Hallo, möchte mich kurz vorstellen

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Rieke69
Beiträge: 3
Registriert: 22. Apr 2018, 22:49

Hallo, möchte mich kurz vorstellen

Beitrag von Rieke69 »

Hallo, ich habe mich ganz neu hier angemeldet und möchte mich kurz vorstellen, bevor ich mich in oder zu Beiträgen äußere. Erstmal grüße ich alle, die sich in diesem Forum befinden.
Ich heiße Ulrike, wohne in Düsseldorf, bin 48 Jahre alt und suche auf diesem Weg Kontakt mit Menschen, denen es ebenso geht wie mir, denen ich mich aber erstmal nicht immer erklären muss, sondern die wissen, was Depressionen sind und wie sehr einen das tagtäglich begleitet und beeinflusst, und ja, auch hemmt und regelrecht behindert.
Meine gesamte Lebensgeschichte würde hier den Rahmen sprengen, aber ich versuche es in Kurzform. Meine Mutter starb als ich 3 Jahre alt war, meine Geschwister waren 8 und 9. Mein Vater war Alkoholiker, in Folge einer Vergewaltigung seinerseits verstarb meine Mutter.
Ich wuchs bei meiner Oma in ärmlichen Verhältnissen auf, aber die finanziellen Defizite waren nicht das Schlimmste.
Ich versuchte immer, das Beste aus meinem Leben zu machen und etwas zu erreichen, vor allem, meine Oma stolz zu machen und allen zu zeigen, dass ich etwas schaffen kann und nicht nur das Kind eines verhassten Mannes bin. Machte eine verkürzte Lehre zur Anwaltsgehilfin, die ich mit Note1 bestand, danach fing ich bei einem Waschmittelkonzern in der Patentabteilung an, arbeitete mich im Laufe der Zeit bis zu einer gut bezahlten Management-Assistentin hoch.

Dann leider einen Mann geheiratet, für den ich vorher schon Schulden aus seiner ersten Ehe abgetragen und geregelt habe, Probleme mit der Tochter aus erster Ehe, es folgte noch einiges andere. Ich habe eigentlich immer nur von früh bis geackert, zudem noch den Haushalt etc. gemacht. Meistens erhielt ich in der Regel ca. 4 Stunden Schlaf in der Nacht.
Zudem lebten wir mit meiner Schwiegermutter unter einem Dach, zahlten das Gaus und alles andere. Diese Frau hat mich gehasst.
Ich weiß heute nicht mehr, wie ich das alles geschafft habe.
Im Mai 2012 verstarb mein Mann innerhalb von 4 Tagen. Ich verlor danach alles, vor allem mein zu Hause und meine Tiere. ich verlor jede Kraft, lebte 3 Jahre zurückgezogen im Keller des Hauses, welches inzwischen zwangsversteigert wurde. Die Erbstreitigkeiten mit der Tochter meines Mannes dauern weiter an, sowie auch andere Dinge.
Ich beantragte bei Gericht eine Betreuung, damit mir jemand hilft. Diese habe ich nach einiger Zeit wieder aufheben lassen.

Jetzt lebe ich in einer sehr kleinen Wohnung in einer unschönen und lauten Umgebung, fühle ich aber wenigstens innerhalb meiner 4 Wände irgendwie "sicher".
Aber alles außerhalb macht mir Probleme und mir fehlt jede Energie und auch eine innere Ruhe stellt sich nicht ein, mein Kopf hört Tag und Nacht nicht auf zu reden.
Und ständig Termine z.B. beim Jobcenter, wo alles hinterlegt ist, und trotzdem muss ich mich immer und immer wieder neu erklären. Aber wie macht man solchen Leuten klar, wie es einem geht, die sich nicht in eine solche Lage hineinversetzen können, weil man für diese nur eine Nummer ist und eine "faule" Person.
Ich habe das Gefühl, dass ich ein ganz anderer Mensch bin und nie wieder "normal" ticken werde. Was für andere Menschen normal ist, stellt sich für mich meist als Problem und Hindernis dar, weil mir das alles unendlich schwer fällt.
Ohne Medikamente ist für mich z.B. noch nicht einmal an einen einigermaßen erholten Schlaf zu denken, dabei wünsche ich mir so sehr, endlich mal wieder ausgeschlafen und frisch wach zu werden und den Tag anzupacken, aber ich bin ständig müde. erschöpft, ausgelaugt, todtraurig, fühle mich gehetzt und habe manchmal einen regelrechten Horror davor, überhaupt raus unter Leute zu gehen. Ich passe genau die Zeiten ab, wann am wenigsten los ist.
Ich könnte noch Stunden lang weiter schreien, aber ich denke, das reicht erstmal.
Ich freue mich auf einen Austausch mit Euch.
Ulrike
cinder89

