Zu viele Baustellen?

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f32-axolotl
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Zu viele Baustellen?

Beitrag von f32-axolotl »

Hallo ihr Lieben,

derzeit ist bei mir immer noch eine sehr frustrierende Phase. (Irgendwie schreibe ich das sinngemäß seit vielen Jahren.)

Meine ambulante Psychiaterin, die ich ohnehin als nicht besonders kompetent erachte, hat mir beim letzten Termin am Dienstag eröffnet, dass sie mich nicht mehr weiter ambulant behandeln mag. Ihrer Meinung nach habe ich eine narzisstische Persönlichkeitsstörung, aufgrund der ich nicht gegen meine Insomnie und Depression behandelt werden kann. Ich finde die Diagnose sehr unpassend. Das habe ich ihr auch gesagt; da meinte sie, dass das alle Narzissten sagen. Na danke.

Wie dem auch sei ...

Wer meine Beiträge kennt, weiß, dass ich drei große Baustellen in meinem Leben habe: psychische Gesundheit, meine Arbeit und meine Finanzen. Ich hatte ab 2020 versucht, mich eher um den ersten Punkt zu kümmern in der Hoffnung, dass ich danach dann die Energie habe, die beiden anderen angehen zu können. Diesen Versuch betrachte ich mal als gescheiert.

Daher ist die Frage: Sollte ich versuchen, alle drei Baustellen auf einmal anzugehen? (Immerhin hängt alles drei miteinander zusammen und bedingt einander.) Oder sollte ich einen der drei Bereiche lösen und die beiden anderen erst einmal warten lassen? Wenn ja: In welcher Reihenfolge?

Gerne würde ich so etwas mit einem Psychotherapeuten besprechen; aber in den letzten anderthalb Jahren habe ich drei verschlissen und ich habe keine Energie mehr, mich da wieder auf die Suche nach einem guten Therapeuten zu machen.

Alles mies gerade. Vor allem der Schlaf.

f32
Rebecca2
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Re: Zu viele Baustellen?

Beitrag von Rebecca2 »

Hallo f32,

leider kenne ich deine Beiträge nicht, weil ich noch nicht so lange auf dem Forum bin.

Was ist mit deiner Arbeit? Würdest du noch etwas dazu schreiben? (nur, wenn du magst)

LG, Rebecca
f32-axolotl
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Re: Zu viele Baustellen?

Beitrag von f32-axolotl »

Hallo Rebecca,

na klar: Ich schreibe derzeit meine Doktorarbeit in Vollzeit und dafür bin ich an der Uni angestellt. Seit April 2020 aber habe ich eine massive Arbeitsstörung und kann effektiv nur ca. 5 bis 10 Stunden pro Woche arbeiten. Es fühlt sich wie eine ganz massive Blockade an. Ähnlich, als wenn man Angst vor Spinnen hat und dann eine Spinne anfassen soll: Man weiß, dass es eigentlich nichts Schlimmes ist, aber man kann es tatsächlich nicht, egal wie viel Willen man aufbringt. So fühlt sich Arbeiten für mich an - nur ohne, dass ich dabei Angst empfinde.
Und an manchen Tagen (und dafür kann ich keine Ursache oder keinen Auslöser finden) klappt es trotzdem problemlos und ich kann über 5 Stunden am Tag arbeiten. (Eigentlich müsste ich laut Vertrag 8 Stunden pro Tag arbeiten. Aber es ist mir vollkommen unbegreiflich, wie man das kann. Das müssen Übermenschen sein.)

In drei meiner vier früheren Psychotherapien habe ich versucht, eine Antwort zu finden, woran das liegt und vor allem: Was ich dagegen tun kann. Leider habe ich auf beides keine Antwort bekommen und die Therapeuten hat die Frage überfordert. Sie meinten dann, ich solle den Job wechseln. Aber tatsächlich hatte ich das in leichterer Form in schon jeder Arbeit, die ich je hatte - und meine Jobs waren alle recht unterschiedlich.

Frag gern mehr, wenn du magst.

f32
Sul
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Re: Zu viele Baustellen?

Beitrag von Sul »

Hallo f32,

ich kenne einige deiner Beiträge, habe auch schon geantwortet. Aber ich frage mich, ob du aus den Antworten der User etwas Positives für dich herausziehen konntest?

Und wenn vielleicht doch etwas Wahres an der Aussage deiner Psychiaterin dran ist? Dann wäre es sicherlich sinnvoll an deiner Grundproblematik, evtl. Selbstwertprobleme? Sich über Leistung definieren? großes Bedürfnis nach Bestätigung von außen? ..., zu arbeiten. Eine narzisstische Problematik hat viele Facetten, Trump ist nur eine. Und wenn ich mich richtig erinnere, hast du von einer narzisstischen Mutter geschrieben.

Viele Grüße, Sul
f32-axolotl
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Re: Zu viele Baustellen?

Beitrag von f32-axolotl »

Hallo Sul,

das stimmt: Meine Mutter hat (zumindest sehe ich das so) eine narzisstische Persönlichkeitsstörung. Und ich will auch nicht leugnen, dass ich situativ manchmal Aspekte von ihr habe. Aber längst nicht so ausgeprägt, dass man von einer starren und langandauernden narzisstischen Persönlichkeit sprechen kann. Psychotherapeuten - die ja deutlich mehr Zeit mit ihren Patienten verbringen als Psychiater - konnten das bei mir auch allesamt nicht erkennen. Meine Freunde sehen mich auch absolut nicht als Egomanen oder jemanden, der manipulativ ist, nur um seinen Vorteil zu erzielen. Größenwahn ist auch ziemlich das Gegenteil von dem, was ich ausstrahle.

