History Repeating – Ich werd's nicht los

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MettyEisenbein
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History Repeating – Ich werd's nicht los

Beitrag von MettyEisenbein »

Liebe Forianer*innen,
Depressionen sind seit gut 25 Jahren meine treuen und immer wieder auftauchenden Begleiter – mal heftiger, wie vor gut 13 Jahren, als ich eine aufkeimende Suizidalität bemerkte, mal erschreckend, als ich in meiner ersten schweren Episode wochenlang nur spätabends aus der Wohnung kam, weil ich Angst hatte, Bekannten über die Füße zu laufen, mal weniger stark ausgeprägt wie in den vergangenen anderthalb Jahren, in denen ich einfach nur eine unerhörte Erschöpfung bemerkte, die ich aber zuerst gar nicht als Depression einordnete, sondern als eine Erschöpfung umständehalber wertete.
Meine Vita will ich jetzt hier gar nicht großartig im Detail ausbreiten, weil sie streckenweise den einen oder anderen unter Euch in ein mieses Gedankenkarussell katapultieren würde – das möchte ich einfach nicht.
Ich bin hier, um mich mit Euch auszutauschen, weil ich in der näheren Vergangenheit verschiedene Erkenntnisse gewonnen habe, die mich leider nicht klüger, sondern eher ratloser dastehen lassen, als ich es vorher war. So zum Beispiel die Tatsache, dass ich laut meinem Therapeuten in meinem Verhalten deutlich narzisstische Züge aufweise – womit ich nie gerechnet hätte, da ich tatsächlich glaubte, alles andere als narzisstisch zu sein. Aber wenn ich in mich hineinhöre, stelle ich fest, dass der gute Mann Recht zu haben scheint: Narzissmus ist nicht nur, wenn man sich immer für etwas überaus tolles hält, sondern auch dann, wenn man sich krumm und doof ackert, um einem vermeintlichen Idealbild zu entsprechen – und das ist bei mir der Fall. Aber die details dazu erzähle ich Euch später.
Momentan beschäftigt mich ein Buch, das in der Fachwelt der Psychologielaien hoch gepriesen wird: "Du musst nicht von allen gemocht werden" von Fumitake Koga und Ichiro Kishimi. Sehr interessantes Werk, vor allem sehr unkonventionell aufgebaut – hat jemand von Euch schon einen Blick reinwerfen können? :geek: Es geht darin um die Psychologie nach Alfred Adler und die von ihm aufgestellte These, dass es keine Traumata gebe, nur Entscheidungen für einen bestimmten Lebensstil. Ich bin gespannt!

Ach ja – falls es interessiert – ich bin 51 Jahre alt, geschieden, wiederverheiratet, Vater (19/14) und Stiefvater (13), Grafiker, Feuerwehrmann, Radfahrer, Maler, Vollbartträger und lebe da, wo viele Niederländer Urlaub machen.

Da jö!

Metty
Da jö!

Metty
Angel76
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Registriert: 30. Jan 2021, 12:24

Re: History Repeating – Ich werd's nicht los

Beitrag von Angel76 »

Hallo Metty,

willkommen im Forum!
Ich bin auch erst seit einigen Tagen dabei und habe schon festgestellt, dass es mir gut tut, etwas von anderen Betroffenen zu lesen und hatte schon einigen wirklich positiven Austausch. Ich stelle immer wieder fest, dass meine "Probleme" verglichen mit denen manch anderer, schon fast nichtig erscheinen.

Von dem Buch habe ich bisher noch nichts gehört, werde gleich mal danach googeln!

Schönen Abend noch und Grüße aus Norddeutschland!
Gartenkobold
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Re: History Repeating – Ich werd's nicht los

Beitrag von Gartenkobold »

Guten Abend,

schön, dass Du im Forum bist!
Etwas spezifisches zu Narzissmus kannst Du bei Bärbel Wardetzki nachlesen: "Weiblicher Narzissmus". Es ist eine andere Ausprägung und nicht auf das Geschlecht Mann oder Frau begrenzt, er kommt bei Frauen vielleicht häufiger vor... und ist durch Leistung (bis zum Umfallen), Perfektionismus, Unterdrückung der eigenen Bedürfnisse und Überanpassung gekennzeichnet. Laut Theorie verbessert sich die Depression erst, wenn in der Therapie an den zu Grunde liegenden Ursachen gearbeitet wird.

