Was denken die Anderen?! Annahme der Diagnose, Perspektiven

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Kasimia
Beiträge: 2
Registriert: 26. Dez 2021, 11:47

Was denken die Anderen?! Annahme der Diagnose, Perspektiven

Beitrag von Kasimia »

Seit kurzem habe ich die Diagnose mittelgradige Depression und bin seit einigen Wochen arbeitsunfähig geschrieben. Ich habe eine ambulante Behandlung begonnen und die Termine wühlen mich sehr auf. Die Ruhe zu Hause tut mir grundsätzlich gut und ich kann wieder besser schlafen und schaffe es ziemlich regelmäßig zu essen...mein Zustand hat sich also objektiv verbessert.

Nun habe ich das Problem, dass mich das Gefühl quält, einerseits möglichst bald wieder meine Arbeit als Lehrerin aufnehmen zu müssen/wollen (?), andererseits die Angst vor einem Rückfall oder Versagen im Beruf (meine Therapeutin sagte bereits, dass sie mich noch nicht wieder arbeitsfähig sieht).
Ich habe privat zur Zeit keinen besonderen Rückhalt- ein großes Thema mit meiner psychisch kranken Mutter, mein Vater starb vor einem Jahr, mein langjähriger Partner verließ mich ein paar Monate später. Ich habe einige gute und langjährige Freunde, die mich immer mal wieder besuchen und lieb und verständnissvoll sind, aber ich schaffe es kaum, mich ihnen zu öffnen, weil ich nicht will, dass sie von mir denken, dass ich mich anstelle oder herumjammere. Außerdem soll die gemeinsame Zeit möglichst schön werden und nicht mit belastenden Gesprächen gefüllt werden... :roll:

Ich habe immer wieder die irrationale Angst, dass mich irgendjemand als Schmarotzer oder Betrüger entlarvt, mich Eltern oder Schüler sehen, wie ich angenehmen Tätigkeiten nachgehe oder dass man von mir behauptet, ich würde nichts aushalten oder man hätte sich in mir getäuscht.

Ab und an bekomme ich mit, wie stressig die Arbeit für meine Kollegen momentan ist und fühle mich schlecht, weil sie nun auch noch für mich vertreten müssen.
Bei meiner Dienststelle ist es so, dass es irgendwie zum guten Ton gehört, bis zur Belastungsgrenze zu arbeiten und sich aufzuopfern. Je länger ich arbeitsfrei bin, desto mehr wird mir klar, wie krank das ist und ich frage mich, ob ich mich jemals wieder eingliedern kann. Dabei mag ich meinen Beruf grundsätzlich.

Ich fühle mich so perspektivlos - beruflich, aber auch privat. Mir ist nicht klar, wie es mit der Erkrankung/ Behandlung weitergeht, bin ich vielleicht doch einfach nur schwach?! Wird das alles "von alleine" wieder besser? Woher weiß ich, wann ich wieder arbeitsfähig bin?
Wie schaffe ich es, dass mein Umfeld einerseits meine Erkrankung berücksichtigt, andererseits aber Zutrauen in mich und meine Fähigkeiten behält?
Sunshine5678
Beiträge: 987
Registriert: 19. Nov 2019, 20:06

Re: Was denken die Anderen?! Annahme der Diagnose, Perspekti

Beitrag von Sunshine5678 »

Hallo Kasimia,
Herzlich willkommen hier, schön dass du den Weg und den Mut hierher gefunden hast.
Deine Zeilen berühren mich sehr. Grundsätzlich: du bist krank und deswegen auch krank/arbeitsunfähig geschrieben und zwar von einem Experten, dem Arzt.
Auch bist du in Therapie und das nicht aus Jux.
Deswegen bist du kein Schmarotzer oder Betrüger und keiner darf dich als so was nennen.
Du sagst du hast gute und langjährige Freunde, erzählen die auch nur von guten und schönen Geschichten? Ich glaube nicht , weil sonst wären das für mich nur oberflächliche Freundschaften.
Für mich war es wichtig, dass ich erst es lerne mit den Depressionen umzugehen und anzunehmen und tatsächlich habe ich noch immer zu lernen.
Aber bevor ich nicht an mich glaube und an meine Fähigkeiten , können es auch andere nicht. Ausser du vorstellst dich so, dass du die andren blendest aber das braucht viel Kraft , die du lieber für dich verwendest.
Ich wünsche dir viel Kraft auf deinem Weg. Du bist nicht allein mit all deinen Sorgen.
LG Claudia
:hello:
Herr Rossi
Beiträge: 166
Registriert: 2. Sep 2018, 08:19

Re: Was denken die Anderen?! Annahme der Diagnose, Perspekti

Beitrag von Herr Rossi »

Hallo Kasimia.

Du schreibst:
Kasimia hat geschrieben:Bei meiner Dienststelle ist es so, dass es irgendwie zum guten Ton gehört, bis zur Belastungsgrenze zu arbeiten und sich aufzuopfern.
Das klingt ein wenig danach, dass dein Job kräftig mit daran schuld ist, dass es dir schlecht geht.
Wenn du nicht fit bist, solltest du in meinen Augen definitiv nicht zur Arbeit gehen. Noch dazu bei dieser Belastung als Lehrerin.
Kasimia hat geschrieben:Bei meiner Dienststelle ist es so, dass es irgendwie zum guten Ton gehört, bis zur Belastungsgrenze zu arbeiten und sich aufzuopfern.
Bist du dir da sicher? Vielleicht ist es auch dein Streben danach, so perfekt wie möglich an den Job ran zu gehen. Sowas kenne ich von Frau Rossi.