Dass ich mich sehr über akademische Leistung als Kind und Jugendlicher definiert habe, weiß ich. Ich weiß auch, dass es an den von meiner Mutter auf mich projizierten Leistungsansprüchen kommt. Und ich weiß auch, dass, nachdem ich mit dem Studium fertig war und keine Noten mehr regelmäßig bekomme, ich keine adäquate Leistungsbeurteilung mehr habe, anhand der ich mich selbst definieren kann. Geld ist sicherlich ein Versuch gewesen, mich selbst zu definieren; allerdings gebe ich Geld nicht dieselbe Bedeutung, die ich meinen Abschlussnoten geben kann.
Dass das insgesamt natürlich dysfunktional und inadäquat ist, ist mir völlig klar. Aber so ticke ich aufgrund meiner Prägung leider und ich weiß keinen Weg, das abzustellen. Die Psychotherapien endeten leider immer mit: "Sie erkennen, dass es dysfunktional ist. Nun sind Sie geheilt." Und leider passiert der Schritt von der Erkenntnis zur Besserung nicht. Klar ist die Erkenntnis der erste Schritt zur Besserung. Aber die Erkenntnis ist eben nicht der komplette Weg.

Ob ich aus den Antworten der User etwas ziehen kann ... unterschiedlich. Leider habe ich oft das Gefühl, dass ich selbst unter den Depressiven oft anders bin als der Durchschnitt und viele Tipps, die anderen helfen, für mich einfach nicht passen. Ob ich wirklich depressiv bin (und nicht einfach nur mein Leben kacke ist), ist ja auch noch nicht wirklich gesichert und ich habe Zweifel.

Das Problem, das ich an Persönlichkeitsstörungen sehe, ist, dass man sie - meiner Meinung nach - nicht heilen kann. Allenfalls kann man ein bisschen drumherum arbeiten.

In der Frage von oben interessieren mich aber tatsächlich einfach Meinungen. Insofern kann ich aus fast jeder Antwort etwas ziehen.

f32
Gartenkobold
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Re: Zu viele Baustellen?

Beitrag von Gartenkobold »

Guten Morgen F32,

über PS haben wir ja schon geschrieben/diskutiert in Deinem anderen Thread über Psychotherapie. Ich würde auch für mich selber entscheiden, ob ich eine solche Diagnose für mich annehmen kann oder nicht und mir sie auch nicht von außen "überstülpen" lassen. Ich versuche aber nicht alles von vorne herein abzulehnen und überlege was könnte sein, was ist eher nicht zutreffend.
Narzissmus kann ja auch anders aussehen als Du ihn oben beschriebst (weißt Du sicher) und das ist vom Geschlecht unabhängig: Bärbel Wardetzki: Weiblicher Narzissmus, Der Hunger nach Anerkennung Kösel Verlag, München, 1991, 29. Auflage. Ob man etwas daran ändern, kann, muss, möchte, sollte... Kann jeder für sich selber entscheiden.
In dem anderen Buch (Schluss mit dem ewigen Aufschieben, Hans-Werner Rückert) wird erklärt, wie es durch Narzissmus zu Arbeitsstörungen kommt und wie man diese angehen kann. Ist halt eher die psychoanalytische Sichtweise, damit kann ich auch nicht immer etwas anfangen. Doch wenn es etwas bringt...

LG Gartenkobold
Suchende2
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Re: Zu viele Baustellen?

Beitrag von Suchende2 »

Hallo f32-axolotl,

ich kann mich den Vorschreibern nur anschließen.

Jetzt aber zu Deiner Baustellen-Frage:
Ich kenne Deine Verhältnisse nicht genau und kann somit nicht einschätzen, was am dringensten ist. Wenn Du zum Beispiel kurz davor bist, den Strom abgestellt zu bekommen, sind die Finanzen zumindest kurzfristig die dringenste Baustelle.
Wie Du schon richtig schreibst, hängen die 3 Baustellen zusammen.

Ich würde es wie folgt machen, daß muß aber nicht für Dich der richtige Weg sein.
Herausfinden, welche Baustelle zur Zeit für Dich am wichtigsten ist und auf diese die meiste Energie lenken.
Die anderen Baustellen aber nicht vergessen und Kleinigkeiten in diesen schon mal vorbereiten oder erledigen.

Alles Gute,
Suchende
f32-axolotl
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Re: Zu viele Baustellen?

Beitrag von f32-axolotl »

Hallo Gartenkobold,
Gartenkobold hat geschrieben: Narzissmus kann ja auch anders aussehen als Du ihn oben beschriebst (weißt Du sicher) und das ist vom Geschlecht unabhängig: Bärbel Wardetzki: Weiblicher Narzissmus, Der Hunger nach Anerkennung Kösel Verlag, München, 1991, 29. Auflage. Ob man etwas daran ändern, kann, muss, möchte, sollte... Kann jeder für sich selber entscheiden.
In dem anderen Buch (Schluss mit dem ewigen Aufschieben, Hans-Werner Rückert) wird erklärt, wie es durch Narzissmus zu Arbeitsstörungen kommt und wie man diese angehen kann. Ist halt eher die psychoanalytische Sichtweise, damit kann ich auch nicht immer etwas anfangen. Doch wenn es etwas bringt...
danke für deine Buchtipps!

f32
f32-axolotl
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Re: Zu viele Baustellen?

