Nur gut im Job?

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Tess_123
Beiträge: 22
Registriert: 20. Feb 2022, 16:07

Nur gut im Job?

Beitrag von Tess_123 »

Hallo,

ich bin neu in diesem Forum.

Ich bin weiblich, 37 Jahre alt, verheiratet, keine Kinder.

Vor 3,5 Jahren wurden bei mir schwere Depressionen diagnostiziert. Ich habe 2 Reha's hinter mir und eine tiefenpsychologische Langzeittherapie, die mir sehr geholfen hat.

Seit ca. 7 Monaten arbeite ich wieder Vollzeit im Angestelltenverhältnis. Ich mag meinen Job. Das Betriebsklima ist sehr schwierig (toxisch). Ich halte mich raus und komme mal besser und mal schlechter damit klar. Ich hatte in der letzten Zeit viele Konflikte im Job (mein Aufgabengebiet war nicht geklärt; habe für jemanden gearbeitet der fachlich nicht kompetent ist; viele Missverständnisse unter Kollegen weil nicht miteinander gesprochen wird; Unterbesetzung durch Fachkräftemangel).

Durch die Therapie habe ich dazu gelernt und bin besser darin geworden Sachen anzusprechen und zu klären.

Durch Ausfall einer Kollegin habe ich zuviel gearbeitet. Keine Pausen gemacht und nach Feierabend noch weiter gearbeitet. Dazu kam noch eine ständige Traurigkeit durch die Depression. Ich bin morgens aufgestanden und hatte das Bedürfnis zu weinen. Tagsüber hatte ich Gedanken wie: Bitte schieß mir doch jemand in den Kopf, dann habe ich dieses Leben endlich hinter mir.

Meine Ärztin hat mich krank geschrieben. Die Zeit zu Hause tat gut um wieder runter zu kommen. Mein Antidepressivum wurde erhöht und die ständige Traurigkeit ist weg. Das erleichtert mich sehr.

Morgen fange ich wieder an zu arbeiten.
Mein Plan steht (Arbeitszeiten einhalten, Pausen machen, spazieren gehen).

Ich frage mich mittlerweile, arbeite ich soviel weil ich darin gut bin? Weil es das einzige ist, worin ich gut bin? Das Gefühl habe ich mittlerweile nämlich.

Meine Ehe ist okay. Wir haben paar Probleme (mein Mann braucht auch eine Therapie). Machen nicht viel miteinander, sind beide ständig erschöpft.
Das Verhältnis zu meiner Mutter ist sehr durchwachsen. Sie hat mich mein Leben lang entwertet.
Durch die Krankheit habe keinen von meinen alten Freunden mehr. Die Menschen, die mir wichtig sind habe ich in der Reha oder Klinik kennen gelernt. Wir haben schriftlichen Kontakt da sie leider nicht in der näheren Umgebung wohnen. Aber der Kontakt tut mir gut.

Ich wollte immer gerne einen eigenen Hund haben. Durch den Vollzeitjob geht das zeitlich leider nicht. Daher Sitte ich ein hundepäarchen. Die beiden sind im Schnitt 3-4 Nächte bei uns, wenn Frauchen Nachtschicht hat. Ich hab die beiden mega lieb.

Durch die Depression habe ich sehr mit innerer Leere zu kämpfen. Mein Körper hat irgendwann die Wahrnehmung meiner Gefühle gekappt, weil ich mit dem vielen negativen nicht mehr umgehen konnte. Emotional bin ich leer. Gedanklich auch. Früher habe ich über Gott und die Welt gegrübelt, jetzt ist der Kopf leer. Kein Gedankenkarussell mehr. Wenn mich etwas beschäftigt,habe ich schnell das Gefühl überfordert zu sein, dass die Gedanken zuviel sind von der Masse.

Tja soweit zu mir und wie es bei mir so aussieht.

Vielleicht kennt jemand den Gedanken, nur gut im Job zu sein oder vielleicht kann jemand eine Idee/einen Ansatz dazu schreiben, wie ich aus diesem Gedanken heraus komme.

Vielen Dank für's lesen :-).
Sunshine5678
Beiträge: 987
Registriert: 19. Nov 2019, 20:06

Re: Nur gut im Job?

