Unterstützung um zum "funktionalen" Depressiven zu werden?

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-Hobbes-
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Unterstützung um zum "funktionalen" Depressiven zu werden?

Beitrag von -Hobbes- »

Mit „funktional“ meine ich:

- Haushalt in Ordnung halten
- Selbstfürsorge wie Körperpflege, gesund essen, Sport oder zumindest regelmäßig bewegen
- Soziale Kontakte oder zumindest alleine Dinge unternehmen
- Arbeit, finanzielles Auskommen

auf niedrigerem Niveau als „Gesunde“.


Warum ich das frage: Ich denke mir wenn meine Lebensumstände etwas besser und gesünder werden, bessern sich vielleicht auch andere Symptome meiner Depression. Besonders die extreme Antriebslosigkeit, Energielosigkeit und Anhedonie sind unerträglich geworden.

Ich bräuchte da bei jedem Punkt Unterstützung, teils massiv, weil kein Antrieb mehr von „Innen“ kommt, müsste wohl von „Außen“ kommen.


- Haushalt,
Da bräuchte ich jemanden der antreibt und anleitet, anfangs vielleicht sogar bei den anstrengendsten und schwierigsten Dingen mit anpackt.
Bei mir sieht’s immer so furchtbar aus, da fällt selbst das anfangen schwer - wie es innen in einem aussieht, so sieht es auch außen aus….

- Selbstfürsorge,
Körperpflege geht, aber nur wenn ich es auch schaffe, nach draußen zu gehen (Gedankengang: Wozu duschen usw., wenn ich den ganzen Tag zuhause bleibe und mich niemand sieht?)

Für Bewegung bräuchte ich jemanden, der antreibt oder Freunde die mitmachen beim Sport

Verein oder Gruppe sind mir eigentlich zu viele Leute, ich bin gern allein oder mit 1-3 Personen. Außerdem ist da ist viel Druck nie zu fehlen und ich komme mir immer so unfähig vor.

Gesund essen vielleicht über Freunde mit denen man regelmäßig gemeinsam kocht. Oder auch alleine, wenn das mit dem Haushalt besser liefe. Wenn überall eh schon Chaos ist, schaffe ich nicht noch die zusätzliche Arbeit durch Kochen.

- Kontakte / Dinge unternehmen,

Am besten hier wären Freunde, die sehr verständnisvoll sind und auch oft die Initiative übernehmen. Alleine unternehme ich auch fast nie etwas.

Jedoch ist es mit mir sehr schwer, ich bin immer so extrem lustlos und unzuverlässig. Auf Dauer ist das zu einseitig, das macht niemand mit, habe auch kaum noch Freunde und die distanzieren sich immer mehr von mir.
Übrigens habe ich die Erfahrung gemacht, dass auch Depressive teils wenig Verständnis haben. Vielleicht kann man die extreme Lethargie schwer nachvollziehen, wenn die Depression sich bei ihm/ihr anders auswirkt.

- Arbeit, das ist echt der schwierigste Punkt, Vollzeitstelle (auch Vollzeitausbildung), besonders unter vielen Menschen ist für mich in meinem Zustand völlig utopisch, neben Depression habe ich noch starke Angststörung und zeitweise massive Schlafstörung. Habe auch keine speziellen Talente oder Ausbildung für eine (überwiegend) Homeoffice Arbeit.


Wenn die Corona Lage besser wird, möchte ich einiges angehen.

Ich möchte ich eine neue Therapie anfangen, jedoch kann ein Therapeut auch bei diesen Punkten helfen? Nur aus der Ferne anleiten, 1x (höchsten 2x) die Woche, bringt das etwas?

Ich weiss von Tagesstätten Angeboten für psychisch beeinträchtigte, jedoch ist die Stelle in meiner Nähe wohl berüchtigt für Drogen usw. Kein Umfeld für mich.

Ich weiss von Selbsthilfegruppen, habe ich schon mehrfach ausprobiert, fühlte mich dort immer sehr unwohl, obwohl die Leute total nett waren. Irgendwie hab ich ein Problem mit Gruppen, ich fühle mich da total fehl am Platz und dass keiner mich leiden kann und ich nur störe. Nach Monaten kannte ich niemanden dort, hatte mit niemandem gesprochen und auch in der Gruppe kaum etwas gesagt.