Beitrag von f32-axolotl »

Hallo Suchende,
Suchende2 hat geschrieben:Ich kenne Deine Verhältnisse nicht genau und kann somit nicht einschätzen, was am dringensten ist. Wenn Du zum Beispiel kurz davor bist, den Strom abgestellt zu bekommen, sind die Finanzen zumindest kurzfristig die dringenste Baustelle.
Wie Du schon richtig schreibst, hängen die 3 Baustellen zusammen.

Ich würde es wie folgt machen, daß muß aber nicht für Dich der richtige Weg sein.
Herausfinden, welche Baustelle zur Zeit für Dich am wichtigsten ist und auf diese die meiste Energie lenken.
Die anderen Baustellen aber nicht vergessen und Kleinigkeiten in diesen schon mal vorbereiten oder erledigen.
der Strom wird nicht abgestellt werden und meine Miete habe ich auch immer pünktlich bezahlt. Auch andere laufende Kosten bezahle ich. Es werden also nicht mehr Schulden, aber die Schulden werden auch nicht wirklich abgebaut. Und das ist belastend.

Tja ... ich weiß nicht so Recht, welche Baustelle am wichtigsten ist, um ehrlich zu sein. Intuitiv hätte ich gesagt, dass die psychische Gesundheit die Grundlage ist, um überhaupt eine andere Baustelle angehen zu können. Aber meiner Meinung nach habe ich diesen Weg seit 2020 gewählt und keine wirklichen Erfolge ausmachen können. Vielleicht muss ich aber tatsächlich die Arbeit komplett sein lassen, um mich auf die Gesundheit noch mehr konzentrieren zu können. Das wiederum würde aber die Finanzen deutlich verschlechtern, weil Krankengeld halt doch deutlich weniger ist als das Gehalt ...

f32
DieNeue
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Re: Zu viele Baustellen?

Beitrag von DieNeue »

Hallo f32,

mir hat mal eine Psychiaterin gesagt, dass Geldsorgen psychisch ein sehr großes Problem und sehr belastend sind. Damals habe ich studiert und von BaföG gelebt. Später, als ich mein Studium abbrechen musste, bin ich in Hartz 4 gefallen und hatte einen Haufen BaföG-Schulden. Als sich finanziell einiges gebessert hat und die Schulden weg waren, ging es wieder aufwärts. Im Nachhinein habe ich erst gemerkt, was das für eine Last war. Ohne Geldsorgen lebt es sich wirklich leichter, finde ich.
Wenn du auf der psychischen Schiene nicht weiterkommst, wäre es vielleicht schon eine Überlegung wert, zu schauen, was du im finanziellen Bereich verbessern kannst.
Vielleicht könnte dir da eine Schuldnerberatung weiterhelfen?

Was den Narzissmus angeht, würde ich mich vielleicht (mit etwas mentalem "Sicherheitsabstand" ;)) etwas näher damit beschäftigen. Nicht erstmal komplett ablehnen, aber auch nicht voll reinsteigern.

Andere Frage: Hast du dir seit dem Beginn deiner Doktorarbeit auch mal eine Auszeit gegönnt? Mal längeren Urlaub, raus von zuhause, Tapetenwechsel, komplette Ablenkung. Oder versuchst du seitdem stur durchzuackern? Bei mir geht manchmal nichts mehr, wenn ich mit dem Kopf durch die Wand und irgendwas unbedingt fertig kriegen will. Da bringt es manchmal mehr, mal was anderes zu machen und irgendwann anders wieder weiterzumachen.

Liebe Grüße,
DieNeue
Suchende2
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Re: Zu viele Baustellen?

Beitrag von Suchende2 »

Hallo f32-axolotl,

die Idee von DieNeue mit der Schuldnerberatung finde ich gut.
Die Wartezeiten sind soweit ich weiß relativ lang, aber Du könntest schon vorarbeiten, zum Beispiel mit einem Haushaltsbuch (nicht die 1 x jährlichen Ausgaben wie z.B. Haftpflichtversicherung vergessen), einer Aufstellung von Ein- und Ausgaben.

Während meiner Ausbildung habe ich (zum Glück ohne Schulden) auf Sozialhilfeniveau leben müssen. Mit wenig Geld kann man zwar vernünftig leben, aber größere Ausgaben sind sehr schwierig.

Alles Gute,
Suchende
f32-axolotl
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Re: Zu viele Baustellen?

Beitrag von f32-axolotl »

Hallo DieNeue, hallo Suchende,
Suchende2 hat geschrieben:die Idee von DieNeue mit der Schuldnerberatung finde ich gut.
Die Wartezeiten sind soweit ich weiß relativ lang, aber Du könntest schon vorarbeiten, zum Beispiel mit einem Haushaltsbuch (nicht die 1 x jährlichen Ausgaben wie z.B. Haftpflichtversicherung vergessen), einer Aufstellung von Ein- und Ausgaben.
bei der Schuldnerberatung war ich schon mehrmals. Vermutlich lässt sich eine Verbraucherinsolvenz nicht vermeiden. Es hängt ein bisschen von einem großen Gläubiger ab, der die Höhe der Forderung noch nicht beziffert hat. Falls die Forderung deutlich kleiner ist, als ich vermute, könnte man vielleicht noch einen außergerichtlichen Schuldenvergleich hinbekommen - aber weiß man alles nicht, und ich habe auch keine Möglichkeit, das zu beschleunigen.

