Depression?

Antworten
Schokokeks
Beiträge: 23
Registriert: 5. Mai 2014, 13:11

Depression?

Beitrag von Schokokeks »

Hallo zusammen.
Ich habe mich kürzlich registriert und festgestellt, dass es besser war, als ich gedacht hatte.
Ich habe vorhin schon versucht einen Beitrag zu schreiben, was ziemlich ausgeartet war in einen Kummervollen Beitrag... und ich beschlossen hatte, diesen etwas anders anzugehen und zu verkürzen.

Ich bin weiblich und 22 Jahre, ich studiere mittlerweile und an diesem Punkt muss ich sagen, dass ich gerade nicht mit meinem Leben klar komme. Dass ich mit meinem Leben nicht klar komme, liegt wohl daran, dass ich durch meinen schwierigen Familienhintergrund einfach psychisch ... fertig bin, weil vieles, was ich ertragen hatte, nun hochkommt.

Soweit ich mich erinnern kann, gab es immer Probleme in meiner Familie. Vielleicht bin ich ein sehr sensibler Mensch, um das zu behaupten, aber persönlich habe ich mich sehr oft unwohl gefühlt.
Meine Kindheit größtenteils ist für mich wohl eine Zeit, die ich keinem anderen Kind wünschen würde, anderseits weiß ich, dass ich meinen Eltern für viele Dinge dankbar bin.
Da ich nicht in Deutschland geboren bin, sind wir vor 14 Jahren nach Deutschland gezogen.
Ich wurde in meiner Kindheit von meiner Mutter geschlagen, was man in meinem Mutterland als 'Erziehung' bezeichnen würde. Vielleicht war ich ein unartiges Kind, ja, anderseits gab es nun Mal Situationen, in denen ich entweder nicht die gewünschte Leistung erbracht hatte oder einfach nur geweint hatte - weil ich eben die Situation unangenehm fand oder meine teils wütende Mutter fürchtete. Ich war bis zur Pubertät kein wirkliches Problemkind. Ich war sehr oft artig, trotz der kindisch naiven Einfällen. Ich habe mich meinen Eltern gefügt und habe sie respektiert.
Dennoch wurde ich manchmal geschlagen, zum Beispiel als man mir das Lesen noch vor der Schulzeit beibringen wollte, ich entweder mich schlecht anstellte oder zu weinen begann.

Mein Vater ist um ein paar Jahre jünger als meine Mutter und war ein "leidenschaftlicher Trinker".
Meine Kindheit besteht aus halben Erinnerungen, dass mein Vater Säufer war und ich ihn oft in seinen Komasaufereien begleitet hatte, weil er z.B. eine irrwitzige Idee hatte, seiner Frau Blumen zu pflücken. Aber er hatte mich nicht wirklich geschlagen, was ich wohl dem eh zerstörten Vaterbild dafür dankbar bin.
Nachdem wir also nach Deutschland umgezogen sind, hoffte ich, die Beziehungen innerhalb der Familie würden sich besser, was jedoch nicht stattfand.
Als meine Schwester geboren wurde, wurde es besser, aber meine Eltern schenkten mir natürlich keine Aufmerksamkeit mehr, unter welcher ich zuzüglich litt.
Meine Eltern schienen dennoch Probleme zu haben und ich fühlte mich ungeliebt.
Bald eskalierte jedoch ein Streit und meine Eltern trennten sich.
Mein Vater zog aus, dafür begann ich mich nicht mit meiner Mutter zu verstehen, welche ihre Emotionen, ihren Frust über ihr Leben an mir ausließ. Sie verantwortete jeden Fehler, den ich machte. Ich begann mich zu verletzten. Zwar wurde ich nicht mehr geschlagen, aber meine Mutter manipulierte mich psychisch, redete mir oft ins Gewissen und beeinflusste mich, wenn sie nicht wollte, dass ich mein eigenes Leben führte.
Ich lernte meinen derzeitigen Freund online kennen und schaffte es unter vielen Streitereien und Tränen auch diese Zuneigung bei meiner Mutter durch zubringen. Das Problem war natürlich, dass er um die 500km weit weg wohnte. Er kam aber zu mir, um meine Mutter kennen zu lernen und sie zu 'sänftigen'. Sie mochte ihn und akzeptiere ihn, aber mir kam es vor, dass sie nicht wollte, dass ich sie verließ. Aus Angst war ich ab und zu heimlich zu ihm gefahren und hatte seine Familie kennen gelernt. Dass ich nachdem Abi ausziehen wollte, passte meiner Mutter nicht, aber sie hinderte mich nicht, als ich tatsächlich einen Auszug beschloss.