Ich weiss von dem ambulanten sozialen Dienst (ambulant betreutes Wohnen) jedoch bin ich da skeptisch, das ist mir potentiell zu sehr Einmischung in mein Leben. Ich habe Bedenken, dass ich dann beim sozialen Dienst zu viel unter Beobachtung stehe und Berichte an Krankenkasse, Arzt, Therapeut usw schicken und vielleicht meine Betreuung ausweiten wollen, wenn ich nicht „spure“.


Ja wie man sieht ist es nicht einfach mit mir – dies will ich nicht, jenes will ich nicht. Ich sabotiere mich selbst. Schwer in der Depression drin, aber auch im Moment unfähig etwas an meinem Leben zu ändern.

Vielleicht hat jemand Tipps oder Erfahrungen.

Danke und liebe Grüsse
Hobbes
Salvatore
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Re: Unterstützung um zum "funktionalen" Depressiven zu werd

Beitrag von Salvatore »

-Hobbes- hat geschrieben:Ich bräuchte da bei jedem Punkt Unterstützung, teils massiv, weil kein Antrieb mehr von „Innen“ kommt, müsste wohl von „Außen“ kommen.
-Hobbes- hat geschrieben:- Haushalt, Da bräuchte ich jemanden der antreibt und anleitet
-Hobbes- hat geschrieben:Für Bewegung bräuchte ich jemanden, der antreibt
-Hobbes- hat geschrieben:Am besten hier wären Freunde, die [...] auch oft die Initiative übernehmen.
...sind die Wünsche, und dann:
-Hobbes- hat geschrieben:jedoch bin ich da skeptisch, das ist mir potentiell zu sehr Einmischung in mein Leben
:lol:

Und Lachsmiley nur, weil du das selber schon erkannt hast:
-Hobbes- hat geschrieben:Ja wie man sieht ist es nicht einfach mit mir – dies will ich nicht, jenes will ich nicht.
Probier das doch aus mit dem ambulanten betreuten Wohnen. Wenn es nichts ist, dann lässt du es wieder. Die perfekte Lösung gibt es eh nie, also brauchst du auch gar nicht erst danach zu suchen. Das Kriterium sollte sein "gut genug".
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-Hobbes-
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Re: Unterstützung um zum "funktionalen" Depressiven zu werd

Beitrag von -Hobbes- »

Ja was ich meinte: Ich möchte ungern zuviel Einmischung von einer städtischen / staatlichen / amtlichen Stelle.

Therapeut haben ja die Schweigepflicht, wobei man da auch aufpassen muss, ob die es erstnehmen. Ich hatte mal einen Therapeut,der alles brühwarm meinen Eltern weitererzählt hat(ich war schon ü21)
Salvatore
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Re: Unterstützung um zum "funktionalen" Depressiven zu werd

Beitrag von Salvatore »

Sorry, dann verstehe ich leider nicht, was du dir vorstellst. Also schon doch ein:e Freund:in...? Und da siehst du dann weniger Probleme? Oder wie ist das zu verstehen? (Fände ich merkwürdig, denn dort würde ich einen ganzen Haufen mehr Probleme sehen.)
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-Hobbes-
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Re: Unterstützung um zum "funktionalen" Depressiven zu werd

Beitrag von -Hobbes- »

Ich muss noch mehr zum ambulant betreuten Wohnen recherchieren, vielleicht sind meine Befürchtungen auch übertrieben wie z.B. das eine freiwillige Betreuung in eine rechtliche übergehen kann, auch ohne Zustimmung des Betreuten.
Man findet hauptsächlich Berichte vom Hörensagen und bei den rechtlichen Regelungen blicke ich auch nicht so ganz durch.

Es wäre gut wenn ich die Kontakte zu Verwandten und Freunden wieder intensivieren könnte, doch irgendwie bin ich durch die Depression unausstehlich geworden. Sie macht mich permanent gereizt, schlecht gelaunt, lustlos und überfordert (Gehirn "schreit" dauernd : Lasst mich doch alle einfach in Ruhe!!) . Klar dass es dann nicht so gut läuft. Vielleicht kann ich dieses Verhalten in einer Therapie verbessern oder zumindest nicht so sehr nach aussen zu kehren.
-Hobbes-
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Re: Unterstützung um zum "funktionalen" Depressiven zu werd

Beitrag von -Hobbes- »

Also einen festen Freund habe ich nicht.