Ein Haushaltsbuch führe ich sehr gewissenhaft. Aber damit schreibt man ja nur auf, wo das Geld hinfließt; reich wird man dadurch leider nicht. Aber ich weiß somit, dass ich im Prinzip nicht wirklich weniger Geld ausgeben kann als jetzt. Es gibt einfach nichts mehr, woran ich noch legal sparen könnte.

Interessant finde ich, dass du, DieNeue, meintest, dass deine Therapeuten meinten, dass Geldsorgen stark psychisch belasten. Meine Therapeuten (aber vermutlich waren sie noch nie in einer finanziellen Notlage) meinen immer, dass Geld nicht glücklich macht. Sehe ich eigentlich anders: Würde ich sehr viel Geld haben, hätte ich die Sorgen mit den Schulden weg und müsste nicht mehr arbeiten. Wäre ziemlich großartig.
DieNeue hat geschrieben:Andere Frage: Hast du dir seit dem Beginn deiner Doktorarbeit auch mal eine Auszeit gegönnt? Mal längeren Urlaub, raus von zuhause, Tapetenwechsel, komplette Ablenkung. Oder versuchst du seitdem stur durchzuackern? Bei mir geht manchmal nichts mehr, wenn ich mit dem Kopf durch die Wand und irgendwas unbedingt fertig kriegen will. Da bringt es manchmal mehr, mal was anderes zu machen und irgendwann anders wieder weiterzumachen.
Jein ... ich war Anfang 2020 ja in der Psychiatrie eingesperrt und danach auch noch ein paar Wochen zu Hause, bevor die Wiedereingliederung los ging. Seitdem ist es mit der Arbeit aber auch erst so schlimm. Natürlich hatte ich zwischendurch immer mal wieder zwei Wochen frei. Aber dank Corona und mangels Geld konnte ich auch nicht wirklich Urlaub-urlaub machen, sondern halt nur höchstens zu Verwandten fahren, was nicht besonders entspannend ist. Und die Kinder sind dann ja auch dabei, was mich sehr stresst. Ich wüsste halt nicht, ab welcher Dauer ich möglicherweise wieder Kraft hätte: 4 Wochen? 2 Monate? Ein halbes Jahr? ... Vielleicht könnte es was bringen, aber ich befürchte, dass das ein sehr kurzer Effekt sein wird.

Ich bin heute wahnsinnig deprimiert und fühle mich durch den Stempel "Narzisst" und "Persönlichkeitsstörung" wahnsinnig gekränkt. Es würde ja bedeuten, dass ich als gesamter Mensch gestört wäre und nicht nur, dass ich eine Krankheit habe, die sich auf einen guten Menschen, als den ich mich eigentlich empfinde, drauflegt.

f32
Gertrud Star
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Re: Zu viele Baustellen?

Beitrag von Gertrud Star »

Hallo f32,

ich kenne es immer nur mit wenig Geld und hatte früher auch mal einen Batzen Schulden. Ich persönlich wüsste nicht, was ich mit viel Geld anfangen würde, bin etwas bescheiden und kenne es jahrzehnte lang nur so mit sehr wenig. Ich merke es jetzt, wo ich älter werde, wie sehr das alles belastet. Geld macht nicht glücklich - finde ich auch einen sehr gewagten Ausspruch bei jemand hoch verschuldeten. Das würde mich schon sehr kränken, aus genau dem Grund: Sie wissen nicht, wem sie gerade was sagen und was das auslöst. Vielleicht war es nur nett gemeint und nicht mehr, und gedankenlos daher gesagt.

Auch das mit dem Urlaub, Geld und Familie (die zusätzlich stresst) kenne ich. Man kommt nie weg und wenn, ist man vorher schon auf der Hut, dass man dann auf der Hut sein muss.
Nur dass ich keine Kinder und keinen Partner habe.
Mit einem passenden Partner wäre aber vieles sicher einfacher geworden, oder hätte die Chance gehabt, einfacher zu werden.

Die Aussage mit dem Narzissten würde ich erstmal weit weg schieben. Wenn man einen narzisstischen Elternteil hatte, wird man eher Opfer dessen Narzissmus. Ich frage mich gerade, was wäre passiert, wenn du sie gefragt hättest, wie sie drauf kommt, sie soll dir das genau begründen. Ich bin mir relativ sicher, sie hätte es nicht gekonnt. Wieso ich drauf komme, weiß ich nicht, aber manchmal hat man einfach ein ungutes Gefühl, dass da etwas nicht stimmt.

Die Promotion scheint dir viel zu bedeuten, oder?
Ich wurde damals vor 30 Jahren auch gefragt, ob ich promovieren möchte. Hätt ich mich nur mal getraut.

Schönen restlichen Sonntag wünsche ich noch.
Gertrud
Gartenkobold
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Re: Zu viele Baustellen?

Beitrag von Gartenkobold »

f32-axolotl hat geschrieben: Ich bin heute wahnsinnig deprimiert und fühle mich durch den Stempel "Narzisst" und "Persönlichkeitsstörung" wahnsinnig gekränkt. Es würde ja bedeuten, dass ich als gesamter Mensch gestört wäre und nicht nur, dass ich eine Krankheit habe, die sich auf einen guten Menschen, als den ich mich eigentlich empfinde, drauflegt.

f32
Hi F32,
das würde vermutlich bei jedem so sein, kannst ja mal in Strohis Thead "Depression und Zwangserkrankung" schauen, da haben wie viel dazu geschrieben. Wird dann wieder besser, dann kommen wieder Zeiten, da denkt man mehr darüber nach...