Beitrag von Sunshine5678 »

Hallo,
Ich kenne das mit dem Job.
Jahrelang habe ich viele Überstunden und keine Pausen gemacht, weil nur Anerkennung im Job bekommen und dachte Freunde in der Arbeit zu haben. Work life Balance, was für ein Unsinn dachte ich immer. Oft habe ich meinen Mann vertröstet wenn er mal mich bat einen Tag frei zu nehmen, weil ich konnte doch nicht wegen dem so wichtigen Job.

Dann kam aber ein neuer Chef der mich nicht so toll fand wie ich dachte, mich mobbte und das ganze Gerüst fiel zusammen.
Ich hatte keine Freunde, Hobbys und fiel in Depressionen.
Könnte ich das Rad zurück drehen....
Ich würde versuchen eine gute Balance zu finden, Freunde und Partnerschaft mehr pflegen.
Versuche fad beste für dich zu finden. Muss es ein Vollzeitjob sein? Muss es diese Firma sein?
LG Claudia
:hello:
IvonneSun
Beiträge: 62
Registriert: 18. Mär 2022, 16:21

Re: Nur gut im Job?

Beitrag von IvonneSun »

Hallo. Ich kenne das auch gut mit dem Job. Ich habe seit 25 Jahren Depressionen, seit 20 Jahren „offiziell“ und in Behandlung. Im Job habe ich immer gut „funktioniert“. Ich war „was wert“ und habe daraus meine Anerkennung gezogen. Hobbys gab’s nicht. Freunde nur wenige. Nun sind viele Jahre vergangen und ich habe gemerkt, dass ich mich mit der Arbeit nur von den Folgen meines Kindheitstraumas ablenken wollte, denn alleine zu Hause war ich todtraurig, ich hatte auch Angst vor Menschen. Mir haben erst Therapien und Klinik geholfen, Sinn in meinem Leben zu finden. Heute bin ich gewappnet, wenn das „Funktionieren„ losgeht. Denn dann achte ich nicht auf mich selbst und dann kann ich drauf warten, dass der graue Nebel wieder kommt.
Es hat lange gedauert, mit zu erlauben, ich selbst zu sein und nachhaltig für mein Wohlbefinden zu sorgen. Ich arbeite mit Gleichstellung nur noch 6 h/Tag und grenze mich sehr von toxischen Personen ab. Die kann ich nicht ändern. Diese Weltsicht ist deren Problem, nicht meins. Ich bekomme mein Anerkennung jetzt auch in privaten Unternehmungen und Hobbys, bspw. malen. Der Job ist zweitrangig geworden.
So viel vielleicht dazu.
Alles Gute für Euch.
Schlumpffine
Beiträge: 418
Registriert: 3. Mai 2020, 18:29

Re: Nur gut im Job?

Beitrag von Schlumpffine »

Hallo Tess_123,
willkommen im Forum.Ich kann mich IvonneSun nur anschließen.
Vieleicht hilft Dir die ABC-Methode von Albert Ellis eine andere Sichtweise zu entwickeln. Einfach mal bei youtube nachschauen. Mir persönlich hat es sehr geholfen, das ich meine Glaubenssätze a) erkennen konnte und b) nach dysfunktional und funktional hinterfragen konnte.
Sie muss aber von einem Thera gut vermittelt werden.
gruß Schlumpffine
Auch der weiteste Weg beginnt mit einem ersten Schritt. Konfuzius
Worte haben die Macht zu zerstören und zu heilen. Wenn Worte sowohl wahr als auch freundlich sind, können sie unsere Welt verändern. “~ Buddha
Miri1503
Beiträge: 3
Registriert: 28. Sep 2021, 11:56

Re: Nur gut im Job?

Beitrag von Miri1503 »

Hallo Tess_123,
ich bin zwar nicht neu in diesem Forum, aber ist das erste Mal, dass ich schreibe.
Schreiben wollte ich schon oft, aber wen soll das schon interessieren…

Dein Beitrag ist für mich ein Anlass, mich auch mal zu äußern. Eine positive Hilfe, hinsichtlich, wie Du aus den Gedanken herauskommst, bin ich wahrscheinlich nicht.

Ich bin gerade 50 Jahre alt geworden, bin verheiratet, gewollt keine Kinder -dafür 2 Hunde (kein Kinderersatz) ;) -.
Die Diagnose Depression wurde bei mir vor über 25 Jahren gestellt.
Ich war in den vergangenen Jahren 4 x stationär in der Psychiatrie und habe 3 x eine psychosomatische Reha gemacht. Zusätzlich noch ambulante Therapien.

