Wie ich aus meiner Depression heraus gekommen bin

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Senif
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Wie ich aus meiner Depression heraus gekommen bin

Beitrag von Senif »

Weil die Nachfrage kam, wie ich da rausgekommen bin, mach ich mal einen neuen Thread auf.
Ich war viele Jahre krank, mehrfach in Kliniken - hatte eine richtige Psychiatriekarriere, habe dann sogar in einer stationären Einrichtung gelebt, weil ich alleine gar nicht mehr klar kam. Und lebe nun alleine mit meinen Haustieren in einer eigenen Wohnung und komme wieder gut zurecht.
Ich hatte auch mehrere Therapeuten, die mich aufgegeben haben. Bis ich dann 2015 zu meiner jetzigen in der PIA kam, die das nie tat.
Vor meiner Berentung und stationären Einrichtung, habe ich mich an mehreren Rehas versucht, die alle scheiterten, scheitern mussten, weil ich viel zu krank dafür war und keiner das so registriert hatte. Oder, wenn ich böse bin, wollten alle Beteiligten mit mir Geld verdienen. Ob das tatsächlich so war, kann ich natürlich nicht sagen, aber so im Nachhinein könnte einem der Gedanke kommen.
Als ich ganz tief drin steckte, war ich überhaupt nicht therapiefähig. Ich habe jeden Tag gedacht, ich gebe den Löffel ab, weil mein Körper sich so anfühlte. Ich lag dann auch zu Hause auf dem Sofa und wollte meinen Tod erwarten. Aber es kam anders.
Nach einem 3/4 Jahr bekam ich auf eigenes Drängen hin Stangyl in ausreichender Dosierung, was mich erstmal wieder therapiefähig machte. Das allein reichte natürlich nicht, die Medikamente waren nur Krücke. Und sie schlugen an, nachdem ich wer weiß wie viel probiert hatte. Es ist ein trizyklisches Antidepressivum. Und da jedes AD bei unterschiedlichen Menschen anders wirkt, oder wirken kann, war ich natürlich froh jetzt für mich was gefunden zu haben, was zumindest diese körperlichen Zustände etwas abmilderte.
Aber es hat dann nochmal Jahre gedauert, psychisch wieder stabiler zu werden. In der stationären Einrichtung kam ich nämlich auch nicht so gut klar, kam mir irgendwann wie abgeparkt vor, und es wurden mir Dinge unterstellt, die so nicht wahr waren. Aus Frust zog ich aus, die Energie dafür zog ich aus einem Ärger, der mir bisher unbekannt war. Sozialpsychiatrischer Dienst wollte mir nicht helfen, also fragte ich die Sozialarbeiterin in der PIA und sie hat mich wirklich gut unterstützt. Auch meine Eltern halfen mir in der Anfangsphase sehr. In der neuen Wohnung begann dann meine Transformation. Auch wieder ganz langsam. Ich wollte immer Haustiere haben. Alle haben dagegen geredet, weil sie Angst hatten, ich schaffe es nicht, mich um sie zu kümmern. Ich legte mir 2 Kater zu, und sie sind so ein Glück in meinem Leben. Ich liebe sie über alles. Des Weiteren hatte ich eine Pflegestufe und damit eine Haushaltshilfe, die mich auch sehr unterstützte. Mir war aber klar, dass ich daran arbeiten möchte, sie irgendwann nicht mehr zu brauchen. Immer wenn sie zu mir kam, habe ich nicht nur machen lassen, sondern auch mit gemacht im Rahmen meiner Möglichkeiten. Anfangs war das sehr kräftezehrend, aber es wurde besser. Ich bin aber auch nicht gut in Akzeptieren, dass andere was für mich machen.
Seit der stationären Einrichtung hatte ich auch eine Rente, bei der ich erstmal durchatmen konnte und nicht mehr in diesem Rad drin war, irgendwas reißen zu müssen. Auch das war ein Baustein.
Ich dachte auch immer, ich finde nie wieder was, was mir Spaß macht. Trotzdem begab ich mich auf die Suche und probierte (in meinem Tempo) Dinge aus. Vieles ließ ich wieder sein, weil sich nichts in mir regte. Aber irgendwann fand ich einen Sport, bei dem ich Spaß hatte. Es ist eine Randsportart und es geht um den Spaß an der Freude. Anfangs war ich noch sehr unregelmäßig beim Training, weil ich immer wieder Einbrüche hatte, aber jetzt ist es schon besser. Ich entwickelte immer mehr Freude und merkte auch, dass mir der Sport psychisch gut tat. Das Aufraffen war immer noch schwer, aber immer öfter war ich dann froh, doch hingegangen zu sein. Ein weiterer Meilenstein. Ich lernte auch neue Menschen kennen, und erlebte, dass Beziehungen auch anders laufen können.

