Wie kann ich ihm und mir helfen?

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Anjali1985
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Wie kann ich ihm und mir helfen?

Beitrag von Anjali1985 »

Hallo zusammen,

Ich bin neu hier und könnte ein wenig Unterstützung und Rat gebrauchen. Vielleicht mögt ihr euch ja mal meine (ziemlich lange) Situation anschauen und mir sagen, was ich tun kann.

Zu mir: Ich war selbst depressiv und wurde von 2009-2011 mit Medikamenten und tiefenpsychologischer Gesprächstherapie behandelt. Seither gelte ich als austherapiert und hatte auch keine Rückfälle. Die erlernten Strategien helfen mir ganz gut.

Aber: Mein Lebensgefährte ist gegenwärtig schwer klinisch depressiv. Wir sind seit etwa fünf Jahren zusammen. In diesen fünf Jahren hat sich für ihn viel verändert - er hat eine Ausbildung angefangen, die dann aber zugunsten eines späten Studiums (Informatik) aufgegeben. Außerdem ist er zu mir gezogen, was für ihn das Verlassen seiner Heimatstadt bedeutete. Da er insbesondere mit Mathe sehr zu kämpfen hat, verzögert sich sein Abschluss außerdem immer weiter, so dass ich zur Zeit alleine für unseren Lebensunterhalt aufkomme. Das macht ihm sehr zu schaffen, er kommt aus einer katholischen Kleinstadt und glaubt im tiefsten Inneren, der Mann müsse die Familie versorgen.

Er ist familiär vorbelastet; sowohl seine Mutter als auch seine Schwester sind depressiv und tun sich schwer damit, sich in eine vernünftige Behandlung zu begeben. Er hat selbst auch schon seit längerem immer wieder Phasen, in denen er nicht gut mit sich und der Welt zurechtkommt (das sind dann die Phasen, in denen plötzlich Inkassobriefe und Vollstreckungsbescheide bei uns landen, weil er immer als erstes den Überblick über die Rechnungen verliert). Er bekommt seit etwa vier Jahren Citalopram.

Seit etwa fünf Wochen steckt er jetzt in einem depressiven Tief, wie er es bisher nie hatte. Er erlebt sich selbst als fremd, sagt, er habe sich im Laufe der letzten Jahre zunehmend aus den Augen verloren. Er spricht plötzlich nicht mehr von "unserer" sondern von "meiner" Wohnung, weil ich nun mal derzeit halt die bin, die die Miete bezahlt. Er verbringt ganze Tage damit, Dinge zu entrümpeln und zu sortieren, was aus meiner Sicht zugleich Ersatzhandlung wie auch Ausdruck einer inneren Unruhe ist. Er schläft schlecht, isst fast nichts mehr. Seit Anfang April hat er rund 10 kg verloren (von ~93 auf ~83 kg). Durch die Tage kommt er derzeit mit Hilfe von Opipramol. Wir sind ein Paar, das immer extrem viel Körperkontakt hatte - zwar wenig Sex, auch wegen der Antidepressiva, aber wir haben jeden Tag stundenlang gekuschelt und uns ständig geküsst. Das ist weg. Nähe und Zärtlichkeit kann er quasi nicht mehr ertragen.

Mein Vater ist derzeit sein "behandelnder" Arzt - er ist Psychiater und verschreibt ihm die Medis, er führt auch Gespräche mit ihm, kann aber natürlich als Angehöriger keine Therapie durchführen. Von ihm hat er auch Kontaktdaten von anderen Therapeuten bekommen, er kann sich aber nicht dazu durchringen, da endlich was zu unternehmen.