LG

Herr Rossi
marcopol

Re: Was denken die Anderen?! Annahme der Diagnose, Perspekti

Beitrag von marcopol »

Kasimia hat geschrieben:Schmarotzer oder Betrüger
Hallo,

Seelische Erkrankungen haben eine international anerkannte ICD Klassifikation, genau wie ein Beinbruch oder andere körperliche Gebrechen.
Das hat nichts mit Schmarotzertum zu tun und es gibt keinen Grund für "schlechtes Gewissen".

Die Anforderungen sind auch für Lehrer und Lehrerinnen enorm hoch und werden gesamtgesellschaftlich leider weit unterschätzt.
Kommt dann noch eine üble Trennungssituation dazu, kann das schon zu dem führen, was auf Neudeutsch "Burn Out" genannt wird.

Eine "mittelgradige" Depression dürfte auch unter Zuhilfe von Medikamenten gut und relativ schnell behandelbar sein. Wenn Du Deinen Beruf grundsätzlich liebst, geht es umso schneller, denn es wird Dir ja ein Anliegen sein, da wieder mitzuspielen im Lehrbetrieb.

Anders sähe es aus, wenn sich Depressionen manifestieren und schwer werden (Diagnose "Schwere Depression".). Das kann passieren, wenn Therapie nicht greift oder Medikamente (noch) nicht passen bzw. nicht regelmäßig eingenommen werden.

LG und alles Gute
marcopol
Kokoni
Beiträge: 36
Registriert: 22. Jan 2022, 14:01

Re: Was denken die Anderen?! Annahme der Diagnose, Perspekti

Beitrag von Kokoni »

Kasimia hat geschrieben: Bei meiner Dienststelle ist es so, dass es irgendwie zum guten Ton gehört, bis zur Belastungsgrenze zu arbeiten und sich aufzuopfern. Je länger ich arbeitsfrei bin, desto mehr wird mir klar, wie krank das ist und ich frage mich, ob ich mich jemals wieder eingliedern kann. Dabei mag ich meinen Beruf grundsätzlich.
Ich denke, da bist du auf einem guten Weg, wenn du das erkennst und ich würde dir raten, auf diesem Weg zu bleiben. Auch wenn es schwer fällt.

Gruß

der Kokoni
Wo ich bin ist oben und wenn ich unten bin dann ist unten oben
takecareofyourself
Beiträge: 12
Registriert: 1. Feb 2021, 12:05

Re: Was denken die Anderen?! Annahme der Diagnose, Perspekti

Beitrag von takecareofyourself »

Halli Hallo,

ich glaube sehr viele hier, auch ich, können dich sehr gut verstehen. Du bist nicht alleine! :)

Ich hatte (und habe ehrlich gesagt auch immer noch) Angst zum Arzt zu gehen wenn es mir schlecht geht und habe auch immer die Befürchtung, ich könnte jemanden treffen, der dann sagt: „Was, du bist doch krank geschrieben. Für mich siehst du aber gesund aus!“ Was aber dafür sorgt, dass es es trotzdem mache, sind zwei Dinge. Zum einen ist mir mein Wohlergehen wichtiger als mein Job oder die Meinung von irgendwem. Zum anderen habe ich die Erfahrung gemacht, dass sich beim Arzt (und übrigens auch bei Freunden) zu öffnen überhaupt nicht negativ aufgefasst wird. Ich habe sehr viel Unterstützung erhalten und keiner hat mir irgendwas unterstellt. Das heißt nicht, dass ich diese Zweifelgedanken nicht jetzt auch noch habe, vielmehr heißt es, dass ich mich bewusst dazu entschieden habe es trotzdem zu machen.

Solche (Selbst-)zweifel sind übrigens oft Teil der Depression. Solche negativen Gedanken führen zu negativen Gefühlen und dann fühlt man sich nur noch schlechter. Deshalb lerne ich immer noch, dass nicht alles wahr ist, was ich so denke. Was mir auch geholfen hat ist dass mein Therapeut gefragt hat, ob ich das auch einer guten Freundin raten würde. Und mal ehrlich, wenn eine gute Freundin von dir zu dir kommt und du ihr erzählst, dass es dir wirklich schlecht geht und dass du überlegst zum Arzt zu gehen würde sie dir bestimmt nicht dazu raten es sein zu lassen, weil der Arzt denken könnte, dass du „simulierst“ oder sowas. :)

takecareofyourself
Suchende2
Beiträge: 1242
Registriert: 29. Sep 2020, 08:05

Re: Was denken die Anderen?! Annahme der Diagnose, Perspekti

Beitrag von Suchende2 »

Hallo Kasimia,

ich kann mich meinen Vorschreibern nur anschließen.

Zu dem Punkt mit den Freunden.
Ich war meinen Freunden gegenüber offen und ehrlich. Und das war und ist gut so.
Wir entscheiden, wie immer, gemeinsam, was Gesprächsthema ist. Und es gibt viele außerhalb der Depression.
Der Vorteil an der Offenheit ist, daß meine Freunde dafür Verständnis haben, daß mir das Melden zur Zeit schwerer fällt und sie es deshalb zum Teil übernehmen. Das ist gut für mich.
Nach meiner Erfahrung können Freunde in einer solchen Situation gut unterstützen, wenn sie wissen, was los ist.

Alles Gute,
Suchende
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