Wissenschaftliche Neubewertung der SSRIs/SNRIs abgeschlossen

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N00b
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Registriert: 23. Feb 2005, 13:33

Wissenschaftliche Neubewertung der SSRIs/SNRIs abgeschlossen

Beitrag von N00b »

Bekanntmachung des Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte:
(zum Thema suizidalem Verhalten und Absetzerscheinungen)

http://www.bfarm.de/de/vigilanz/am_sich ... essiva.php


Antidepressiva vom Typ der selektiven Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI) und Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer (SNRI) 1 sind hinsichtlich des Risikos für das Auftreten von suizidalem Verhalten bei Kindern und Jugendlichen wissenschaftlich neu bewertet worden. Der wissenschaftliche Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMEA) kam im April 2005 zu dem Ergebnis, dass diese beiden Klassen von Antidepressiva nicht bei Kindern und Jugendlichen angewendet werden sollten, es sei denn, dass sie explizit eine Zulassung für die Anwendung in dieser Altersgruppe haben.

In einem früheren Risikobewertungsverfahren hatte der CHMP bereits das Antidepressivum Paroxetin hinsichtlich eines erhöhten Risikopotenzials für unerwünschte Nebenwirkungen wie Selbstmordversuch, suizidale Gedanken und Feindseligkeit bei Kindern und Jugendlichen sowie Absetzerscheinungen nach Beendigung der Therapie beurteilt. Das Ergebnis dieser Bewertung ist nach der Entscheidung der Europäischen Kommission vom 29. März 2005 in Deutschland mit einem Stufenplanbescheid umgesetzt worden.

In klinischen Studien wurde bei mit SSRIs/SNRIs behandelten Kindern und Jugendlichen suizidales Verhalten (Suizidversuche und Suizidgedanken) sowie feindseliges Verhalten (vorwiegend Aggressivität, Oppositionsverhalten und Wut) häufiger beobachtet als bei Kindern und Jugendlichen, die mit Placebo behandelt wurden. Der CHMP hat sich daher für deutliche Warnhinweise auf diese Risiken ausgesprochen und entsprechende Änderungen in den Produktinformationen formuliert.

Die meisten der betroffenen Arzneimittel sind in Europa nur für Erwachsene mit Depressionen oder Angststörungen, nicht jedoch für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen zugelassen (mit Ausnahme einiger Arzneimittel zur Behandlung der Zwangsstörung bei Kindern und Jugendlichen und einem Arzneimittel (Atomoxetin) zur Behandlung der Aufmerksamkeitsdefizit / Hyperaktivitätsstörung (ADHD)).

Wenn der behandelnde Arzt aufgrund der klinischen Notwendigkeit dennoch entscheidet, die Depression oder Angststörung eines Kindes oder eines Jugendlichen mit einem der oben genannten Arzneimittel zu behandeln, sollte der Patient/die Patientin insbesondere zu Beginn der Behandlung sorgfältig im Hinblick auf suizidales Verhalten, Selbstverletzung und feindseliges Verhalten überwacht werden.

Der CHMP weist auch darauf hin, dass Langzeiterfahrungen über den Einfluss von Antidepressiva auf Wachstum, Reifung sowie zur kognitiven Entwicklung und Verhaltensentwicklung bei Kindern fehlen.

Eine Behandlung sollte nicht plötzlich und ohne ärztlichen Rat abgebrochen werden, da es zu Absetzerscheinungen wie z.B. Schwindel, Kribbeln in den Gliedmaßen, Schlafstörungen, Angst, Zittern, Übelkeit, Reizbarkeit kommen kann, die bei einigen Patienten auch schwer verlaufen und lang anhalten können. Es wird daher empfohlen, die Behandlung mit einer schrittweisen Verringerung der Dosis über einen Zeitraum von mehreren Wochen oder Monaten zu beenden.

Wenn die Europäische Kommission der Empfehlung des CHMP vom April 2005 zustimmt, werden die Änderungen in den Produktinformationen für alle SSRIs/SNRIs mit einer Anordnung (Stufenplanbescheid) des BfArM gegenüber den pharmazeutischen Unternehmern in Deutschland umgesetzt werden.

