Alles umsonst?

Senif
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Re: Alles umsonst?

Beitrag von Senif »

Hallo Philosophin,

du schreibst ja schon länger von deiner Arbeitsstelle. Gibt es eine Möglichkeit zu wechseln ?

Es tut mir sehr leid, dass der wichtigste Mensch in deinem Leben gegangen ist. Das wird eine lange Trauerphase brauchen, und du solltest dir die Zeit nehmen und dich nicht zu sehr unter Druck setzen.

Was die Menschen angeht (also die Gesellschaft) denke ich nicht, dass man das verallgemeinern kann. Wie hoch der Anteil an Unsensiblen/Egoisten ist, weiß ich natürlich auch nicht. Aber es gibt die Menschen noch, die emphatisch sind und nicht nur ihr eigenes Fortkommen im Sinn haben. Ich habe es mir zur Aufgabe gesetzt, mich nur noch mit Menschen zu umgeben, die mir gut tun. Bei denen ich ein gutes Gefühl habe und möchte da auch mehr auf mein Bauchgefühl hören (nachdem ich jetzt erst eingestiegen war). Klar könnte ich sagen, die ganze Gesellschaft ist schlecht, aber das bringt mich nicht weiter und auch nicht in wohltuende Beziehungen. Auf Arbeit ist das meist noch was anderes, weil da kann man sich die Kollegen nicht aussuchen. Wenn es zu schlimm wird, würde ich wechseln, wenn die Möglichkeit besteht.

Ich wünsche Dir, dass du bald ein bisschen zur Ruhe kommen kannst. An dem Ziel der Ausbildung/Studium würde ich auch festhalten, so wie es eben geht.

LG Senif
Suchende2
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Re: Alles umsonst?

Beitrag von Suchende2 »

Philosophin hat geschrieben: 1. Sep 2023, 21:37 Was mich am meisten belastet ist das Verhalten meiner Ausbilder und Kollegen. Manchmal kam ein saloppes "Mein Beileid" oder noch schlimmer ein: "Für sie war es sicher besser so. Jetzt muss sie nicht mehr leiden", was irgendwie wie ein: "Sei vernünftig und stell dich nicht so an." klingt. Wie es mir geht hat niemand gefragt. Niemand hat mir angeboten, mal ein paar Minuten an die frische Luft zu gehen, wenn es nicht mehr ging. Wenn ich pflegeleichtere Patienten angenommen habe, musste ich mich dafür rechtfertigen. Der Umgangston war genauso mies wie immer. Keiner hat mir angeboten, ausnahmsweise nur eine 5 Tage Woche zu machen oder vorübergehend auf Schichtwechsel zu verzichten... alles Dinge, die mir geholfen hätten.

Als ich vor wenigen Wochen auf der anderen Seite stand, als Besucherin im Pflegeheim, war keine Pflegekraft da mit der ich ein paar Worte hätte wechseln können, obwohl das wichtig für mich gewesen wäre. Es war niemand da, der mich gefragt hat, ob ich noch Kraft habe oder mal eine Pause brauche.

Hallo Philosophin,

ich fühle mit Dir!
Als meine Mutter starb, gab es auch solche Sätze wie "Für sie war es sicher besser so. Jetzt muss sie nicht mehr leiden", "das hätte sie nicht so gewollt".
Vor allem der 2. Satz hat mich immer sehr aufgeregt. Die kannten meine Mutter nicht gut genug, um das beurteilen zu können!
Inzwischen habe ich verstanden, daß solche Sätze nur gesagt werden, wenn die Leute selbst nicht mit dem Tod und Trauer umgehen können.
Ja, sicherlich war es gut für meine Mutter, daß sie nicht länger leiden musste! Aber trotzdem fehlt sie! Beides darf gleichberechtigt nebeneinander stehen und am Anfang ist das Fehlen besonders schlimm!