Ich habe akut mehrere Probleme:
1) Ich mache mir Sorgen, dass er sich keine Hilfe holt und die Lage für immer so dramatisch bleibt. In den weit überwiegenden guten Zeiten ist er nämlich ein unglaublich toller, fürsorglicher Partner. Ich vermisse ihn sehr.
2) Ich kann nachvollziehen, wie er sich zur Zeit fühlt. Mir ging es zwar nie so dreckig wie ihm (ich habe rechtzeitig Hilfe bekommen), aber ich erlebe an mir zur Zeit sehr ähnliche Gedankenmuster wie damals - nur jetzt quasi aus der Perspektive "von außen", und das macht mir große Angst. Ich will nie wieder depressiv werden. (Für diesen Problemkomplex habe ich bereits Anfragen an Therapeuten gestellt, damit ich selbst auch unterstützt werde.)
3) Ich bin starr vor Angst, dass er mich verlassen könnte, seit er mir vor einer Woche sagte, dass er derzeit gar keine Liebe mehr empfinden könnte. (Ich weiß, dass das zu den Symptomen gehört, aber da ist so eine fiese Drecksstimme im Hinterkopf, deren Sätze alle mit "ja, aber was wenn....?" anfangen!)
4) Ich mache mir Sorgen ums Geld. Es sind jetzt bereits wieder mehrere böse Briefe hier eingetrudelt, über deren Inhalt er mich aber im Unklaren lässt.
5) Ich bin zuhause permanent angespannt und gehe wie auf Eiern, weil es ziemlich egal ist, was ich tue - es stört ihn sowieso. Er erträgt derzeit keine Menschen um sich, auch mich nur in kleinen Dosen. Ich versuche mich schon so oft wie möglich zu absentieren, aber ich bin hier eben auch zuhause, und da ich einen Teil meiner Arbeit von zuhause aus erledige, gestaltet sich das ziemlich problematisch.

Ich bin wütend, traurig, frustriert, hilflos, einsam.

Ja, ich habe gesunde Bewältigungsstrategien - ich treibe viel Sport, verbringe Zeit mit Freunden und im Wald etc., aber das reicht nicht. Wir brauchen Hilfe - beide.

Irgendwelche Ideen? Wie kann ich ihm - und damit auch uns - helfen?
neu-und-hilflos
Beiträge: 23
Registriert: 13. Mai 2017, 15:31

Re: Wie kann ich ihm und mir helfen?

Beitrag von neu-und-hilflos »

Hallo Anjali!
Ich habe deinen Beitrag gelesen, und mir geht es im Moment sehr ähnlich. Ich bin mit meinem Freund seit 6 Monaten zusammen, er ist auch vor etwa 5 Wochen in eine schwer dpressive Phase gefallen.
Mein Problem ist, dass ich bisher noch nie so nah mit einem Depressiven zu tun hatte und dass ich noch nicht so viele von seinen Verwandten und Freunden kenne. Ich kann also mit niemandem über ihn reden.
Da er auch Suizidgedanken äußert, habe ich mich an eine entsprechende Beratungsstelle gewandt. Das hat mir etwas geholfen.
Wir wohnen nicht zsammen, und ich habe auch große Angst, dass er mich nicht (mehr) sehen will.
Morgen hat er Geburtstag und ich sitze hier vor der Karte, und weiß nicht was ich schreiben soll...
Kann dir also leider garnicht helfen, aber ich schick dir einen lieben Gruß!
Juba
Beiträge: 15
Registriert: 8. Mai 2017, 20:14

Re: Wie kann ich ihm und mir helfen?

Beitrag von Juba »

