Könnte mein Mann unter Depressionen leiden?

Antworten
Zilly
Beiträge: 2
Registriert: 11. Nov 2019, 10:10

Könnte mein Mann unter Depressionen leiden?

Beitrag von Zilly »

Hallo,
natürlich bin ich mir bewusst, dass hier niemand Ferndiagnosen erstellen kann. Aber ich wollte nun einfach mal zusammenfassen, was mir in letzter Zeit so im Kopf rumgeht, und vielleicht kommt meine Situation ja jemandem bekannt vor?
Mein Mann und ich sind Mitte Ende dreißig und haben zwei Kinder, die fünf und dreieinhalb Jahre alt sind. Die letzten Jahre waren durchaus stressig, die Kinder sind nah beieinander und wir haben ein Haus gebaut. Wir arbeiten beide, allerdings nicht Vollzeit.
In letzter Zeit hat sich vieles beruhigt. Wir sind in der neuen Stadt angekommen, die Kinder sind größer und selbstständiger und der Alltag ist eigentlich gut organisiert. Doch die Stimmung meines Mannes wird immer schlechter.
Er hatte schon immer Phasen, in denen er nicht gut drauf war. Er sagte dann immer "Wenn die Kinder erst älter sind ..." oder "Wenn das Haus erst fertig ist ...", aber sobald diese Sache eintraf, kam wieder etwas anderes, das ihn davon abhielt, glücklich zu sein. Im Moment ist es aber besonders schlimm. Er ist dünnhäutig und versteht alles als Angriff. Der normale Trotz, die Launen und Streitereien der Kinder machen ihn wahnsinnig, obwohl das, wie ich finde, total im Rahmen ist. Er sagt, es zerreißt ihn förmlich, wenn sie nicht hören oder mit ihm streiten. Dazu kommt, dass die Kinder momentan extrem auf mich bezogen sind und ihn oft zurückweisen: "Nein, Mama soll das machen." Ich denke, sie spüren seine Angespanntheit auch.
Er sagt, dass er sich eigentlich ständig zusammenreißen muss. Dass er nicht laut wird, nicht zusammenbricht.
Ich bin ein optimistischer, positiver Mensch und es fällt mir oft schwer ihn zu verstehen. Wir haben es doch eigentlich wirklich gut, haben tolle Kinder und interessante Jobs. Mir ist bewusst, dass das kein "Argument" ist, aber es fällt mir nicht immer leicht, das auch gefühlsmäßig nachzuvollziehen. Die Kinder werden so schnell groß, und ich möchte die Zeit mit ihnen genießen, möchte, dass sie in einer glücklichen, fröhlichen Atmosphäre aufwachsen dürfen. Ich bemühe mich sehr, ihnen das zu geben, aber leider führt das oft dazu, dass mein Mann mehr und mehr außerhalb des Familienlebens steht. Wenn ich seine Angespanntheit, seinen Stress und Ärger spüre, sage ich oft: "Zieh dich einfach ein bisschen zurück, geh in die Badewanne oder so." Das ist zum einen natürlich wirklich nett gemeint, aber zum anderen muss ich zugeben, dass ich damit auch mich und die Kinder vor seiner schlechten Stimmung schützen will.
Dann wiederum hat er immer wieder auch gute Phasen, oft im Sommer. Und er "funktioniert" sozusagen, geht zur Arbeit und beteiligt sich bei Ausflügen und Treffen mit Freunden. Aber immer wieder hängt diese schwarze Wolke über uns und ich habe das Gefühl, dass er wahnsinnig unglücklich ist.
Ich liebe ihn und möchte ihm so gern helfen, aber ich weiß nicht wie.
Danke fürs Lesen!
Viele Grüße
Zilly
Zilly
Beiträge: 2
Registriert: 11. Nov 2019, 10:10

Re: Könnte mein Mann unter Depressionen leiden?

Beitrag von Zilly »

Liebe(r) Bittermandel,

Vielen Dank für deine Antwort. Du hast recht, natürlich ist es mit den Kindern auch stressig und dazu kommt, dass er häufig krank ist. Ich habe eben nur das Gefühl, dass seine schlechte Stimmung tiefer geht. Die Reizbarkeit, Dünnhäutigkeit, dass er, jedes Mal wenn ich mit ihm darüber reden will, glaubt, ich wolle ihn angreifen. Er schläft schlecht und grübelt viel und macht sich Sorgen. Vielleicht ist es auch sowas wie ein Burnout?
Immerhin hat er jetzt mal einen Termin mit seinem Hausarzt vereinbart. Ich hoffe, dass er dann wirklich alles ehrlich anspricht.
Ich danke dir sehr für deine Hilfe! Hast du vielleicht noch einen Tipp, wie ich mich am besten ihm gegenüber verhalten kann? Ich kann es leider nicht verhindern, dass ich manchmal auch sauer und ungeduldig reagiere und ihm am liebsten sagen würde: "Jetzt reiß dich halt mal zusammen". Dass das nicht der richtige Weg ist, ist mir allerdings auch klar. Aber es geht ja nicht nur um mich, sondern auch um die Kinder, und manchmal mag ich nicht mehr verständnisvoll sein, wenn er so genervt und trübsinnig mit ihnen umgeht.
Liebe Grüße
Zilly
DieNeue
Beiträge: 5419
Registriert: 16. Mai 2016, 22:12

Re: Könnte mein Mann unter Depressionen leiden?