Ich persönlich empfand es als sehr unangenehm, daß in meinem Ausbildungsbetrieb mir am Vormittag von allen "Mein Beileid" gesagt wurde.
Mir wäre es lieber gewesen, sie hätten es nicht gesagt. Ich war auf der Arbeit und wollte dort nicht an meine Trauer erinnert werden, sondern in dieser Zeit nach Möglichkeit nicht daran denken (auch damit ich arbeitsfähig bleibe).
Ich habe es in meinem Berufsleben so gehalten, das ich meistens nicht "Mein Beileid" gesagt habe.
Ich habe den Kollegen aber im passenden Moment signalisiert, daß ich Ihre Situation verstehe (z.B. bei Überstunden gefragt, ob sie zu diesen in der Lage sind, oder ich sie übernehmen soll. Oder gefragt, ob es gerade geht, wenn der Kollege zwischendrin schlecht aussah.).

Ich habe im Berufsleben erfahren, daß man nicht darauf warten sollte, das, was man benötigt angeboten zu bekommen. Man muß aktiv darum bitten.

Wie lange musst Du noch auf dieser Station arbeiten?
Ich hoffe, Du kannst bald wechseln!

Alles Gute,
Suchende
Philosophin
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Re: Alles umsonst?

Beitrag von Philosophin »

Vielen herzlichen Dank für eure aufbauenden Worte und das Mitgefühl!
Mich hat seit drei Wochen ein grippaler Infekt im Griff. Die erste Woche war ich krankgeschrieben. Durch die strenge Fehlzeitenregelung in meiner Ausbildung musste ich dann aber wieder zur Arbeit. Mein Alltag ist dadurch gerade noch anstrengender und der Sportverzicht wirkt sich sehr negativ auf meine Ängste, die Trauer und Depression aus.
Die Station habe ich mittlerweile planmäßig gewechselt. Leider macht das jedoch keinen Unterschied. Es ist dort genauso schlimm wie auf der alten Station. Ich bin wirklich an meinem Belastungslimit und weiß nicht, wie lange ich das noch durchhalten kann. Im 3. Lehrjahr aufzugeben, ist aber auch keine Option. Ich möchte diese Ausbildung nur noch hinter mich bringen.

Vielen lieben Dank auch für das teilen eurer Erfahrungen mit der Trauer. Ich breche nicht mehr ständig in Tränen aus und nehme mir aktuell feste Zeiträume, in denen ich der Trauer nachgehe, intensiv an den verstorbenen Menschen denke und eine Kerze anzünde. Die Beileidsbekundungen aus meinem Umfeld und vor allem auf der Arbeit habe ich zumeist auch als unangenehm und unpassend empfunden, auch wenn sie sicher gut gemeint waren. Ich glaube, besser wären konkrete Angebote der Unterstützung gewesen.

Herzliche Grüße an alle
Philosophin
Philosophin
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Re: Alles umsonst?

Beitrag von Philosophin »

Ein kleines Update von mir: Ich kämpfe mich weiter durch meine Ausbildung, aber es kostet mich wirklich alle Kraft. Mein Probeexamen habe ich in den Sand gesetzt. Ich habe zwar bestanden, jedoch keine gute Leistung gezeigt. Das ist ungewohnt für mich und nicht leicht zu verarbeiten. Noch schlimmer ist aber, dass von meiner Prüferin der Satz kam: "So habe ich Sie ja noch nie erlebt. Bekommen Sie Ihre Angst in den Griff!" und "An einer Stelle hatte ich den Eindruck, Sie würden nun alles hinschmeißen." Was leider tatsächlich der Wahrheit entsprach. Bisher ist es mir immer gelungen die Fassade zu wahren, dass alles gut bei mir ist, ich belastbar bin und es keine Probleme gibt... In der Prüfung habe ich die Nerven verloren, war unstrukturiert und unsicher. Ein ehrliches Gespräch mit meinen Lehrern zu führen, hat aber auch keinen Sinn. Mein Umfeld kommt mir weitgehend verroht und empathielos vor.
Ziemlich getroffen hat mich auch ein Satz meiner Therapeutin, die plötzlich meinte, sie sähe mich nicht in der Klinik arbeiten, obwohl sie meinen Plan vom Medizinstudium bisher mitgetragen und unterstützt hatte. Ich weiß noch nicht genau, wie ich damit umgehen soll. Das ist meine einzige Motivation, die Pflegeausbildung überhaupt weiter durchzuziehen.