Ich suchte mir ein Studium aus, welches in meiner Heimatstadt nicht gab und so ziemlich an wenigen Städten angeboten wurde.
Zwar ergeht es mir besser aber ich finde keine Ruhe.
Die Familie meines Freundes ist ziemlich lieb und fast alles, was ich mir von meiner gewünscht hatte. Ich weiß, dass ich es hier liebe und bin froh, dass ich es hierhin geschafft hatte.
Aber ich habe eine Angst vor Fremden entwickelt. Natürlich bin ich leichtgläubig in eine andere Stadt umgezogen, in der ich niemanden kenne.
Ich mag diese Stadt, aber ich habe Angst vor anderen.
Fremden Menschen, vor denen ich mich fürchte, dass sie schlecht über mich denken.
Dass ich ihnen genauso wenig passe, wie meiner Mutter oder meinem Vater.

Seitdem ich ausgezogen bin, kommen daher oft Dinge hoch, bei denen ich geglaubt hatte, sie gut versperrt zu haben, weil ich in der Kindheit damit umgehen konnte... dann dachte ich, ich könnte es jetzt auch.
Ich bin antriebslos und mein Studium verlief in den vier Semester schlechter, als geplant. Ich wollte nie ein Parasit sein und doch komme ich mir so vor.
Ich gehe nicht gern auf andere zu oder rede vor einer Menge, die ich nicht kenne.
Ich weine oft, wenn ich einfach daran denke, was ich erlebt habe, ich werfe mir noch sehr viele Dinge vor, ich mache mir Vorwürfe, was ich für ein Mensch bin, da ich ich nicht gern Kontakt mit meiner Familie habe. Ich bin extrem still geworden, dabei war ich sehr oft ein lustiger Mensch.
Ich habe Angst, nicht akzeptiert zu werden, vor allem weil ich ja sehr viel mit der Familie meines Freundes zu tun habe, wo mir die krassen Unterschiede auffallen, die ich mir von meiner gewünscht hatte.
Ich hatte zwar nie ein großes Selbstbewusst sein, aber jetzt scheint es ganz zu fehlen.
Dadurch, dass ich emotional gerade überfordert bin, habe ich auch extrem zugenommen. Ich trug vor einem Jahr noch Größe 36 und jetzt passe ich nicht Mal in 40.... Dadurch fühle ich mich noch ungeliebter.
Am liebsten hocke ich nur noch zu Hause und gehe gar nicht raus... Manchmal versuche ich mir einzureden, dass egal, ob ich etwas falsch mache, im schlimmsten Fall was eintreten könnte, der Tod wäre...

Ist das eine Depression? An wen sollte ich mich wenden?
Mein Hausarzt hatte mich lediglich untersucht...
Es gibt schweigsame Menschen, die interessanter sind als die besten Redner.
- Benjamin Disraeli
Antiope
Beiträge: 1695
Registriert: 10. Jan 2011, 21:38

Re: Depression?

Beitrag von Antiope »

Hallo Schokokeks,

zuallererst: herzlich willkommen hier.

Gerne würde ich mir heute abend Zeit nehmen und Deine Fragen einzeln betrachten.

Für mich liegt klar auf der Hand, dass Du sehr viel Belastung und schlechte Lebenserfahrungen mit Dir herumschleppst. Und das muss irgendwie geordnet und "verarbeitet" werden. Ein Studium aufzunehmen, ist *immer* ein Stress. Je nachdem, was gefordert wird und was Du dort täglich schaffen musst (nicht nur Lernen, sondern auch Haushalt, eigenständig leben, ...), erfordert es schon sehr viel Kraft, das hinzubekommen. Schließlich ist es für Dich ein riesiger Schritt ins Erwachsenenleben, unabhängig zu werden, neue Erfahrungen zu sammeln.
Und da kann es sehr gut sein, dass nun alles zusammen zu viel wird.

Ich finde es ganz wichtig, Dir professionelle Hilfe zu suchen. Super - beim Hausarzt warst Du schon. Aber es gibt ganz sicher am Studienort eine Studentenberatung für Studierende, die Schwierigkeiten haben. Vielleicht ist es eine Anregung, da mal einen Termin auszumachen. Einfach, damit Du mal da etwas Unterstützung bekommst.