LG Gartenkobold
DieNeue
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Re: Zu viele Baustellen?

Beitrag von DieNeue »

f32-axolotl hat geschrieben: Interessant finde ich, dass du, DieNeue, meintest, dass deine Therapeuten meinten, dass Geldsorgen stark psychisch belasten. Meine Therapeuten (aber vermutlich waren sie noch nie in einer finanziellen Notlage) meinen immer, dass Geld nicht glücklich macht.
Es heißt ja immer "Geld allein macht nicht glücklich". Ich denke schon, dass das zutrifft, denn man kann reich sein und trotzdem Depressionen haben, keine Freunde haben, keine Familie, usw. Von meiner Betreuerin weiß ich, dass sie eine Klientin hatte, die sehr reich war, viel Geld und Immobilien - und ständig die Sorge alles zu verlieren.
Aber ich sage immer, Geld allein macht nicht glücklich, aber mit Geld kann man viele Probleme schneller lösen und dann würde es einem (schneller) wieder besser gehen. Da muss man sich nur vorstellen, wie es ist, wenn das Dach plötzlich undicht ist... der mit (zu) wenig Geld kriegt die Krise, wie er das bezahlen soll, kriegt keinen Handwerker für wenig Geld und in der Zeit wird das Dach noch kaputter, der Schaden nich größer und manbenötigt noch mehr Geld, das man nicht hat. So werden auch die Sorgen immer größer. Hat man genug (!, genug reicht ja schon, müssen ja nicht Unmengen von Geld sein) Geld, kann man das Dach reparieren lassen und die Sache ist gegessen.
Von daher finde ich es schon auch geschmacklos, jemandem, der hochverschuldet ist, zu sagen, Geld würde ihn nicht glücklich machen. Es kommt halt drauf an, was man mit dem Geld machen würde und wie sehr man es braucht.
Finde es aber generell immer etwas ungünstig, wenn Therapeuten solche pauschalen Aussagen treffen...
f32-axolotl
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Re: Zu viele Baustellen?

Beitrag von f32-axolotl »

Hallo Gertrud,
hallo Gartenkobold,
Gertrud Star hat geschrieben:Die Promotion scheint dir viel zu bedeuten, oder?
Ich wurde damals vor 30 Jahren auch gefragt, ob ich promovieren möchte. Hätt ich mich nur mal getraut.
sehr gute Frage ... vor zwei Jahren hätte ich noch gesagt, dass sie mir extrem viel bedeutet. Ich wollte eigentlich schon immer Doktor sein. Vielleicht ist genau das ein Problem: Ich wollte es immer nur sein, aber ich habe mir weniger Gedanken darüber gedacht, ob ich es auch werden möchte. Ich ging einfach aufgrund meines sehr guten Studiums davon aus, dass es der richtige Schritt wäre. Mittlerweile zweifle ich aber daran.
Es ist allerdings schwer zu unterscheiden, ob ich nur deswegen so schlecht arbeite, weil ich depressiv bin, oder ob ich depressiv bin, weil ich schlecht arbeite. Ich habe allerdings meine Depression schon am Anfang meines ersten (abgebrochenen) Studiums bekommen. Insofern würde ich nicht der Arbeit die "Schuld" an meiner Erkrankung geben. Außerdem ging es mir mit anderen Arbeitsplätzen auch schlecht. Arbeit generell scheint nicht meins zu sein. Und das ist sehr unpraktisch.
Gartenkobold hat geschrieben:das würde vermutlich bei jedem so sein, kannst ja mal in Strohis Thead "Depression und Zwangserkrankung" schauen, da haben wie viel dazu geschrieben. Wird dann wieder besser, dann kommen wieder Zeiten, da denkt man mehr darüber nach...
Ich habe mal in den Thread reingelesen.
Diese kombinierten Persönlichkeitsstörungen verstehe ich schon vom Konzept her nicht so richtig. So wie ich eine PS verstehe, bedeutet sie, dass man situationsunabhängig auf eine bestimme Art und Weise "unpassend" reagiert. Als Narzisst sehe ich immer nur mich und manipuliere andere, damit es mir nützt. Das mache ich so gut wie immer, weil das eben meine Persönlichkeit ist.
Wenn ich aber eine kombinierte PS habe, dann heißt es ja, dass ich mal so und mal so reagiere. Und genau das ist ja ein "gesundes" Verhalten: Dass man in unterschiedlichen Situationen eben unterschiedlich reagiert. Tendenziell aufgrund der Persönlichkeit in manche Richtungen eben mehr als in andere, aber es gibt eine gewisse Varianz, je nach Umgebung und Situation. Was ist daran dann nun noch krankhaft?

Ich glaube einfach, die Diagnose PS wurde bei mir vorschnell ohne wirkliche Untersuchung getroffen durch die Psychiaterin. Sie hat mich ja nie über verschiedene Situationen erzählen lassen, sondern wir reden dort eigentlich immer nur über meine Insomnie. Dass ich mit der frustriert bin, finde ich nicht unnormal nach über einem Jahr. Und dass ich kein Verständnis mehr habe, dass ich ungeeigente Medikamente dagegeben bekomme, sieht sie wohl als Fehler in meiner Persönlichkeit und nicht als ein Versagen ihrer ärztlichen Fähigkeiten. Und wenn man sagt, dass man anderer Meinung ist, nimmt sie das als Beweis für den Narzissmus. Bescheuert.

f32
Gartenkobold
Beiträge: 2061
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Re: Zu viele Baustellen?

