Die Vermessung der Psychiatrie,ein Buch wirft Fragen auf.

yellohmellow
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Re: Die Vermessung der Psychiatrie,ein Buch wirft Fragen auf

Beitrag von yellohmellow »

Nico Niedermeier hat geschrieben: Übrigens ist die Arbeit der Stiftung eine beinahe rein-sozialpsychiatrische..nahezu alle Projekte dienen dem Wissenstransfer, dem Empowerment von Betroffenen, nichtmedikamentösen Verfahren(Schlafentzug, Selbsthilfeprogramme im Internet) usw. Pharmaforschung gibt es keine!
Mich hat das auch positiv überrascht beim Leipziger Kongress im September, weit und breit waren keine Pharmabroschüren zu finden, obwohl es in Fluren des Gewandhauses nicht an Informationsmaterial mangelte. Das kenne ich von ähnlichen Veranstaltungen anders, z.B. der regionalen Woche der seelischen Gesundheit, wo wir uns mit unserer Selbsthilfegruppe jährlich einmal in der Stadthalle vorstellen. Da wimmelt es nach wie vor von Pharmafirmen bei den Ausstellern.

LG yellohmellow
gvman
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Registriert: 20. Okt 2015, 10:35

Re: Die Vermessung der Psychiatrie,ein Buch wirft Fragen auf

Beitrag von gvman »

Auch auf die Gefahr, dass ich mich jetzt unbeliebt mache... Ich glaube, dass es in einer Welt/in dieser Utopie ohne Ausbeutung, Misshandlung etc psychische (und andere) Krankheiten weiter geben wird.. D.h. nicht, dass ich mir diese Welt nicht wünschen würde..Wir sollten uns beharrlich dafür einsetzen, damit sich wenigstens die Rahmenbedingungen für uns Erkrankte weiter verbessern und diese Faktoren, die uns zusätzlich Schaden zufügen und die Erkrankungen verschlimmern, vermieden werden.. LGr und einen schönen Restsonntag..
GiseEli
Beiträge: 396
Registriert: 9. Sep 2018, 11:20

Re: Die Vermessung der Psychiatrie,ein Buch wirft Fragen auf

Beitrag von GiseEli »

Liebe yellowmellow,
lieber gvman,

natürlich und selbstredend ist es eine Utopie, von idealen Bedingungen in Gesellschaften auszugehen.
Es wird immer Ungerechtigkeiten und Ungleichheiten geben.

Aber es ist doch gut, wenn wir Menschen auch sozialkritisch denken können, und durchaus
Seelische und andere Erkrankungen auch im Focus der Gesamtgesellschaftlichen Situation sehen können.

Raus aus der Personifizierungs_Masche, in dem Sinne, wer erkrankt, ist selber Schuld.
So als würden Erkrankungen im luftleeren Raum entstehen, und nur das Individuum sie hierfür verantwortlich.

gvman, du machst dich doch nicht unbeliebt, wenn du darauf hinweist, dass wir alle uns weiterhin dafür einsetzten sollten, die Rahmenbedingungen für Menschen mit Erkrankungen zu verbessern.

Es nutzt nichts, nur politisch rumzuschwafeln, sich dann danach bequem auf die Couch zu setzen und zu meinen, man habe nun alles getan für eine bessere Welt.

Es gibt viele, sehr viele Möglichkeiten , sich auch real einzusetzen.

In den 13 Jahren, in denen ich meine alterspsychotische und demente Mutter intensiv betreut habe, habe ich hunderte von Gesprächen in Krankenhäusern, in der Pflege, im Betreuten Wohnen, mit den Ärzten geführt, um ihre Paranoia ein wenig verständlicher zu machen und um auf Menschlichkeit zu plädieren.

Auch haben wir hier in der Nachbarschaft uns für eine schwerst seelisch erkrankte Frau eingesetzt, welche nur noch eine Betreuerin hatte. Die schrie jede Nacht den Stadtteil zusammen.
Nun endlich darf sie in einer psychiatrischen Einrichtung leben, und wird hoffentlich seelisch gut betreut.

Nicht weggucken, auch handeln.
Nicht nur innerhalb der eigenen Familie.

Ich denke einmal, ein Jeder hier, eine Jede von uns , hat seine Ecken, wo er, sie sich für Menschen mit Seelischen Störungen einsetzt.
Nicht nur für sich selber.


Ich hoffe, mein Beitrag ist noch am Thema.

Grüße
GiseEli
Jeder, der sich die Fähigkeit erhält,
Schönes zu erkennen,
wird nie alt werden.


Franz Kafka
yellohmellow
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Re: Die Vermessung der Psychiatrie,ein Buch wirft Fragen auf

Beitrag von yellohmellow »

GiseEli hat geschrieben: Es wird immer Ungerechtigkeiten und Ungleichheiten geben.

GiseEli
Liebe GiseEli,

Ich hatte ja bereits Ernst Bloch und sein „Prinzip Hoffnung“ erwähnt. Dein Statement kann mich deshalb nicht wirklich befriedigen.

Meine Seele sehnt sich nach einer Welt ohne diese schlimmen Dinge. Diese Dinge haben mich und viele andere krank gemacht. Soll das wirklich immer so bleiben??

Ich habe die Hoffnung, daß eines Tages Ungerechtigkeiten und Unterdrückung Vergangenheit sind, nicht aufgegeben, auch wenn wir noch so weit davon entfernt sind.

Auch Utopien werden real, immer wieder. Wenn jemand z.B. plant, ein Haus zu bauen, ist das erstmal nur ein Gedanke, eine Vorstellung. Aber es bleibt nicht dabei, wenn er anfängt, den Gedanken immer weiter zu entwickeln, wird aus der gedanklichen Utopie irgendwann das fertige Haus.

LG yellohmellow
anna54
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Registriert: 14. Sep 2010, 15:08

Re: Die Vermessung der Psychiatrie,ein Buch wirft Fragen auf

Beitrag von anna54 »

Hallo zusammen
Herr Dr. Niedermeier
ich habe also ein politisches Buch gelesen,das glaube ich nicht.
Ich kann Ihnen noch heute Einrichtungen der Psychiatrie zeigen,die sind mit Stacheldraht eingezäunt,heute und in Zukunft.
Sobald es meine Zeit erlaubt,werde ich mich hier wieder einbringen.
Wer seit 30Jahren eine psychotische Schwester eng betreut und durch alle Psychiatrien weit und breit gegangen ist und noch geht,wer im Trialog mitarbeitet und im politischen Umfeld sich für die Rechte von Psychiatriepatienten einsetzt,der weiß,wovon er hier schreibt.
anna54
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