Ich bin nicht mehr die Gleiche

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2sad2disco
Beiträge: 3
Registriert: 28. Okt 2021, 17:54

Ich bin nicht mehr die Gleiche

Beitrag von 2sad2disco »

Hallo,
kennt ihr das auch?
Ich bin seit etwa 2 Jahren in Therapie, und seit etwa 20 Jahren depressiv. Ich lerne jetzt erst Nein zu sagen, und werde immer selbstsicherer und merke was ich alles aus Angst verpasst habe.
Ich habe meine große Liebe mehrfach abgewiesen, weil er mich so sehr geliebt hat, dass es mir Angst gemacht hat.
Ich habe den Heiratsantrag meines Mannes angenommen, obwohl ich nicht wollte. Ich dachte ich habe ein gutes Verhältnis zu meinen Eltern und meiner Schwester, heute weiß ich dass sie mir nicht gut tun, und sie mich manipulieren. Ich kann ihnen nicht mehr begegnen ohne an all das zu denken was passiert ist - und sie merken dass ich mich unwohl fühle. Meinen Mann kann ich von Woche zu Woche weniger leiden, ich denke er mich ebenfalls, weil es nun nicht mehr so einfach ist mich rumzukriegen und ich eine eigene Meinung habe, die ich auch durchsetze.
Ich fühle, dass die Therapie gut ist für mich, auch wenn es ätzend ist alle alten Wunden zu bearbeiten und zu realisieren was für eine jämmerliche, schwache Person ich war. Aber was mach ich nun mit den neuen Erkenntnissen? Mich von meinem Mann trennen? Alles aufgeben? Wie sollen meine Kinder das verkraften? Verkrafte ich es, wenn mein Mann eine neue Frau kennenlernt und eine neue Familie gründet?
Hat jemand Erfahrung und kann mir weiterhelfen?
DANKE
Christopher
Beiträge: 52
Registriert: 17. Feb 2024, 20:13

Re: Ich bin nicht mehr die Gleiche

Beitrag von Christopher »

Guten Abend,

Erfahrung habe ich, weiterhelfen eher nicht, und das ist nicht abwertend gemeint.

Was ich sagen möchte ist: Das alles braucht viel Zeit, manche sagen genau so viel Zeit wie es gebraucht hat um dort hineinzukommen in die Situation.

Das Umfeld mitzunehmen auf der spannenden Reise der Veränderung und dieses nicht zu verschrecken ist sicherlich,- neben den eigenen neuen Interessen und Veränderungen, die Aufgabe schlechthin. Das Umfeld weiß nicht was morgen kommt, alle bisherigen Gewissheiten sind aufeinmal unsicher oder zumindest mit Vorsicht zu geniessen. Das macht das Umfeld unsicher.

Aber eines ist ja auch kein Geheimnis: Ob mit oder ohne Therapie, gesund oder nicht: Jeder Mensch der sich nicht verändert, wäre mir etwas unheimlich. Es ist ja auch der Reiz mit etwas neuem umzugehen, mit neuen Gewohnheiten, mit neuen Zielen, die Liste ist ja bei allen Paaren und Familien endlos.

Was ist denn das Gegenteil: Stillstand. Wer möchte denn im Stillstand leben, wer könnte das denn überhaupt?

Neues im Leben erleben gehört doch ein Stück weit dazu, manchmal, wenn es zu viel wird kommt Gegenwehr, Zweifel kommen auf, Unsicherheit und Unwohlsein.

Was hilft? Reden über das was gerade vor sich geht, jeden Tag, jede Stunde. Nein. Sagen ist zu wenig. Mein Umfeld hat immer gut reagiert und mit Verständnis , wenn ich saubere Begründungen geliefert habe.

Bei einem Nein in der Zukunft liegend, vorauseilende Gespräche gesucht um den Schock zu lindern und gemeinsam alternativen zu erarbeiten.