Ich bin aus den jeweiligen Therapien auch immer positiv gestärkt wieder ins Berufsleben eingestiegen. Es war mir immer wichtig wieder meinen normalen Alltag, besonders aber die Arbeit zu bewältigen.
Ich habe versucht durch Achtsamkeit, keinen Druck aufzubauen, Zeitmanagement, keine bzw. weniger Überstunden zu machen etc. der nächsten Erschöpfung und nahenden Depression entgegenzuwirken.
Ich arbeite seit Jahren nur noch in Teilzeit (letzte 5,5 Stunden täglich) und habe auch versucht durch 2-3 Stellenwechsel (beim gleichen Arbeitgeber) neue Impulse zu setzen.
Es war immer wieder das Muster „Anerkennung durch Leistung“ die zur Überforderung im Beruf geführt hat und damit auch in schwere depressive Phasen. Leider kommen bei mir dann noch suizidale Gedanken dazu.
Immer wieder waren es Kolleginnen/Kollegen die ausgefallen sind, oder die Arbeit nicht vollständig gemacht haben, Stellenunterbesetzungen oder Projektbearbeitung. Es ist immer irgendetwas.
Das ist natürlich nicht der wahre Grund, denn der wirkliche Grund liegt in meiner Person: Ich bin nur wertvoll, wenn ich etwas leiste!
Das ist natürlich auch nicht die Wahrheit, denn ich bin „wertvoll, so wie ich bin“!
Leider will mein Kopf das dauerhaft nicht wahrhaben. Immer, wenn das Rad des Lebens, besonders des Arbeitslebens anfängt sich zu drehen, kommt bei mir früher oder später der „Anerkennung durch Leistung-Gedanke“ und ich sitze in der Depression.

Im November/Dezember 2020 hatte ich meine letzte Reha und dachte, danach starte ich wieder voll durch. Ich bin wieder achtsam usw..
Nach zwei Wochen war ich wieder auf dem Stand wie vorher. Ich habe einfach keine Kraft mehr für diesen täglichen Kampf um Achtsamkeit, keine Überforderung etc.. Jeder Tag war ein Kampf!
Seit April 2021 bin ich wieder arbeitsunfähig geschrieben und habe vor 3 Wochen einen Antrag auf Erwerbsminderungsrente gestellt.
Das Jahr war auch nicht einfach, denn ich leiste ja nichts mehr, um etwas wert zu sein: Finde den Fehler!!!
Aber zumindest ist seit dem nicht mehr jeder Tag ein Kampf und ich bin ruhiger geworden. Mittlerweile kann ich mich mit meiner Situation besser abfinden. Ich hoffe, dass die EU-Rente bewilligt wird, Dies wäre dann wahrscheinlich erstmal befristet. Vielleicht habe ich ja nach dieser Zeit soviel Kraft sammeln können, dass es für ein paar Stunden Arbeit nochmal reicht. So ist es auch nicht das Leben, was ich es mir mit Anfang 50 vorgestellt habe.

Ich hoffe, Du findest auf Dauer einen besseren Weg aus Deinen Gedanken und der Überforderung.
Ich wünsche Dir viel Glück!!
Susel77
Beiträge: 57
Registriert: 27. Mai 2021, 16:42

Re: Nur gut im Job?

Beitrag von Susel77 »

Guten Morgen,

Ich kann die Gedanken und das Gefühl des "nichts-wert-sein" absolut nachvollziehen.
Ich selbst versuche grad wieder dagegen anzukämpfen.
Mein körperlicher Zusammenbruch war im Sommer 2018. Seitdem ich immer wieder Phasen habe in der ich einfach nicht mehr kann. Nach jedem Neustart nehme ich mir vor mehr auf mich zu achten, aber der Antrieb durch die Arbeit die Anerkennung zu bekommen ist zu groß.
Auch ich würde gerne einen Weg aus dem Ganzen finden und bin grad auch sehr verzweifelt.
Da ich Hauptverdiener in der Familie bin, fällt es nicht leicht, sich jedes Mal die Auszeit für sich zu nehmen.
Auch ich wäre über eure Erfahrungen und Tipps dankbar. Ich bin erst 45 Jahre alt und müsste noch 20 Jahre durchhalten, was für mich unmöglich erscheint. Den Kampf gewinne ich nicht!
Lg Susel77
Miri1503
Beiträge: 3
Registriert: 28. Sep 2021, 11:56

Re: Nur gut im Job?