Fortsetzung folgt ....
Zuletzt geändert von Senif am 3. Sep 2023, 12:16, insgesamt 1-mal geändert.
Senif
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Re: Wie bin ich aus meiner Depression heraus gekommen bin

Beitrag von Senif »

Aufgrund der Depressionen hatte ich auch zwischendurch eine Tavor-Abhängigkeit entwickelt, es folgten 2 Entzüge in der Klinik, auch Alkohol nutzte ich, um mich besser zu fühlen. Was natürlich ein Trugschluss war. Für den Moment hat es geholfen, aber sonst hat er alles nur noch schlimmer gemacht. Bei jeder Kleinigkeit trank ich erstmal was. Ich fühlte mich von irgendjemand verletzt, ich trank erstmal. Es passierte irgendwas, womit ich nicht so zurecht kam, ich trank erstmal was usw. im Prinzip fand ich immer Gründe, warum ich etwas trinken musste. Ich war ja ein armes Würstchen.
Irgendwann begann ich aber immer mehr eigene Handlungen, eigene Glaubenssätze und Einstellungen zu hinterfragen. Ehrlich bei mir zu hinterfragen. Mit Hilfe auch der Therapeutin - und mir kam auch Gesagtes in den Sinn von früheren Therapien, die mich teilweise destabilisiert hatten, aber die jetzt wirklich auch Sinn ergaben. Ich habe mich immer selbst runter gemacht, jede Kleinigkeit nutzte ich, um mich regelrecht zu vernichten. Ich empfand mich als schlechten Menschen. Selbstmitleidig lag ich zu Hause und war der Meinung, wie schlecht doch alles ist, und wie schlecht die Welt ist. Und ich kann ja nicht anders, weil ich Depressionen hatte. Das war meine Opferrolle, die ich später noch verlassen sollte. Ich hatte immer den Wunsch ein normales Leben führen zu können, und es lag in meiner Hand und nicht in irgendjemandens anderer Hand.
Ich hörte auf zu trinken (letztes Jahr im April), weil ich wusste, so kann es nicht weiter gehen. Ich hörte auf zu Rauchen, letztes Jahr Ende Juli. Es war meine Verantwortung, die ich mir gegenüber hatte. Ich versuchte mich wohlwollender zu betrachten, Selbstmitgefühl für mich zu entwickeln, aber nicht Selbstmitleid. Ich habe auch immer mit anderen mitgelitten (wenn mein Gegenüber in Tränen ausbrach, bin ich auch in Tränen ausgebrochen etc), was nicht gut für mich war. Mitgefühl ja, Mitleid nein. Auch die Arbeit am inneren Kind, hat viel bei mir ausgelöst. Obwohl ich immer dachte, ich habe kein inneres Kind. Aber da lernte ich dieses Selbstmitgefühl. Mittlerweile betrachte ich mich wirklich wohlwollender, und damit auch andere Menschen wohlwollender. Das heißt nicht, dass ich keine Grenzen mehr habe, doch natürlich. Aber vieles hatte sich auch relativiert. Vieles lag wirklich daran, was meine Glaubenssätze waren, nicht die der anderen. Ich achte jetzt mehr auf mich, baue mir eine gewisse Struktur auf, die aber nicht so eng wie ein Korsett geschnürt ist, und ich habe kein schlechtes Gewissen mehr, wenn ich für mich was gutes tun soll. Ich habe es nämlich verdient ;-). Und nur weil ich Ecken und Kanten habe, bin ich kein schlechter Mensch. Am Ende erkannte ich, dass auch die Depression ihren Sinn hatte und ich dadurch all das lernen durfte. Der Durchbruch am Ende schlechthin, und das hat mir meine Therapeutin auch bestätigt, war das Verlassen meiner Opferrolle. Auch im Hinblick, dass ich nicht mehr alles entschuldige, weil ich Depressionen habe, weshalb ich ja nicht kann. Aber wenn ich wirklich nicht kann, dann stehe ich auch dazu und gönne mir die Pausen, die ich brauche. Ich verurteile mich auch nicht für diese Opferrolle, ich war so und es ist ok. Aber ich habe was dagegen gemacht, habe mich ehrlich hinterfragt und damit meine Einstellungen und Glaubenssätze verändert. Was wichtig war, um aus der Depression herauszukommen.

