Wer sind wir überhaupt?

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Tinalesekatze
Beiträge: 147
Registriert: 17. Jan 2005, 19:12

Wer sind wir überhaupt?

Beitrag von Tinalesekatze »

Hallo an alle,
mal wieder geht mir einiges im Kopf herum. Vor allem, wenn ich durch manche Threads lese, frage ich mich, warum es so viele gibt, denen es genauso geht wie mir, die die gleichen Gedanken haben.
Sind wirklich wir die erkrankten?
Oder sind wir einfach mit einer viel empfindlicheren Seele ausgestattet, als viele unserer Mitmenschen und geraten ins Wanken, wenn die Andersheit der anderen überhand nimmt?
In meinem Leben gibt es sehr viele "neutrale" Menschen. Freunde, mit denen ich gute Freundschaften pflege, da sie eine Lebenseinstellung und eine Art an sich haben, mit der ich mich gut arrangieren kann. Diese Leute verstehen mich ganz gut - allerdings machen auch sie sich nur über halb so viel Dinge gedanken wie ich. Aber die Beziehung mit ihnen ist unkompliziert und beide Seiten können davon profitieren.
Dann gibt es allerdings auch viele Menschen in meinem Leben, die eine so andere Art und Denkweise haben, als ich, dass es mir sehr schwer fällt mich mit ihnen länger zu unterhalten. Ich fühle mich völlig unverstanden und kann mich mit dem was sie sagen überhaupt nicht identifizieren. Schlimm wird es dann auch noch, wenn ich spüre, dass sie sich verstellen oder die Unwahrheit sagen. Leider, leider sind viele der Menschen, die zu dieser "Kathegorie" gehören, ziemlich nah verwandt mit mir und das schmerzt.
Allerdings gibt es dann auch wieder sehr viele, die ich kennenlernen darf, mit denen ich mich zu einem großen Teil identifizieren kann. Viele Gedanken, die genau ins Schwarze treffen, finde ich hier im Forum. Allerdings sind dies nicht die Gedanken, die über die Sinnlosigkeit des Lebens gehen. Sondern einfach über eine Art Empfindlichkeit, die wir stärker verspüren und ein großes Unrechtsbewußtsein oder Bedürfnis nach Gerechtigkeit.
Daher frage ich mich wirklich immer wieder, ob Depressive wirklich depressiv sind, oder ob wir einfach ein ganz wichtiger Teil in der Gesellschaft sind, die eigentlich Teile ihrer Empfindsamkeit an andere weitergeben sollten und die Aufgabe hätten, die vielen, die nur an der Oberfläche leben und nicht an die Seele denken, zu lehren, was es da eigentlich an Gefühlen alles geben kann und zur Rücksichtnahme auffordern sollten.

Oje, ich glaube, das klingt jetzt ziemlich verrückt.
Naja, kann ja jeder drüber denken, was er will.
Trotzdem denke ich manchmal, dass es schade ist, dass wir uns therapieren lassen um ein dickeres Fell zu bekommen, statt dass andere lernen müssen, mehr Rücksicht zu nehmen und auch auf feine Zwischentöne zu achten.

Ich wünsche Euch allen von Herzen einen schönen Sonntag und danke für die vielen Gedanken,die hier untereinander ausgetauscht werden können.

Tina
Meine Träume heute, sind Erinnerungen an gestern und Hoffnungen auf morgen.
Dendrit
Beiträge: 4981
Registriert: 23. Mai 2003, 11:14
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Re: Wer sind wir überhaupt?

Beitrag von Dendrit »

Hallo Tina,

jetzt habe ich jede Menge Gedanken aufgeschrieben. Aber das kann ich nicht bringen, das war echt zu viel. Zu wissenschaftlich und philosophisch zugleich und Du willst den Sonntag nicht mit 'nem "Artikel" verbringen. Nee, muss nicht sein. Und so, kurz gesagt und Dich bestätigend, kann ich Deine Gedankengänge nachvollziehen. Wenn nur das empfindsame mit einer - hmm, unangenehmen? - Folge verbunden wäre und nicht mit Schmerzen. Ich hab hier wo gelesen, dass "wir" im Vorteil wären, dass uns der Körper durch die Depri zeige, wo die individuelle Grenze wäre. Ja, hört sich gut an. Aber man kann sich nicht einigeln. Der Igel hat's ja auch noch gut: rollt sich ein und kann durch seine Stachel seinen Feind durch die Länge der Stacheln auf sicheren Abstand halten. Aber das würde wieder jemanden weh tun und bring ich persönlich nicht fertig.

Na, jetzt wird's zu Durcheinander und hör lieber auf.

Schönen sonnigen Sonntag!

Manuela
Sadness
Beiträge: 812
Registriert: 5. Apr 2003, 19:56

Re: Wer sind wir überhaupt?

