide. Irgendwann habe ich auch erkannt, dass diese Krankheit eine Botschaft für mich trägt: Ändere dein Leben!
Ich habe gelernt, die Warnzeichen frühzeitig zu erkennen, ich habe mir einen Notfallkoffer zurecht gebastelt und ich kenne meine krankmachenden Gedankenmuster und versuche ihnen gesündere Gedanken gegenüberzustellen. Ich weiß, was ich tun kann, damit es mir wieder besser geht.
Trotzdem habe ich nicht das Gefühl, geheilt zu sein, genauso wenig, wie man Alkoholismus heilen kann. Wir werden vermutlich immer gefährdet sein. Bei mir ist es der Stress! Irgendwo gibt es eine Belastungsgrenze und wenn die für mich überschritten wird, kann ich für nichts garantieren.
Trotzdem machen solche Berichte Mut!
Danke und lieben Gruß
Denker
barilla
Beiträge: 127
Registriert: 14. Sep 2005, 19:23

Re: Ein bißchen Mut für alle

Beitrag von barilla »

Ein Hallo zurück!

Nein, ich glaube erstmal auch nicht daran, dass ich nun komplett geheilt bin und es mich nicht mehr erwischen kann. Ich habe schon seit mehreren Jahren Depressionen und habe gelernt, dass sie immer wiederkehren können und dass es eine Heilung in diesem Sinne evtl. nicht gibt.
Aber gerade momentan geht es mir sehr, sehr gut und ich möchte versuchen, diesen Zustand so gut wie möglich zu geniessen.

Nur allzu oft "merke" ich mir eher die negativen Erlebnisse in meinem Leben und diesmal möchte ich diese gute Phase so gut wie möglich abspeichern, damit ich, wenn es mich mit einer Dep. wieder erwischt, diese gute Phase quasi wieder abrufen kann und mir innerlich sagen kann "Auch dieses Mal wird es wieder vorbei gehen so wie es immer vorbei gegangen ist und es gibt soviel Schönes in Deinem Leben, was es noch zu erkunden gibt!" Versteht ihr wie ich das meine?

Mir ging es zwischen meinen depressiven Episoden immer wieder ganz gut, aber dieses Mal ist es einfach etwas anderes. Ausschlaggebend dafür ist sicherlich das Gespräch mit meinem Vater, das ich in meinem Eingangspost beschrieben habe. Wie gesagt, mir geht es gerade sehr gut, aber irgendwie ist dieses "gutgehen" diesmal ein viel tiefer gehendes Gefühl als sonst. Eben Frieden mit mir selbst und "meiner Geschichte".
Es ist einfach ein enormer Balast von mir abgefallen, seit ich mit meinem Vater gesprochen habe.
Das erste Mal wieder in Ruhe ganz tief durchatmen können...

Liebe Grüße,
BARILLA
270792
Beiträge: 296
Registriert: 6. Jun 2004, 20:45
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Re: Ein bißchen Mut für alle

Beitrag von 270792 »

Hallo Ihr!

Ich kann Euch wie Barilla auch Mut machen. Wer von Euch mich kennt, kennt meine depressive "Karriere" und auch ich habe gedacht, es hört nie auf. Ich war dreimal in einer Klinik, zweimal Psychosomatik und dazwischen Akutpsychiatrie, insgesamt war es fast ein halbes Jahr, dazu ambulante Behandlung/Therapie seit 8 Jahren.

Heute geht es mir so gut wie seit mindestens 11 Jahren nicht mehr, als bei meinem Sohn die ersten Auffälligkeiten begannen.
Das zeigt sich auch darin, dass mich der Tod meiner Oma letzte Woche nicht aus der Bahn geworfen hat, wofür vor gar nicht so langer Zeit noch Kleinigkeiten ausgereicht haben.
Mein Vater lag an dem Tag, als meine Oma gestorben ist, zur gleichen Uhrzeit 30 km weiter in Vollnarkose auf dem OP-Tisch und hat ein neues Hüftgelenk bekommen. Ich habe mir auch Sorgen gemacht, ob alles gut geht, aber auch das seltsame Zusammentreffen dieser beiden Ereignisse hat mich nicht wieder runtergezogen.

Ich nehme immer noch Amitryptilin und habe in größeren Abständen Kurzgespräche bei meiner Psychiaterin. Auch Migräne habe ich noch ab und an, aber nur noch knapp halbsoviel wie vor meinem letzten Klinikaufenthalt 2005.