Meine Therapeutin meinte, das sieht sie auch so und es ermöglicht mir mich mit meinen Stärken und Ressourcen zu verbinden. Das macht mich am Ende auch resilienter. Ich hoffe, denn ich will so was nie wieder erleben müssen.

Das Projekt ein normales Leben zu führen, ist noch nicht abgeschlossen. Der nächste Schritt ist der Wiedereinstieg in Arbeit. Langsam und in meinem Tempo. Ich würde auch gern noch meinen Master machen, aber das ist jetzt noch zu früh. Ich habe wieder Pläne für die Zukunft. Und diese stelle ich mir ohne psychische Erkrankung vor.

Betrachtet das Forum als Buffet. Ihr nehmt davon, was ihr haben wollt, das andere lasst ihr einfach liegen. Der Text ist natürlich die Kurzfassung von allem. Das Ganze war ein Prozess von Jahren. Man hatte mich teilweise schon aufgegeben. Alles chronifiziert und nicht mehr änderbar. Das stimmte nicht. Jeder hat immer die Möglichkeit, sich noch zu verändern und eine Verbesserung für sich zu erzielen.

Ich wünsche euch das auch. Aufgeben ist keine Option.

LG Senif
Senif
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Re: Wie ich aus meiner Depression heraus gekommen bin

Beitrag von Senif »

Ich schreibe hier mal weiter, immer wenn mir noch was einfällt. Am Anfang habe ich bei den Basics angefangen. Ich hatte sehr viele Schwierigkeiten mit Selbstfürsorge, also mit der nicht vorhandenen. Das betraf auch einfache Sachen wie Körperhygiene. Duschen, ein Problem. Obwohl es mir gut tat, hab ich es nicht gemacht. Oder nur vereinzelt. Also war das Ziel erstmal, da eine Regelmäßigkeit reinzubekommen. Meine Tage bestanden manchmal nur daraus. Das war die einzigste Aufgabe, die ich hatte. Jeden Tag duschen. Deshalb klappte das nicht immer auf Anhieb, aber irgendwann nach längerer Zeit habe ich es immer öfter geschafft. Das gute Gefühl habe ich mir versucht immer abzuspeichern für das nächste Mal. Also am Anfang geht es wirklich erstmal nur um Kleinigkeiten.

Ich habe mal ein Buch gelesen (als es mir schon besser ging): die 1% Methode. Man verändert immer nur eine Kleinigkeit im Alltag und nach ein paar Jahren haben sich die positiven Effekte summiert und man kann die Früchte ernten.

Heute war ich joggen. Ich musste zwischendurch gehen, weil die Kraft nicht gereicht hat. Dennoch bin ich stolz auf mich, es gemacht zu haben. Klar könnte ich sagen, nicht mal richtig joggen geht mehr, ich komm nicht mal eine halbe Stunde weit usw. Das wäre die negative Sicht darauf. Die positive ist, ich bin überhaupt losgerannt, bin streckenweise gerannt und habe mich bewegt. Und ich habe auf meine Kräfte geachtet, wenn es zu viel wurde bin ich gegangen. Das ist absolut ok so. Und darüber freue ich mich sehr. Meine Haben - Seite. Alles hat seine 2 Seiten und es obliegt uns, welche Seite wir davon betrachten und in den Fokus rücken.

:hello:
Schweiger
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Re: Wie ich aus meiner Depression heraus gekommen bin

Beitrag von Schweiger »

Hi Senif,

vielen Dank dass Du Dir die Zeit und Mühe auf Dich genommen hast u. das geschrieben hast.
Da ist viel drin, von dem ich profitieren kann.
Die Quintessenz ist für mich, geduldig zu sein, nicht die Hoffnung aufgeben, auch die kleinen Schritte zu gehen.

Ich hatte schon mehrere depressiven Episoden u. jedesmal hat es sich so angefühlt, als wäre sie "endgültig überwunden".
Bis vor 2 Monaten meine jetzige Episode startete, hatte ich ca. 10 Jahre "meine Ruhe", ich habe an sie gedacht wie an ein fernes Land, dankbar für das Hier&Jetzt, die meiste Zeit aber wohl einfach nicht dran gedacht, verdrängt, was ja auch ok ist.
Allerdings glaube ich jetzt , für mich , nicht mehr daran, dass sie für immer weg geht.
Die krassen Tiefs sind erstmal - dank Antidepressiva (Paroxetin 30mg) - weg, gottseidank u. ich möchte hier auch Hoffnung geben an diejenigen, die noch in dem hoffnungslosen Loch sind, dass die richtigen Antidepr. (manchmal muss man aber auch viele verschiedenen ausprobieren) wirklich helfen können, wirklich einen Boden unter den Füssen geben können, das endlose Fallen ins Nichts stoppen können.
Das ist für mich ein neuer Ausgangspunkt.