Freunde hab ich noch zwei aber da ist der Kontakt ziemlich wenig geworden, auch weil ich oft so lustlos und unzuverlässig bin und weil sie immer weniger Zeit und viel eigene Probleme haben.

Bei Freunden finde ich es keine Einmischung, wenn jemand die Initiative übernimmt. Ist ja auch /bzw sollte eine Beziehung auf Augenhöhe sein, nicht jemand der dem anderen vorschreibt, wie er sein Leben zu leben hat.
Peter1
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Re: Unterstützung um zum "funktionalen" Depressiven zu werd

Beitrag von Peter1 »

Hallo
Das ambulant betreute wohnen hat nichts mit rechtlicher Betreuung zu tun. Eine rechtliche Betreuung kann nur gegen deinen Willen eingerichtet werden, wenn du geistig nicht mehr in der Lage bist, dein Leben zu führen. Eine rechtliche Betreuerin handelt laut Gesetz in deinem Auftrag, und bestimmt nicht über dein Leben. Das Betreuungs Gesetz findest du, in leicht verständlicher Sprache unter BGB 1896.
peter
Ich wollte nie erwachsen sein, hab immer mich zur Wehr gesetzt. Von außen wurd ich hart wie Stein, und doch hat man mich oft verletzt (Nessaja P. Maffay=
-Hobbes-
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Re: Unterstützung um zum "funktionalen" Depressiven zu werd

Beitrag von -Hobbes- »

Danke.

(1a) Gegen den freien Willen des Volljährigen darf ein Betreuer nicht bestellt werden.

Also kann ein Betreuer nicht aufgezwungen werden, ausser man hat keinen freien Willen mehr?

"Die freie Willensbestimmung kann nur im Zustand der Bewusstlosigkeit oder „krankhafter [oder vorübergehender] Störung der Geistestätigkeit“ dauerhaft oder vorübergehend unmöglich sein"

Depression, auch chronische schwere, fällt m.E. nicht unter Störung der Geistestätigkeit.

Wurde da in den letzten Jahren etwas geändert, oder sind die Geschichten, wo ein Betreuer angeordnet wurde, aufgrund von angeblicher Selbst- oder Fremdgefährdung einfach nicht wahr?
DieNeue
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Re: Unterstützung um zum "funktionalen" Depressiven zu werd

Beitrag von DieNeue »

Hallo Hobbes,
-Hobbes- hat geschrieben: Ich weiss von dem ambulanten sozialen Dienst (ambulant betreutes Wohnen) jedoch bin ich da skeptisch, das ist mir potentiell zu sehr Einmischung in mein Leben. Ich habe Bedenken, dass ich dann beim sozialen Dienst zu viel unter Beobachtung stehe und Berichte an Krankenkasse, Arzt, Therapeut usw schicken und vielleicht meine Betreuung ausweiten wollen, wenn ich nicht „spure“.
-Hobbes- hat geschrieben:vielleicht sind meine Befürchtungen auch übertrieben wie z.B. das eine freiwillige Betreuung in eine rechtliche übergehen kann, auch ohne Zustimmung des Betreuten.
Ich habe auch das Ambulant betreute Wohnen und bin sehr zufrieden damit. Das, was du so an Zielen beschreibst, würde da sehr gut dazu passen.
Ja, deine Befürchtungen sind viiiel zu schlimm!! Die einzigen Berichte, die die Betreuerin schreibt, sind die an den Bezirk, wo das Betreute Wohnen beantragt und finanziert wird. Die brauchen die, damit überhaupt belegt ist, dass und wieviel Hilfe du benötigst. An Krankenkassen, Ärzte oder Therapeuten dürfen (!) die gar nicht schreiben! Ich wollte mal, dass meine Betreuerin für ein Gutachten einen Bericht über mich schreibt, aber das durfte sie nicht. Sie hat dann nur eine Bescheinigung ausgestellt, seit wann ich in Betreuung bin.