Für Paroxetin werden die Warnhinweise zum erhöhten Risiko für suizidales Verhalten bei Kindern und Jugendlichen an den einheitlichen Wortlaut aus dem SSRIs/SNRIs-Verfahren angepasst werden. Weitere Warnhinweise aus dem abgeschlossenen Paroxetin-Verfahren bleiben davon unberührt, z.B. die Hinweise darauf, dass

das Risiko für suizidales Verhalten möglicherweise auch bei jungen Erwachsenen (18 bis 29 Jahre) und bei Patienten mit suizidalem Verhalten oder Selbstmordgedanken in der Vorgeschichte erhöht sein kann. Diese Patientengruppen sollten deshalb während der Behandlung ebenfalls besonders sorgfältig überwacht werden.

auch Neugeborene von Absetzerscheinungen betroffen sein können, wenn die Mutter in der späten Phase der Schwangerschaft Paroxetin-haltige Arzneimittel eingenommen hat. Dies sollte nur bei zwingender Indikation erfolgen.

Die wissenschaftlichen Gremien bei der Europäischen Arzneimittelagentur haben sich weiterhin darauf verständigt, die Warnhinweise auf die erhöhte Suizidalität bei Kindern und Jugendlichen in die Produktinformationen der tricyclischen Antidepressiva (TCA) aufzunehmen.

Das BfArM fordert die behandelnden Ärzte, Therapeuten sowie betroffene Patienten und deren Angehörige auf, diese neuen Informationen und Warnhinweise bei der Anwendung aller genannten Antidepressiva zu beachten.

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Kommentar: Immer noch nicht aufreichende Aufklärung. So wird immer noch von Absetzsymptomen gesprochen obwohl jeder Arzt die aufgeführten Symptome als Entzugserscheinungen werten würde, wenn der Patient eine Droge genommen hätte. Aber wieder ein Schritt in die richtige Richtung. Hoffen wir, dass die Ärzte sich daran halten.

PS: Soviel zum Thema Niedermeier und seiner "7-Tage-Regel" zum Thema Absetzerscheinungen
Nico Niedermeier
Moderator
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Registriert: 21. Mär 2003, 11:10

Re: Wissenschaftliche Neubewertung der SSRIs/SNRIs abgeschlossen

Beitrag von Nico Niedermeier »

Bitte nicht schon wieder diese Diskussion...
Die Diskussion, diesen Artikel usw. hatten wir alles schon zum Zeitpunkt des Erscheinens des Artikels (12. JULI!!)

Dr. Niedermeier
N00b
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Registriert: 23. Feb 2005, 13:33

Re: Wissenschaftliche Neubewertung der SSRIs/SNRIs abgeschlossen

Beitrag von N00b »

Mein Fehler, ich dachte der wäre aktueller. Hab das Datum übersehen.

Aber eigentlich um so erschreckender - anscheinend hat sich noch nicht all zu viel verändert.


PS: Hat jemand einen Link zu der geführten Diskussion ?
Kroki
Beiträge: 814
Registriert: 15. Mär 2004, 17:50

.

Beitrag von Kroki »

Lothar
Beiträge: 26
Registriert: 25. Nov 2004, 07:37

Re: Wissenschaftliche Neubewertung der SSRIs/SNRIs abgeschlossen

Beitrag von Lothar »

Erhöhtes Suizidrisiko bei Verzicht auf begleitende Medikation?

Die von der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA ausgelöste Diskussion über die Frage, ob eine antidepressive Behandlung mit selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRI) oder selektiven Serotonin- und Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmern (SNRI) das Suizidrisiko erhöht, beantwortet der Wiener Psychiater Siegfried Kasper mit einem klaren „Nein”.

Die entsprechenden Studien hätten seiner Ansicht nach gewisse statistische Gesichtspunkte nicht beachtet und seien damit in ihrer Aussagekraft fragwürdig.

Die ermittelten leicht erhöhten Suizidraten bei Patienten unter einer Behandlung mit Antidepressiva im Vergleich zur Plazebo-Kontrollgruppe seien damit zu erklären, dass viele Teilnehmer im Kontroll-Arm frühzeitig die Therapie abgebrochen hatten und damit in der Endauswertung unberücksichtigt blieben. Gesichert sei vielmehr, „dass eine Nichtbehandlung von Depressionen zu einem drei- bis vierfachen Suizidrisiko führt." Zur medikamentösen Therapie von Depressionen gebe es somit keine Alternative. Unerlässlich sei, dass die Therapie mit diagnostischer Vorarbeit und psychotherapeutischen Maßnahmen verknüpft würde. Vor allem bei Kindern und Jugendlichen müsse die psychosoziale Intervention ins Auge gefasst werden.

Im Nachbarland Österreich ist nach Angaben von Kaspar noch kein einziges Antidepressivum zur Behandlung von Kindern und Jugendlichen zugelassen. Aufgrund fehlender Vorgaben würden immer noch in vielen Fällen bedenkliche Medikamente für diesen Patientenkreis verschrieben.

Nach Informationen von Pressetext Austria


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http://www.medizin-online.de/cda/Displa ... fid=103016
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