LG Gartenkobold
Nata
Beiträge: 21
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Re: History Repeating – Ich werd's nicht los

Beitrag von Nata »

Wenn ich so die ganzen Erläuterungen von Narzismus lese, wird mir grad ganz anders...
Ich glaube narzistisch wäre die letze Eigenschaft die ich mit selbst zugeteilt hätte.
Da werd ich mich auch mal etwas schlau machen.
Ich lese aktuell das Buch "Das Kind in dir muss Frieden finden" da kommt später auch noch ein Teil über Narzismuss
MettyEisenbein
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Re: History Repeating – Ich werd's nicht los

Beitrag von MettyEisenbein »

Guten Morgen Ihr alle,
habt herzlichen Dank für Eure Antworten.
Zum Thema Narzissmus möchte ich ein bisschen etwas erläutern – auch wenn ich zuerst mal eigentlich gar nichts über meine Historie erzählen wollte. Zum Verständnis scheint es mir aber nötig.
Ich bin eigentlich in einem gut situierten, stabilen Elternhaus aufgewachsen – Vater Dipl.-Ing., Mutter mit guter Ausbildung, alles finanziell sicher, Wunschkind wie mein jüngerer Bruder, eigentlich alles wunderbar. Aber zum einen herrschte bei uns ein immenser Leistungsdruck, der auf eine recht lieblose Weise durchgesetzt wurde, zum anderen war ich als kleiner Knirps recht kränklich, litt an Asthma und diversen Allergien, was meine Eltern dann dazu brachte, mich auf Anraten der Ärzte schon früh in diverse Kurkliniken und Krankenhäuser zu schicken – ja, ich gehöre zu den so genannten "Verschickungskindern". Mit 5 Jahren zum ersten Mal, mit 7 und 10 weitere Male, dazwischen Krankenhausaufenthalte wegen einer kleineren OP, wegen Asthma und den Allergien, usw. Ich habe also in früher Kindheit gelernt, dass ich mir Zuneigung durch Leistung verdienen muss und dass es kein Problem damit gibt, mich einfach fortzujagen (ich beschreibe das mal aus meiner kindlichen Sichtweise, auch wenn sich das für meine Eltern womöglich etwas anders dargestellt hat). Leistung ist gut, ein Leistungsdefizit ist nicht gut, Zuneigung und Anerkennung gibt's nur durch Leistung, Aufgeben wird bestraft (das musste ich selbst mit fast 30 Jahren bei meinem Studienabbruch noch erfahren) – also, es dreht sich alles um Leistung. Ich muss stark sein, mich beweisen, immer aktiv, niemals nein sagen, quasi ein Leben auf Vollgas. Und jedesmal, wenn ich beruflich "versagte" (also Abbruch meines Studiums, Verlust eines Arbeitsplatzes), ja selbst beim Scheitern meiner ersten Ehe, fiel ich in ein immer tieferes Loch. Aber auch das ständige "Liefern" wurde zunehmend zum Problem: so habe ich in meiner letzten Reha von fast acht Jahren meine zweite Ehefrau kennengelernt – depressiv wie ich selbst, dazu gesegnet mit einer Angststörung – naja, damit komme ich klar, die Frau ist klasse, peng, verliebt. Nur dass sich dann im Laufe der Zeit weitere Erkrankungen bei ihr dazugesellten: sie leidet am Faser-Muskel-Schmerz-Syndrom (Fibromyalgie), hat eine Persönlichkeitsstörung entwickelt, steht gerade kurz vor der EU-Verrentung. Das Leben mit ihr ging allmählich über meine Kräfte, ich war immer häufiger einfach zu erschöpft, um noch etwas sinnvolles leisten zu können – und doch bin ich bei der Freiwilligen Feuerwehr engagiert und im Nebenerwerb selbständig. Alles Dinge, die ich neben meiner Berufstätigkeit noch erledige – zusätzlich zur Unterstützung meiner Frau.
In meinen Therapiestunden habe ich jetzt begreifen können, dass es mein erworbener Narzissmus ist, der mich in die Arme von Partnerinnen treibt, die zu mir aufschauen können oder müssen – auch meine früheren Beziehungen waren genau so gestrickt: die eine vom Vater regelmäßig verprügelt und niedergemacht. Die andere viel jünger als ich. Die nächste vom Stiefvater aus der Wohnung gejagt, eine weitere vom Exfreund vergewaltigt und misshandelt – alles Frauen, die in gewisser Weise hilfsbedürftig waren und bei denen ich mich als der Starke und Leistungsfähige definieren konnte. Umgekehrt habe ich Beziehungen abgebrochen, sobald ich merkte, dass Frauen für mich zu "stark" und zu selbstbewusst schienen.
Diese Erkenntnis – dass ich schwache Menschen brauche, um mich stark zu fühlen - macht unzufrieden. Ich empfinde das als schäbig, weil es bedeutet, dass ich mein Wohlbefinden vom Leiden meiner Partnerinnen abhängig mache.
Mein Ziel ist es also, herauszufinden, wie ich diesen Teufelskreis durchbrechen kann und endlich der werden kann, der ich sein möchte.
Da jö!