Viele Deiner Gedanken sind depressiv, destruktiv - und ich glaube, Du hast es selbst schon gemerkt. Damit möchte ich Dir AUF GAR KEINEN FALL zu verstehen geben, Du seist schuld daran, oder Du sollest doch einfach anders denken. Ganz sicher nicht! Sondern ich wollte Dir nur sagen, dass diese destruktiven Gedanken nicht der Wahrheit entsprechen, sondern aus der Depression kommen.

Alles Liebe Antiope
Antiope
Beiträge: 1695
Registriert: 10. Jan 2011, 21:38

Re: Depression?

Beitrag von Antiope »

Hallo Schokokeks,

ich werde versuchen, ein paar Gedanken aufzugreifen. Es ist nur meine Meinung, meine Erfahrung, es kann für Dich passen oder nicht. Bitte schreib einfach, wenn es nicht passt, wenn Du Dich nicht verstanden fühlst.

Ja, Dein Familienhintergrund ist schwierig und sehr, sehr belastend. Sicher auch heute noch. Wenn Deine Wahrnehmung, Deine Erinnerung sagt, es gab Probleme und Du hast Dich unwohl gefühlt, dann ist das Deine Wahrnehmung und damit gültig. Stelle diese Wahrnehmung nicht in Frage, es war für Dich so.

Du schreibst, Du bist Deinen Eltern dankbar - ist diese Dankbarkeit ein Gefühl, das Du fühlst, oder ist es mehr die Erwartung, der Zwang, du "solltest" dankbar sein?

Es ist niemals gut und nicht begründbar mit "Erziehungsmaßnahmen", wenn ein Kind geschlagen wird. Kinder *sind* nun mal unartig - oder das, was die Eltern dafür halten. Kinder haben tolle Einfälle, viel Energie, probieren vieles ganz unbelastet aus - das als Unart zu bezeichnen, ist seelenverbiegend. Kinder dürfen weinen, Kinder sind keine Hochleistungsautomaten. Ein Kind, das vor Angst weint (was Du ja so oft machen musstest) - das arme kleine Ding.
Kinder zu schlagen, weil man selbst wütend ist oder weil man mit seiner eigenen Situation nicht zurecht kommt - das ist schrecklich.
So gerne würde ich die Kleine trösten, der sowas angetan wurde.

Die Erfahrung mit dem Alkoholismus Deines Vaters - auch etwas, was man niemandem zumuten möchte. Ein Kind, das für sein eigenes Elternteil sorgt - verkehrte Welt.
Deine Mutter hat Dich manipuliert, für ihre Situation schuldig gemacht, hat Dich nun anstatt Deines Vaters zum Dampfablassen benutzt. Ja, benutzt ...

Und Du hast einen mutigen Schritt getan, um Dich aus dieser rettungslosen Situation zu befreien: wegziehen. Nicht "leichtgläubig", sondern voller Hoffnung. Mit ganz viel Mut.

Ich kann Dich verstehen, wenn Dir jetzt alles zu viel wird. Dass Du jetzt, nachdem die ganze endlose Belastung weg ist, "nicht mehr kannst".

Was ich als "depressive Gedanken" sehen würde, wäre zum Beispiel:
- Du bist davon überzeugt, ein Parasit zu sein
NEIN. Warum? Du studierst gerade, trotz Deiner irrsinnigen Belastungen, und versuchst das Beste zu geben, was gerade möglich ist. Deine Kommilitonen studieren genauso, und müssen nicht zusätzlich noch mit Deinen Erfahrungen fertigwerden. Du bist doch kein Student zweiter Klasse (das P-Wort schreibe ich nicht mehr!), bloß weil Du jetzt nicht die Supernoten ablieferst. Du tust Dein Bestes. Und das ist genug.
- Du glaubst, alle würden Dich ablehnen, schlecht über Dich denken
NEIN. Die meisten denken gar nicht darüber nach. Es gibt keinen einzigen Grund, warum sie schlecht von Dir denken sollten. Und viele Mitstudierende sind auch still.
- Vorwürfe und schlechtes Gewissen - DAS Hauptthema der Depression
Ganz ehrlich: ich würde Dir als Freundin, Kollegin o.ä. keine Vorwürfe machen, dass Du keinen Kontakt mit Deiner Familie hast. Sondern es für richtig heißen, weil es die einzige Möglichkeit ist für Dich, weiterleben zu können. Und Du schaffst Dein Studium ohne familiäre Unterstützung. Bitte sehe es als tolle Leistung an, die Du täglich erbringst.