Trotzdem, ich bin viel vorsichtiger geworden meine Stabilität einzuschätzen. Das ist aber wohl auch sinnvoll, zu schauen, was möglich ist, welches Denken u. Handeln passt, wo der Weg entlang ist.

Dir Senif möchte ich gratulieren u. auch Anerkennung zollen, dass Du die Schwierigkeiten und Rückschläge (z.B. als Deine Therapeuten nicht mehr an Dich geglaubt haben ) gemeistert hast. Es braucht Lebenserfahrung bis man erkennt, dass man sich nicht vergleichen muss und braucht u. der einzige dauerhaft relevante Maßstab das eigene Leben ist. Selbsterkenntnis, Kontakt zu seinem Inneren aufbauen u. Selbstfürsorge ist dabei der richtige Weg u. den scheinst Du hervorragend zu gehen. :hello:
Senif
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Re: Wie ich aus meiner Depression heraus gekommen bin

Beitrag von Senif »

Hallo Schweiger,

vielen Dank.
Das mit den Antidepressiva finde ich sehr wichtig. Sie helfen einem, überhaupt erstmal den ersten Schritt zu machen, der vorher gar nicht möglich war. Hattest du denn in deinen anderen Episoden keine ADs?
Ob ich nicht wieder eine Depression entwickle zukünftig, kann ich nicht wissen. Alles ist möglich. Ich hoffe es natürlich nicht. Klar kommen immer mal sorgenvolle Gedanken, aber diese Gedanken und Sorgen machen mir das jetzige Leben schwerer. Es kommt wie es kommt. Aber ich möchte das Jetzt genießen.
der einzige dauerhaft relevante Maßstab das eigene Leben ist
Ein sehr schöner Satz. So sehe ich das auch. Es ist nicht wichtig, was andere Denken. Du selbst bist der Maßstab.

LG Senif :hello:
anna_lyle
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Re: Wie ich aus meiner Depression heraus gekommen bin

Beitrag von anna_lyle »

Hallo Senif,
Danke für deine Geschichte. Das ist sehr ermutigend!
Nimmst du jetzt noch Antidepressiva?
Senif
Beiträge: 1307
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Re: Wie ich aus meiner Depression heraus gekommen bin

Beitrag von Senif »

Hallo anna_lyle,

ja, ich nehme noch Antidepressiva. Das Stangyl sogar noch in einer Dosis, die meinem Arzt für den ambulanten Bereich noch zu hoch ist. Wir haben jetzt erst das Zopiclon abgesetzt, was ich über Jahre genommen hatte (15 mg). Laaangsam abgesetzt, in der Depression muss man in langsamen Schritten denken. Jetzt wollen wir noch mit dem Stangyl runter gehen, aber nicht auf null. Das Risiko ist meinem Arzt noch zu hoch. Aber durch die Reduktion werde ich dann vielleicht bald wieder Auto fahren können. Ich warte dann quasi auf sein ok. (und werde dann wohl auch erstmal eine Fahrstunde nehmen, da ich so lange nicht gefahren bin). Ja Geduld ist ganz wichtig, alles dauert eben so lang wie es dauert. Und das ist auch ok so.

Freut mich, wenn ich Mut machen konnte.

:hello:
Senif
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Re: Wie ich aus meiner Depression heraus gekommen bin

Beitrag von Senif »

Hallo Brigitte,

vielen Dank. Und ja, darum geht es mir auch zu sagen, dass es keine hoffnungslosen Fälle gibt. Ich finde es auch suboptimal, wenn Ärzte oder Therapeuten sagen, alles chronifiziert. Da kann man nichts mehr machen und austherapiert. Dennoch kommt es vor und der Patient muss irgendwie damit umgehen. Das ist dann schwer, in einer Depression, in der einem eh alles als hoffnungslos erscheint. Sie können ja sagen, chronifiziert - aber dann weiter, welche Optionen es gibt etc.

