Erfahrungsaustausch chronische Depressionen

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Männicke
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Registriert: 5. Jul 2019, 21:08

Erfahrungsaustausch chronische Depressionen

Beitrag von Männicke »

Hallo Community, würde sehr gern mit menschen in Kontakt treten, die, wie ich, unter chronischen Depressionen leiden. Nach der 4. Episode, die immer schlimmer wurden, habe ich die Gewissheit, dass ich unter einer chronischen Depression leide mal mehr oder mal weniger. Bin nun in den Ruhestand versetzt worden (Beamter) und kann nun endlich lernen, mit der Krankheit umzugehen. Würde mich freuen, hier ein paar "Gleichgesinnte" zu treffen und in Erfahrungsaustausch zu treten.

Liebe Grüße von Silvio
Wolkenvorhang
Beiträge: 100
Registriert: 1. Jul 2019, 14:17

Re: Erfahrungsaustausch chronische Depressionen

Beitrag von Wolkenvorhang »

Hallo Silvio,

erstmal herzlich willkommen hier im Forum.
Du schreibst von einer 4. Episode die schlimmer war.
Wie genau hat sich das geäußert? Warst du schon mal stationär in Therapie?
Wie alt bist du und wann war die 1. Episode?

Lg Wolkenvorhang
:hello: :idea: :ugeek: :?:
Männicke
Beiträge: 22
Registriert: 5. Jul 2019, 21:08

Re: Erfahrungsaustausch chronische Depressionen

Beitrag von Männicke »

Hallo Wolkenvorhang,

ich bin 53 Jahre alt. Das mit mir etwas nicht stimmte merkte ich schon im Jugendalter. Gewalterfahrung hatte ich mit meinem Vater. Da war ich im 3. Schulbesuchsjahr, also mit 9 oder 10. Er hatte mich an einem Nachmittag wegen einer Lappalie schwer misshandelt, getreten und geschlagen obwohl ich schon am Boden lag. Meine Mutter war nicht zu Hause. Ich entwickelte Ängste vor ihm, die mich mein Leben lang begleiteten. Selbstbewusstsein war kaum vorhanden. Trotzdem konnte ich Lehramt studieren und unterrichten. Mit Unterbrechungen (Episoden) ca. 25 Jahre lang. Das so recht und schlecht aber es ging irgendwie. Die erste Episode war um das Jahr 2000. Dann wohl 2010, 2015, 2018, immer mit KH Aufenthalt. Entlassen wurde ich nach 15 Wochen erst. Mir ging es aber immer noch schlecht und ich hatte nicht das Gefühl, dass sich mein Zustand bessert. Jetzt, nach einem halben Jahr, kann ich von einer gewissen Stabilität sprechen aber es gibt Tage, an denen ich froh bin, nicht mehr arbeiten zu müssen. Ich habe eigentlich alles, eine stabile Partnerschaft, gute familiäre Bindungen, Haus, Hof, Garten, Tiere usw.. Da dürfte man doch zufrieden sein oder? Aber was ist es, dass mich ständig antriebsarm sein lässt. Gut funktionieren kann ich. Ich habe schon immer versucht zu umspielen und die depressiven Schübe mir nicht anmerken zu lassen.

LG Silvio
Wolkenvorhang
Beiträge: 100
Registriert: 1. Jul 2019, 14:17

Re: Erfahrungsaustausch chronische Depressionen

Beitrag von Wolkenvorhang »

Hallo Silvio,

was du beschreibst könnte auf eine posttraumatische Belastungsstörung hindeuten...wenngleich ich denke, dass du durch die häufigen Kranken-Klinikaufenthalte bestimmt schon dahingehend untersucht / therapiert worden bist.
Zudem hast du es ja auch geschafft Dir ein normales / stabiles Leben mit allen wichtigen Säulen aufzubauen. Das empfinde ich als Grundstock schon mal sehr wichtig.
Nimmst du denn aktuell Medikamente?
Warum es dich / uns immer wieder in diese depressiven Episoden zurück wirft kann ich dir so konkret nicht sagen. Wenn ich es wüsste wäre ich schon ein ganzes Stück weiter.
Abgesehen von den traumatischen Erfahrungen in deiner Kindheit...gibt es die genetische Komponente auch?
:hello: :idea: :ugeek: :?:
ßßßß