Hallo ihr beiden,

ich habe hier zwar noch nicht viel geschrieben, aber sowohl hier als auch insgesamt viel gelesen.
Es geht ganz vielen genauso wie euch, das kann man ja auch hier immer wieder lesen. Leider bringt eine Depression auch immer wieder Themen wie Geld- und Existenzsorgen mit sich.
Wichtig ist, wie du Anjali geschrieben hast, sich selbst nicht zu verlieren. Ich nenne es meine eigenen Kraftquellen suchen. Das kann für jeden was anderes sein, eben das was ihm Freude macht. Ich lese gerne, gehe spazieren, treffe Freunde, trinke einen Kakao. Zuerst habe ich auch gedacht "jaja, Ablenkung, was wissen die Leute schon wies mir geht, das hilft mir eh nicht". Aber mittlerweile merke ich, wie mein Akku wieder aufgeladen wird. Es ist echt wichtig, dass man nicht selbst in einen trübsinnigen Strudel gleitet, was mir anfangs passiert ist. Man muss sich selbst Zeit nehmen um die schönen Seiten am Leben wahrzunehmen.
Auf der anderen Seite ist es meiner Meinung nach wichtig sich selbst Hilfe zu nehmen. Ich finde es gut, selbst mit einer Therapeutin zu reden. Eine professionelle Unterstützung und Zuhörerin zu haben tut mir unheimlich gut. Ich kann mich und auch meinen Freund viel besser verstehen.
Deshalb hast du Recht Anjali, ihr braucht beide Hilfe. Dass dein Freund die Medikamente von deinem Vater bekommt ist natürlich einerseits hilfreich, andererseits aber auch gar nicht. Denn einfach nur die ADs in sich reinzukippen bringt ja nichts. Vielleicht kannst du mit deinem Vater reden. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass mein Freund auf seinen Therapeuten noch immer am meisten "hört". Wenn dein Vater ihm sagt, dass er sich noch anderweitige Hilfe suchen muss, tut er es vielleicht eher.

Dass du Angst hast, er könne die verlassen, weil er sagt, er könne keine Liebe empfinden, verstehe ich nur zu gut. Auch mein Freund redet immer wieder von der Gefühllosigkeit, die für mich so schwer nachzuvollziehen ist. Da er aber doch oft auch sagt, dass es ihm gut getan hat, dass ich da war und dass er mich braucht, habe ich die feste Hoffnung, dass die richtige tiefe Liebe wiederkommt, wenn wir die Depression verjagt haben. Diese Leere und vielleicht auch Kälte verletzt, aber wenn du dir immer wieder sagst "Er ist krank. Das ist nicht er", kannst du es evtl etwas bekämpfen. Bei mir hilft es jedenfalls.

Leider kann dir wahrscheinlich nichts von alldem was ich geschrieben habe, wirklich helfen. Außer vielleicht das Wissen, dass es anderen auch so geht und du nicht alleine damit bist.

Ganz liebe Grüße
Löwenzähnchen
Beiträge: 30
Registriert: 29. Apr 2017, 14:19

Re: Wie kann ich ihm und mir helfen?

Beitrag von Löwenzähnchen »

Liebe Anjali,

bei meinem Mann war es so, dass das verordnete Medikament (Sertralin) zunächst sehr gut geholfen hat und plötzlich nicht mehr wirkte. Er bekam dann ein anderes und kam damit wieder aus der depressiven Phase raus. Unter Belastung gibt es trotzdem mal schlechte Tage (aktuell kämpfen wir mit dem bevorstehenden Klinikaufenthalt), aber keine richtig schlimme depressive Phase seit dem neuen Medikament. Vielleicht wirken die Medikamente nicht (ausreichend). Der Psychiater sagte uns wegen dem Medikamentenwechsel, dass er - sollte es nichts bringen - eine Einstellung mit Lithium im Krankenhaus empfehlen würde. Das wäre zwar wegen der Verträglichkeit nicht die erste Wahl, aber seiner Meinung nach das beste Medikament, das zur Verfügung steht. Vielleicht kannst Du das Thema mit Deinem Vater besprechen?

Ich wünsche Dir ganz viel Kraft! Liebe Grüße

Löwenzähnchen
Anjali1985
Beiträge: 11
Registriert: 14. Mai 2017, 22:42

Re: Wie kann ich ihm und mir helfen?

Beitrag von Anjali1985 »

Hallo zusammen,

Danke für die aufbauenden Antworten.