Da wären wir bei dem Arbeit. Familie bedeutet wohl auch das ein gerüttelt Maß an Zeit investiert werden darf. Das ist meine Erfahrung.

Wenn sich der Mann etwas Veränderung wünscht, ist es gut wenn das mitgeteilt wird. Wenn die Frau sich etwas anders wünscht, ebenso. Wenn sich Kinder etwas wünschen, sagen sie es oft einfach heraus. Es kommt immer wieder darauf an, zu reden, zu erklären, begründen, abzuwägen, Zeit zu lassen um einen Gedanken den ich selber vielleicht schon lange von allen Seiten beleuchtet habe dem Partner nicht als das neue Gesetz zu präsentieren.

Ich bin ein vielen Jahren mit allen Höhen und Tiefen verheiratet. Wir standen uns gegenüber, im Angesicht zu Angesicht, und ich habe gesagt:

"Wenn an dieser Stelle einer von uns zuckt und nicht mehr weiter so leben möchte, dann werden wir uns an dieser Stelle, da wo wir stehen und uns in die Augen sehen, trennen. Dann wird jetzt die Entscheidung fallen. Es wir JETZT entschieden. Nicht Morgen, nicht in einer Stunde, jetzt!"

Darauf hin gab es ein Schweigen, das ca. 6 Monate anhielt. Ich nenne es: Unseren Schweigemarsch. Irgendwann, ich weiß nicht wer von uns beiden wieder anfing, mit kleinen Worten, Gesten, Berührungen.....

Liebe Schreiberin der obigen Worte, wie weit jemand geht um etwas zu ändern, oder zu beenden, oder auch darum zu kämpfen ist so individuell wie es Menschen an der Zahl gibt. Darum schrieb ich auch nicht weiterhelfen zu können.

Ich habe aus dem Nähkästchen geplaudert, sozusagen. Es ist nur eine Geschichte, wahrscheinlich kann jeder solche Dinge schreiben, die er oder sie erlebt haben.

Was sich aus der Erfahrung anderer gut bewahrheitet hat sind für mich passend, zwei Dinge die ich tatsächlich in mein Leben fest eingebaut habe, die sozusagen auch ein muß sind wie beim Autofahren das Anschnallen und Tanken:

1. Niemals unter Zeitdruck handeln. Niemals. Ich entscheide, wann ich entscheide. Selbst wenn die Umwelt droht, zetert, und uns drängt.....

2. Niemals zwei Baustellen gleichzeitig SELBER eröffnen:

Beispiel: Ich wechsel den Job, kaufe ein neues Auto und ziehe um, und weil es mir gut geht, buche ich eine Weltreise.

Das ist jetzt noch harmlos. Na ja, die Gedanken dazu kannst Du Dir ja auch selber ausmalen, Deine Baustellen kennst Du selber am besten.

Das bei so vielen Änderungen auch mal unvorhergesehenes gescheit, ist ja nichts besonderes: Ob dann noch die Kapazität da ist unvorhergesehnes adäquat zu regeln oder zu bewältigen, nun ja, das ist sicher Themenabhängig,- und Ressourcen abhängig auch nur von Dir zu beantworten.

Für mich galt mal: Erst einen Klinikaufenthalt, dann gucken ob die Familie hält und meine Krankheit aushält, dann nach einem neuen Job gucken wenn die Finanzen gesichert sind, und so fort.

All das nacheinander zu tun, das wurde mir von einem alten lebenserfahrenen Menschen EMPFOHLEN. Und nicht erzwungen, die Entscheidung dazu lag immer bei mir, ich hatte die Freiheit mit diesem Wissen zu entscheiden. Was ich heute als das wertvollste Geschenk überhaupt ansehe, was mir zugesandt wurde: Jemand der mit keine heissen Ratschläge gab, sondern der mir MÖGLICHKEITEN auf den Weg mitgab. Aus irgendwelchen Gründen konnte ich all das damals nicht nur aufnehmen und hören: Ich habe daraus meinen eigenen Weg gebaut, der für mich, und zwar nur für mich!-der richtige war, mit dem ich bis heute gut leben kann. Worüber ich mich ehrlich gesagt jeden Tag etwas wundere.