Metty
MettyEisenbein
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Re: History Repeating – Ich werd's nicht los

Beitrag von MettyEisenbein »

Nata hat geschrieben:Wenn ich so die ganzen Erläuterungen von Narzismus lese, wird mir grad ganz anders...
Ich glaube narzistisch wäre die letze Eigenschaft die ich mit selbst zugeteilt hätte. ...
Hallo Nata,
naja, Narzissmus ist auch ein sehr weites Feld mit unterschiedlichen Ausprägungen. Am bekanntesten ist natürlich der "Großartigkeitsnarzissmus", ein "offener" Narzissmus, wie wir ihn von Persönlichkeiten wie Donald Trump oder auch Dieter Bohlen kennen – also ein plakatives Zurschaustellen der vermeintlichen eigenen Großartigkeit und Unfehlbarkeit. Dann gibt es den vulnerablen Narzissten, der die Aufmerksamkeit seiner Umgebung quasi in seinem Leid sucht. (Eine ganz gute Erklärung findet man bei Netdoktor.de.)

Ich kann aber tatsächlich sagen: Ich will das nicht. Ich will kein Narzisst sein. Damit fühle ich mich nicht wohl.
Da jö!

Metty
Peter1
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Re: History Repeating – Ich werd's nicht los

Beitrag von Peter1 »

Hallo
Herzlich Willkommen, hier im Forum.
Ich habe vor einigen Tagen schon mal geschrieben, das hier jeder sein Päckchen zu tragen hat. Es ist vollkommen egal, wie groß oder schwer dieses Päckchen ist, das Leid, das es für den Betroffenen mit sich bringt, lässt sich nicht messen. Darum braucht hier keiner zu denken, das seine Probleme nichtig sind.
Gartenkobold hat geschrieben“ Laut Theorie verbessert sich die Depression erst, wenn in der Therapie an den zu Grunde liegenden Ursachen gearbeitet wird.“
Ist das nicht der Sinn einer Therapie, über die Gründe der Depression anders zu denken ?
Nebenbei sollte man im Internet genau wissen, von wem die Informationen kommen, und nicht gleich alles glauben, denn auch ich habe im Net schon viel Müll gelesen.

Peter
Ich wollte nie erwachsen sein, hab immer mich zur Wehr gesetzt. Von außen wurd ich hart wie Stein, und doch hat man mich oft verletzt (Nessaja P. Maffay=
Gartenkobold
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Re: History Repeating – Ich werd's nicht los

Beitrag von Gartenkobold »

Guten Morgen,

ich sehe Parallelen zu Euren Beiträgen. Meine Kindheit war ähnlich. Hier gibt es auch den Thead: "Das Kind in Dir muss Heimat finden" und den Schematherapie Thead, dort geht unter anderem darum, wie man Prägungen aus der Kindheit erforschen und überwinden kann.