Beitrag von Miri1503 »

Hallo Susel77,
Du sprichst mir aus der Seele: "Ich muss noch XX Jahre durchhalten".
Das habe ich auch in jeder Depression gesagt. "Wie soll ich das noch so viele Jahre durchhalten?"
Im letzten Jahr habe ich dann die Reißleine gezogen.
Ich bin in der Situation, dass mein Mann ein gutes Einkommen bezieht und wenn es ganz hart kommt und die Rente nicht bewilligt wird, wir nicht am Hungertuch nagen.
Es war mir immer wichtig auch in Beziehungen bzw. in der Ehe auf eigenen Füßen stehen zu können und ich war auch gut in meinem Job.
Die Entscheidung (gemeinsam mit meinen Mann) zu treffen, den Rentenantrag zu stellen war sehr, sehr schwer. Irgendwie geht es immer weiter. Ich weiß nur, für mich wäre der Weg so nicht weitergegangen. Mit weniger oder ohne Kampf zu leben ist so viel wert. Durch meine auch vorhandenen suizidalen Gedanken, weiß ich nicht, wo das evt. noch geendet hätte.
Ich hoffe für Dich, dass Du die richtigen Entscheidungen triffst und wünsche Dir alles Gute!
Miri1503
Susel77
Beiträge: 57
Registriert: 27. Mai 2021, 16:42

Re: Nur gut im Job?

Beitrag von Susel77 »

Hallo Miri1503,

Das ist ein großer Vorteil, wenn man den Rücken frei hat bzw keine große Existenzangst haben muss. Ich hab in den letzten 20 Jahren einiges erlebt, angefangen vom Rausschmiss zu Hause als ich meinen Mann kennengelernt habe über die Geburt eines behinderten Kindes, Privatinsolvenz und sich aus dem allem wieder herausgekämpft ohne Unterstützung und ein eigenes Haus gebaut.
Wundern dürfte man sich nicht, dass man so durch ist. Die Angst vor dem Nichts zu stehen ist enorm groß. Freunde und Familie haben wir nicht mehr. Wir haben nur uns 4 und ich eben meinen Job.
Ich wünsche mir so sehr, dass ich wieder einen Weg aus der Dunkelheit finde und diesen auch mal für einen längeren Zeitraum genießen kann. Denn das hatte ich schon über Jahre nicht mehr.
AD möchte ich nicht mehr nehmen, da fühlte ich mich fremdgesteuert.

Wie geht es jetzt dir nach dem Rentenantrag? Ich stelle es mir immer wie eine Befreiung vor, eine Last entfällt.
Aber man kann doch nicht nur für den Moment leben. Körperlich geht es mir auch schlecht und ich habe Angst diesen Moment gar nicht mehr erleben zu können...
Lg Susel77
Miri1503
Beiträge: 3
Registriert: 28. Sep 2021, 11:56

Re: Nur gut im Job?

Beitrag von Miri1503 »

Guten Morgen Susel77,
der Rentenantrag hat mich schon irgendwie beruhigt, obwohl es ja noch in den Sternen steht, ob ich eine Bewilligung bekomme.
Die Entscheidung dazu haben wir uns, wie schon geschrieben, auch nicht leicht gemacht. Ich sehe es auch eher als Selbstfürsorge und nicht um für einen Moment zu leben.
Ich möchte nämlich noch viele Momente erleben und das Leben nicht nur als Kampf empfinden.
Klar hilft es, dass es finanziell nicht so schlecht aussieht, aber den Weg würde ich auch unter anderen Umständen gehen.
Wie schon geschrieben: Es gibt immer einen Weg und es geht eine Tür auf!
Für mich gab es keine Alternative.
Es muss ja auch nicht sofort der Ausstieg aus dem Berufsleben sein. Vielleicht Stundenreduzierung, Stellen-, Arbeitgeberwechsel etc.?
Ich kenne Deine familiäre Situation nicht (Einkommen Ehemann, Betreuung des behinderten Kindes), aber denke auch an Dich und dass das Leben nicht aus Arbeit besteht!
Liebe Grüße
Miri1503
JinX789
Beiträge: 26
Registriert: 7. Mär 2022, 14:30

Re: Nur gut im Job?