Beitrag von Gartenkobold »

Hallo F32,

Belladonna hat mal geschrieben, dass Diagnosen überwiegend mit dem Untersucher zu tun haben, also subjektiv sind und nicht unbedingt der Realität entsprechen. Bei psychischen Erkrankungen finde ich so etwas wie Realität oder Objektivtät auch schwierig, man hat ja keine Laborwerte, Histologiebefund, EKG... Man solle nur annehmen, was man selbst für zutreffend hält. So versuche ich es zu halten und trotzdem nicht generell von vorne herein abzulehnen.

LG Gartenkobold
Gertrud Star
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Re: Zu viele Baustellen?

Beitrag von Gertrud Star »

Zu der Frage wegen der Promotion:
sehr gute Frage ... vor zwei Jahren hätte ich noch gesagt, dass sie mir extrem viel bedeutet. Ich wollte eigentlich schon immer Doktor sein. Vielleicht ist genau das ein Problem: Ich wollte es immer nur sein, aber ich habe mir weniger Gedanken darüber gedacht, ob ich es auch werden möchte. Ich ging einfach aufgrund meines sehr guten Studiums davon aus, dass es der richtige Schritt wäre. Mittlerweile zweifle ich aber daran.
Es ist allerdings schwer zu unterscheiden, ob ich nur deswegen so schlecht arbeite, weil ich depressiv bin, oder ob ich depressiv bin, weil ich schlecht arbeite. Ich habe allerdings meine Depression schon am Anfang meines ersten (abgebrochenen) Studiums bekommen. Insofern würde ich nicht der Arbeit die "Schuld" an meiner Erkrankung geben. Außerdem ging es mir mit anderen Arbeitsplätzen auch schlecht. Arbeit generell scheint nicht meins zu sein. Und das ist sehr unpraktisch.
Vielleicht hast du dir nur zuwenige Gedanken darüber gemacht, was es bedeutet, den Doktor zu machen. Also wie das ist, was es bringt, was der Preis ist, ob man das mit Krankheit schafft oder schaffen muss.... Aber diese Gedanken machen sich die wenigsten, auch wenn es um ein Studium geht.
Ich selber war im Studium nicht mehr so durchgängig sehr gut, eher so gut mit Tendenz zu Mittelmaß und ziemlich interessiert und umtriebig. Ich erinnere mich noch gerne daran. Mein Studium war eins der Verfahrenstechnik noch in der DDR, und ziemlich vielseitig und viele Grundlagen bekamen wir beigebracht, das sprach mich wohl ziemlich an. Den Doktor bräuchte ich heute gar nicht, denn diese Branche starb mit der deutschen Wiedervereinigung aus. Allerdings wäre das wohl doch das erste mal gewesen, dass ich richtig gefordert hätte sein können. Und einige andere Dinge später wären mir einfach erspart geblieben. Ich wäre dann wahrsheinlich selbstbewusster geworden. Und beim Psychiater und Psychologen macht es sich sicher besser (wenn man schon aus dem Osten kommt), wenn man als arbeitloser Ingenieur und Doktor aufkreuzt und nicht als Hilfsarbeiter.
In diesem Zusammenhang würde ich auch sagen, dass es vielen Behandlern unangehnehm ist, wenn der Patient zu intelligent ist oder der sehr intelligente Patient dann als Hilfsarbeiter sich verdingen muss. Ich schätze mal, die meisten kommen damit schlecht bis gar nicht klar. Da dürften dann öfter mal seltsame Bemerkungen kommen.Tja.... leider....

Das schlechte Arbeiten hat sicher auch mit dem schlechten Schlafen zu tun und umgekehrt auch, genauso ist es mit den Schulden.
Und dass du langsam mal Licht sehen möchtest was das Problem angeht, auch.
Mir sagte mal jemand aus der Alkoholikerfraktion, dass sie sich abends immer beim Gedankenkarussell sagte: "Das löse ich heute abend nicht mehr, also kann ich jetzt auch beruhigt schlafen gehen." Vorher nahm sie jeden Abend ein Vollbad mit ätherischen Ölen und auch Milch oder Sahne, zu ihrem Genuss.


Eine Lösung habe ich für dich leider nicht. Als ich in jungen Jahren dann hoch verschuldet war, hieß es ja leider, mich in Anlerntätigkeiten zu verdingen. In dieser Zeit bekam ich die Diagnosen. Also eher völlig außer der Norm.


Und ein extra Netzwerk für depressive Hochgebildete oder so gibt es leider auch nicht, so dass man das mal in Zusammenhang mit Studium und den entsprechenden Jobs betrachten kann.
WEnn man dazu noch Habenichts ist, sieht es ganz mau aus.

high functioning depressive:
Kenn ich zur Genüge. Das hat einerseits mit Erziehung zu tun, aber auch mit dem IQ selber, oft auch mit Erfordernissen des Lebens.
Ich kenne eine junge Frau mit Hochbegabung. Zu ihr sagte der Psychologe ungefähr folgendes:
Jemand mit deiner Vergangenheit und niedrigerem IQ, dem müsste man die einfachsten Sachen noch beibringen und ganz viel praktisch im Leben helfen. Bei dir läuft vieles dank IQ auch mit Krankheit besser und leichter. Das wissen viele Profis nicht.
Bei mir war high funcioning auch notwendig: Einersetis um mich im Studium noch zu fühlen. Danach als ich in Anlerntätigkeiten war und ellenlange Strecken fernpeneln musste, war es wegen der Schulden notwendig. Das verstand nur keiner so richtig.
Beim zweiten Studium mit über 30 war es dann aus. Ich war einerseits erschöpft, andererseits aus dem Training, und drittens auch nicht therapiert. Aber eine Chance brauchte ich ja. Also sich den Bedingungn der beruflichen Reha beugen und wieder fernpendeln. Da blieb zwangsläufig zu viel viel zu lange auf der Strecke.