Ich würde Dir so sehr wünschen, dass Du eine Art Ersatzfamilie findest in der Familie Deines Freundes. Deine Wahlfamilie.

Noch etwas: Du hast die letzten Jahre so viel richtig gemacht. Und ich hoffe so sehr für Dich, dass Du das akzeptieren kannst und dass Du denken kannst, in diesem Deinem Leben möchtest Du noch viele Dinge richtig machen können.

Irgendwie denke ich, dass Dir vielleicht sogar eine stationäre Therapie helfen würde.
Kann Dir Dein Freund oder dessen Familie helfen, einen Facharzt zu finden?
Schokokeks
Beiträge: 23
Registriert: 5. Mai 2014, 13:11

Re: Depression?

Beitrag von Schokokeks »

Hallo Antiope,

Vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast, mir so ausführlich zu antworten.
Deine Antwort(en) haben mich, ehrlich gesagt, sehr aufgemuntert, weil ich mich zum ersten Mal wirklich verstanden gefühlt hatte... meine Familiengeschichte ist ein so sehr schwerer Brocken, dass viele Menschen dies nicht nachvollziehen können, dass es so etwas geschehen kann.
Das war meine Erfahrung und letztendlich ist es ein schweres Gepäck, was ich nicht leicht jemanden anderes abgeben kann oder jemand tragen könnte.
Gestern hab ich mich wirklich glücklich gefühlt und dafür danke ich dir - dafür, dass ich dich weder kenne noch sehr lange in diesem Forum bin und du dadurch einen fremden Mensch ein wenig Hoffnung schenkst.

Die Frage, ob ich mich dankbar fühle, weil ich es tatsächlich bin oder es intuitiv fühle, weil man es immer von mir wollte, hat mich nachdenken lassen.
Dabei war mir eingefallen, wie oft meine Mutter dies gesagt, betont hatte, ich sollte ihr für vieles dankbar sein...
Es war für mich schockierend, beinahe ein anderes Weltbild... was für mich sehr neu und doch befreiend ist.

Du hast mir Mut gemacht und trotz, dass ich mich überwinden muss, möchte ich einen Facharzt aufsuchen.
Mein Freund und seine Familie wissen nur angedeutet, wie es mir gegangen war. Es fällt mir auch schwer darüber zu reden, weil ich dann einfach nur zusammenbreche. So fiel es mir auch schwer auch einen Beitrag zu verfassen... Aber sie würden mich sicher unterstützen.
Anderseits hab ich auch Angst davor... auf sie zu zugehen. Da ich bei meiner Hausärztin war, dachte ich, sie würde mich zu einem Facharzt überweisen, was sie jedoch nicht tat. Ich habe vermutlich nicht klar ausgedrückt, dass es mir seelisch schlecht geht und nicht körperlich..
Ich habe einfach Angst, egal, mit wem ich spreche, nicht das zu erreichen, nicht die Person zu sein, die man von mir erwartet.
Eine perfekte Studentin, aufmerksame Freundin...
Ja, es fällt mir schwer auch hier zu verfassen, ohne dabei den Eindruck zu schinden, ich hätte mir es ausgedacht oder möchte Aufmerksamkeit..
Ich mach mir da Gedanken, von denen ich weiß, sie sind überflüssig und doch kann ich es nicht anders...

Ich möchte mich an einen Facharzt wenden, aber ich weiß nicht, ob es ein Psychotherapeut sein sollte. An welchen Facharzt sollte man sich richten?

Liebe Grüße,

Schokokeks
Es gibt schweigsame Menschen, die interessanter sind als die besten Redner.
- Benjamin Disraeli
Antiope
Beiträge: 1695
Registriert: 10. Jan 2011, 21:38

Re: Depression?

Beitrag von Antiope »

Hallo Schokokeks,

Welcher Facharzt? Ich glaube, ich würde beide empfehlen: Psychiater und Psychotherapeut. Es gibt Psychiater, die auch Therapie machen, und andere, die sich "nur" um die Medikamente kümmern. Ich weiß leider nicht, wie gut Deine Hausärztin ist oder wie gut sie "drauf" ist. Wenn sie gut genug wäre, könntest Du sie nach ihrer Empfehlung fragen und sie um eine Überweisung bitten. Wenn sie aber mit dem Thema "Depression" nix anfangen kann ...
Ansonsten ist es ein Suchen und Finden. Wichtig: Kuck Dir den Arzt oder die Ärztin genau an. Fühlst Du Dich ernst genommen? Nein - dann kannst du selbstverständlich weitergehen. Es gibt ein Recht der freien Arztwahl. Und davon darfst und sollst Du Gebrauch machen. Gerade jetzt.