Re: Hallo, möchte mich kurz vorstellen

Beitrag von cinder89 »

Hallo Ulrike,
Erstmal danke für deine Offenheit.
Es ist dir sicherlich nicht leicht gefallen, deine Lebensgeschichte hier nieder zu schreiben.
Du hast eine Menge mitgemacht und aushalten müssen.
Ich kann deine Frustration mit dem Jobcenter verstehen.
Ich habe ähnliches erlebt mit der Uni. Ich musste während meines Klinik Aufenthaltes dreimal dahin, vier Stunden Fahrt, weil sie saß Attest nicht anerkannt haben. Jedes Mal erklären. Das kostet viel Kraft. Gesunde Menschen verstehen oft gar nicht, dass man diese Kraft eigentlich nicht hat. Wie du schon sagst, man ist ständig erschöpft.

Ich wünsche dir alles Gute
Liebe Grüße
Neti84
Beiträge: 56
Registriert: 23. Sep 2017, 20:42

Re: Hallo, möchte mich kurz vorstellen

Beitrag von Neti84 »

Liebe Ulrike
Willkommen hier im Forum.
Was du erlebt hast, ist sehr schwierig. Ich an deiner Stelle wäre wohl in einer ähnlichen oder schlechteren Verfassung.
Du scheinst sehr clever zu sein. Bitte vergiss niemals, dass du es bis zur Anwaltsassistenz geschafft hast. Dies ist es, was in dir schlummert; durch all die schwierigen Ereignisse, Umstände und Depression kannst du dies ev im Moment nicht sehen; oder es ist vielleicht schwierig, daran zu glauben, dass in Zukunft, nicht während der Krankheit, etwas vergleichbares wieder möglich sein wird. Aber die Episoden gehen, mithilfe dir und Hilfe von Vertrauten und/oder Ärzten, vorbei!
Alles Gute
Peter1
Beiträge: 3399
Registriert: 15. Apr 2018, 12:06

Re: Hallo, möchte mich kurz vorstellen

Beitrag von Peter1 »

Hallo Ulrike
Auch ich habe Nov. 2016 eine Betreuung beantragt, die das Betreuungsgericht dann endlich im April 2017 beschloss. Seitdem hilft mir meine Betreuerin durch die Wirren des Lebens, und kämpft mit mir, wenn die Depressionen mich wieder einholen. Ich kann nicht mehr sagen, wie ich vor der Betreuung ohne sie klargekommen bin. Im Moment lebe ich wie ein "normaler" Mensch(dank Duloxetin) Auch für Dich kommen wieder bessere Tage !

Viele Grüße Peter1
Ich wollte nie erwachsen sein, hab immer mich zur Wehr gesetzt. Von außen wurd ich hart wie Stein, und doch hat man mich oft verletzt (Nessaja P. Maffay=
Rieke69
Beiträge: 3
Registriert: 22. Apr 2018, 22:49

Re: Hallo, möchte mich kurz vorstellen

Beitrag von Rieke69 »