LG Senif :hello:
Senif
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Re: Wie ich aus meiner Depression heraus gekommen bin

Beitrag von Senif »

Ich ziehe mir nicht mehr jeden Schuh an:

Erfahrungsgemäß ist in der Krankheit das Selbstwertgefühl sehr gering. Ich glaub, dass ist sogar ein typisches Symptom der Depression. Die innere Selbstsicherheit ist auch völlig dahin. Aber man kann sie wieder aufbauen.
Früher hab ich mir auch jeden Schuh angezogen. Da kam einer und meinte ich bin faul, und schwups kam der Ärger und dann aber auch die Selbstvernichtung. In Wirklichkeit war es die Angst wirklich faul zu sein bzw. dann auch die Gewissheit, ja ich bin faul, ich bin ein schlechter Mensch etc.... am Anfang hab ich mich dann bei meiner Therapeutin beklagt (was auch wichtig ist), wie die Menschen so sind. Und es war auch wichtig, von ihr zu hören, dass ich nicht faul bin z.B. sondern die Depression diese Antriebsschwäche mit sich bringt. Das hab ich auch versucht zu verinnerlichen. Mir war klar, wenn ich selbst innerlich sicher bin, dann triggern mich solche Sätze nicht mehr. Also ging es darum die eigene Selbstsicherheit und den Selbstwert wieder aufzubauen. Das wurde dann auch besser, in dem ich selbst mit mir wohlwollender umgegangen bin. Ich war mir dann sicher, dass ich nicht faul bin bzw. es ist ok, auch mal faul zu sein. Niemand ist 24h am Tag fleißig. Und es ist auch ok, mal den ganzen Tag nichts zu tun.
Erst als ich das selbst so akzeptiert hatte und verinnerlicht hatte, konnte ich mich von den Aussagen anderer lösen. Wie oben schon geschrieben: es ist nicht wichtig, was andere denken. Es ist wichtig, was du selbst (über dich) denkst.

In einem anderen Thread las ich: Ärzte - lass die Leute reden. Das finde ich, ist eine gute Einstellung. Es gibt so viele unterschiedliche Meinungen, das ist ok. Die Meinung über mich selbst ist wichtig.

LG Senif :hello:
Maxegon
Beiträge: 2532
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Re: Wie ich aus meiner Depression heraus gekommen bin

Beitrag von Maxegon »

Senif hat geschrieben: 4. Sep 2023, 09:47 Ich ziehe mir nicht mehr jeden Schuh an:

Erst als ich das selbst so akzeptiert hatte und verinnerlicht hatte, konnte ich mich von den Aussagen anderer lösen. Wie oben schon geschrieben: es ist nicht wichtig, was andere denken. Es ist wichtig, was du selbst (über dich) denkst.
Das ist eine sehr gesunde Einstellung!
... sich von den Vorurteilen der Anderen und (!) seinen zu lösen.

Sich selbst und auch anderen einzugestehen, das niemand perfekt ist.
Toleranz ... wenn sich jemand "doof" verhält, eben nicht alles auf die Goldwaage zu legen, sich nicht alles zu Herzen zu nehmen.
Jeder hat Fehler, diese zu akzeptieren bzw. zu tolerieren bleibt ein ewiger Lernprozess und ist trotzdem, immer wieder auf's neue, nötig.

Man soll ja nicht gleich total gleichgültig werden, ein bisschen gelassener genügt schon. :mrgreen:

:hello:
Luna1959
Beiträge: 679
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Re: Wie ich aus meiner Depression heraus gekommen bin

Beitrag von Luna1959 »

Hallo Senif,
danke für deine Beschreibung, wie du aus der Depri raus gekommen bist. Das gibt Hoffnung und Mut :) .
Letzte Woche startete ich wieder mal einen Versuch mit Medikamenten und ich habe mir diesmal fest vorgenommen, dran zu bleiben. Bisher habe ich nach zwei Versuchen immer aufgegeben, weil mir bis auf die abendliche Einnahme von 50mg Trittico nichts wirklich half. Da muss ich einfach geduldiger sein.
Dazu gehört, wie du schreibst, das genaue Hinschauen auf die Glaubenssätze. Irgendwie glaube ich, gestehe ich mir nicht zu, dass es mir gut gehen darf. Das ist bezüglich Medis vielleicht so eine Art "negatives" Placebo. So auf die Art, ist eh alles sinnlos/mir hilft eh nix.
Die regelmäßige Psychotherapie hilft mir insofern sehr, als dass sie mich meistens stabilisiert.
Die 1 % Schritte, sowie immer wieder mal was Neues auszuprobieren (und es ohne schlechtem Gefühl sein zu lassen, wenn's doch nicht passt) sind gute Ideen.
Ich werde mir das noch öfters durchlesen.
Dir gratuliere ich ganz herzlich und wünsche dir weiterhin viel Erfolg.
Liebe Grüße Eva
Die Vernunft empfiehlt immer das, was andere gerne möchten.
Senif
Beiträge: 1307
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Re: Wie ich aus meiner Depression heraus gekommen bin

Beitrag von Senif »

Hallo ihr 2,

@Maxegon Tatsächlich bin ich nicht gleichgültig, die positiven Gefühle überwiegen wieder mehr. Ich bin nicht mehr so schnell verletzt, wenn jemand mal was sagt. Ich bin viel gelassener. Natürlich unterliegt auch das Tagesschwankungen.