Ich hab mich evtl. missverständlich ausgedrückt. Mein Vater ist sehr darauf erpicht, dass er sich richtige Hilfe holt und drängt ihn immer wieder dazu.

Die gute Nachricht ist, er hat sich in der Zwischenzeit tatsächlich einen Termin bei einem Therapeuten geben lassen, den ihm mein Vater empfohlen hat.

Die schlechte Nachricht ist, er ist mir gegenüber immer noch extrem abweisend, niedergeschlagen, lässt sich quasi nicht anfassen.

Mir tut buchstäblich alles weh, weil ich ihn so sehr vermisse.

Ich habe "Kraftquellen", wie du geschrieben hast, Juba. Ich gehe sehr viel zum Sport, das hilft mir, den Kopf freizukriegen. Ich schlafe viel und unternehme sehr ausgedehnte Spaziergänge. Im Grunde organisiere ich mich weg, damit ich ihm nicht zu sehr auf die Pelle rücke. Aber ist das nun eine "Beziehung"?

Ich weiß, das ist die Krankheit... aber im Augenblick steht die schwarze Wolke zwischen uns, was sie nie zuvor getan hat.

Ich fühl mich so alleine. Ich möchte nur noch weinen, aber das erträgt er nicht, weil es ihn aggressiv macht und seine Schuld- und Minderwertigkeitsgefühle verstärkt. Also schluck ich alles runter, wie ein braves Mädchen... ich hoffe nur, dass ich bald eine Rückmeldung von meinen Therapieanfragen bekomme. :cry:
Juba
Beiträge: 15
Registriert: 8. Mai 2017, 20:14

Re: Wie kann ich ihm und mir helfen?

Beitrag von Juba »

Ohje!! Ich kann dich nur zu gut verstehen!
Genau die Frage "Ist das nun eine Beziehung?" habe ich mir sooft gestellt, bzw frage ich mich immer noch. Man fühlt sich selbst im Stich gelassen, weil man seine eigenen Probleme alleine regeln bzw mit anderen besprechen muss. Man möchte so gerne helfen und denkt "er muss mich doch da haben wollen, wenn es ihm so schlecht geht". Mir hat das anfangs immer wieder einen Stich versetzt, wenn er gesagt hat, er will alleine sein oder wenn er erst gar nicht ans Telefon gegangen ist. Ich habe mich ein bisschen damit arrangieren können und sage mir "das ist die Krankheit. das ist nicht er. Es wird wieder besser". Aber trotzdem fehlt einem die Liebe, Zuneigung, Wärme, Zärtlichkeit.. Ich kenne das Gefühl von Hilflosigkeit, sogar Verzweiflung.
Ich hab auch oft mit den Tränen zu kämpfen, manchmal kann ich sie auch bei ihm nicht zurückhalten, mittlerweile ist er nicht mehr böse, sondern sagt einfach resigniert "wein nicht. Ich weine schon genug".
Es deinem Freund nicht zu zeigen, wie fertig du bist, ist sicherlich auch die bessere Variante. Ich habe zu meinem Partner gesagt "mach dir um mich keine Sorgen. Ich passe auf mich auf, ich sorge für mich,mir geht es gut" Er sagt, das hat ihm sehr geholfen und beruhigt. Damit kann man auch schon vieles bewirken.
Das heißt aber nicht, dass du, wenn du alleine bist nicht mal weinen darfst. Oder bei einer Freundin... Man muss trotzdem drüber reden und seine Gefühle rauslassen, sonst bist du die nächste, die krank wird.

Dass er sich einen Therapeuten suchen will, ist doch sehr gut. Wenn es so akut ist, solltet ihr vielleicht auch in einer Ambulanz einer Klinik anfragen. Für dringende Fälle haben die oft eine Notfallsprechstunde.

Viele Grüße von einer Leidensgenossin
Anjali1985
Beiträge: 11
Registriert: 14. Mai 2017, 22:42

Re: Wie kann ich ihm und mir helfen?