Liebe Grüße
Philosophin
Senif
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Re: Alles umsonst?

Beitrag von Senif »

Hallo Philosophin,

wichtig ist, was Du möchtest und wieviel Kräfte du dafür mobilisieren kannst. Und wenn du Medizin studierst, musst du danach ja auch nicht in einer Klinik arbeiten. Da gibt es doch viele Wege.
Das mit den Ängsten kenne ich. Habe auch ganz sehr Prüfungsängste, wobei ich da dran bin etwas ruhiger zu werden.

Ich drücke Dir weiterhin die Daumen.

:hello: LG Senif
Philosophin
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Re: Alles umsonst?

Beitrag von Philosophin »

Vielen Dank, liebe Senif! Nun ist wieder eine Woche vergangen. Ich merke, dass es mir oft nicht gut geht, ich mich erschöpft fühle und es so schwer ist, immer wieder gegen meine Ängste anzugehen. Dennoch habe ich zunehmend das Gefühl, die "Welt" der psychisch Kranken allmählich zu verlassen. Meine Depression und meine Ängste sind noch da, aber ich lasse mich nicht mehr von ihnen aufhalten. Das haben vor allem auch die letzten Wochen gezeigt, in denen ich einen schweren Verlust erleben musste, Mobbing, Stress, Schichtdienst und Prüfungsangst durchstehen musste. Es gibt nichts mehr, das mich aufhalten kann, an meinen Zielen zu arbeiten. Ein Stück weit habe ich Depressionen, Trauer, Krisen und Ängste als etwas begriffen, das zum Leben natürlicherweise dazu gehört, mal mehr mal weniger stark ausgeprägt.

Vor ein paar Monaten habe ich an einem Halbmarathon teilgenommen. Dieses Projekt ist für mich zur passenden Metapher für das Leben geworden. Ich bin übermüdet an den Start gegangen und habe mich kraftlos gefühlt. Ich wusste, dass die nächsten zwei Stunden hart werden würden. Ich war darauf eingestellt, dass ich in diesem Lauf an einen Punkt kommen werde, an dem die Beine schwer werden und der Kopf nicht mehr will- an dem ich denke, nicht mehr weitermachen zu können und aufgeben will. Mir war auch bewusst, dass viele Menschen schneller als ich sein werden und mich überholen werden- und, dass ich nicht in Versuchung kommen darf, mich an das hohe Tempo anzupassen, sondern bei mir selbst bleiben muss. Es gab Momente während des Laufs, in denen ich mich großartig gefühlt habe, die Stimmung an der Strecke genießen konnte, Leichtigkeit erlebt habe und es gab Momente, in denen mir langweilig war, ich mich leer gefühlt habe und nach dem Sinn gefragt habe. Der berüchtigte Kilometer 17 kam und die Beine waren schwer wie Blei. Ich wollte nicht mehr weiter, aber dann war das Ziel in meinem Kopf... Das Ziel war so viel mehr Wert als die augenblickliche Müdigkeit und Erschöpfung.... Ich lief weiter, und lief ins Ziel mit einem fantastischen Gefühl, dass sich all das Kämpfen gelohnt hat und ich es geschafft habe! Es war so wichtig gewesen, die unangenehmen Gefühle wahrzunehmen und sie zu akzeptieren, ohne etwas damit zu tun, ohne mich von ihnen aufhalten zu lassen.
Das Ziel ist natürlich nur eine Etappe und kein wirkliches Ende. Trotzdem ist mir auch bewusst geworden, wie wichtig es ist, nach den Blumen am Wegesrand Ausschau zu halten und bei all dem Kämpfen die Gegenwart nicht aus den Augen zu verlieren.

Vielleicht kann der ein oder andere etwas damit anfangen. Laufen bei Depressionen kann ich sehr empfehlen, insofern es die körperliche Gesundheit zulässt. Sicher ist auch jeder andere Sport gut.