@Luna bei ADs sollte man glaub ich bis zu 6 Wochen warten, bis sich eine Wirkung einstellen kann. Ich hab auch sehr viel probieren müssen, bis ich was fand. Und ja, das braucht auch viel Geduld. Was den Glaubenssatz angeht: warum denkst du, darf es Dir nicht gut gehen ? Bei mir war die Ursache die Selbstabwertung, weil ich ja so ein furchtbarer Mensch bin, hab ich es auch gar nicht verdient gehabt. Vieles lief bei mir auch unbewusst ab.
Dinge ausprobieren und ohne schlechtes Gefühl wieder sein lassen, wenn es nichts ist, finde ich wirklich gut. Viele Menschen probieren Dinge aus und merken dann es passt nicht.

:hello:
Senif
Beiträge: 1307
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Re: Wie ich aus meiner Depression heraus gekommen bin

Beitrag von Senif »

Hallo zusammen,

ich hoffe, dass ich euch etwas Mut machen konnte. Ich weiß natürlich, dass das nicht reicht um aus der Spirale heraus zukommen. Als ich damals hier im Forum aufschlug, war ich auf der Suche nach Hoffnung, weil ich dachte, mein Leben ist vorbei. Deshalb hab ich diesen Thread hier eröffnet.
Ich hänge zu viel im Internet, was nicht gut für mich ist. Und ich hing die letzten Tag zu viel auch hier im Forum. Was auch nicht gut für mich ist. Deshalb werde ich mich langsam wieder zurück ziehen. Schön wäre es, wenn auf der Startseite des Forums so was wie Erfolgsgeschichten stünden, so dass Neulinge, die die Hoffnung auf Genesung aufgegeben haben, oder wo die Angst so immens groß ist, von ehemals Betroffenen lesen könnten, dass es besser werden kann. Und das man dafür aber vieeeeel Geduld braucht.
Ich gehöre nicht mehr so sehr hier her. Ob ich irgendwann wieder eine Episode bekomme, weiß ich nicht. Niemand kann in die Zukunft schauen. Aber ich habe gelesen, dass Psychotherapie langfristig Veränderungen auch im Gehirn bewirken kann, so dass ich die Hoffnung hab, dass das meine letzte Episode war (ich hatte rezidivierende Depressionen). Diesmal ist vieles anders als bei den anderen Male. Ich habe sehr viel lernen dürfen. Dafür bin ich dankbar.
Euch wünsche ich alles Gute und hoffe, dass ihr die Krankheit hinter euch lassen könnt.

LG Senif :hello:
IvonneSun
Beiträge: 62
Registriert: 18. Mär 2022, 16:21

Re: Wie ich aus meiner Depression heraus gekommen bin

Beitrag von IvonneSun »

Liebe Senif,
hab vielen, vielen Dank für Deine ermutigende Geschichte. Sie zeigt mir, dass ich auf dem richtigen Weg bin. Alles Gute für Dich!
Schweiger
Beiträge: 55
Registriert: 20. Jul 2023, 11:39

Re: Wie ich aus meiner Depression heraus gekommen bin

Beitrag von Schweiger »

Hi Senif,
das klingt sehr ermutigend was Du schreibst.
Gerade auch weil Du klar machst, wie lange das gedauert hat, wieviel Jahre die Rückschläge da waren und dass es sich gelohnt hat durchzuhalten und die Hoffnung nicht aufzugeben.
Meine dunkelsten Täler liegen gerade wieder hinter mir, wohl auch dank AD.
Meine Stimmung und meine Gedanken sind einerseits voller Dankbarkeit (wem ggü. ? Weiß auch nicht genau, dem Gott der Pharmakologie ? :-)
Naja, bissl ironisch ist es schon, weil ich die sinistren Machenschaften von Big Pharma auch klar sehe, z.B. haben wir "Painkiller" auf Netflix angesehen u. auch bei Corona war Big Pharma alles andere als ein rettender Engel, als sie dargestellt wurden).

