Über den eigenen Schatten springen

Antworten
sisyphos
Beiträge: 2
Registriert: 22. Sep 2004, 11:51

Über den eigenen Schatten springen

Beitrag von sisyphos »

Kann ich über meinen eigenen Schatten springen?

Vor ca 20 Monaten habe ich die ersten Anzeichen einer Depression an mir erkannt.
Damals hatte ich es gerade geschafft, die Frau für mich zu gewinnen, die ich knapp ein dreiviertel Jahr umworben hatte und wir waren auch drei,vier Monate sehr glücklich.
Dann begann ich träge zu werden, kümmerte mich nur noch um den Haushalt unserer gemeinsamen Wohnung, um den Abwasch...ging nicht mehr raus, vernachlässigte Freunde und Studium.
Für mich war nur noch die Beziehung wichtig; ich redete mir ein, dass meine Freundin alles sei, was ich zum leben brauchte.
Nach etlichen verpatzten Klausuren und kleineren Beziehungskrisen fing es dann richtig an: Schlaflosigkeit.
Erst lag ich nachts nur wach da und überlegte, wie es weiter geht. Ich dachte über mein Studium nach und was passierte, wenn ich diese schwierige Phase des Studiums alleine, ohne Freundin, durchmachen müsste.
Später, als meine Freundin begann häufiger abends allein wegzugehen, waren es Unsicherheit, Eifersucht und Angst, die mich nicht einschlafen ließen.
Nach einigen Wochen verzeichnete ich einen 120Stunden-Dauerwach-Rekord, den ich mit einem 12km-Marsch und dem anschließenden Einkuscheln in meinem Kinderbett bei Mama beendete - 8 Stunden traumloser Schlaf aufgrund purer körperlicher Erschöpfung.
Danach wurde die Wachphasen wieder kürzer, bekämpfte sie mit viel Müde-machern wie Tee und ätzenden Talkshowwiederholungen.
Bis zu diesem Zeitpunkt war ich meiner damaligen Meinung nach vollkommen gesund...
Nach 13 Monaten beendete meine Freundin die Beziehung, weil ich zu träge, unentschlossen, melancholisch und vor allem anhänglich war.
Nach vier Semestern stand ich ziemlich einsam da...ohne Freundin, ohne gemeinsame Wohnung und ohne Vordiplom und somit ohne Zukunftsperspektive.

Ich zog in ein kleines Zimmer eines Studentwohnheimes ein. Vierter Stock!
Von da an, dachte ich häufig darüber nach, wie es wohl wäre, das Fenster zu öffnen und einfach zu springen. Ich konnte von diesem Fenster aus auf die ganze Stadt blicken, bis zu dem Viertel, wo ich noch vor kurzem mit meiner Freundin wohnte. Abends, wenn es dunkel war und die Stadt unter mir neon-farben leuchtete hatte ich den drang laut zu schreien und zu fluchen,...es endete immer in Weinkrämpfen.
Gut taten mir die Menschen um mich herum, die sich lieb um mich kümmerten. Eine Mitbewohnerin (Pharmaziestudentin) gab mir Johanneskrautkapseln zur Stimmungsaufhellung.
Anfangs war es sehr schwer für mich, mich auf etwas zu konzentrieren, vor allem weil ich über den Tag hinweg dauer-müde war.
Aber irgendwie haben es meine Kommolitonen geschafft mich so sehr in ihre Lerngruppen einzubeziehen, dass ich irgendwann gar keine Chance mehr hatte zu grübeln und zu trauern. Die Klausuren kamen und ich bestand sie mit ach-und-krach.
Ich war wieder einigermaßen "un-traurig", mein positiver Depressionstest war vergessen.
Nach einiger Zeit überwältigte mich eine neue Frau. Meine Traumfrau! Wir beide lernten uns zwar in einer Phase kennen, wo wir keine Beziehung wollten und es gab auch andere Hindernisse, aber letztendlich haben wir zusammen gefunden. So war ich nur 6Monate Single und das Spiel ging von vorne los.

Vor 12 Tagen hat meine Freundin mich verlassen. Seit 12 Tagen esse ich nur sporadisch, schlafe an manchen Tagen 12 Stunden, dann gibt es wieder Nächte wo ich gar nicht schlafe.
Ich bin absolut appetitlos, höre Null Musik (obwohl ich Gitarrist bin!), mache rein gar nichts mehr und mein Spiegelbild sieht abscheulich aus (absolut gar keine Regung!).
Denke an sie.
Oder an das Fenster, im vierten Stock...

meine Frage an EUCH:
Bin ich nur ein sensibler Kerl, der mit Trennungen nicht umgehen kann oder bin ich wirklich depressiv?

Waren meine Beziehungen nur Schleier, die meine Krankheit verhüllten?

Soll ich über meinen eigenen Schatten springen und "einen Arzt aufsuchen"?

danke euch im voraus!
Bellasus
Beiträge: 1628
Registriert: 10. Jun 2004, 21:41

Re: Über den eigenen Schatten springen

Beitrag von Bellasus »

Herzlich willkommen im Forum, Sisyphos!

Ja, ich würde dir raten, zum Arzt zu gehen, bevor dich nur im Kreis drehst. Ob nun Depressionen oder andere Ursachen, wenn du dich so beeinträchtigt fühlst und Fenster nicht nur als Fenster siehst, wäre es gut, dich jemanden anzuvertrauen. Dass du hier geschrieben hast, ist schon ein guter Anfang!

Ich wünsche dir alles Gute,
Annette




www.depressionsliga.de

- Betroffene für Betroffene -
Acedia
Beiträge: 400
Registriert: 12. Jun 2003, 10:47

Re: Über den eigenen Schatten springen

Beitrag von Acedia »

Spring nicht aus dem vierten Stock, da brichst du dir nur alle möglichen Knochen und läufst dann ewig als Behinderter herum. Sogar einen Sprung aus dem achten Stock überlebt man. Ist aber kein Thema für dieses Forum.
Lea
heike56
Beiträge: 1126
Registriert: 13. Feb 2003, 09:52

Re: Über den eigenen Schatten springen

Beitrag von heike56 »

Hallo Sysiphos,

ich schließe mich Bellasus an, gehe zum Arzt und schildere ihm deine Beschwerden.

Wenn Du die Verbesserung deines damaligen Zustandes mit der Einnahme von Johanniskraut in Zusammhang bringen kannst, wäre es ein Hinweis auf eine Depression.
Das einige Tage vergehen mußten, bis es dir besser ging, weißt Du ja sicherlich.

Zum anderen kannst Du hier den Depressionstest machen, dann siehst Du für dich klarer.

Auf deine Anmerkung, ob Du nur ein sensibler Mensch bist, der mit Trennungen nicht umgehen kann, kann ich dir nur sagen, Depressive sind z.T. sensible Menschen, die unter vielen Dingen mehr leiden als nicht Erkrankte.

Alles Gute für dich

Heike47
Antworten