Beitrag von Anjali1985 »

Kleines Update, weil ich den Druck einfach irgendwo loswerden muss.

Ich sehne mich nach dem Termin beim Psychologen, den er kommende Woche hat. Vielleicht kann der ihm helfen.

Im Moment sage ich mir mantra-artig, das ist nicht er, das ist die Krankheit, er ist gerade nicht da, aber es tut einfach so irre weh, wenn er morgens das Haus verlässt, über die Schulter ein "Tschüß" brummt und sich verdrückt, und ich steh da ungeküsst, ohne Umarmung, ohne alles.

Gestern hatte er seine erste Panikattacke, da durfte ich ihn dann doch mal aus dem Gedränge am Bahnhof rausholen, aber das ist die größte Nähe, die er derzeit zulässt.

So lange ich beschäftigt bin, ist alles okay, aber sobald ich nichts mehr zu tun habe, kommen die Gedanken und ich fühle mich wie eine einzige riesengroße Wunde.

In wenigen Wochen haben wir fünften Jahrestag.
micky2507
Beiträge: 62
Registriert: 25. Jan 2017, 21:43

Re: Wie kann ich ihm und mir helfen?

Beitrag von micky2507 »

Hallo Anja,

bisher habe ich nur still mitgelesen, möchte mich aber jetzt doch noch einklinken.
Ich sehe das mit dem "Zurückhalten" der eigenen Gefühle ein wenig anders. Ich glaube, auch ein depressiver Partner kann und sollte sich mit den Auswirkungen seiner Erkrankung auseinander setzen, wie sonst soll man gemeinsame Lösungen finden.

Ich habe am Anfang auch versucht, meine Gefühle zu unterdrücken, um ja keinen Druck auf ihn auszuüben. Aber schlussendlich ging es mir damit eher schlechter. Ich kenne all diese Gefühle des Verlassen seins, der Einsamkeit und der Sehnsucht nach dem, was mal war. Warum sollte ich das nicht auch äußern dürfen? Ich bin damals auf ein Buch gestoßen, dass mir sehr geholfen hat und für mich gute Vorschläge enthalten hat (Wenn der Mensch, den du liebst, depressiv ist //rororo Verlag)

Ich habe irgendwann angefangen solche Dinge zu verbalisieren, auch mal in seiner Gegenwart zu weinen, habe aber auch gleichzeitig immer betont, dass mir klar ist, dass er nicht mit Absicht so abweisend ist und mich verletzt. Natürlich macht es dem anderen Stress, wenn er merkt, dass es dem Partner nicht gut geht, aber diese Gespräche haben uns wieder näher zusammen gebracht, weil er sich auch wünscht, dass alles wieder gut wird und wir quasi ein gemeinsames Ziel vor Augen haben. In meinen guten Momenten kann ich ihm vermitteln, dass ich auf mich selbst aufpassen und um mich kümmern kann, dass ich da bin und ihn unterstütze. Aber ich bin kein Übermensch und ich glaube, der Moment, wenn ich mich schwach zeige, ist der Moment, wo er sich ein bisschen weniger "minderwertig" fühlt, weil er krank ist, sondern sogar (und sei es nur dadurch, das er meine Hand hält) auch in der Lage ist, etwas für mich zu tun und zurück zu geben. So ist es für uns möglich, zu einer konstruktiven Kommunikation zu kommen.

Es wäre gelogen, wenn ich behaupten würde, dass ich mit der gesamten Situation zurecht komme. Die Distanz zwischen uns auszuhalten kostet mich jeden Tag unendlich viel Kraft. Die Tatsache, dass von den 70/80 Whatsapp Nachrichten am Tag nur noch maximal 10 übrig geblieben sind, macht mich jeden Tag traurig. Aber wir sind im Kontakt, wir schreiben einander, wir telefonieren gelegentlich und ich habe für mich gelernt, diese kleinen positiven Dinge als Anker zu nutzen. Ob alles wieder gut wird, kann ich nicht sagen, aber ich bin im Moment vorsichtig optimistisch.