Wir sollen hier hauptsächlich über Depressionen diskutieren, auch ein bisschen drumherum, das traue ich mich auch ab und zu. Versuche es jedoch nicht überzustrapazieren. Zu Beginn wusste ich das auch nicht und wurde dann von anderen Usern drauf aufmerksam gemacht (die Moderation wird schon schreiben, wenn es zu viel wird).

Meine Therapeutin sagt, dass mir eine reine Depressionsbehandlung nicht hilft und ich langfristig nur Stabilisierung erreichen kann, wenn ich an den dahinter liegenden Problemen arbeite. Es ist eine spezialisierte Therapie notwendig (z.B. dbt, Schematherapie...). Nun befindet sich meine Therapeutin im Berufsverbot und gleich rufe ich in einer Praxis an, die auf mehrere Störungen parallel spezialisiert ist und auch dbt anbietet. Ich bin schon ganz aufgeregt.

Fragt doch mal Eure Therapeuten zu dem Thema, was diese empfehlen. Sie kennen Euch und Eure Lebensgeschichte besser. Es gibt auch spezialisierte (Tages)Kliniken.

@Peter: die Therapie von Narzissmus (oder Persönlichkeitsstörungen, ich nenne es mal beim Namen, muss aber nicht immer sein, kann auch eine Persönlichkeitsakzentuierung in Richtung Narzissmus sein, kann man auf Therapie.de nachlesen, ist zwar Internet aber kein Müll) unterscheidet sich grundlegend von der Therapie einer "normalen" Depression. In der Therapie lernt man, dass man Ausgangspunkt der zwischenmenschlichen Probleme ist, dass man sich in Beziehungen immer dysfunktionaler verhält, je länger diese andauern. Man lernt sein Verhalten und seine Emotionen zu kontrollieren und dadurch gute Beziehungen zu führen wodurch die seelischen Grundbedürfnisse eines Menschen (Nähe, Zuneigung, Wertschätzung, Vertrauen, Freude) erfüllt werden können. Die Depression wird besser. So weit mein Verständnis der Ursachen. Gerade bin ich auf Therapeutensuche und kann nach den Erstgesprächen (wenn ich überhaupt einen Termin erhalten) mehr berichten.

Ein weiterer Thead zu dem Thema:"Ein ewiger Kreislauf", Autor: darkmindset, bei Bedarf mal mit der Suchfunktion suchen.

So bald beginnt die telefonische Erreichbarkeit in der Praxis...

LG Gartenkobold
Peter1
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Re: History Repeating – Ich werd's nicht los

Beitrag von Peter1 »

Hallo Metty
Deine Geschichte hört sich, in Teilen, genau so an, wie meine. Auch ich gehöre zu den Verschickungskindern. Ich war zweieinhalb Jahre alt, als mich das Gesundheitsamt zum ersten mal aus meiner Familie riss. Ich muss dazu sagen, das ich vorher nie länger als 1 oder 2 Stunden von meiner Mami getrennt war. Ich fand mich im Schwarzwald wieder, für ein halbes Jahr. In meinem Kopf schwirrte die ganze Zeit nur ein Gedanke herum,“warum durfte meine Schwester zu Hause bleiben, und ich wurde verschickt ? Haben die dich nicht mehr lieb ?“
Als ich zurück kam, war ich ein psychisches Wrack. Jeden Morgen weinte ich, weil ich dachte, Heute schicken sie dich wieder weg. Mein Vater konnte damit nicht umgehen, und reagierte mit Gewalt.(Ein Junge weint nicht).
Die Zeit ist zum Glück vorbei, und ich konnte in der Therapie einiges über die Hintergründe lernen, und aufarbeiten. Trotzdem hat es mein ganzes Leben anders verlaufen lassen, als ich es mir gedacht habe. Erst jetzt, nach 2 Jahren Therapie, bei einer ausgezeichneten Therapeutin, bin ich der Mensch, der ich immer sein wollte.