Beitrag von Sadness »

Liebe Tina,

das ist ein Thema, mit dem ich mich auch schon mal beschäftigt habe. Ich denke allerdings überhaupt nicht, dass wir uns therapieren lassen um ein dickeres Fell zu bekommen. Eher sogar das Gegenteil: Bei mir hat die Therapie zur Folge, dass ich viel emotionaler, sensibler und feinfühliger werde. Ich achte mehr auf meine Gefühle und auf die der anderen als früher. Ich denke, die Depression ist das letzte Warnzeichen genau dafür. Dass man mehr auf sich achten soll auf das, was einen bewegt, was einem gut tut und was einem schadet. Das dicke Fell hatte man doch lange genug bzw. das Abblocken, Runterschlucken, Ausblenden, Ignorieren etc. hat man lange genug gemacht. Ich denke schon, dass wir, die wir uns durch die depressiven Symptome intensiv mit unserer Innenwelt auseinandersetzen einen sehr tiefen Zugang zu allen Gefühlen bekommen, was uns emotional recht empfänglich bzw. angreifbar und sensibel macht. Ich habe mich auch schon mal gefragt, ist das bei jedem "Gesunden" grundsätzlich so? War es bei mir nur so lange verschüttet und bin/werde ich erst jetzt gefühlsmäßig "normal"? Aber ich glaube, dass kann man so nicht generell beantworten. Die Menschen sind so verschieden. Manche sind vielleicht keine großen Gefühlsmenschen, sind eher nüchtern, aber kommen so gut klar. Andere stehen sich damit vielleicht eher im Weg und werden irgendwann krank. Ich finde z.B. Aussagen wie "Krankheit oder Depression als Chance" eigentlich blöd und habe mich früher auch darüber aufgeregt, aber es liegt auch ein Hauch Wahrheit darin. Zumindest kann ich für mich sagen, dass ich, wenn ich nicht diese depressiven Zustände hätte oder gehabt hätte, ich in meinem Seelen- und Gefühlsleben weiterhin sehr viel ärmer wäre. Das ist so. Mich hat diese Krankheit empfindsamer, empfänglicher für alle Gefühle macht, auch für die anderer Menschen, und so schmerzhaft das manchmal auch ist, weil ich wirklich sehr tief empfinde, macht es einen "reicher", finde ich.

Ich denke, die Depression erwischt einen "aus gutem Grund". Man bekommt durch sie -neben allem Leid- die Chance, etwas zu ändern, mit dem Ziel der Besserung für sich selbst. Wenn ich andere Menschen sehe, die ihre Gefühle oder die von anderen missachten, eben weil ihnen das Gefühl dafür fehlt, fühle ich eigentlich eher Mitleid und hoffe, dass auch denen irgendwann ein Licht aufgeht.

Ich hoffe, ich habe jetzt den Faden Deines Postings nicht zu sehr verloren, aber das waren meine Gedanken dazu

Liebe Grüße
Sadness
cool
Beiträge: 2797
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

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Beitrag von cool »

cool
Beiträge: 2797
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

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Beitrag von cool »

Sadness
Beiträge: 812
Registriert: 5. Apr 2003, 19:56

Re: Wer sind wir überhaupt?

Beitrag von Sadness »

Hi Cool,

ich hab 'ne Spülmaschine, deshalb war meine "Abhandlung" auch so schnell online Aber worum ging's denn genau in Deiner?

Lieben Gruß
Sadness
doubty
Beiträge: 77
Registriert: 25. Mai 2004, 20:02

Re: Wer sind wir überhaupt?

Beitrag von doubty »

Hallo Tina,

vieles von dem , was Du schreibst, kann ich gut nachvollziehen, auch was z. B. Manuela und Sadness geschrieben haben, deckt sich mit meinen Gedanken dazu.

Aber Depression ist eine Krankheit, die man natürlich aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten kann: Medizinisch, gesellschaftlich, volkswirtschaftlich.

Und meine Psychologin hat mal gesagt, es gibt mehrere Voraussetzungen,damit sie auftreten kann.
Eine davon ist, dass eine Situation auftreten muß, damit sie "bemerkbar "wird.

Ich meine damit , wenn wir alle auf Rosen gebettet wären, also de facto gar keine Probleme hätten, dann würden wir es auch erstmal gar nicht merken,oder?

Es sei denn, wir wären wie die Prinzessin auf der Erbse, die überall das Haar in der Suppe findet.

Aber wir leben in dieser (bürgerlichen?) Norm, die uns alle täglich vor Probleme oder zumindest Herausforderungen stellt.

Und damit haben wir mit dieser Schwäche zuerst einmal ein Problem.

Und ich denke, ich möchte dieses Problem für mich lösen.

Rein von der Biologie des Menschen her, ist es einfach "so" und nicht anders.
Man wird geboren und muß überleben.

Das denke ich zumindest.

