Vorstellung als Neues Forenmitglied

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Léon
Beiträge: 6
Registriert: 31. Mär 2016, 11:00

Vorstellung als Neues Forenmitglied

Beitrag von Léon »

Sehr geehrte Forengemeinde,

ich bin 32, habe Depressionen und bin sehr froh, dass ich mich in diesem Forum mit euch austauschen bzw. mir hier nun erst einmal etwas von der Seele schreiben kann!

Meine Depression kam phasenweise immer mal wieder seit der Kindheit, hat sich graduell verschlimmert und erst letztes Jahr wurde ich mir selbst dessen wirklich bewusst und es wurde diagnostiziert und stationär im Krankenhaus und ambulant behandelt - allerdings wollte und will ich keine Antidepressiva nehmen. Ich habe seitdem öfter den Job gewechselt, derzeit arbeite ich mit 50% Arbeitszeit als HiWi, und in dieser wie ich finde relativ idealen Stelle* ist mir klar geworden, dass das nun mE sehr gute Umfeld kaum etwas verbessert - außer dass ich ein kleines bisschen weniger gestresst/nervös geworden bin.
Die wahren Hintergründe liegen womöglich auch in mir selbst und meiner Vergangenheit: Schwierige Familie und - damit zusammenhängend - schwierige Schulzeit, ich würde sagen ich war sozial zurückentwickelt mit geringen Konfliktlösungsfähigkeiten und allgemeinen Kontaktängsten - z.B. wollte ich noch bis zum Alter von etwa 12 Jahren kein Eis am Straßenstand kaufen aus Angst vor dem Verkäufer oder noch in wesentlich höherem Alter ungern bis gar nicht telefonieren - zudem war ich so wie ich mir leichte Autisten vorstelle mathematisch-kognitiv meiner Altersstufe voraus.

Mein Hauptproblem ist, dass ich im Gegensatz zu früheren relativ aktiven Lebensphasen (Naturwissenschaftliches Studium mit Bestnote abgeschlossen / das entspricht an meiner Uni aber "nur" dem oberen Drittel der Absolventen) antriebslos bin, nichts mehr arbeite und auch nichts unternehme und meine privaten Wünsche - z.B. in diesem Forum hier zu posten wollte ich schon monatelang - nur nach sehr langer Anlaufzeit, oft auch gar nicht, umsetze. Ich bin sozusagen gelähmt und das Gefühl dass es nirgends weitergeht zieht mich runter. Die Therapie oder die Zeit bewirkte vielleicht etwas - ich fühle mich immerhin nicht 24/7 total schlecht - aber mein Motivationsproblem verschlimmert sich derzeit eher. Gleichzeitig fühle ich mich einfach hilflos ausgeliefert. Meine Versuche mich selbst zu motivieren oder mir etwas fest vorzunehmen, obwohl mit großer innerer Energie gedacht, haben keine oder sehr geringe reale Wirkung und verhallen kraftlos. Es ist als habe ein Teil von mir entschieden, nichts zu tun sei das Richtige, und dieser Teil verteidigt sich verbissen. Rationale Überlegungen dagegen fruchten schon gleich gar nicht, und Bestätigung die ich durchaus auch auf der Arbeit erfahre, scheinen mich nicht nachhaltig zu beeinflussen. Teilweise bin auch in Computer-Spielsucht und Surfsucht verfallen (auch hier geht es sicherlich noch schlimmer), dort gibt es sehr kurzfristige Bestätigung die dann wirkt, aber nicht nachhaltig.
Eine partnerschaftliche Beziehung hatte ich noch nie, das ist aber auf meiner Prioritätenliste nicht auf dem ersten Platz, aber wie ich denke ein Symptom meiner Psyche. Natürlich gibt es auch positive Seiten, ich habe Freunde, komme heute sehr gut mit unterschiedlichsten Menschen aus, mir wird abgesehen von Freunden und Verwandten auch ab und zu von Bekannten/Kollegen gesagt ich sei sympathisch oder sogar attraktiv (wobei ich nun auch zunehmend übergewichtig werde, Süßes hellt meine Stimmung auf) und intelligent/man traute mir etwas zu, zumindest in den letzten Jobs vor meinem derzeitigen Tief.
Am meisten macht mich allerdings fertig dass ich selbst Dinge die mir eigentlich am Herzen lagen (Kreatives Schreiben, in der Natur lustwandeln, Brettspiele, Treffen mit Freunden) kaum noch schaffe oder sie mir schal und unrichtig erscheinen, es gibt zwar häufig Ausnahmen darin aber ich kann es weder intuitiv noch kognitiv noch bisher im therapeutischen Gespräch richtig verstehen.

*möglicherweise ist ein Problem auch meine fehlende Tagesstruktur wegen flexibler und geringer Arbeitszeit, allerdings hatte meine vorige 80%-Stelle mich subjektiv extrem gestresst und ebenso unglücklich gemacht. Überhaupt bin ich durch kleine, derzeit sogar kleinste Dinge, z.B. Behördenschreiben, stark stressbar, nach dem Vorbild meiner Eltern. Viele Alltagsaufgaben erscheinen irrational schwer und unerfüllbar.