Alles Gute und Schöne Peter
Ich wollte nie erwachsen sein, hab immer mich zur Wehr gesetzt. Von außen wurd ich hart wie Stein, und doch hat man mich oft verletzt (Nessaja P. Maffay=
Gartenkobold
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Re: History Repeating – Ich werd's nicht los

Beitrag von Gartenkobold »

Hallo,

in der Praxis geht noch keiner dran, deshalb habe ich ein paar Minuten... lenkt mich auch ab, ich bin am zittern.
Hier darüber zu schreiben ist eine Sache, die Diagnose bei der Vereinbarung eines Erstgespräches sofort zu nennen eine ganz andere. Doch genau deshalb möchte ich in diese Praxis und auf der Homepage werden Patienten mit PS extra zur Anmeldung ermutigt (was eine Seltenheit ist).

Wenn ihr noch mehr zum Thema lesen möchtet: Im Thread "Enttäuscht von medizinischen Fachkräften" von Azaleh wird dazu diskutiert und im Beitrag "Neu hier und gleich die wichtigste Frage im Moment" von Dyrion. Dr. Niedermeier hat auch etwas dazu geschrieben.

Ich habe in meiner Therapie gelernt, dass zwischen narzisstischer PS bzw. Akzentuierung und emotional-instabiler PS bzw. Akzentuierung fließende Übergänge bestehen. Es kann sein, dass das nicht stimmt, es war die Aussage meiner Therapeutin. Auf jeden Fall sind Diagnose und Behandlung etwas für Fachleute, übers Internet kann man kaum etwas genaues sagen.

Im Thead:"Zusätzliche Diagnosen, erlaubt oder nicht" von slowbutfurious ging es um die Themen im Forum.

Auf das ihr einen Weg findet um es los zu werden...
Meiner Meinung nach ist dies nicht möglich. Akzeptanz und lernen damit umzugehen, das wird mein Weg sein.

LG
Gartenkobold
Gartenkobold
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Re: History Repeating – Ich werd's nicht los

Beitrag von Gartenkobold »

Wartezeit 4-6 Monate aufs Erstgespräch. Jeden Monat Rückmeldung, damit man auf der Warteliste bleibt.

Das ist kein dickes Brett, das ist eine Eisenbahnschwelle...
Gertrud Star
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Re: History Repeating – Ich werd's nicht los

Beitrag von Gertrud Star »

Hallo ihr,

das ist ja ein Ding, wenn man die Sachen nicht los wird - geht ja vielen so.
Auch ich habe vor einigen Wochen eine fette Verdachstdiagnose Richtung Persönlichkeitsstörung bekommen, wenn auch nicht in Richtung Narzissmus. Und das nach mittlerweile fast 30 Jahren im psychiatrischen Versorgungssystem.
Ich finde, mit solchen Diagnosen sollte man vorsichtig sein, sie sind allzu stigmatisierend.
Außerdem wird allzu viel mit dem Etikett Krankheit oder Unnormal versehen, was man einfach nicht versteht oder nicht kennt.
Nichtdestotrotz sollen Störungen ja auch behandelt werden, und dafür muss es ja verstehbar sein, was mit dem Menschen in seiner konkreten Lebenssituation mit seiner Lebensgeschichte war.

Über den weiblichen Narzissmus habe ich gestern einen 16 Seiten langen Text von Bärbel Wardetzki gelesen, der im Netz steht. Da steht einiges erklärt. Allerdings denke ich nicht, dass das im Sinne einer psychiatrischen Diagnose erklärt wurde, sonder als Phänomen an sich. Frau Wardetzki hat sich ja viel mit Kränkungen befasst im Laufe ihres langen Berufslebens.

"An den dahinter liegenden Problemen arbeiten" - was soll denn das sein? *kopfkratz*
Habe keine Vorstellung davon.

Ich kenne von mir auch diese übertriebene Leistungserwartung. Das wurde einem so vorgelebt. Leben habe ich immer die Priorität Nummer xxx gegeben, außer was die Versorgung angeht, so wie ich es gelernt habe.
Außerdem waren lange Zeit dafür die Lebensumstände ziemlich ungeeignet, das umzulernen. Eine Zeitlang hat das Abzahlen von Geldschulden viel zuviel Zeit und Kraft gefressen. Jetzt steh ich mehr oder weniger lebensdoof immer noch da.