Beitrag von JinX789 »

Hey Susel77

Ich kann dir nur als Tipp geben dich vorher ausführlich mit dem Thema Rente und Rentenversicherung auseinanderzusetzen. Grad bei frühzeitiger Rente muss man exakt drauf achten wie man was formuliert.
Hier hast du zum Beispiel paar Tipps: https://www.schuldnerberatungen.org/rentenversicherung/" onclick="window.open(this.href);return false;
Würde aber auch noch andere Seiten checken.
Nachtmensch
Beiträge: 619
Registriert: 30. Dez 2020, 06:39

Re: Nur gut im Job?

Beitrag von Nachtmensch »

Hallo zusammen

Im Bezug auf eine klassische Rente wegen Erwerbsminderung werden oft Ängste geschürt, die aber unbegründet sind. Wirklich wichtig ist zunächst jedoch die Frage, könnte ich von einer EM Rente leben, beziehungsweise meinen Unterhalt sichern. Welche Rente man erwarten kann, wird jedem der einer versicherungspflichtigen Arbeit nachgeht, regelmäßig mitgeteilt.

Kommt man zu der Überzeugung, dass man davon leben kann, steht einem Antrag nichts im Wege sofern die Anwartszeiten erreicht wurden. Dies kann man bei der Deutschen Rentenversicherung direkt in Erfahrung bringen, oder man macht sich auf den unzähligen Seiten im Internet kundig. Ich hatte mich seinerzeit direkt an die Rentenversicherung gewandt.

Entschließt man sich, einen Antrag zu stellen, hat man einen Wust an Fragen vor sich, die man aber nicht alle beantworten muss. Der Antrag schüchtert durch seine Komplexität zwar etwas ein, aber viele Fragen beziehen sich darauf, ob man anderweitig Leistungen bezieht oder zeitweise bei anderen Institutionen pflichtversichert war, oder im Ausland gearbeitet hat.

Dazu kommt ein Bogen, in dem man sich und seine Gesundheit sowie sein Leistungsvermögen selbst einschätzen soll.

Um es vorweg zu nehmen, es kommt weniger drauf an, wie man etwas formuliert. Wichtig ist, dass sich das was man angibt auch mit dem deckt, was einem die BehandlerInnen gesagt haben. Im Zweifelsfall wird man zu GutachterInnen geschickt, die das dann einschätzen. Entsprechend wichtig sind dazu auch Befunde, die das alles belegen.

Hat man den Antrag gestellt, kann man nach der Eingangsbestätigung der RV erstmal durchatmen.
Die nächste Reaktion der RV kann sich dann wie folgt äußern:

1. Der Antrag wird abgelehnt — dem kann und sollte man zunächst formlos widersprechen und auf die behandelnden ÄrztInnen verweisen. Dann ist der Ball erstmal wieder bei der RV und die wird dann weitere Formulare schicken, die sie für notwendig erachtet. — Aber das ist erstmal zweitrangig.

2. Man bekommt Formulare geschickt, wie z.B. eine Schweigepflicht Entbindung für die BehandlerInnen und Bögen, die diese ausfüllen müssen. Diese schickt man dann ausgefüllt an die RV und wieder ist der Ball bei denen.

3. Man wird in eine Reha geschickt. Dort soll dann die Leistungsfähigkeit geprüft werden.
Rehafähigkeit vorausgesetzt. Ist man fähig sollte man die Reha jedenfalls nicht ablehnen. Ist man nicht fähig, muss das durch die eigenen BehandlerInnen bestätigt sein.

4. Man wird direkt zu GutachterInnen bestellt. Da muss man hin. Aber keine Panik. Wenn man Erwerbsgemindert ist, stellen die das fest. Anhand der eingerichteten Befunde und durch die Untersuchungen, die man üblicherweise von den eigenen BehandlerInnen oder bei Klinikaufenthalten schon mal mitgemacht hat.
Wichtig ist, bei sich zu bleiben und Fragen ehrlich und bisweilen auch schonungslos zu beantworten.
Bei mir selbst und bei vielen die ich kenne, die sowas durchgemacht haben, hatten die GutachterInnen am Ende auch gesagt, ob sie die Rente direkt befürworten oder ob sie eine Reha empfehlen, oder ob sie nichts festgestellt haben, was eine Rente begründen könnte. Bei mir war das bei einem Kardiologen der Fall, hatte aber keine Auswirkungen auf das was der Psychiatrische Gutachter dann feststellt hat und was letztlich ausschlaggebend für meine EM Rente war.