Beitrag von DieNeue »

Hallo Zilly,

ich bin Betroffene und hab dir mal einen Link rausgesucht: https://www.neurologen-und-psychiater-i ... -maennern/" onclick="window.open(this.href);return false;
Bei Männern können sich Depressionen auch in starker Gereiztheit ausdrücken. Aber auch von mir selbst kenne ich es, wenn ich ein bisschen in Stress gerate, dass ich sehr schnell gereizt bin. Dann braucht nur irgendwas nicht funktionieren oder im blödesten Fall mich jemand auch nur irgendwie "in Frage stellen" und ich explodiere.
Kann das auch etwas nachempfinden, dass dein Mann sich angegriffen fühlt. Kann es sein, dass er auf der Arbeit oder wo anders ständig kritisiert oder in Frage gestellt wird? Oder wird er von anderen immer wieder nicht ernstgenommen?
Ich habe in den letzten Jahren oft die Erfahrung gemacht, dass ich viel gefragt wurde (Therapeuten, Ärzte, Ämter usw.) und man mich oft nicht ernstgenommen hat, mir nicht geglaubt hat, obwohl es dafür keinen Grund gab und gefühlt alle wussten, was das Beste für mich ist, ohne mich gefragt zu haben. Es war oft das Gegenteil vom Besten und wenn ich das geäußert habe, wurde ich kritisiert, man hat mich wieder nicht ernstgenommen usw. Im Prinzip konnte ich sagen, was ich wollte, es hat keinen interessiert.
Irgendwann habe ich gemerkt, dass ich dadurch extrem empfindlich geworden bin auf Fragen und wenn ich das Gefühl habe, dass mich jemand nicht ganz ernst nimmt. Da fühle ich mich dann auch extrem schnell angegriffen und das auch bei den harmlosesten Sachen.
Nur so als Beispiel:
Ich: Die Tür geht nicht auf.
Der andere: Hast dus schon probiert?
Ich: Ja.
Der andere drückt die Klinke runter und stellt fest, dass sie tatsächlich nicht aufgeht. Da flippe ich dann aus, denn dass die Tür nicht aufgeht, hab ich ihm ja gesagt, warum muss er das dann nochmal prüfen, nur um festzustellen, dass ich Recht hatte? Bin ich nicht glaubwürdig oder was?
Merkst du die Dimension? ;)

Andere Frage zu dem Thema: Wie oft sprichst du ihn drauf an bzw. willst du mit ihm darüber reden? Und was sagst du ihm dann?
Wenn ihr miteinander drüber redet, sollte meiner Meinung nach nicht die Botschaft rüberkommen "DU bist das Problem". Du beschreibst ja selbst, dass es schon so eine Art zwei Fronten bei euch entstehen: er, und du und die Kinder. Das Problem ist ja aber nicht er an sich, sondern die Depression oder was auch immer ihn sich so verhalten lässt, wie er sich verhält.
Ich denke, es ist wichtig, dass er nicht das Gefühl bekommt, dass er nur noch der Störfaktor ist.
Es ist jetzt nur eine Kleinigkeit, aber was ich auch niemals sagen würde, ist, dass du die Kinder vor ihm "schützen" musst. Das Wort wird hier viel gebraucht, in dem Sinne, dass man sich schützen muss, nicht selbst mit runtergezogen zu werden von der schlechten Stimmung des Depressiven u.ä. Ich weiß, wie es gemeint ist, ich versuche mich selbst ja auch von negativen Dingen abzugrenzen, aber wenn man als Betroffener ins Gesicht gesagt bekommt, jemand muss sich vor einem schützen, dann fühlt sich das richtig beschissen an. Ich bin schließlich kein Monster oder gewalttätig. Und solange er das nicht ist, würde ich diesen Wortlaut vermeiden, selbst wenn du es so empfinden solltest.

Ich finde es gut, dass er zum Arzt geht und hoffe auch, dass er da alles ehrlich sagt. Wie Bittermandel schreibt, kann es wirklich auch nur die Schilddrüse sein.
Du sagst auch, dass es im Sommer besser ist. Die Dunkelheit im Herbst/Winter kann gut auf das Gemüt schlagen. Nennt sich dann saisonale Depression. Da können auch Tageslichtlampen helfen, vor die man sich eine Zeit lang am Tag setzt, z.B. am Frühstück.