Re: Erfahrungsaustausch chronische Depressionen

Beitrag von ßßßß »

@wolkenvorhang

" dass du durch die häufigen Kranken-Klinikaufenthalte bestimmt schon dahingehend untersucht / therapiert worden bist"
darauf würde ich nicht setzen. Deswegen ist dein Hinweis auch so wichtig. Ich habe dutzende Ärzte und 100 Psychotherapeuten durch bis ich auf eine fähige Ärztin gestoßen bin, die mir endlich mal was von Trauma Typen I, II und III erzählt hat.
Wolkenvorhang
Beiträge: 100
Registriert: 1. Jul 2019, 14:17

Re: Erfahrungsaustausch chronische Depressionen

Beitrag von Wolkenvorhang »

Was meinst du damit mein Hinweis sei so wichtig?
So ganz erschließt sich mir nicht, dass bis dato noch keiner drauf gestoßen ist....
Familienanamnese ist ja mit das wichtigste...
Die unterschiedlichen Typen kenne ich leider nicht näher...
Zumindest scheinst du ja aktuell gut aufgehoben zu sein...
:hello: :idea: :ugeek: :?:
Gertrud Star
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Re: Erfahrungsaustausch chronische Depressionen

Beitrag von Gertrud Star »

Hallo,
ich gehöre auch in die genannte Altersgruppe. Bin weiblich. Als ich zum ersten mal zum Psychiater und Psychologen kam, so Anfang der 90er, wurde sowas noch gar nicht diagnostiziert, oder äußerst selten.
Guckt mal, wie alt die Behandler waren, die uns damals behandelten, und von wann deren Ausbildung. Und welche Erziehungsmethoden viele der Behandler von damals wahrscheinlich selbst erlebt haben.
Dass da etwas mit Trauma diagnostiziert wurde, oder das ganze Krankheitsgeschehen mal afus Leben bezogen werden konnte (bei mir persönlich) - das hätte ich gerne erlebt.
Auch vor dem Hintergrund, welche Geschlechterrollen jemand auszuführen gehabt hätte, und wie Jungs oder Mädels so zu sein haben.
Damals waren die gesellschaftlich diskutierten Themen Mobbing und die Depressionen waren ganz neu, sprich die Aufklärung ging richtig erst los.
Von daher...
Gruß
ßßßß

Re: Erfahrungsaustausch chronische Depressionen

Beitrag von ßßßß »

@wolkenvorhang

"Was meinst du damit mein Hinweis sei so wichtig? "
dein Hinweis auf PTBS bzw Trauma ist für Männicke wichtig.
Wenn er davon nichts weiß kann er sich nicht informieren und auch nicht entsprechende Hilfe suchen. Vielleicht ist es bei Ihm ja nicht so, aber ohne es überprüft zu haben, kann das niemand sagen. Und wenn es so ist sind andere Behandlungen weniger bis gar nicht wirksam oder sogar von vornherein schädlich.

"Familienanamnese ist ja mit das wichtigste..."
Nein nicht unbedingt. Das gilt nur wenn die Probleme dort verortet sind.

"So ganz erschließt sich mir nicht, dass bis dato noch keiner drauf gestoßen ist...."
Zielfixierung.
DAS Problem von Ärzten aber auch in der Justiz. Deswegen habe ich auch was wenn man sich nicht an Begriffe hält. Wenn man sich auf ein Begriff/Thema eingeschossen hat ordnet man alles diesem unter. Das führt dazu das gegenteiliges oder Hinweis auf anderes nicht gesucht oder nicht beachtet/uminterpretiert werden, damit alles schön ins (vorgefasste) Bild passt.
Da sehe ich auch ein Problem, wenn zukünftig medizinisches Personal auf die gesamt E Akte zugreifen kann. Damit kommt die Brille. und es wird nicht mehr nachgedacht. Zumindest bei den meisten.