5. Man bekommt die Rente. Diese ist dann aber ohnehin befristet. Bekommt man eine volle Rente, int also nur noch weniger als 3 Stunden am Tag erwerbsfähig, ist das Thema erstmal durch, bis man einen Verlängerungsantrag stellt. Bekommt man wie ich, eine halbe Rente, könnte also noch unter 6 Stunden am Tag arbeiten, kann man dies tun. Ab einem gewissen Gehalt, wird dieses dann auf die Rente angerechnet.

6. Der Rente wird nicht stattgegeben. Hm, ja, entweder ist man tatsächlich nicht krank genug oder man hat die Krankheit nicht ausreichend belegen können, was zum Beispiel an fehlenden vorangegangenen Behandlungen liegen kann. Dann muss man damit entweder leben und sich weiter ambulant und stationär behandeln lassen um irgendwann erneut einen Antrag zu stellen. Oder man klagt vor dem Sozialgericht gegen den negativen Bescheid.

Bei letzterem sollte man sich durch einen Anwalt oder Sozialverband Unterstützung holen.

Alles in allem finde ich, sollte man prinzipiell keine Angst haben, EM Rente zu beantragen. Man muss halt im Hinterkopf haben, das man es mit einer Behörde zu tun hat, die sich penibel an gesetzliche Vorgaben hält. Die aber nicht per se Konflikte sucht.

Vor Corona konnte man einfach einen Termin bei der örtlichen Dienststelle der RV machen und die haben sogar den Antrag für einen ausgestellt. Ich habe dies genutzt und ein Bekannter von mir auch. Wir beide haben die Rente bekommen. Er sogar ohne Reha oder Gutachter besuche, natürlich war und ist er sehr krank.

Während Corona wurde dieser Service der RV aber wenn überhaupt nur sehr eingeschränkt angeboten.
Auf der offiziellen Seite der RV kann man diese Dienststellen und ob sie geöffnet sind, in Erfahrung bringen.

Grundsätzlich tut man nichts falsches, wenn man einen Rentenantrag stellt und selbst wenn man keine bekommt, ist nichts endgültig verloren.

So, das ist mal mein Senf zu dem Thema EM Rente

VG Nachtmensch
Nachtmensch
Beiträge: 619
Registriert: 30. Dez 2020, 06:39

Re: Nur gut im Job?

Beitrag von Nachtmensch »

Zum eigentlichen Thema,

jahrelang war ich auch „nur“ gut im Job, was mir im Endeffekt nix gebracht hat, außer der Erkenntnis dass nur meine Leistung zählt und nicht ich als Mensch. Leider habe ich diese Erkenntnis irgendwann auch im privaten Umfeld erlebt. Und letztlich dadurch den Glaubenssatz in mir geprägt, mich sieht man nicht als der Mensch der ich bin. Es hat Jahre der Therapie gebraucht, bis ich bei meinem vorletzten Klinikaufenthalt, das mal so meinem Therapeuten geäußert habe.

Ein Eingeständnis, das er traurig fand, aber dass, wie er sagte, mein subjektiver Eindruck wäre und ob ich dies denn schon konkret bei meinem Umfeld erfragt hätte. Natürlich hatte ich nie jemanden gefragt, „siehst du mich als Mensch oder was magst du an mir als Mensch, abgesehen vom dem was ich leiste.

Die Frage habe ich bis heute niemandem stellen können. Aber ich denke, es liegt daran, dass die Antwort mich überfordern würde. Vor allem dann, wenn da etwas menschliches in mir gesehen würde, dass ich selbst nicht erkennen kann.

Auch frage ich mich oft, worin bin ich gut? Im Job war die Antwort ja einfach, nämlich darin, dass ich Leistung erbracht habe, die gefordert wurde und auch darüber hinaus. Worin ich zwischenmenschlich gut sein könnte, hab ich mich eigentlich nie gefragt. Und meine Wahrnehmung diesbezüglich war auch nie wirklich geschärft, gegenüber dem, was mir von anderen zugesprochen wurde. Außer, es wurden negative Eigenschaften benannt.
„Du bist ein Ar…“ Ja, bin ich wohl, aber einer der was kann. Sogar Dinge die nicht jeder eben mal so kann.