Aber ich fühle ich mich trotzdem derzeit einfach rundum wohl. Nach meinem momentanen Befinden würde ich mich selbst nicht mehr als depressiv bezeichnen und ich bin mir relativ sicher, dass ich diesmal die Kurve endlich gekriegt habe.
Seit Beginn meiner Wiedereingliederung Anfang Oktober 05 war ich nicht einen einzigen Tag krank, in den 8 Monaten davor war ich 5 Monate arbeitsunfähig.

Auch wenn es vielen von Euch so erscheint, als sei eine Besserung oder gar Heilung nicht möglich, gebt nicht auf! Es wird nicht von Heute auf Morgen besser, aber Ihr habt die Chance, dass es besser wird. Ich wünsche Euch alles Gute!

Liebe Grüße

Annette
Nichts im Leben ist hoffnungslos traurig; selbst eine Träne, die die Wange hinabrollt, kitzelt.
BeAk

Re: Ein bißchen Mut für alle

Beitrag von BeAk »

Liebe Barilla,

danke für Deinen mutmachenden Post.
Leni2
Beiträge: 471
Registriert: 10. Aug 2005, 18:00

Re: Ein bißchen Mut für alle

Beitrag von Leni2 »

Hallo liebe Barilla,

ich freue mich auch sehr, dass es dir wieder besser geht, ich habe deine schlechten Zeiten im Sommer noch in ERinnerung.

Genieße es und lass es dir richtig gut gehen!

Lena
Alles, was man über das Leben lernen kann, ist in drei Worte zu fassen: Es geht weiter!

Celestina
Beiträge: 33
Registriert: 7. Dez 2005, 16:13

Re: Ein bißchen Mut für alle

Beitrag von Celestina »

Hi Barilla,

das ist schön, so etwas Positives und Ermutigendes zu lesen.

Wenn ich so zurückblicke, komme ich seit knapp zwei Jahren eigentlich ganz gut mit meiner Depression klar(in dieser Zeit auch ohne Gesprächstherapie und ohne medikamentöse Behandlung). Allerdings muss ich Dir und den anderen Recht geben: vorbei ist es damit nicht. Deshalb finde ich dieses Forum hilfreich: wenn es mir wieder mal etwas schlechter geht (was natürlich auch schon vorgekommen ist), kann ich mir hier etwas von der Seele schreiben, bzw. Erfahrungen mit anderen in ähnlichen Situationen austauschen.

Herzliche Grüße

Celestina
heike56
Beiträge: 1126
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Re: Ein bißchen Mut für alle

Beitrag von heike56 »

Liebe Annette (Blautopas),

ich habe deine Geschichte eine ganze Zeit im Forum verfolgt. Ich konnte dir zu deinen Schwierigkeiten keine Hilfestellung geben. Aber ich weiß, wie Du mit dir gerungen hast, was deine Entscheidungen anging. Wie verzweifelt Du warst.
Deshalb freue ich mich mit dir umso mehr, dass es dir jetzt gut geht.

Liebe Barilla,
dir ein dickes Dankeschön für deinen ermutigenden Beitrag. Es ist so wichtig im Forum auch dieses zu lesen.

Liebe Grüße und alles Gute

Heike 47
Kräuterhexe
Beiträge: 25
Registriert: 4. Jun 2005, 17:04

Re: Ein bißchen Mut für alle

Beitrag von Kräuterhexe »

Hallo ihr alle, auch ich finde es schön, einmal so etwas positives von euch zu lesen. Ich bin auch nur noch recht selten hier und lese mit, hatte im Frühjahr 2005 auch eine schwere depressive Phase wo gar nichts mehr ging. Inzwischen habe ich wieder einen Job, der mir sehr viel Spaß macht und ich fühle mich absolut "normal" und so als wäre nie etwas gewesen... ich weiß natürlich, dass es immer wieder Einbrüche und Krisen geben kann, klar. Aber es ist ein schönes Gefühl zu erleben, dass es eben auch wieder den "Normalzustand" gibt! Leider kann man das ja in der tiefen Depri selber gar nicht mehr glauben! Also auch von mir eine große Portion Mut für alle, die zur Zeit mitten drin stecken! Liebe Grüße, Ute
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