Ich bin durch die Depression extrem reizempfindlich geworden, vor allem bei Geräuschen, d.h. laute oder viele Geräusche, aber auch leise penetrante Geräusche machen mich total fertig. Wenn ich da am Anschlag bin, braucht mich auch niemand mehr ansprechen. Da motz ich nur noch, weil ich gar nicht mehr anders kann, es ist alles zu viel, jede kleinste Frage, jede Antwort, die man sich überlegen soll, da kann ich einfach nicht mehr denken... Wenn ich da nach einem Arbeitstag nach Hause kommen würde und zuhause auch noch lauter Eindrücke verarbeiten müsste, ich denke, ich wäre da auch schnell gereizt.
Bei mir hilft da nur absolute Ruhe und Dunkelheit, also möglichst keine Reize von außen. Rollos runter, Licht aus, ins Bett kuscheln. Oder unterwegs Ohropax rein, Augen zu und vielleicht in nen Schal oder die Jacke reinkuscheln.

Es wundert mich etwas, dass es für manche so schwer nachzuvollziehen ist, dass äußere Faktoren wie ein Haus, eine glückliche Familie usw. keine Garantie dafür sind, dass man glücklich ist. Für mich hängt das nicht so automatisch zusammen. Oft hört man ja, dass in den ärmsten Ländern die Menschen am zufriedensten sind.
Manchmal ist es auch so, dass man sich jahrelang auf irgendwas freut und darauf hinarbeitet, dann ist es da - und man fällt in ein Loch. Vielleicht weil Vorfreude doch die schönste Freude ist, vielleicht weil plötzlich das Ziel weg ist und man kein neues hat? Oder man denkt, dann geht es einem besser, alle Probleme sind gelöst, aber die Probleme haben aber eine andere Ursache.

Ich hoffe, ich konnte dir ein bisschen helfen. Wünsch dir und deiner Familie alles Gute!

Liebe Grüße,
DieNeue
Waldbär
Beiträge: 120
Registriert: 1. Mär 2018, 09:38

Re: Könnte mein Mann unter Depressionen leiden?

Beitrag von Waldbär »

Bittermandel hat geschrieben:
Ich finde es das dein [Mann] zum Arzt geht...
Wenn er beim Arzt [war]wisst ihr dann auch mehr.
Hallo,

unbedingt mit dem Mann zum Arzt gehen. Vorerst wäre der Hausarzt ein guter Erstansprechpartner, es ist aber auch möglich in die psychiatrische Ambulanz oder zu einem niedergelassenen Psychiater zu gehen.

Bei Depressionen ist keine Zeit zu verlieren und unbedingt ärztliche Hilfe und Rat einzuholen.
Bittchen
Beiträge: 5430
Registriert: 2. Feb 2013, 18:02

Re: Könnte mein Mann unter Depressionen leiden?

Beitrag von Bittchen »

Liebe Zilly,

DieNeue hat ja sehr gut die Gefühle und Gedanken geschildert ,die während einer depressiven Episode auftreten können.
Der Satz "Reiß dich Mal zusammen"ist wenn es sich wirklich um eine depressive Störung handelt,
eher kontraproduktiv.
Stress in jeder Form,psychisch oder physisch, kann oft ein auslösender Faktor für eine depressive Störung sein.
Kann auch Burnout (Überlastung) genannt werden,für mich ist das auch eine Depression,hört sich aber besser an.
Aber ich bin kein Arzt und kann nur mein laienhaftes Wissen hier weiter geben.

Da kann Ruhe und an sich selber denken, auch schon sehr viel bewirken.
Der Hausbau,Beruf und Familie mit Kindern, birgt ja sehr wenig Platz für Entspannung.
Ein Rehaantrag wäre da auch in Erwägung zu ziehen.
Eine echte Diagnose kann aber nur ein Arzt stellen,der erste Weg wäre da zum Hausarzt gehen, um wie schon Bittermandel meinte,alle körperlichen Möglichkeiten auszuschließen.
Ein ehrliches Gespräch unter Eheleuten kann deinem Mann helfen einzusehen,dass was falsch läuft.
Ob das Verhalten deines Mannes behandlungsbedürftig ist, kann aber nur ein medizinischer Profi feststellen.

Liebe Grüße
Bittchen

PS.In einem Punkt gebe ich der DieNeue besonders recht.
Wenn der Begriff "schützen " fallen würde,wäre ich auch sehr verletzt.
Außer es würde sich um häusliche Gewalt handeln,was ja ein ganz anderes und auch sehr sensibles Thema ist .
Jeder Tag ist ein neuer Anfang.
Antworten