Dankbar auch an die Menschen, die geduldig an die Besserung der Depr. glaubten, die mich nicht aufgegeben haben.
Du schreibst ja auch von professionellen Leuten, die Dich aufgaben , aber auch von denen , die Dich nicht aufgaben (glaube das war Deine jetzige Therapeutin.....).

Ein weiterer Gedanke bei mir ist, wie kann, wie soll, wie muss ich meinen depr. Anteil in mein Leben integrieren ?
Oder genauer formuliert: wie soll ich mein Leben richtig einrichten, dass ich einerseits nicht zu sehr flüchte und verdränge (z.B. in Arbeit, Internet....),
andererseits meine Bedürfnisse und Gefühle wahr nehme (inkl. Selbstfürsorge) und nochmal andererseits Routinen annehme wie z.B. körperl. Bewegung, Treffen mit Freunden, kreative Tätigkeiten, die oft einen Tick ausserhalb der Komfortzone liegen, aber auch für ein ganzheitl. Leben und für innere Entwicklung stehen.

Schönes Wochenende !
Schweiger
Luna1959
Beiträge: 679
Registriert: 20. Mai 2015, 17:35

Re: Wie ich aus meiner Depression heraus gekommen bin

Beitrag von Luna1959 »

Hallo Senif,
das wäre eine gute Idee, so eine Sammlung von Erfolgsgeschichten in diesem Forum. Vielleicht magst du ja den ModeratorInnen das vorschlagen.
Du hast deinen jahrelangen Weg raus aus der Depression sehr gut beschrieben. Diese vielen - oft klitzekleinen - Schritte. Bei mir ist es leider schon so, dass ich diese oft zu wenig wertschätze, sondern zu sehr auf das noch Nicht-Gelungene schaue. Und ungeduldig bin ich auch.
Da ich von Jugend an depressiv bin (jetzt bin ich 64), kenne ich das Gefühl der Freude und Freiheit zu wenig. Da kommt immer wieder mal das Gefühl auf, mir hilft eh nichts wirklich. Weder Therapie noch Psychopharmaka. Durch deinen Beitrag ist mir das sehr bewusst geworden.
Und das gibt Hoffnung.

Mein Psychiater ist jetzt lange auf Urlaub. Bei dem nächsten Termin sind es dann genau 6 Wochen, dass ich die geballte Ladung Medis nehme. Dieser Psychiater hat sehr viele positive Rezessionen und war auch sehr zuversichtlich, dass er mir helfen kann. Einer Bekannten hat er auch gut helfen können. Fühle mich gut aufgehoben bei ihm.
Bei mir kommt dieses Gefühl, es dürfe mir nicht gut gehen aus der Kindheit. Ich wurde außerehelich in einem Bauerndorf geboren, meine Mutter isolierte und wollte mich für sich. Sie war depressiv, gleichzeitig auch jähzornig und meine Daseinsberechtigung zog ich daraus, dass ich ihr zur Verfügung stehen/ihr Halt sein sollte. Dazu kamen noch viele andere, schreckliche Dinge während meines Aufwachsens.
Schon ein Wahnsinn, wie dieser Irrsinn, der vor Jahrzehnten passiert ist in mir drin steckt.
Aber gut, wichtig für mich ist, immer wieder aufzustehen und so nach und nach Neues auszuprobieren.

Dir wünsche ich alles Gute und viel Freude
Die Vernunft empfiehlt immer das, was andere gerne möchten.
MaWe
Beiträge: 174
Registriert: 8. Feb 2020, 10:03

Re: Wie ich aus meiner Depression heraus gekommen bin

Beitrag von MaWe »

Sehr schöne Entwicklung, Gratulation dazu. Sie zeigt fast vorbildlich das Zusammenspiel von antidepressiver Medikation und Psychotherapie.

Man sollte generell Antidepressiva systematisch ausprobieren und hier nicht so schnell die Flinte ins Korn werfen; ich habe leider noch kein/e Ärzt*in erlebt, die/der das getan hätte, auch keine Klinik, man gibt die Medis meist so mehr aufs Geratewohl und Pi mal Daumen.