Die Betreuung kann auch nicht einfach so "umgewandelt" werden und man kann z.B. auch einen rechtlichen und einen ambulanten Betreuer haben. Kann verstehen, dass du Angst hast, dass wieder wer was nach außen trägt. Aber außer den Berichten an den Bezirk geht da nichts nach außen. Und selbst die schreibt meine Betreuerin mit so wenigen Details wie möglich. (Da steht dann z.B. nicht drin, wie oft du es schaffst zu duschen oder zu joggen o.ä., sondern viel allgemeiner.)
Wir besprechen den Bericht auch zusammen, ich darf auch noch was dazu schreiben (positives und negatives) und unterschreiben muss ich ihn auch. Da musst du echt keine Angst haben. Eine ambulante Betreuung musst du auch nirgends angeben und wenn die mit ihrem Privatauto zu dir kommen, sieht nicht mal dein Nachbar, wer das ist.

Vor paar Jahren hab ich hier mal was dazu geschrieben, vielleicht hilft dir das:
https://www.diskussionsforum-depression ... en#p525742" onclick="window.open(this.href);return false;" onclick="window.open(this.href);return false;
Wie es aktuell ist mit den ganzen Antragsmodalitäten, weiß ich nicht, ob sich da was geändert hat, da würde ich beim Sozialpsychiatrischen Dienst bei euch nachfragen.

Mir hilft das Betreute Wohnen sehr. Ich glaube, manche Dinge hätte ich allein durch eine Therapie gar nicht lernen können. Durch das betreute Wohnen bin ich auch von meinen Eltern nicht so abhängig, das war mir sehr wichtig. Kann es dir echt nur empfehlen. Wichtig ist, genau wie beim Therapeuten, dass man menschlich zusammenpasst und die Chemie stimmt. Und wie Salvatore sagt: Wenn es nichts für dich ist, kündigst du es wieder und fertig, oder suchst dir einen anderen Betreuer, der besser passt.

Liebe Grüße,
DieNeue

P.s. Unsere Beiträge haben sich überschnitten... was bzgl. einer rechtlichen Betreuung bei Selbst- und Fremdgefährdung passiert, weiß ich nicht. Aber ich würde deine Befürchtungen, was das angeht, bei einem potenziellen ambulanten Betreuer (man hat da am Anfang erstmal ein Kennenlerngespräch) ansprechen und je nachdem, wieviel Verständnis der da für dich hat und wie er damit umgeht, überlegen, ob du mit dem zusammenarbeiten möchtest oder nicht. Ein ambulanter Betreuer ist in erster Linie für DICH da und auf DEINER Seite (nicht auf der von Kasse, Ärzten, Therapeuten, Behörden oder sonst wem) und wenn dieser Punkt für dich so wichtig ist, dann ist es gut, wenn man von Anfang an weiß, dass man bei dem Thema übereinstimmt.
-Hobbes-
Beiträge: 59
Registriert: 31. Aug 2017, 08:08

Re: Unterstützung um zum "funktionalen" Depressiven zu werd

Beitrag von -Hobbes- »

Vielen Dank, DieNeue für deinen ausführlichen, sehr hilfreichen Beitrag!
Das hört sich gut an.
Durch das betreute Wohnen bin ich auch von meinen Eltern nicht so abhängig, das war mir sehr wichtig.
Ja das wäre sehr gut, meine Mom ist nämlich sehr überbehütend und helikoptermässig und wundert sich nun warum ich so unselbständig bin. Wenn sie mir hilft ist das auch jedesmal ein Riesenstreß für beide Seiten.
darkprincess
Beiträge: 4
Registriert: 10. Jan 2021, 07:30

Re: Unterstützung um zum "funktionalen" Depressiven zu werd

Beitrag von darkprincess »

Was alternativ helfen könnte ist Routinen schaffen. Also jeden Tag um dieselbe Zeit dieselbe Routine abspulen. Egal was. Definier dir einen Katalog an Dingen die du rational betrachtet machen willst und notier dir dazu eine Zeit. Arbeite diesen Plan dann jeden Tag ab, auch wenn das am Anfang mit stärksten inneren Widerständen verbunden sein wird. Irgendwann läuft es aber automatisch ab.