LG Philosophin
Allegretto
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Re: Alles umsonst?

Beitrag von Allegretto »

Liebe Philosophin,
toll Deine Beschreibung Deines Erlebens des Halbmarathons und Gratulation, dass Du diesen geschafft hast und genauso, dass Du Dein berufliches Ziel so klar vor Augen hast und trotz so vieler Schwierigkeiten und bei aller empfundenen Schwere Deinen Weg weitergehst.
Ich kann mich, was den Halbmarathon angeht, gut in Dich hineinfühlen. Mir geht es ähnlich beim Bergwandern mit dem Ziel vor Augen, den Gipfel zu erreichen und der Überwindung vieler dazu notwendiger Höhenmeter. Das Bergwandern steht für mich auch oft für "Strecken", Abschnitte und Phasen meines Lebens. Und ja, es ist ein fantastisches, unbeschreibliches Gefühl, den Gipfel zu erreichen. Für diesen Moment rückt das Schwere weit in den Hintergrund.
In diesem Sinne alles, alles Gute für Dich und ganz viel Kraft,
Allegretto
Philosophin
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Re: Alles umsonst?

Beitrag von Philosophin »

Vielen herzlichen Dank, Allegretto! Bergwandern stelle ich mir auch toll vor... das steht auf jeden Fall noch auf meiner Liste für Aktivitäten nach meiner Ausbildung.

Aktuell habe ich mal wieder einen kleinen Durchhänger. Verletzungsbedingt kann ich momentan nicht joggen. Zurzeit befinde ich mich im Schulblock und merke leider mal wieder meine Tendenz, ungewollt in Konflikte mit Lehrern zu geraten. Es gibt ein paar neue Regeln an der Schule. Das eine ist "die Handygarage"- vor Unterrichtsbeginn muss jeder sein Handy in eine Art Schrank stellen. Ich kann verstehen, dass es für die Lehrer nervig ist, wenn 20 Schüler auf ihr Handy starren statt dem Unterricht zu folgen, aber wir sind eine Berufsschule und keine Grundschule! Ich finde, als erwachsener Mensch muss ich das selbst verantworten, ob ich am Handy hänge oder dem Unterricht folge. Hinzukommt, dass die meisten digital arbeiten und von daher auch alle Apps etc. auf dem Laptop/Tablet haben. Ich langweile mich oft halb zu tode in dieser Schule und bin froh, um die kurzen Ablenkungen. Frontalunterricht gibt es im heutigen Zeitalter kaum noch, das neueste pädagogische Super-Konzept heißt: Plakate basteln und endlose Gruppenarbeiten, damit auch schwächere Schüler/innen eine Chance haben mitzukommen. Gäbe es noch Frontalunterricht, würde ich mein Handy bereitwillig in die Garage stellen, aber so ist es nicht anders auszuhalten.

Eine andere Regel besagt nun, dass man das Schulgebäude bei Lehrerausfall nicht mehr verlassen darf- und das ist etwas, was mich wirklich massiv stört. Ich habe die Zeit sonst genutzt, um ungestört zu lernen (meist Zuhause), was in diesem Schulgebäude aber kaum möglich ist. Letzte Woche hat es mir gereicht und ich bin einfach gegangen, wurde aber im Nachhinein erwischt, was für viel Ärger gesorgt hat.

Ich merke, dass es mir zunehmend schwerer fällt, mich zu motivieren. Am Freitag habe ich nur noch Sudoku im Unterricht gelöst und Schallschutz-Ohrstöpsel getragen, weil ich den Lärm und die Langeweile nicht mehr ausgehalten habe. Für die anwesende Lehrkraft ist das natürlich eine Provokation, aber ich weiß manchmal nicht, wie ich diese Ausbildung anders überstehen soll.

Gerade müsste ich eigentlich für anstehende Klausuren lernen, aber mich überkommt eine unglaubliche Müdigkeit und Antriebslosigkeit, wenn ich nur an die kommende Schulwoche denke.