Vielleicht hilft es ja ein wenig, wenn ich mich mit euch ein bisschen austausche! An alle unter euch, die leiden, wünsche ich gute Besserung! :hello:

Ganz liebe Grüße,
Leon
(Pseudonym)
Pummelchen
Beiträge: 1629
Registriert: 2. Sep 2015, 17:21

Re: Vorstellung als Neues Forenmitglied

Beitrag von Pummelchen »

Hallo Leon,

herzlich willkommen im Forum. Ich hätte an dich eine Frage weil du schreibst du möchtest keine Antidepressiva nehmen. Was hält dich davon ab oder was befürchtest du wenn du sie nehmen würdest? Ich hatte auch so wie du lange die Meinung keine AD zu nehmen. Ich habe dadurch wirklich sehr lange gelitten und teilweise auch mit den Auswirkungen wie du beschreibst. Als ich wieder mal in einer depressiven Phase musste ich zu einem Vertretungsarzt, mit dem ich ein sehr gutes Gespräch führte. So langsam aktzeptierte ich die Depression als Erkrankung die genauso behandelt werden muss, als wenn ich Bluthochdruck habe und dagegen Tbl. einnehme. Ich habe mich durchgewrungen die verordneten AD zu nehmen und nach anfänglichen Nebenwirkungen merkte ich nach ca. 2 Wochen eine leichte Besserung mit aufsteigender Tendenz. Es war wieder eine ganz andere Lebensqualität und ich fragte mich wirklich warum habe ich nicht früher damit angefangen. Ich möchte dich keinesfalls zu irgendetwas überreden, ich wollte dir nur meine Erfahrung mitteilen.
Das mit dem Gewicht kenne ich auch, ich habe auch oft Süssigkeiten als Seelentröster genommen und ich vermute auch das das AD auch mitbeteiligt ist an der Gewichtszunahme durch die Stoffwechselverlangsamung.
Wegen der fehlenden Partnerschaft, ich denke wenn man mit sich selber nicht mehr klar kommt in der depressiven Phase, fehlt einfach die Kraft und Energie für eine Bindung!

Wünsche dir alles Gute und einen guten Austausch im Forum! LG Pummelchen
Nina345
Beiträge: 280
Registriert: 25. Jan 2016, 16:02

Re: Vorstellung als Neues Forenmitglied

Beitrag von Nina345 »

Huhu Leon,

mir geht es gerade ganz gut. Aber im akuten Loch fand ich es auch furchtbar, wie schal (das Wort passt perfekt) die Dinge wurden, die mal Spaß gemacht haben. Da rafft man sich schon auf und nimmt alle Energie und dann macht es einfach keinen Spaß. Einmal die Woche habe ich mich aber immer mindestens dazu gezwungen was "spaßiges" zu tun, auch wenn es mich traurig gemacht hat. Ob das gut war weiß ich nicht so genau. Glaube aber ja.

Jetzt machen mir die Dinge langsam aber sicher wieder Spaß. Es geht auch wieder vorbei :)
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Léon
Beiträge: 6
Registriert: 31. Mär 2016, 11:00

Re: Vorstellung als Neues Forenmitglied

Beitrag von Léon »

Danke für eure aufmunternden Beiträge! Es war wirklich befreiend, hier zu posten. Vor allem habe ich es jetzt endlich geschafft ;)

@Pummelchen
Mir ist klar, dass es etwas irrational ist. Aber ich habe etwa Angst davor dass mein Gehirnstoffwechsel sich an die AD "gewöhnt" und dann Serotonin oder so nach Absetzen nicht mehr so leicht von sich aus produziert. Im Krankenhaus habe ich schwer depressive Mitpatienten erlebt, die das Absetzen der AD scheinbar sehr schlecht vertragen haben (vielleicht sind das natürlich die wenigen Extrembeispiele), aber das war abschreckend.
M1971
Beiträge: 731
Registriert: 26. Apr 2014, 17:39

Re: Vorstellung als Neues Forenmitglied

Beitrag von M1971 »

Hallo Leon, Deine Vorbehalte gegenüber AD kann ich absolut nachvollziehen. Ich würde auch niemals ein AD nehmen. Auch wenn die Pharmaindustrie durch die Ärzte verlautbaren lässt, wie toll und nebenwirkungsfrei die Mittel sind. Ich konnte bei Menschen die AD nehmen, deutliche Wesensveränderungen feststellen
Und über die Langzeitwirkungen bzw Nebenwirkungen von AD weiß man nichts.
Zum Glück gibt es aber ja noch andere Therapien die man nutzen kann. Wichtig ist es, den Weg zu finden, der einen selbst am Besten zusagt
Gruß
M
Nina345
Beiträge: 280
Registriert: 25. Jan 2016, 16:02

Re: Vorstellung als Neues Forenmitglied

Beitrag von Nina345 »

Huhuu :))

ich nehme AD und habe weder merkliche Nebenwirkungen noch hat sich mein Wesen verändert. Jedoch ist auch der Effekt nicht so enorm wie man sich das vorstellt.

Die kritische Haltung kann ich dennoch verstehen. Mir ist das Zeug auch nicht geheuer. Wenn der Leidensdruck zu groß wird kannst du es dir ja immer nochmal anders überlegen.
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