Dinge die jeden Tag gleich sind erscheinen weniger diffus, besser greifbar, sind berechenbarer, machen dadurch weniger Angst und Sorgen - was den inneren Widerstand reduzieren kann der sich sonst automatisch einstellen würde.

Am stabilsten funktioniert das sowieso wenn man sich dabei nicht von anderen abhängig macht. Wenn einen ein anderer teilweise oder bei einem Aspekt davon unterstützen kann sollte man das nutzen, wenn so was nicht möglich oder verfügbar ist ist das aber auch nicht automatisch das Ende.

Wenn du dich zu irgendwas antreiben willst hilft es vielleicht auch, nebenbei ein Hörbüch anzuhören oder ein Video laufen zu lassen (falls möglich). Und dir letztere nur dann zu erlauben wenn du genau diese Tätigkeit machst. Dann musst du sie allein deshalb schon machen um zu erfahren wie es weitergeht.

Oder du belohnst dich. Oder veröffentlichst deine Fortschritte auf sozialen Medien, das soll manchen auch helfen. Vielleicht ist alles was du von anderen brauchst eine externe Validierung, dass sie deinen "Erfolg" anerkennen oder bemerken. Vielen reicht das schon.
-Hobbes-
Beiträge: 59
Registriert: 31. Aug 2017, 08:08

Re: Unterstützung um zum "funktionalen" Depressiven zu werd

Beitrag von -Hobbes- »

Kann grade mal wieder nicht schlafen.

Danke für den Beitrag, darkprincess.

Ja Routinen wären bestimmt gut, das einzige was bei mir im Moment automatisch abläuft, ist aufstehen, anziehen, Morgenroutine, Medikament nehmen mit einem Glas Wasser, dann PC an und meine Lesezeichen nach Neuigkeiten durchforsten. Dann Essen.

Ob sonst noch etwas läuft, ist fraglich, wenn kein Termin ansteht, passiert zu 95% nichts produktives oder ein richtiges Hobby, also weiter surfen, lostlos einen Film gucken oder lustlos ein PC Spiel spielen. Vieles, wie z.B Lesen musste ich schon längst aufgeben, kann mich null konzentrieren. Genervt sein, dass ich mich zu nichts aufraffen kann. Irgendwann abend essen.
Wenns spät genug ist und ich müde genug, Abendroutine und schlafen.

Beim Haushalt läuft auch nur Geschirrspülen und einräumen (mit Geschirrspüler als Single glücklicherweise sehr wenig Aufwand) und Müll rausbringen regelmässig.
Sollte hier mehr Routinen einbauen, jeden Tag etwas, denn so ein Putz-, Aufräum und Waschtag, wo man dann alles machen muss ist immer so eine Mammutaufgabe (besonders als Depressiver)

Den Hörbuchtipp oder Fortschritte veröffentlichen klingt auch nach guten Ideen.
Das hat mich auch an eine Idee aus einem Forum erinnert, die ich fast vergessen hatte Game-ify your life" - Erledigte Dinge als Aufgaben in einem Spiel, wo man dann im Level aufsteigt wie in einem RPG. Mal sehen, ob ich ein App oder Website dazu finde.
Philosophin
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Registriert: 26. Jan 2015, 12:42

Re: Unterstützung um zum "funktionalen" Depressiven zu werd

Beitrag von Philosophin »

Hallo Hobbes,

kann das sein, dass du zu sehr darauf wartest, mit deinen Vorsätzen anzufangen, weil erst jemand kommen soll, der dir hilft?
Was passiert, wenn du dir vornimmst, die Dinge heute mal alleine zu regeln. Nicht alles auf einmal, nur kleine Teilaufgaben (z.B. Staubsaugen, Schreibtisch aufräumen, eine Nachricht an eine Freundin/Freund schreiben, ein kurzer Spaziergang). Das lässt sich über den gesamten Tag verteilen mit vielen Stunden Pausen dazwischen.
Du bist erwachsen und nicht mehr von deiner Mutter abhängig. Ein ambulanter Betreuer würde dir in den genannten Punkten helfen, aber ist ja wieder so etwas wie eine Mutter, die dir erst sagen muss, was du tun sollst, damit du anfängst. Das Problem verlagert sich... ob das so sinnvoll ist, um eigenständig zu werden?