Leider hat sich die Erkenntnis breit gemacht, dass es zum einen Leute gibt die auch was können und manche es sogar besser und ich durch schwindendem Leistungsvermögen ja am Ende nur noch ein Ar… bin.

Lob im Job prallte mehr und mehr von mir ab. Lob und vor allem Zuspruch im Zwischenmenschlichen kann ich nicht mehr annehmen. Weil ich es nicht glauben kann. Wer gibt einem Ar… schon Zuspruch und vor allem aus welchem Grund.

Tja das sind die Fragen, die ich wohl weiterhin therapeutisch bearbeiten sollte.
Mittlerweile macht sich aber auch mehr und mehr eine Leere in mir breit. Und da mir momentan keine Therapie zuteil wird, finde ich das sogar bisweilen erholsam.

VG Nachtmensch
Tess_123
Beiträge: 22
Registriert: 20. Feb 2022, 16:07

Re: Nur gut im Job?

Beitrag von Tess_123 »

Vielen Dank für die ganzen Antworten.

Mittlerweile kann ich sagen, dass es mir im Job nicht gut, weil ich Anerkennung bekomme (schön wärs), nein ich mache die Arbeit am Empfang und am Telefon einfach gerne. Ich arbeite gerne mit unserem Programm, beschäftige mich an sich gerne mit dem PC.

In der Firma vergesse ich meine Probleme. Ich vergesse was zu Hause ist und wie ich mich dort fühle. In der Firma habe ich das Gefühl, dass ich für mich etwas an mir bewusst bewirken kann. Wenn ich etwas nicht weiß, lese ich es nach und bringe es mir bei. Leistungsdruck und Perfektionismus habe ich seit dem Firmenwechsel nicht mehr, da der Druck von oben und auch von mir deutlich weniger ist.
In der Firma mache ich etwas Nützliches. Meine Aufgaben sind dort klar gegeben.
Mit dem Betriebsklima komme ich mittlerweile sehr gut klar und grenze mich ab.

Zu Hause/im Privatleben ist das mit den Aufgaben (bis auf ständig putzen) nicht so. Ich versuche für mich ... mh Sinn ist jetzt vielleicht das falsche Wort ... eine Leidenschaft? in meinem inneren, nicht im Außen z.b. in meinem Mann oder Freunden zu finden.

Glücklich machen mich bisher die beiden Hunde auf die ich aufpasse. Sind sie nicht da, ist die Traurigkeit gleich da. Ich hätte gerne einen Gegenpart zu den Hunden, zu dem Gefühl, dass ich durch sie habe.

Vor der Krankheit habe ich mega gerne Musik gehört. Ich hatte über 600 CDs. Für jede Stimmung war etwas dabei. Musik hat mich getragen wie Wasser, ich habe die Augen geschlossen, die Musik floss durch meinen Körper und ich habe mich sicher und wohl gefühlt.

Durch die Depression ist diese Wahrnehmung, die Wahrnehmung meiner Gefühle komplett weg.

Ich hab eine Weile darüber nachgedacht, was ich machen könnte. Ich war lange in einer Hilfsorganisation, dass möchte ich nicht mehr. Zuviel Stress. Mein Mann geht in der freiwilligen Feuerwehr total auf. Ist auch nicht meins.

Ich hab überlegt was früher gut funktioniert hat und da fiel mir die Musik wieder ein.
Ich habe angefangen wieder Musik zu hören. Dabei zu weinen klappt schon 1a. Ich hoffe das durch das weinen all die Traurigkeit raus gespült wird und der Teer der mein Herz einschließt weggewaschen wird damit mein Herz wieder rosig und gut durchblutet wird und heilen kann.

Habe mir heute eine Gitarre bestellt. Hab ich noch nie gespielt aber ich möchte es gerne versuchen.

Ich habe den Gedanken, dass die Musik ein Teil in mir wird, der mir Halt in mir selbst gibt.

Ich kann es nicht besser beschreiben. Vielleicht versteht mich ja jemand ...
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