"Zumindest scheinst du ja aktuell gut aufgehoben zu sein..."
nein bin ich nicht. austherapiert. bei mir ist nichts mehr zu wollen. und experimentelles bekomme ich nicht.
Die Ärztin hat damals übrigens auch abgelehnt mangels Erfolgsaussichten.

"Die unterschiedlichen Typen kenne ich leider nicht näher..."
Ich vorher auch nicht. Es gibt verschiedenartige Einteilungen.
Was ich meine ist Typ I: das was in der allgemein Bevölkerung auch als Trauma gilt. ein einmaliges schwere Ereignis. das wird auch von Ärzten als psychisches Trauma anerkannt. Also sowas wie Erdbeben, Krieg, Vergewaltigung. Hier ist bei Trauma häufig eine PTBS die Folge.
Typ II: 'schwächere', dauerhaft Ereignisse. Gilt lt ICD nicht als psychisches Trauma. Vernachlässigung, Mobbing, aber auch prekäre Lebensumstände. Seltener PTBS eher Depression Angst, PS.
Typ III: ein Kombination aus I und II.Das ist behandlunsgtechnisch am schwierigsten.
Gertrud Star
Beiträge: 3441
Registriert: 30. Jun 2014, 19:09

Re: Erfahrungsaustausch chronische Depressionen

Beitrag von Gertrud Star »

http://www.icd-code.de/icd/code/F43.-.html" onclick="window.open(this.href);return false;

Da ich ja auch aus dem Osten stamme.
Irgendwie scheint auch eine Mischung aus verbaler Gewalt in der Kindheit, Kulturschock, Depression und ungeeigneten Lebensverhältnissen unter großen Belastungen nach der einschneidenden kulturellen Veränderung fast nicht therapierbar zu sein. So mein persönlicher Eindruck über viele Jahre, auch wenn man die gleiche Muttersprache hat, wie das Land, in das man dann kommt. Vor allem, wenn letztendlich viele der aktuellen belastenden Lebensumstände nicht abzustellen gehen.
Männicke
Beiträge: 22
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Re: Erfahrungsaustausch chronische Depressionen

Beitrag von Männicke »

Hallo, Ihr Lieben,

danke für die vielen Einträge. Also, bei mir kommt sicherlich Typ 1 in Frage nach der Gewalterfahrung mit meinem Vater. Dann muss ich eingestehen, dass vielleicht ein emotionales Auffangen meiner Mutter nicht möglich war, da sie auch an Depressionen litt und schließlich keine Karft mehr hatte, Neues auszuprobieren. Sie ist mit 75 gestorben. Jetzt begreife ich langsam woran. Zur Zeit nehme ich früh 75 mg Venlafaxin, abends 200 mg Quetiapin und nachts 15 mg Mirtazapin. Ich habe schon enorm reduziert und probiere weiter. Mein Artzt lässt mich da erstaunlicherweise selbst ausprobieren, wie viel mir gut tut (oder auch nicht :-)). Ich denke mal, die Depressive oder der Depressive, das kann es nicht geben, jeder hat seine eigene Geschichte und sein eigenes emotionales und gedankliches Eigenleben. Das macht es so schwer, zu therapieren denke ich mal.

LG Silvio
ßßßß

Re: Erfahrungsaustausch chronische Depressionen

Beitrag von ßßßß »

@männicke

"Mein Artzt lässt mich da erstaunlicherweise selbst ausprobieren, wie viel mir gut tut (oder auch nicht :-))"
so einen habe ich auch.Der macht zwar nicht alles mit, aber ist doch offener als alle anderen.
wen du wirklich Typ I für dich als möglich erachtest schau mal ob du eine spezifische Traumatherapie bekommen kannst.
Männicke
Beiträge: 22
Registriert: 5. Jul 2019, 21:08

Re: Erfahrungsaustausch chronische Depressionen

Beitrag von Männicke »

@ßßßß

das wäre mal eine Überlegung. Meine Psychotherapeutin ist weggezogen. Mal Kontakt aufnehmen, sie hat sicher eine Nachfolge. Meine letzte Sitzung war vor 2 Jahren. Vielleicht wird es mal wieder Zeit.
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