Ich wüsche dir weiterhin viel Kraft und Mut!
Liebe Grüße

Micky
neu-und-hilflos
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Registriert: 13. Mai 2017, 15:31

Re: Wie kann ich ihm und mir helfen?

Beitrag von neu-und-hilflos »

Hallo Anjali,
ich wollte mich nochmal kurz melden.
Bei uns hat sich die Lage etwas entspannt. Ich habe einen schönen nicht allzu pathetischen Spruch für die Geburtstagskarte gefunden, habe einen schönen Kuchen gebacken und wir hatten einen gemütlichen Abend zusammen!
Heute feiert er mit seiner Tochter und den Freunden. Leider war aufgrund seiner depressiven Phase keine Gelegenheit, seiner Tochter von mir zu erzählen. Und das komplizierte Familiengefüge mit einer merkwürdigen Mutter im Hintergrund, die stets dazu neigt, ihm das Kind zu entziehen, hatte ja gerade zu dem Tief beigetragen. So vegnühe ich ich also heute mit einer Freundin bei einem Jazzfestival und sehe ihn erst nächste Woche wieder. Passt aber so!
Ich hoffe, dir gehts einigermaßen ok. Sei ganz lieb gegrüßt!
Ute
Anjali1985
Beiträge: 11
Registriert: 14. Mai 2017, 22:42

Re: Wie kann ich ihm und mir helfen?

Beitrag von Anjali1985 »

Hallo zusammen,

Er schließt mich immer noch aus. Er sagt, er müsse mich vor seinen Abgründen schützen, er könne nicht mit mir über seine düsteren Probleme reden.

Das geht jetzt seit sechs Wochen. Seither habe ich mich bei zwei engen Freundinnen und meiner Mutter ausheulen können.

Meine Mutter sagt seit einer Woche, ich soll mich von ihm trennen, sie kriegt ja sonst nie Enkel.

Meine eine Freundin hat mir gestern an den Kopf geworfen, so schlimm sei Singlesein nun auch nicht, sie würde seit Jahren damit leben - wenn ich Angst vor einer Trennung äußerte, kritisierte ich damit ihren Lebensentwurf.

Meine andere Freundin hat gerade ein Baby bekommen und andere Dinge im Kopf.

Damit habe ich offiziell niemanden mehr, mit dem ich darüber reden kann - denn die Therapeuten, denen ich letzte Woche Anfragen geschickt habe, haben sich noch nicht gerührt.

Es ist Samstagabend. Er wird heute Abend woanders schlafen, ich bleibe alleine zuhause.

Ich kann mir im Moment wohl nur noch aussuchen, ob ich kaputtgehe, weil ich bei ihm bleibe, oder weil er geht.
janedoe
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Re: Wie kann ich ihm und mir helfen?

Beitrag von janedoe »

Liebe Anjali,

wie sieht denn Deine Lebensplanung aus? Möchtest Du Kinder? Kannst Du Dir vorstellen, sie unter diesen Bedingungen groß zu ziehen?

Liebe Grüße
Janedoe

P.S. Ich will damit nicht sagen, dass Menschen mit Depressionen keine Familie gründen sollten.
Anjali1985
Beiträge: 11
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Re: Wie kann ich ihm und mir helfen?

Beitrag von Anjali1985 »

janedoe hat geschrieben:
wie sieht denn Deine Lebensplanung aus? Möchtest Du Kinder? Kannst Du Dir vorstellen, sie unter diesen Bedingungen groß zu ziehen?
Ja, ich möchte Kinder, aber die damit verbundene Frage finde ich schwierig zu beantworten. Unter den gegenwärtigen Bedingungen sind Kinder ausgeschlossen, weil wir keinen Sex haben, seit dieses Loch da ist.

Aber: Zuvor hatten wir annähernd fünf Jahre, die sehr harmonisch verliefen und wo es ganz klar immer wieder um Kinder und Lebensplanung ging, und zwar gemeinsam.