Ich danke Euch für eure Feed Backs. Das Jobcenter legt mir immer die größten Steine in den Weg. Dort ist alles bekannt, aber immer wieder muss ich zu neuen Sachbearbeitern, die mir erstmal erzählen, dass ich alles tun muss, was die wollen, da ich auf Kosten der Allgemeinheit lebe, was so übrigens nicht stimmt. Ich erhalte inzwischen eine Witwenrente in Höhe von 700 Euro, lebe in einer sogenannten Bedarfsgemeinschaft, der insgesamt gerade mal 1200 zusteht, über die Hälfte finanziere ich also selber von meiner WR.
Das Schlimmste ist, dass diese Leute nicht wirklich geschult sind im Umgang mit Depressiven, keine Rücksicht nehmen und gar nicht verstehen, wie unendlich schwer es einem fällt, überhaupt die Wohnung zu verlassen. ich brauche Tage Zeit, um mich auf Termine einzustellen und mind. 3 Stunden, bevor ich überhaupt rausgehe, vorher gehe ich im Geiste jeden Schritt durch. Dann die Gespräche mit den desinteressierten Sachbearbeitern, die auch persönlich werden und einem sogar Vorwürfe machen. Oder nicht verstehen, dass auch die Beantwortung von Schreiben eine extrem schwierigge Sache ist, erst recht ohne Drucker etc. Und wenn man es geschafft hat, erhält man trotzdem Sanktionen und Geldabzug, weil die Briefe angeblich nicht angekommen sind. Und wieder ein Problem mehr, wieder Sorgen mehr, wieder Fristen mehr, wieder schreiben, und ich kann mich sowieso kaum auf eine Sache konzentrieren, weil da immer diese dunklen Wolken sind, die sich davorschieben und alles blockieren.
Dann rafft man sich auf, sucht sich einen neuen Arzt (war über 30 Jahre bei einem Hausarzt, der jetzt in Rente ist), und schon muss man Schweigepflichtsentbindungen unterzeichnen, obwohl man weder Zeit hatte, das nötige Vertrauen zu fassen, noch die ersten Ergebnisse überhaupt selber mitgeteilt bekommen hat.
Dann schreit der Amtsarzt des JB mich für mind. 6 Monate arbeitsunfähig, ich denke super, endlich 6 Monate, in denen ich mich ganz in Ruhe um meine Gesundheit kümmern kann.
Fehlanzeige ! Wieder und wieder sinnlose Termine beim JC. Durch seine Rechte blickt man auch nicht wirklich durch. Man erhält nur Druck. Und genau DEN kann ich nicht gebrauchen.
Für "normale" Menschen klingt das absurd, ich dachte ja früher auch, meine Güte, was sind denn Depressionen, Augen zu und durch. HEUTE weiß ich, wie das ist.
Was macht Ihr denn zB., wenn ihr zwar todmüde und erschöpft seit, ins Bett geht, aber dann keinen Schlaf findet, weil zig Themen und Bilder im Kopf und vor dem geistigen Auge erscheinen und dort tanzen, einfach keine Ruhe geben ???
Wenn ich das Haus verlasse, komme ich mir vor, als würde ich eine Maske aufsetzen, damit bloß niemand sieht, wie es mir wirklich geht. Bei geringfügigen Schlüsselwörtern breche ich unkontrolliert in Tränen aus.

Ich galt immer als starker, energiegeladener Mensch, aber ich denke genau deshalb haben andere und auch ich selber, mir viel zu viel zugemutet- Mein Akku ist leer, einfach aufgebraucht.
Manchmal muss ich nachdenken, wie ein Wort geschrieben wird, oder am Ende eines Satzes kenne ich den Anfang nicht mehr, dafür fallen mir ganz seltsame detaillierte Kleinigkeiten aus meiner Kindheit und Jugend ein und sei es das Rosenmuster auf der Schürze meiner Oma, oder dass meine Uroma kam, als meine Mutter ins Krankenhaus gebracht wurde, nachdem wir Kinder die blutigen Handtücher weggeräumt haben, dass meine Uroma Spiegeleier gemacht hat, ich mochte sie nicht, weil Glibber drauf war, esse ich bis heute so nicht.
Mir kam ein schreckliches, kleines Zimmer mit 3 Türen und einer Matratze in den Sinn. Ich fragte eine meiner Schwestern, die nie darüber reden wollten. Aber nachdem ich ihr das Zimmer und auch die Wohnung beschrieb, wusste ich, dass es das tatsächlich so gab. Dort hat meine Mutter uns weggesperrt, wenn mein betrunkener Vater tobte und randalierte, vor allem mich mitnehmen wollte.
Alle dachten, dass ich mit meinen 3 Jahren keine Erinnerung haben würde. So ist es aber nicht, alles kommt hoch, bildlicher und realer denn je,
Aber beim Amt zählt es auch nicht, dass ich trotzdem 25 Jahre lang Karriere gemacht und letztendlich Unmengen in die Staats- und Sozialkassen gespült habe. Jetzt werde ich dort wie ein Mensch 3. Klasse behandelt. Und man schämt sich doch irgendwie selber schon genug, weil man nicht leistungsfähig ist oder ?
Und ständig von Fremden so in die Mangel genommen zu werden, dass ich in Tränen ausbreche, ist ebenso furchtbar für mich.
Aber hier habe ich das Gefühl, da es Euch ähnlich geht, dass ich das nicht groß erklären oder entschuldigen muss und keine Rechenschaft darüber abgeben muss, wenn doch nur das entsprechende Gegenüber auch diesbezüglich fortgebildet wäre. Oder machen die einen Querschnittsgelähmten an, weil er die Treppen nicht schafft, wenn der Aufzug defekt ist ?
Ich möchte verstanden und respektiert werden, mich nicht immer nur schämen und noch unsicherer und ungerechter behandelt fühlen, möchte nicht als faul abgestempelt werden.
Früher habe ich gegen jedes Unrecht gekämpft, heute schaffe ich das einfach nicht mehr. Ich wünsche mir aber, dass man mich erstmal in meiner eigenen, kleinen, neuen Welt und neuem Leben, erstmal einfach nur zur Ruhe kommen lässt.
Wie erwähnt wohnte ich vorher in einer ruhigen, grünen Gegend, mitsamt Balkonen und Garten, der Düssel fast direkt vor der Haustüre, mein ganzes Leben lang.
Jetzt in einer kleinen Wohnung mit 1 Zimmer und einer Schlafnische in der 3. Etage ohne Balkon, Kneipen und Sishhabars in unmittelbarer Nähe und viel Verkehr, viel Lärm etc.
Der Lärm macht mir sehr zu schaffen, ich reagiere absolut genervt und gereizt, vor lauter hohen und nahestehenden Häusern sehe ich nicht direkt den Horizont und den Himmel, wie früher, alles ist grau, groß, laut, eingeschränkt, übervölkert, zu wenig Natur. Siese Freiheit fürs Auge und zum Durchatmen fehlt mir auch schrecklich.
Rieke69
Beiträge: 3
Registriert: 22. Apr 2018, 22:49