Urlaub wünscht ich mir manchmal auch. Gibt aber viele, die viel machen und dann ständig aufpassen müssen, nicht in ein burnout zu rutschen.

Puh jetzt hab ich wieder geschwafelt....

Hallo gartenkobold,
ja so ist es. Die Diagnosen haben oftmals auch etwas mit dem Behandler zu tun oder einfach mit dem Abrechnungssystem, manchmal auch mit dem ICD 10 direkt.
Suchende2
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Registriert: 29. Sep 2020, 08:05

Re: Zu viele Baustellen?

Beitrag von Suchende2 »

Hallo f32-axolotl,

zu dem Narzissmus habe ich 2 Anmerkungen.
1. Ich habe in der Klinik zusätzlich zur Depression eine weitere Diagnose erhalten. Diese waren sie mir nicht bereit zu erklären. Sowohl meine Hausärztin als auch meine Therapeutin sehen die Symptome im Zusammenhang mit der Depression und nicht mit der von denen gestellten Diagnose.
Meine Therapeutin sagte in diesem Zusammenhang etwas sehr wichtiges zu mir.
Diese Diagnose ist nur eine Hypothese der Klinik, ob sie richtig ist, kann nur ich entscheiden.

2. Jeder Mensch hat einen narzistischen Anteil in sich. Das ist richtig und in manchen Situationen wichtig zum überleben. Wie stark Dein Anteil ausgeprägt ist, kann ich natürlich nicht beurteilen.
Aber die Diagnose erhält man nicht nur, wenn man diesen Anteil voll und ganz ausgeprägt hat. Es kann auch sein, daß man einfach davon einen sehr viel größeren Anteil als der Durchschnitt hat, der schon eine Diagnose rechtfertigt.
Ich habe mal (aufgrund eines anderen Threads) im Internet etwas über Narzismus gelesen und dabei gelesen, daß es auch atypischen Narzismus gibt.

Alles Gute,
Suchende
Gartenkobold
Beiträge: 2061
Registriert: 9. Jul 2020, 09:26

Re: Zu viele Baustellen?

Beitrag von Gartenkobold »

Gertrud Star hat geschrieben: Und beim Psychiater und Psychologen macht es sich sicher besser (wenn man schon aus dem Osten kommt), wenn man als arbeitloser Ingenieur und Doktor aufkreuzt und nicht als Hilfsarbeiter.
In diesem Zusammenhang würde ich auch sagen, dass es vielen Behandlern unangehnehm ist, wenn der Patient zu intelligent ist
Liebe Gertrud,

ich komme aus dem "Osten" und ich lebe auch dort und einen Unterschied zwischen der Zeit wo der Dr. nicht auf meiner GKV-Karte und nachdem er dort gespeichert wurde (die Uni hat diese Info automatisch weiter gegeben), kann ich NICHT feststellen.
Ab und an kommt mal eine Frage dazu, die die Fachrichtung betrifft. Ob Ärzte/Therapeuten ein Problem mit intelligenten Patienten haben, tja da bin ich mir nicht so sicher. Eine Therapeutin wurde fuchsteufelswild als ich ihr sagte (nach 11 Monaten Therapie), ich hätte die Symptome: Derealisation und Depersonalisation und ob wir in der Therapie an diesen Symptomen arbeiten könnten, ich hätte gelernt, PT würde bei diesen Symptomen wesentlich effektiver helfen als Medikamente. Sie war richtig sauer, weil ich die Fachbegriffe kannte und mich informiert hatte. Dabei wusste sie welche Ausbildung ich habe.
Jetzt zeige/sage ich immer gleich zu Beginn welche Infos ich habe und bin damit ganz gut gefahren. Entweder der Therapeut kommt damit klar und fasst Wissen als Ressource auf oder eben nicht, dann hat die Sache wenig Chancen. Generell denke ich die Situation ist für beide Seiten schwierig und beide sollte an der therapeutischen Beziehung und der Kommunikation arbeiten.

LG Gartenkobold
Gertrud Star
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Registriert: 30. Jun 2014, 19:09

Re: Zu viele Baustellen?

Beitrag von Gertrud Star »

Tja gartenkobold, das war Mitte/Ende der 90er Jahre noch eine ganz andere Zeit-
Ich war nicht vom Fach.
Über Depression wussten alle wenig.
Über Trauma gar nix.
Über höhere IQs auch nicht.
Es gab noch kein Internet, und selbst noch nichtmal Telefonflatrates.
Dann ich als Hilfsarbeiterin.
Arg begrenzte Anzahl an Therapiestunden.
Die Schulden mussten auch abbezahlt werden, und Krankengeld reichte niemals dazu (noch die ganz alten Insolvenzregeln).