Auch wenn ich Menschen, die zartbesaitet sind, oft als sehr wertvolle Menschen empfinde und ich oberflächliche Menschen nicht gern zu Freunden hab.

Aber eine Krankheit ist es nun mal , auch wenn wir "sehr viele" sind, die sie haben und in diesem Forum schreiben.

Ich wünsche allen einen schönen Sonntag!



doubty
Sadness
Beiträge: 812
Registriert: 5. Apr 2003, 19:56

Re: Wer sind wir überhaupt?

Beitrag von Sadness »

Na Tina, jetzt hast Du uns alle zum Philosophieren gebracht und rührst Dich selbst gar nicht mehr? Schade...

Gruß
Sadness
Tinalesekatze
Beiträge: 147
Registriert: 17. Jan 2005, 19:12

Re: Wer sind wir überhaupt?

Beitrag von Tinalesekatze »

Hallo Sadness,
und natürlich auch ein Hallo an alle anderen,
tja, jetzt hab ich wirklich fast ein schlechtes Gewissen gekriegt, weil ich nicht nochmal geschrieben habe - aber so ein philosophischer Anfall überfällt mich meistens am Wochenende und hinterher habe ich kaum noch Zeit zum Schreiben.
Ich habe geschrieben, dass ich z.B. immer den guten Rat bekomme mir ein dickeres Fell anzuschaffen (im Moment bin ich gerade wieder dabei, zumindest was die Waage anzeigt sind es schon mal 8 kg mehr als vor 10 Wochen!! Haare sind aber noch keine aufgetaucht, also scheint es sich nicht zu einem richtigen Fell zu entwickeln das macht mich immer ganz wütend. Ich will kann und will nicht, dass man grob mit mir umgeht. So feinfühlig, wie ich mit anderen Leuten umgehe, so hätte ich es auch gerne umgekehrt. Und ich kann es einfach nicht wegstecken, wenn z.B. meine Schwiegermutter nicht ruft: Kannst du mal kommen sondern: Mach dich mal her.
Bei uns zuhause gab es immer den Spruch: Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es auch heraus. Das wirkt hier aber leider überhaupt gar nicht, denn ich kann noch so freundlich sein, es kommt einfach nicht an.
Das klingt jetzt alles schon gar nicht mehr so philosophisch, wie die Zeilen vom Wochenende, aber so ist es leider, wenn die Woche über immer nur im Kommandoton miteinander gesprochen wird, verliert man auch die guten Gedanken. Alles ist rationalisiert.
Ich hätte es gerne einen Tick langsamer und leiser - aber es ist leider einfach nicht machbar.
Bevor ich jetzt noch schnell in ein kleines Loch falle, höre ich besser auf. Wie gesagt, unter der Woche habe ich keine so klaren Gedanken.
Gruß an alle Tina
Meine Träume heute, sind Erinnerungen an gestern und Hoffnungen auf morgen.
Silenzio
Beiträge: 3
Registriert: 14. Jun 2005, 20:32

Re: Wer sind wir überhaupt?

Beitrag von Silenzio »

Hallo Tina,

diese Frage habe ich mir auch schon gestellt.
Allerdings voe allem dann, wenn ich einigermaßen klarkam und es mir besser ging.
Ich war vor einigen Monaten zum ersten mal in stationärer Behandlung und habe dort viele wunderbare Menschen kennengelernt.
Fast alle schienen außergewöhnliche Begabungen zu besitzen. Sie alle schienen andere Wertvorstellungen zu haben, als die, die ihnen das alltägliche (Über-)Leben erleichtern könnten.
Ich habe mich lange gewehrt, mich „krank“ zu nennen und muss zugeben, dass es mir immer nich nicht so ganz geheuer ist. Ich habe das Gefühl, es mir dadurch „zu Leicht zu machen“.
Nachdem ich all diese Menschen kennenlernen durfte habe ich es zeitweise sogar Fast als Privileg empfunden, das mir eigentlich nicht zusteht.
Ich habe Angst bekommen, durch die „Heilung“ diese außergewöhnlichen Eigenschaften und Wertvorstellungen die so viele psychisch erkrankte Menschen gemeinsam zu haben scheinen zu verlieren.

Wenn ich aber einfach nicht mehr kann, was mir seit meiner Kindheit immer wieder passiert ist, denn seither bin ich anscheinend „krank“, dann ist mir das alles egal.
Dann will ich nur noch gesund sein.
Ich sehe so viel Potenzial in all diesen Menschen und manchmal sogar in mir, aber alle, inklusive mir scheinen sie es nicht nutzen zu können. Es ist eingesperrt und wir können den Käfig nicht öffnen.
Eines Tages einen Weg zu finden, alle Chancen, die eine Depression in sich trägt, ergreifen zu können, wäre bestimmt sehr bereichernd für diese trübe Gesellschaft.

Viele Grüße,

Hanna
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