Die Frage, die sich mir stellt ist auch: Welchen höheren Nutzen hast du davon, wenn du selbstständiger oder funktionaler bist?
Oder gefällt dir die derzeitige Passivität und Abhängigkeit von anderen vielleicht viel lieber? (Das ist eine provokante Frage, deren Beantwortung viel Ehrlichkeit mit sich selbst verlangt und die du natürlich auch nicht hier beantworten musst.)

LG Philosophin
DieNeue
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Registriert: 16. Mai 2016, 22:12

Re: Unterstützung um zum "funktionalen" Depressiven zu werd

Beitrag von DieNeue »

Hallo Hobbes,
-Hobbes- hat geschrieben: Ja das wäre sehr gut, meine Mom ist nämlich sehr überbehütend und helikoptermässig und wundert sich nun warum ich so unselbständig bin. Wenn sie mir hilft ist das auch jedesmal ein Riesenstreß für beide Seiten.
Meine Eltern sind auch froh, dass ich das betreute Wohnen habe, es ist für sie auch eine Entlastung, meine Probleme nicht so direkt mitzubekommen. Durch die Betreuung kann ich einfach auch mit jemand neutralerem über meine Probleme reden. Auch über meine Rolle in der Familie, die Beziehung zu meinen Eltern oder darüber, dass ich mich zu sehr für alles verantwortlich fühle, habe ich schon mit meiner Betreuerin geredet. Darüber könnte ich mit meinen Eltern gar nicht reden, weil das dann unnötig in Streit ausarten würde. Und es ist voll gut, weil sie live im Alltag alles mitkriegt, einen auch im Alltag erlebt und einen dann irgendwann ganz gut einschätzen kann. Wichtig ist halt, dass man einen kompetenten Betreuer hat, aber das ist ja bei Ärzten und Therapeuten genauso.

Liebe Grüße,
DieNeue
-Hobbes-
Beiträge: 59
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Re: Unterstützung um zum "funktionalen" Depressiven zu werd

Beitrag von -Hobbes- »

Hallo Philosophin,
kann das sein, dass du zu sehr darauf wartest, mit deinen Vorsätzen anzufangen, weil erst jemand kommen soll, der dir hilft?
Ja das stimmt...ich brauche immer jemand der hinter mir steht und kontrolliert, sonst fange ich zu 99% gar nicht erst an. Denke mir auch oft, ich kann es nicht richtig und bin zu unfähig.

Ich habe in der Kindheit und Jugend nie gelernt selbständig zu werden, meine Eltern haben mir alles abgenommen, erlernte Hilflosigkeit nennt man das wohl?
Was passiert, wenn du dir vornimmst, die Dinge heute mal alleine zu regeln. Nicht alles auf einmal, nur kleine Teilaufgaben
Dann mache ich vielleicht eine kleine Sache und schiebe alles andere auf. Ich prokrastiniere nämlich total und dabei geht es mir immer ganz mies. Mache alles nur unter Druck auf die letzte Minute (wenn überhaupt).
Ein ambulanter Betreuer würde dir in den genannten Punkten helfen, aber ist ja wieder so etwas wie eine Mutter, die dir erst sagen muss, was du tun sollst, damit du anfängst. Das Problem verlagert sich... ob das so sinnvoll ist, um eigenständig zu
Ja stimmt, aber bevor meine Wohnung unvorzeigbar wird und ich auch sonst zu wenig auf mich und meine Gesundheit achte? Ich finde auch oft Unterlagen nicht mehr, wegwerfen und aufräumen schiebe ich immer ewig auf, s.O.
Welchen höheren Nutzen hast du davon, wenn du selbstständiger oder funktionaler bist?
Oder gefällt dir die derzeitige Passivität und Abhängigkeit von anderen vielleicht viel lieber? (
Passivität gefiel mir wohl als junger Mensch, da brauchte ich mich um nix kümmern ,konnte faul sein, brauchte keine Entscheidungen fällen. Abhängigkeit fand ich spätestens mit 20+ schlecht, aber das war eben der Preis für das Rund-um-Sorglos-Paket von Hotel Mama. Auch als ich schon ausgezogen war, nicht viel Änderung zum Hotel Mama. Es fällt mir auch schwer, mich gegen meine Mutter durchzusetzen, "Nein danke ich möchte keine Hilfe, das kann ich alleine."