Re: Hallo, möchte mich kurz vorstellen

Beitrag von Rieke69 »

Ich kann Tagelang schweigen, stundenlang aus dem Fenster schauen, dabei komme ich mir immer vor, als würde ich unter einem Damokles-Schwert sitzen, welches jeder Zeit zustoßen könnte. Alles, was laut ist, bringt mich innerlich zur Weißglut und macht mich irre. Ich fühle mich meistens wie eine außerirdische oder wie eine Authistin, die in ihrer eigenen Welt lebt. Und ja, meine Welt ist sehr begrenzt, alles außerhalb dieser Grenzen macht mich unruhig und setzt mich unter fürchterlichen seelischen Druck.

Manchmal gehe ich ganz alleine nachts im Dunklen an den einzig nahegelegenen kleinen See, da kann ich atmen, werde so schnell nicht entdeckt, kann nachdenken, die Stille und Dunkelheit genießen, bin für mich und werde nicht angesprochen.
Und das einzig andere, woran ich mittlerweile Freude dran empfinde, sind alle möglichen Kleinigkeiten in Greenity, also knatschig apfelgrün. Sogar ein Fahrrad in dieser Farbe habe ich mir gegönnt, mir wurde erst später klar, dass ich ja eigentlich nicht auffallen möchte, das mit diesem Rad natürlich aber nicht geht. Egal, das ist das allererste Rad in meinem Leben, was ich mir ganz alleine ausgesucht habe und an dem einfach alles stimmt. Ich liebe es und es macht mich glücklich. In meiner Wohnung gibt es inzwischen überall solche Greenity-Farbkleckse, das hellt meine Stimmung auf.
Bittchen
Beiträge: 5430
Registriert: 2. Feb 2013, 18:02

Re: Hallo, möchte mich kurz vorstellen

Beitrag von Bittchen »

Liebe Rieke,

deine Lebensgeschichte ist tragisch und leider ist auch die Bürokratie durch das JC noch sehr belastend dabei.
Was ein Erbstreit bedeutet weiß ich sehr gut,durch eigene Erfahrung.
Es ist auch bei uns noch kein Ende in Sicht.
Mir macht es sehr zu schaffen,mit wie viel Hinterlist und Gier,selbst nahe Verwandte agieren können.
Du hast die typischen Gedanken und Einschränkungen ,die wir bei Depressionen aushalten müssen.
Da hilft nur ,die Hoffnung nicht aufgeben,sich Hilfe holen,wenn es sein muss auch in eine Klinik gehen.
Alles was du schreibst ist mir nicht unbekannt wenn es mir schlecht geht,aber es geht auch wieder vorbei.
Versuche in kleinen Schritten deinen Alltag aufrecht zu halten und auch nachts mal an einen See zu gehen ist eine positive Aktivität.
Auch Freude an Farben zu haben hört sich positiv an.
Es sind kleine Schritte in die richtige Richtung ,habe noch Geduld.
Wer so lange immer über seine Grenzen gegangen ist,braucht Zeit um sich wieder zu erholen.
Ich wünsche dir gute Besserung.

Liebe Grüße Bittchen
Jeder Tag ist ein neuer Anfang.
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