Liebe Grüße
Philosophin
Lavendel64
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Re: Alles umsonst?

Beitrag von Lavendel64 »

Hallo Philosophin,

ja, Ihr seid erwachsen und in einer Berufsschule. Aber erwachsen sein und erwachsen benehmen sind zwei Paar Schuhe. Das Handy nimmt so viel Kommunikation und Möglichkeiten, einander auf Augenhöhe zu begegnen. Es ist schaurig, junge Menschen zu beobachten, die selbst bei einem Waldspaziergang mit dem Hund nur auf das Handy starren. Daher kann ich die Regel durchaus nachvollziehen. Gleiche Regeln für alle und jeder lernt, auch mal ohne auszukommen. Bei langweiligem Unterricht greift man halt zu Methoden aus Schulzeiten ohne Handy : Käsekästchen oder - etwas moderner - eben Sudoku. Ich habe unter der Schulbank Pullover gestrickt (dabei kann man dem Unterricht aber folgen). Aber ich weiche ab. Eine Gemeinschaft ohne Regeln wird nicht funktionieren, die Akzeptanz von Regeln (und seien sie manchmal auch unsinnig) gehört eben dazu. (Man wartet vor einer roten Ampel, auch wenn die Straße frei ist - das ist widersinnig, aber so ist eben die Regel - vor der Schranke, auch wenn kein Zug zu sehen ist: das kann lebensrettend sein)

Schwächere Schüler "mitzunehmen", das ist eine Frage der Rücksichtnahme und Empathie. Für Dich sicherlich langweilig, ja - schlauer wäre es, denjenigen, die sich nun langweilen, herausfordernde Arbeiten zu geben. Rege das doch einmal an, um etwas zu verbessern.

Das Verbot des Verlassens des Schulgeländes gab es schon in meiner Kindheit (70er). Das hat oft versicherungstechnische Gründe. Wenn was passiert - wer zahlt dann? Die Berufsgenossenschaft steigt aus, die Krankenkasse weigert sich. Ärger ohne Ende ... Trotzdem wurde das Verbot laufend ignoriert (war ja spannend und es war eben eine Grundschule).

LG Lavendel
***Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen ***
DieNeue
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Re: Alles umsonst?

Beitrag von DieNeue »

Hallo Philosophin,

wenn du erwachsen behandelt werden möchtest, dann benimm dich auch so.
An deiner Stelle würde ich mit dem Klassleiter/ den Lehrern das Gespräch suchen und sagen, dass du dich langweilst.
Wenn du dich in Gruppenarbeiten langweilst, dann frag, ob man die Gruppen auch nach Leistung einteilen kann und du mit Leuten zusammen arbeiten kannst, die auf deinem Niveau sind. Oder frag, ob sie dir zusätzliche Aufgaben geben können.

Wenn du Schallschutzohrstöpsel brauchst, dann klär die Lehrer darüber auf, warum du diese benutzt. Lehrer sind auch auf Feedback angewiesen. Vielleicht bist du nicht die einzige, die bei dem Lärm nicht gescheit arbeiten kann. Vielleicht gibt es auch die Möglichkeit mal Frontalunterricht zu machen, damit der Lärm nicht überhand nimmt.

Wenn du in der Schule keinen ruhigen Ort hast zum Lernen, dann frag nach, ob man dir vielleicht einen geben kann. Manchmal gibt es ungenutzte Klassenzimmer, die man aufsperren könnte.
Eigentlich sollten die Lehrer sich freuen, wenn Schüler motiviert sind zu lernen. Wieso sollten sie dir dann nicht entgegenkommen?

Wenn du was anders haben willst und keine Probleme willst, dann musst du den Mund aufmachen und mit den Leuten kommunizieren.
Aber nur den Kopf in den Sand stecken und die Schuld den anderen geben, wird nichts ändern. Zumindest es zu versuchen sollte schon drin sein.
Mach dir einen Plan, wie du die verschiedenen Themen angehen willst, such dir deine Argumente und werde aktiv. Ich würde das evtl. auch nicht mit den Lehrern zwischen Tür und Angel klären, sondern wenn möglich in die Sprechstunde des Klassleiters gehen. Dann hat das auch einen Rahmen, der dem Ernst deiner Situation entspricht.