Soweit von mir und aus meinem Lebens- Näh-Käschen. Die Werkzeuge liegen drin, benutzen darf ich sie jeden Tag aufs neue. Und manchmal lohnt es sich eine Garnspule zu nehmen, die noch nie in Gebrauch war. Allerdings: Es ist immer mit der vorhandenen Umsicht und Erfahrung zu agieren, mit Zeit, mit liebe zu sich selber und Achtung vor den Eigenschaften dieser neuen Werkzeuge und Materialien.

Nun bin ich im Bild etwas verrutscht, das passiert manchmal und hoffe trotzdem etwas beizutragen zu Deinem wahrlich nicht einfachen Thema.

Viel Kraft wünsche ich Dir für all das.


Christopher
Christopher
Schlosser.
Andere sagen ich sei krank.
Ich sage: Ich bin genau richtig wie ich bin.
Und:
Ich mache das es geht.
Warum?
Weil ich es kann.
namanda
Beiträge: 23
Registriert: 17. Mai 2024, 14:24

Re: Ich bin nicht mehr die Gleiche

Beitrag von namanda »

Hallo 2sad2disco,

dein Beitrag erinnert mich an mich selbst vor ca. 8 Jahren. Ich war in einer sehr schwierigen depressiven Phase und hatte damals einen Partner, der mir zur Seite stand. Ich habe ihn während dieser Zeit sehr oft von mir weggestoßen und auch klar gemacht, dass ich gerade nicht die Frau für ihn sein kann, die er braucht. Er war trotzdem für mich da, die ganze Zeit. Als ich mich nach Therapie und Reha wieder erholt habe, hatten wir erst die schönste Zeit unseres Lebens zusammen. Ich fühlte mich wieder so befreit. Er hat mir auch einen Antrag gemacht, den ich annahm. Ich wurde trotzdem auch wie du immer selbstsicherer und fing an meine Meinung zu vertreten. Das war neu für ihn und er fand es einerseits gut aber auch anstrengend. Er merkte, dass ich nicht mehr dieses hilflose Mädchen bin. Und ich auch. Vieles was ich vorher gar nicht bei ihm gemerkt hatte (weil ich so mit mir selbst beschäftigt war) fand ich dann unter aller Sau. Ich konnte mir eine Zukunft mit ihm nicht mehr vorstellen. Er aber schon. Er wollte vieles erzwingen wie zum Beispiel Zusammenziehen und sofort Heiraten aber ich war nicht bereit dazu weil ich mich selbst und das Leben wieder so wert geschätzt habe. Ich war so froh, dass er mir durch alles geholfen hat aber ich wollte einfach nur Ich sein fürs Erste, ohne Verpflichtungen oder Zwang. Er ging mir auch ziemlich auf Nerven und zusätzlich hatte ich ein schlechtes Gewissen, weil er ja immer für mich da war. Hätte er mir die Zeit gegeben, wären wir vielleicht noch zusammen aber er hat so viel Druck gemacht, dass wir letztendlich getrennte Wege gegangen sind. Ich finde du solltest für dich entscheiden was du gerade brauchst und was dich glücklich macht. Und das auch so mit deinem Mann kommunizieren. Ich verstehe die Angst, dass du ihn für immer verlieren könntest. Unglücklich sein ist allerdings auch keine Lösung. Wenn er der Mann ist, den du verdienst, dann akzeptiert er dein neues Ich und lernt damit umzugehen. Meine Geschichte soll kein Anreiz sein alles hinzuschmeißen, nur eine Erfahrung, die ich mit dem falschen Mann gemacht habe. Ich wünsche mir für dich, dass du dein Glück findest.
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