Also da können alle so viel wie es geht an der Kommuniktation arbeiten, das wird nix, auch ohne Schulden.
Und trotzdem schlägt sich das Bemühen des Patienten und dessen Erfolglosigkeit ja psychisch und körperlich irgendwie nieder.
Schlussstrich kann man da auch nicht mehr wirklich ziehen nach Jahrzehnten. Da ist zuviel zu lange schief gelaufen, und auch die sozialen Folgen nicht mehr zu übersehen, die ist absolut festgefahren.
Und was mich dann in den letzten Jahren umgehauen hat, war das alles anzusehen und den Therapieschaden dazu.
Wenn man viel Glück hat, kann man an der Gesundheit noch wenig erreichen.
So sehe ich das.

Ich sehe noch klar eine Situation in der Tagesstätte für psychisch Kranke vor mir, als mir freudestrahlend die Sozialpädagogin einen Zeitungsartikel zeigte. Thema war "Depressionen bei Studenten". Das war dann Ende der 90er. Wenn ich jetzt ganz bissig wäre, hätte ich eine super Kommentar dazu. Dafür bin ich dann wohl doch zu pragmatisch.
Gartenkobold
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Re: Zu viele Baustellen?

Beitrag von Gartenkobold »

Hallo Gertrud,

da hast Du viel mitgemacht. Das muss hart gewesen sein und bestimmt gab es auch keine andere Möglichkeit Hilfe zu erhalten, als die vorhandenen Strukturen. Alte Strukturen haben sich auch hier erhalten, doch da versuche ich einen Bogen drum zu machen. Gelingt nicht immer - aber immer öfter :-)

Mit den Schwestern "meiner" Gyn und mit ihr selber komme ich "eingeschränkt" klar. Was Fr. Dr. sagt wird gemacht uns ohne Brief von wo auch immer wird halt gar nix gemacht. Entweder ich habe es schwarz auf weiß, oder es passiert nichts.
Dabei sollten Fragen, Rückfragen und die Angabe von Beschwerden reichen, auch um einen Termin im Jahr zu erhalten. Wenn ich einen "Beweis" für Fr. Dr. benötige, dann stimmt meiner Meinung etwas mit der Bezeichnung nicht.

In Hannover war das anders, da reichte das Gespräch und Zettel und Briefe waren nicht gefordert/gewünscht. Diagnostik wird veranlasst, ich darf Fragen stellen und werde bezüglich einer Antwort zurück gerufen. Es dauert alles (die haben halt viel zu tun dort) aber der Umgang mit dem Patienten ist schon ein anderer.
Ergo weiß ich wo ich mich behandeln lasse.
Trotzdem werde ich das Gespräch mit "meiner" Gyn hier im "Osten" suchen. Die Sache in Ruhe besprechen und wenn sie verärgert ist, weiß ich dass ich da falsch bin - > Auch eine Erkenntnis.

Ja früher waren die Stukturen anders und ich rege mich auch immer wieder darüber auf :-). Tut gar mir nicht gut und deshalb gehe ich zu jemand anderen wenn das langfristig so bleibt. Nicht leichtfertig denn bei meiner Gyn war/bin ich über 12 Jahre, und nachdem ich das Gespräch gesucht habe. Doch wenn es nicht passt, dann passt es nicht!
Aber ich glaube ein Dr. hat da keinen Einfluss drauf.

LG Gartenkobold
Gertrud Star
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Re: Zu viele Baustellen?

Beitrag von Gertrud Star »

Was die Ärzte und deren Personal angeht, sind die schon sehr unterschiedlich. Was mir öfter berichtet wird ist, dass irgendwer nicht durchblickt, wenn etwas vom gewohnten Standard abweicht, oder aber auch dass es total gute und nette Ärzte gibt, die einen "Vorzimmerdrachen" haben.
Ich würde jetzt auch nochmal das Gespräch suchen, dann siehst du ja. Ist deine Gyn per Mail erreichbar? Meine schon. Sicherheitshalber würde ich auch in Hannover anfragen, wo bei dir in der Nähe ein Spezialist zu finden ist (vielleicht Leipzig oder so?) oder ob da mal jemand ab und an Sprechstunde abhält.
Im Laufe der Jahre habe ich bemerkt, dass das Personal in den Praxen immer besser geschult ist, hinsichtlich Kommunikation und auch dass sie wissen, was wie dringend ist.

Ja, ich denke mal, dass bei mir vieles daher auch kommt, weil mir keiner richtig helfen konnte, was auch aber nicht nur auf meine damalige Lebenssituation zurückzuführen ist und dass ich durch viele Raster gefallen bin. Man konnte mit mir nix anfangen. Zudem waren wir Ossis damals noch sehr neu im Westen, und umgekehrt genauso. Da tobten noch die heftigen Nachwehen der Wiedervereinigung und des kalten Krieges. Ich lernte mal hier eine Frau kennen, die ging mit Mobbingerfahrung in eine Mobbingklinik in Ostdeutschland. Dort sagte man ihr, sie hätte einen großen Schaden davon getragen, weil sie als Kind nicht in der Kita war sondern bei Mama daheim. Da dort bei Mama scheinbar nix relevantes vorgefallen ist, deutet das auch nur auf Unverständnis hin bezüglich Aufwachsen in verschiedenen Kulturen. Das war Ende der 90er Jahre, als mir das zugetragen wurde.

Neulich im November in der hiesigen Praxis beim Termin sah es ja etwas anders aus. Wenn ich darüber nachdenke, fühle ich fast konkret, was sich im Kopf der Therapeutin abgespielt hat.

Aber das nur als Bericht sehen, was alles hinein spielen kann bei Behandlung, Diagnostik und im Praxisalltag.
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