Ich war übrigens selber auch schon nach dem Abi in der Berufsschule mit pubertierenden 16-Jährigen und fand das auch nicht immer toll. Es ist ein riesen Spagat, den die Lehrer da leisten mussten zwischen Haupt-, Real- und Wirtschaftsschülern, Gymnasiasten, FOSlern und Studienabbrechern. Wenn du da nicht untergehen willst, dann musst du aktiv werden und deine Anliegen anbringen. Andere verhandeln mit den Lehrern über Hitzefrei und Wandertag, du verhandelt für dich und deine berufliche Zukunft.

Liebe Grüße,
DieNeue
Senif
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Re: Alles umsonst?

Beitrag von Senif »

Hallo Philosophin,

ich kenne das Problem von meiner damaligen Umschulung. Das ist aber lehrerabhängig. Es gab bei uns einen Lehrer, den ich sehr geschätzt habe und der sein Fach beherrscht hatte.
In Fächern wie Ethik war auch oft so was wie Basteln, Gestalten etc.... halte ich auch nicht für zielführend. Dennoch solltest du dein Ziel im Auge behalten, und das ist der Abschluss. Wenn du dahin kommen willst, musst du dich unterordnen. Die Idee, die Dinge ruhig und offen anzusprechen, von die Neue, finde ich gut. Vielleicht kannst du dir tatsächlich einen Klassenraum aufsperren lassen. Oder habt ihr eine Bibliothek ?

Ich hätte damals gern wie im Hörsaal mit meinem Rechner mitgeschrieben. Da finde ich gerade Berufsschulen, die auch erwachsene Menschen beherbergen etwas altmodisch und nicht darauf eingestellt. Ich weiß genau was du meinst, dass man dort behandelt wird, als wäre man noch ein Kind. Aber es nützt nichts, du wirst in jedem Fall den Kürzeren ziehen, wenn du dich mit ihnen anlegst. Wenn du mit den Lehrern offen redest und v.a. ruhig und in normalem Ton, öffnet sich vielleicht irgendwo eine Tür.

Ansonsten würde ich in den Bastelstunden kein Sudoku lösen, oder aufs Handy schauen, sondern was sinnvolles Lesen. (was vielleicht nicht so auffällig ist). Ich habe früher auch viel damit gehadert, dass so viel Zeit verschenkt wird.

LG Senif
Philosophin
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Re: Alles umsonst?

Beitrag von Philosophin »

So, die erste Prüfungswoche ist um. Die Klausuren liefen gut, auch wenn ich etwas unkonzentriert und reizüberflutet war. Zu Anfang der Woche sind wir als Klasse von einer neuen Dozentin darauf angesprochen worden, dass wir so unmotiviert und unzufrieden wirken würden. Sie hat uns Raum gelassen, uns über die Schule und die neuen Regeln "auszukotzen". Das tat sehr gut. Sie hat gesagt, sie nimmt unsere Beschwerden mit in die nächste Lehrerkonferenz. Ansonsten war es eher eine konfliktreiche Woche. Ein Teil meiner Mitschüler geht mir ziemlich auf den Keks und ich beobachte mit Schrecken, wie sehr meine Generation verblödet. Und ja, vielleicht ist auch das Smartphone bzw. die ständige Dauerberieselung daran Schuld.

Ich verstehe nicht, warum Menschen, die sich für einen Beruf im Gesundheitsbereich und auch generell Menschen dafür entscheiden, sich kaum zu bewegen, täglich Fastfood, Unmengen an Zucker, Koffein, Nikotin, Alkohol etc. in sich rein zu schaufeln. Ich hätte gerne jemanden in meiner Klasse, mit dem ich in der Mittagspause spazieren gehen könnte oder mit dem ich mich mal in der Freizeit austauschen könnte. Jemanden, der mit ins klinikeigene Fitnessstudio kommt... aber Bewegung ist nicht mehr in. Meine Mitschüler sind mir ein Rätsel.