Zum Selbstmitgefühl bzw. Wohlwollen: Es gibt neuerdings übrigens eine Therapie speziell für chronifizierte Depressionen, die sich "Wohlwollenfokussierte Therapie" nennt. Man meditiert darüber, das man sich selbst und anderen Gutes wünscht. Für Interessierte: https://www.hogrefe.com/de/shop/wohlwol ... 96015.html
Mountainbiker
Beiträge: 224
Registriert: 19. Sep 2020, 18:15

Re: Wie ich aus meiner Depression heraus gekommen bin

Beitrag von Mountainbiker »

Das ist klasse, das zu hören und ich freue mich mit dir!
Ich selbst bin mitten drin, in einem depressiven Schub. Medis nehme ich keine mehr, hat mich zu sehr angeekelt. Nun trennung von Partnerin nach mehr als 20 Jahren Ehe.
Aber ich will dass es aufwärts geht! Es muss einfach wieder besser werden, weil ich das so will. Ist nicht einfach, aber was einmal ging, geht auch ein zweites mal!
Hab viele neue Freunde gefunden, die es wirklich gut mit mir meinen. Vielleicht starte ich mit 60 noch mal neu durch. Hab da so eine Idee.

Bin gespannt wie es bei dir weiter geht. Vielleicht kann ich ja auch mal so eine Geschichte schreiben, wenn es wieder aufwärts geht.
LG und danke fürs Teilen
Der Mountainbiker
Das Leben ist wie Radfahren. Man fällt nicht, solange man in die Pedale tritt.
MissMikse
Beiträge: 466
Registriert: 14. Mär 2023, 20:07

Re: Wie ich aus meiner Depression heraus gekommen bin

Beitrag von MissMikse »

Liebe Senif,

das ist ein schönes Thema für einen Thread! Vielen Dank dafür!

In meinem Leben gab es auch immer wieder bessere und schlechtere Zeiten, aber alles in allem geht es mir deutlich besser als noch vor ca. 15-20 Jahren. Da ich so viele kleinere und große Baustellen hatte, half bei mir nur: eins nach dem anderen angehen. Stück für Stück. Die Schritte gehen, die heute machbar sind - und den Rest erst mal sein lassen. Und morgen, übermorgen, in 1 Woche oder vielleicht auch erst in einem halben Jahr den nächsten Schritt gehen.

Ich habe viele Bücher gelesen, Artikel usw., ich war immer wieder mal in Therapie, Medis hatte ich auch ausprobiert. So hab ich nach und nach immer wieder neue Erkenntnisse gewonnen und konnte mit dem ein oder anderen abschließen.
Im Fall meiner Eltern brauchte es auch einfach mal ein klärendes Gespräch, um meine Kindheit hinter mir zu lassen und nicht mehr länger drüber nachzudenken.

Es braucht Zeit und Geduld und viele kleine Veränderungen. Es gab immer wieder Momente, wo es bei mir "klick" gemacht hat zu einem bestimmten Thema - und dann war der Rest ein Kinderspiel. Auf einmal war alles ganz einfach.

Ich betrachte es jedoch nicht als "ich bin von meiner Depression für alle Zeiten geheilt", sondern als schrittweise Verbesserung meines Lebens, mehr Achtsamkeit im Leben usw. Und wenn doch mal wieder eine Depri-Phase kommt, weiß ich, dass sie vorbei gehen wird - so wie alle anderen vorher auch. In der Regel ist es für mich eine Lernphase - und hinterher bin ich wieder einen "Klick" und einen entscheidenden Schritt weiter.

Liebe Grüße
Senif
Beiträge: 1307
Registriert: 23. Jul 2023, 21:42

Re: Wie ich aus meiner Depression heraus gekommen bin

Beitrag von Senif »

Hallo ihr Lieben,

ja, bei mir waren es auch viele Kleinigkeiten, die am Ende aber ein Ganzes ergeben haben. Natürlich entwickelt man sich im Idealfall ein Leben lang weiter. Ich hatte mich ja auf Minijobs beworben und hatte 2 Vorstellungsgespräche bei einer Firma, das 2. war ein Fachgespräch. Gestern der Anruf, dass ich nächste Woche einen Vertragsentwurf zugeschickt bekomme. Ich habe schon einige Bewerbungen geschrieben, und die meisten sehen Rente, ab aussortiert. Aber es gibt sie noch die Firmen, die einem trotzdem die Chance geben. Ich musste eine Programmieraufgabe erledigen und meine Lösung war wohl der Türöffner. Ich bin auch immer motiviert, neues dazu zu lernen (außer eben in der Krankheit nicht). Ich strebe an, wieder arbeiten zu gehen, denn ich habe meinen Job geliebt. Es war nur zwischendrin etwas verschüttet.

Danke für das nette Feedback. :hello:

LG Senif
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