Verschickt wurde ich als Kind auch einmal, auf eine Augenheilkur. Damals und auch davor war ich ein halbes Jahr lang mehr in Krankenhaus und Kur, als daheim und in der Schule. Das war zur Zeit meiner Einschulung. Einen bleibenden Schaden habe ich davon nicht zurück behalten, da spielen andere Sachen eine größere Rolle. Das Auge jedenfalls war dann verheilt für immer, und ich fand relativ schnell wieder in den Alltag hinein. Nur viel Schulstsoff musste ich nachholen, was mir nicht wirklich schwer fiel. Und auch meine Schulkameraden und Spielkameraden waren ja noch da.

Eine Praxis mit Schwerpunkt Persönlichkeitsstörungen könnte ich hier auch mal versuchen zu finden. Mal sehen, wie das auf mich wirkt.
Allerdings, so wie ich mich im psychiatrischen Versorgungssystem "aufgehangen" habe und weil vermutlich noch eine (nicht medizinische und psychische) Besonderheit vorliegt, sehe ich wenige Chancen, dass das helfen könnte.

Gruß Gertrud,
die sich jetzt erstmal Spiegeleier macht.
Gartenkobold
Beiträge: 2098
Registriert: 9. Jul 2020, 09:26

Re: History Repeating – Ich werd's nicht los

Beitrag von Gartenkobold »

Hallo Gertrud Star,

an den dahinter liegenden Problemen arbeiten verstehe ich so: die echten Bedürfnisse ergründen und einen guten Weg finden um sich diese zu erfüllen.

Wardetzki beschreibt das mit dem Bild von Schneewittchen im Glassarg. Sie ist innerlich leer, tot und kalt, sieht aber hübsch aus. Weil sie nicht weiß was sie fühlt und braucht um glücklich zu sein. Sich ihre Bedürfnisse (Geborgenheit, Fürsorge, Nähe) nicht eingesteht und nicht für sich sorgt um sie sich diese zu erfüllen. Stärke geht vor Schwäche (Bedürfnisse haben), Leistung und Perfektion für die perfekte Außenwirkung und innerlich ist sie tot.
Den Text aus dem Netz habe ich auch gelesen, dort steht:"Ich bin müde und erschöpft von der Anstrengung meine Sehnsucht nach Liebe, Nähe und Geborgenheit verstecken zu müssen. Aber nein, es darf niemand sehen, wie ich bin! Ich würde mich zu Tode schämen, wenn jemand hinter meiner Fassade von Selbstbewusstsein und Souveränität meine Bedürftigkeit sehen würde".

So habe ich es verstanden. Das Buch von Frau Wardetzki habe ich gelesen, aber noch nicht alles begriffen. Ich denke, dies ist Inhalt der Therapie, in der Erkenntnisse gemeinsam mit der Therapeutin erarbeitet werden. Für mich ist es auch sehr anstrengend mir Fachwissen anzueignen und mich selbst zu analysieren. Was nicht bedeuten soll, dass ich nicht motiviert bin. Therapeuten mögen Patienten, die ein wandelndes Fachbuch sind bestimmt nicht und diese Herangehensweise bringt mich auch nicht weiter. Ich versuche der Therapeutin einfach mal zu vertrauen (sehr schwer für mich) und nicht schon alles detailliert vorher zu wissen.
Ich weiß nicht wie das behandelt wird (muss ich das?), habe und noch keine spezifische Therapie gemacht. Deshalb kann ich hier auch nichts genaues dazu schreiben.
Ich kenne die Kriterien beider PS, weiß welche Kriterien ich in welchen Situationen/Verhalten erfülle und ich habe eine genaue Diagnose bezüglich der PS inklusive eines Schreibens meiner Therapeutin in dem alles genau beschrieben wird und welche Behandlung von ihr empfohlen wird. Das versuche ich jetzt umzusetzen.

Ich wünsche Dir, dass Du einen Therapieplatz in Deiner Nähe findest.

Liebe Grüße
Gartenkobold (bei der es Pellkartoffeln mit Quark und Leinöl gab)
Gertrud Star
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Re: History Repeating – Ich werd's nicht los

Beitrag von Gertrud Star »

an den dahinter liegenden Problemen arbeiten verstehe ich so: die echten Bedürfnisse ergründen und einen guten Weg finden um sich diese zu erfüllen.
Das ist nachvollziehbar, darum sollte es gehen. Damit kann ich etwas anfangen.