Zum Glück ist jetzt nur noch eine Woche Schule- die letzte für dieses Jahr. Danach geht es in den Psychiatrieeinsatz, auf den ich sehr gespannt bin.

LG Philosophin
Senif
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Re: Alles umsonst?

Beitrag von Senif »

Hallo Philosophin,

schön, dass das mit den Klausuren gut läuft. Ich konnte damals in der Schule auch keine Bekanntschaften eingehen. Viel zu unterschiedlich (und ich war auch von älterem Semester). Vielleicht kannst du dir abseits von Schule und Beruf passende Kontakte suchen. Da kannst du zwar nicht in das Klinikfitnessstudio, aber vielleicht findet sich was anderes.

LG Senif :hello:

Und ich drück die Daumen, für den Abschluss.
Philosophin
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Re: Alles umsonst?

Beitrag von Philosophin »

Dankeschön liebe Senif für deine guten Wünsche! Die Klausuren sind alle sehr gut gelaufen, auch wenn es eine stressige Phase war. Zurzeit habe ich Nachdienste in der Psychiatrie. Das Team dort ist wesentlich freundlicher, aber die Arbeit natürlich eine ganz andere. Ich kämpfe ein bisschen mit den Nachtdiensten. Leider reagiert mein Körper mit Magenkrämpfen, Übelkeit und Herzrasen auf die verschobenen Zeiten und den Schlafmangel. Bisher habe ich noch keine Lösung gefunden. Von der Stimmung her merke ich, dass ich reizbarer und unausgeglichen bin, trotzdem geht es mir gerade insgesamt besser als während des Schulblocks. Bin aber trotzdem erleichtert, wenn der Psychiatrieeinsatz vorbei ist, da das einfach nicht meine Welt ist. Ich könnte dort niemals als Patient sein und bin unendlich froh, mich selbst aus meiner Erkrankung soweit rausgekämpft zu haben, dass ich mir selbst helfen und einen normalen Alltag führen kann.
Der Einsatz zeigt mir auch nochmal, dass es neben individuell passender Hilfe und viel Geduld einen extrem starken Willen braucht, um die Depression zu überwinden. Ohne den festen Willen und das entwickeln eine Stehaufmännchen-Mentalität nützt alle Hilfe nichts.

Liebe Grüße an alle
Philosophin
Senif
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Re: Alles umsonst?

Beitrag von Senif »

Mit Nachtdiensten könnte ich auch nicht.
Manchmal bin ich schockiert, wie oft ich in der Psychiatrie war. Seit 4 Jahren nicht mehr.

In der Depression ist ja der Wille gebrochen. Mit Medikamenten kann man dann vielleicht eine Psychotherapie machen. Trotzdem schaffen es viele nicht. Hab aber auch Menschen kennen gelernt, die sich und ihre Glaubenssätze nie hinterfragt haben und sich mit der Aussage: na ja, ich bin ja krank zufrieden gegeben haben. Ich fand die Therapie extrem hart, und es hat oft sehr sehr weh getan. Aber trotzdem war es genau das, was mir dann geholfen hat. Genau das hat mir ermöglicht aus meiner Opferrolle herauszutreten und zu erkennen, dass ich es selbst in der Hand habe. Deshalb ist man nicht gleich gesund, aber das war ein sehr entscheidender Schritt, dem meine Behandler auch zugestimmt haben. Ich spüre wieder Selbstwirksamkeit.
Aber jeder Schritt zu seiner Zeit.
Heute möchte ich den Berufseinstieg wieder wagen und gern auch noch meinen Master machen neben dem Diplom. Ich habe also auch wieder Pläne wie du. Jetzt gilt es darauf zu achten, die Balance zwischen Über- und Unterforderung zu halten.

Weiterhin viel Erfolg ... und Glück - das Glück ist mit den Tüchtigen heißt ein Sprichwort :D Darauf hoffe ich. Tatsächlich habe ich viel Pech und Glück - wie jeder Mensch im Leben :D

:hello: Senif
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