Also erstens geht das nicht ewig so weiter, meine Mom lebt nicht ewig.
Zweitens erhoffe ich mir von mehr "Normalität" auch bessere Stimmung und weniger Depression. Ich wäre gerne unabhängig und selbstständig, ich bewundere immer andere, die alleine wohnen, alles alleine machen, nicht die Eltern/Familie entscheiden oder helfen lassen und trotzdem klappt es. Mein guter Freund hat das alles geschafft auch mit dominanten Eltern. Ich dagegen habe mich kaum weiterentwickelt.


Hallo DieNeue,

ja mit einer Person aus einer anderen Sichtweise über meine Probleme sprechen wäre sehr gut und ebenso die Entlastung. Jedoch über die Problematik "von einer Abhängigkeit in die nächste" muss ich noch gut nachdenken.


Viele Grüsse,
Hobbes
Meridian
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Registriert: 15. Dez 2019, 11:05

Re: Unterstützung um zum "funktionalen" Depressiven zu werd

Beitrag von Meridian »

Hallo Hobbes,

du hast ja in deinem Beitrag gefragt, ob eine Therapie hilfreich sein kann, die von dir genannten problematischen Punkte anzugehen, auch wenn sie nur 1 x in der Woche stattfindet.
Meine Antwort darauf: Ganz klar, das kann sie, wenn du wirklich etwas verändern willst und entsprechend motiviert bist, mitzuarbeiten.
Der Therapeut / die Therapeutin wird dich dabei unterstützen, das anzugehen und der wöchentliche Termin kann dir auch zusätzlich Struktur geben.
Dass ein Therapeut, ohne dass du ausdrücklich zustimmst, mit deinen Eltern spricht, das geht normalerweise überhaupt nicht und das könntest du ja auch direkt am Anfang klären, wenn du da eine schlechte Erfahrung gemacht hast.
Noch etwas aus meiner Sicht zu den Helikoptereltern:
Wenn du die Einmischung deiner Mutter in bestimmte Angelegenheiten nicht (mehr) willst, dann ist es wichtig, das anzusprechen und ganz klar zu äußern und dann konsequent dabei zu bleiben.
Das wird sonst nie eine Beziehung auf Augenhöhe werden, wenn es da weiterhin wechselseitige Abhängigkeiten gibt.
Ich denke aber, dass dich in diesem Prozess auch ein Therapeut gut unterstützen könnte.

LG, Meridian
Zuletzt geändert von Meridian am 11. Jan 2021, 16:36, insgesamt 1-mal geändert.
DieNeue
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Registriert: 16. Mai 2016, 22:12

Re: Unterstützung um zum "funktionalen" Depressiven zu werd

Beitrag von DieNeue »

Hallo Hobbes,

ja, man kann sich schon dran gewöhnen, dass immer jemand da ist. Aber ich muss sagen, dass es trotzdem was bringt, man kann ja mit der Zeit immer unabhängiger werden. So eine Betreuung muss ja keine Dauereinrichtung werden, sie kann ja auch eine Startunterstützung ins selbstständige Leben sein. Jeder hat da eine eigene Ausgangslage. Meine Betreuerin meinte mal, dass es für manche schon ein Erfolg ist, wenn sie in einem Jahr mal nicht in die Klinik müssen. Ich mache jetzt wesentlich mehr selbstständig als ganz am Anfang, kann vieles anwenden, was mir die Betreuerin beigebracht hat, brauche sie bei manchen Sachen gar nicht mehr. Ich glaube nicht, dass ich das alles alleine oder nur mit Hilfe meiner Eltern so hingekriegt hätte. Ich glaube, das hätte mich überfordert. Wünsche dir, dass du für dich die richtige Lösung findest!

Liebe Grüße,
DieNeue
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