Ich kann doch nicht wegen einer depressiven Episode unsere gemeinsame Lebensplanung in die Tonne kloppen...
janedoe
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Re: Wie kann ich ihm und mir helfen?

Beitrag von janedoe »

Ich kann doch nicht wegen einer depressiven Episode unsere gemeinsame Lebensplanung in die Tonne kloppen...
Nein, nein, so war das nicht gemeint. Es war nur eine Überlegung von mir, ob Du Dir Kinder vorstellen kannst. Ich kenne einige junge Frauen, die sagen, dass sie keine Kinder wollen.

Du schreibst selbst, dass es nur eine depressive Episode ist. Aber ich weiß auch, dass eine erbliche Komposition bei Depressionen in der Familie diskutiert werden.

Ich bin eine Betroffene und bei mir ist erst jetzt mit fast 50 die Depression zu Tage getreten. Meine große Tochter hatte vor ein paar Jahren eine depressive Episode. Hätte ich mich gegen Kinder entschieden??? Ich weiß es nicht. Jetzt bin ich froh, meine drei zu haben.
Anjali1985
Beiträge: 11
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Re: Wie kann ich ihm und mir helfen?

Beitrag von Anjali1985 »

Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass eine erbliche Komponente bei uns beiden vorhanden ist. Wir haben beide mehrere Fälle von Depressionen in der Familie, von eher leichten Fällen mit einzelnen, kurzen Episoden bis zu schweren Verläufen über mehrere Jahre.

Ich stehe eigentlich auf dem Standpunkt, Garantien gibt es im Leben nun mal nicht. Und ich möchte lieber Kinder mit diesem Mann als mit irgendeinem anderen.

Das ist aber gegenwärtig sehr, sehr weit weg. Ich weiß ja nicht mal, ob ich diesen Mann noch lange haben werde, geschweige denn seine Kinder kriege.
Löwenzähnchen
Beiträge: 30
Registriert: 29. Apr 2017, 14:19

Re: Wie kann ich ihm und mir helfen?

Beitrag von Löwenzähnchen »

Liebe Anjali,

wegen Therapeutensuche: das war bei uns über direkte Anfragen aussichtslos. Aber es gibt eine KV-Vermittlungsstelle (findest du im Internet, wenn du das+dein Bundesland suchst). Dort melden Therapeuten ihre freien Plätze. Du kannst das Therapieverfahren wählen und bekommst die Kontaktdaten der passenden Therapeuten in deiner Nähe.

Liebe Grüße

Löwenzähnchen
neu-und-hilflos
Beiträge: 23
Registriert: 13. Mai 2017, 15:31

Re: Wie kann ich ihm und mir helfen?

Beitrag von neu-und-hilflos »

Liebe Anjali,
dein Beitrag mit den Reaktionen deiner Mutter und der beiden Freundinnen hat mich sehr betroffen gemacht. Leider hast du da nur egoistische Rückmeldungen bekommen, die so auch wenig bis gar nicht konstruktiv, geschweige denn tröstend sind.
Wenn vorher alles in eurer Lebensplanung zusammengepasst hat, muss sich ja jetzt zwangsläufig von seiner Seite aus nicht unbedingt was geändert haben. Dass der "Produktionsweg" für ein Kind derzeit lahm liegt, heißt ja auch nicht, dass sich das nicht wieder ändert.
Versuche doch, den aktuellen Zustand als Teil der Krankheit zu sehen. Bzw. stelle dir vor, er läge schwer verletzt oder frisch operiert oder im Koma in der Klinik. Dann wäre von außen betrachtet deine Situation ähnlich: allein, keine Unterstützung, kein Sex, usw.
Übrigens - alles was ich schreibe, versuche ich auf diese Art mir selber auch zu vermitteln...
Ganz liebe Grüße
Ute
Anjali1985
Beiträge: 11
Registriert: 14. Mai 2017, 22:42

Re: Wie kann ich ihm und mir helfen?