Metty, du hast da ja ein ganzes Päckchen zu tragen.
Immer die Frauen, die irgendwie zu dir aufschauen dir zu angeln.
Vielleicht hat das ja mit Unsicherheit zu tun, und mit Verletzbarkeit.

Auf der Suche nach den Energieräubern.... findet man vielleicht Antworten... nach den wirklichen Bedürfnissen....
Ja, das hat sehr viel mit prägenden Erlebnissen zu tun, die oft nichtmal spektakulär sind. Manchmal fallen sie nicht mal besonders auf, oder gar niemand bekommt etwas mit.

Wenn ich mir jetzt selber das Etikett der Persönlichkeitsstörung umhängen würde, wüsste ich es glaube ich.
Obwohl ich nicht besonders erpicht drauf bin, mir noch mehr Diagnosen an Land zu ziehen.

Leinöl in den Quark kenne ich auch, von Mama. Das kommt ja aus einer bestimmten Region - die Insider wissen es.
Gartenkobold
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Re: History Repeating – Ich werd's nicht los

Beitrag von Gartenkobold »

Hallo Gertrud Star,

auf das Etikett PS habe ich auch so etwas von keine Lust. Es wurde mir von meiner Therapeutin umgehängt und ich habe mich heftig dagegen gewehrt.

Gerade geht's mir besser. Also denke ich Weiß: ja das stimmt, ich kann die PS akzeptieren und daran arbeiten.

Wenn es mir schlecht geht, sehe ich Schwarz: EINE Therapeutin hat das gesagt, die anderen nicht, Therapeuten erzählen sowieso nur Quatsch, das Stigma tu ich mir nicht an, geht doch alle in die Wüste und lasst mich in Ruhe!

Ich bin noch jung, könnte noch Mutter werden. Könnte ein erfülltes Leben mit guten Beziehungen führen und eine Arbeit, die mir Spaß macht haben. Gut ausgebildet bin ich, halt gerade krank.

Doch das muss ja nicht so bleiben mit der richtigen Therapie.

Also Butter bei die Fische gleich im Erstgespräch. Schließlich haben Therapeuten Schweigepflicht und sollten wissen worauf sie sich einlassen, ist nur fair.

Rumeiern kostet nur (Lebens)zeit!

Denke ich heute. Heute ist die Welt Weiß. Und wenn sie wieder Schwarz wird (Spaltung) habe ich hoffentlich eine Therapeutin gefunden, die mir hilft damit klargekommen und weiß wie man Schwarz-Weiß-Denken integrieren kann.

LG Gartenkobold
Gertrud Star
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Re: History Repeating – Ich werd's nicht los

Beitrag von Gertrud Star »

Tja lieber Gartenkobold, so einfach ist das alles nicht, wenn noch eine andere Besonderheit vorliegt und ziemlich ungünstige Lebensumstände, und aufgrund mehrerer Umstände wahrscheinlich kein zufriedenes Leben mehr herstellbar sein wird. Die Chancen sind weg. Bin Mitte 50 und habe keine verwertbare Ausbildung, werde wahrscheinlich in Sozialhilfe bleiben, und auch niemanden finden. Denn es liegt auch noch ein Therapieschaden vor. Das ist zu viel, da wäre eine PS wahrscheinlich fast noch das kleiner Übel zu behandeln als diesen Menschen Gertrud in ihrer Lebenssituation. Das erfordert vom Therapeuten, wohl alles zu geben und auch noch Ahnung von dieser Besonderheit zu haben. Schon alleine das ist fast nicht findbar.
Gruß
Gartenkobold
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Re: History Repeating – Ich werd's nicht los

Beitrag von Gartenkobold »

Stimmt,
einfach ist das alles nicht. Anfangs dachte ich das dicke Brett mit der Langzeittherapie zu bohren. Nach der Diagnose PS, musste ich einsehen: das ist kein dickes Brett. Das ist mindestens eine Eisenbahnschwelle...