Beitrag von Anjali1985 »

Liebe Ute, vielen Dank für deine Worte, das tröstet mich.
neu-und-hilflos hat geschrieben:Liebe Anjali,
dein Beitrag mit den Reaktionen deiner Mutter und der beiden Freundinnen hat mich sehr betroffen gemacht. Leider hast du da nur egoistische Rückmeldungen bekommen, die so auch wenig bis gar nicht konstruktiv, geschweige denn tröstend sind.
Stimmt. Ich weiß, dass sie es im Grunde gut meinen, aber letztlich ist "gut gemeint" halt das Gegenteil von "gut".
neu-und-hilflos hat geschrieben:Wenn vorher alles in eurer Lebensplanung zusammengepasst hat, muss sich ja jetzt zwangsläufig von seiner Seite aus nicht unbedingt was geändert haben. Dass der "Produktionsweg" für ein Kind derzeit lahm liegt, heißt ja auch nicht, dass sich das nicht wieder ändert.
Im Moment zieht er gerade in Betracht auszuziehen, damit er "lernt auf eigenen Beinen zu stehen" und "erwachsen zu werden", außerdem sei die Wohnung (drei Zimmer, 80qm) sowieso zu klein für zwei Leute und er müsse alleine sein.

Das fühlt sich für mich an wie "ich möchte nicht mehr Teil deines Lebens sein".

neu-und-hilflos hat geschrieben:Versuche doch, den aktuellen Zustand als Teil der Krankheit zu sehen. Bzw. stelle dir vor, er läge schwer verletzt oder frisch operiert oder im Koma in der Klinik. Dann wäre von außen betrachtet deine Situation ähnlich: allein, keine Unterstützung, kein Sex, usw.
Ich arbeite sehr hart daran, lese viele Ratgeber und denke sehr viel nach. Kognitiv bekomme ich das auch hin, aber ich merke, dass ich wütend und gefrustet bin.
Anjali1985
Beiträge: 11
Registriert: 14. Mai 2017, 22:42

Re: Wie kann ich ihm und mir helfen?

Beitrag von Anjali1985 »

Noch ein kurzer Nachtrag:

Er hat heute den ersten Termin bei einem "Irrenarzt", wie er ihn nennt, und geht davon aus, dass er entweder gesagt kriegt, er solle sich halt Eier wachsen lassen und bei einem Versager wie ihm sei es ja auch kein Wunder, wenn er schlecht drauf sei ODER dass er Fingerfarben o.ä. bekommt und seine Gefühle malen soll.

Einwände lässt er nicht gelten.

Ich hoffe nur, der Therapeut taugt was.
Löwenzähnchen
Beiträge: 30
Registriert: 29. Apr 2017, 14:19

Re: Wie kann ich ihm und mir helfen?

Beitrag von Löwenzähnchen »

Liebe Anjali,

ich hoffe sehr, dass sich die Situation bei euch wieder bessert! Deinen Frust und deine Wut kann ich gut verstehen. Das ging mir in den schweren Phasen auch so. Da hilft es auch nichts, wenn man weiß, dass das Verhalten des Partners erkrankungsbedingt ist. Für mich war es hilfreich, das bei meiner Therapeutin "abladen" zu dürfen, sonst hätte ich es wahrscheinlich nicht über lange Zeiträume aushalten können.
Vielleicht kannst du deinem Partner eine Alternative zum Ausziehen anbieten um Zeit zu gewinnen? Kannst du eventuell für einige Zeit zu einer Freundin oder deinen Eltern? So hättet ihr beide etwas Abstand ohne sofort eure gemeinsame Wohnung aufzugeben. Wenn sich die Depression bessert, würde er vielleicht ganz anders entscheiden, aber dafür braucht es Zeit und Geduld.

Herzliche Grüße

Löwenzähnchen
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