Mal sehen wie weit ich mit Bohren komme. Eine meiner Ressourcen ist Durchhaltevermögen und eine schlimme Kindheit macht einen auch irgendwie stark.

Das Gefühl nicht mehr zu können, immer wieder hinzufallen und irgendwann nicht mehr aufstehen zu können/wollen kenne ich zu gut. Die Zeiten in denen ich liegen bleibe werden länger, doch irgendwann stehe ich wieder auf.

Ich wünsche Dir, dass Du die Hoffnung nicht aufgibst und einen Therapeuten
findest, der Dir weiterhelfen kann. Auch wenn die äußeren Umstände alles andere als optimal sind, damit es Dir gut geht so wie Du bist.

LG Gartenkobold
Gartenkobold
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Re: History Repeating – Ich werd's nicht los

Beitrag von Gartenkobold »

Hallo,

gerade hatte ich ein Erstgespräch, der Therapeut stellte sich vor und meinte er hätte viel mit PS-Patienten gearbeitet.
Meine Antwort: "Da bin ich hier richtig".
Und jetzt gehts mir besser!
Es tut gut einen Teil von sich nicht mehr verstecken zu müssen. Für diesen Teil, kann man ja nichts. Er ist erblich und durch Erfahrung erworben.
Es tut gut, sich getraut zu haben und wegen Besonderheiten nicht abgelehnt zu werden.

LG Gartenkobold
Leni2
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Re: History Repeating – Ich werd's nicht los

Beitrag von Leni2 »

Hallo Gartenkobold,

das ist ja toll. Hoffentlich wirst du da gute Erfahrungen machen. Ich habe auch eine PS, aber vermutlich ist die Behandlung je nach PS sehr unterschiedlich. Es heißt ja nur, dass die Krankheit tiefer sitzt und schon ein Teil der Persönlichkeit geworden ist. Das empfinde ich auch so, deshalb begleitet sie mich auch schon so lange und tiefgreifend. Ich habe auch schon mal an Schematherapie gedacht, die soll da auch gut helfen.

Viele Grüße
Lena
Alles, was man über das Leben lernen kann, ist in drei Worte zu fassen: Es geht weiter!

Gartenkobold
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Registriert: 9. Jul 2020, 09:26

Re: History Repeating – Ich werd's nicht los

Beitrag von Gartenkobold »

Hallo Leni2,

es wird noch ca. 1 Jahr dauern und ich soll alle 3 Monate Interesse bekunden und dort anrufen. Doch es ist toll!
Jetzt wäre ich gar nicht stabil genug dafür. Nach dem Vorgespräch habe ich mich einen Tag ins Bett gepackt.
Es sagte sowohl tPT als auch psychodynamische Therapie wären geeignet (frag mich nicht worin der Unterschied besteht).

Eine VT-Therapeutin hat mal Schematherapie mit mir versucht, wenige Stunden, das BEATE-Schema. Doch es hat nicht so gut geklappt. Vielleicht auch weil die Beziehung zu dieser Therapeutin schwierig war und sie selten da. Die Abstände zwischen den Sitzungen waren zu groß. Wir sind nicht in den Prozess gekommen und haben meist von vorne angefangen. Ich fand es sehr anstrengend.
Dbt wäre auch noch möglich. Vermutlich ist je nach Patient und PS ein Verfahren besser geeignet.

Viel Erfolg bei der Suche nach einem Verfahren, das Dir hilft.

LG Gartenkobold
Leni2
Beiträge: 471
Registriert: 10. Aug 2005, 18:00

Re: History Repeating – Ich werd's nicht los

Beitrag von Leni2 »

Hallo Gartenkobold,

1 Jahr ist eine lange Wartezeit, aber wenn es für dich so stimmig ist, ist es ja nicht so schlimm. Ich mache zur Zeit eine körperorientierte Traumatherapie, aber vielleicht werde ich mich in diesem Jahr mal aufmachen und mir auch noch eine andere Therapeutin suchen in Richtung VT, Schematherapie. Ich hoffe, dass die nicht alle total überlaufen sind, weil Corona so viele Menschen depressiv macht.

Liebe Grüße
Lena
Alles, was man über das Leben lernen kann, ist in drei Worte zu fassen: Es geht weiter!

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