Ich kann verstehen, dass Du mit der Familie Deines Freundes nicht direkt drüber sprechen möchtest. Wenn es für Dich einfach unangenehm, nicht passend ist - das ist Dein Gefühl. Vertraue darauf. Vielleicht werden sie irgendwann nachfragen - Du wirst dann merken, ob und wieviel Du loswerden kannst von Deinem Gepäck.

Wenn es möglich ist, könntest Du den Schutz und die Fürsorge der Familie einfach genießen, sehen und erfahren, dass es auch anders geht. ICh glaube, das ist ganz wichtig. Wenn Du Dich dort wohlfühlst - lass es Dir wohlgehen. Ich freue mich für Dich, dass Du Dich dort so geborgen fühlst, dass Du weißt, sie würden Dich im allerschlimmsten Fall unterstützen.

Eine Rückversicherung: hier erwartet niemand von Dir, irgendeine perfekte Person zu sein.
Du bist hier willkommen. Du bist genauso perfekt, so wie Du bist. Authentisch.
Ich kann verstehen, dass Du Dich und Deine Meinung in Frage stellst (typisch depressiv, by the way). Aber brauchst Du nicht. Es ist gut so, dass Du hier bist. Du brauchst keine Angst zu haben, dass Du nur Aufmerksamkeit einforderst oder Dich hier nur wichtig machst. Stimmt nicht. Das hier ist ein peer-to-peer-Forum, und hier sind Menschen, die viele Fragen haben, die von ihrer Erkrankung so beeinträchtigt, überfordert sind, nicht mehr weiter wissen. Und deswegen gibts das hier: einer fragt, ein anderer bietet seine Hilfe an. Und andersherum.

Ich kann mir denken, dass Dir die Entdeckung nicht leicht gefallen ist, dass die Dankbarkeit nur eingefordert wurde. Ja, Du kannst vielleicht dankbar sein, für jene Stunden, wo es gut lief, wo Deine Eltern Dir etwas Schönes zeigten, Dir vielleicht ein Hobby mitgaben.
Aber sonst: auch diese eingeforderte Dankbarkeit ist zutiefst manipulativ.

Meine Mutter hat auch immer zu mir gesagt, es stehe schon in der Bibel, man müsse seine Eltern achten und ehren.
Aber: es steht nicht drin, man müsse einer endlosen Verpflichtung von Dankbarkeit nachkommen. Achten und ehren - das bedeutet nur, eine Person als Mensch zu respektieren. Nicht mehr. Und nicht weniger.

Ja, Deine Mutter hat Dich geschlagen, körperlich und seelisch. Sie hat Dich manipuliert, hat Dich verbogen, hat Dich benutzt.
Das zu sehen und wahrzunehmen, tut ganz besonders weh. Gerne würde ich Dich trösten - das ist so viel Trauer, die raus muss.
Bei mir war es so ähnlich. Und daher kann ich etwa nachvollziehen, wie schmerzhaft es ist.

Nachtrag: Kinder neigen dazu, sich für die Laune und das Verhalten der Eltern verantwortlich zu machen. Also: Meiner Mutter geht es schlecht, weil ich nicht artig bin. Wenn ich keine Fehler machen würde, würde mein Vater nicht trinken, meine Eltern nicht streiten, ... Sie fühlen sich schuldig, weil sie glauben, *sie* müssen es erreichen, dass die Eltern glücklich sind - nur durch ihr Tun und Lassen.
Und genau das benutzt Deine Mutter zum Manipulieren.
Fakt ist: Kinder sind nicht verantwortlich, DUERFEN nicht verantwortlich gemacht werden. Eltern sind Erwachsene und die haben (oder sollten haben) die Erfahrung und die Möglichkeiten, ihre Emotionen zu regeln, ihren Streit beizulegen. KEIN Kind ist JEMALS verantwortlich für Laune, Streit, Niedergeschlagenheit.

DU bist nicht verantwortlich für das, was in Deiner Familie lief. Es war gut, den Kontakt abzubrechen, und die einzige Möglichkeit, Dich selbst zu schützen.

Es gibt ein Buch, das sich mit den Folgen (Depression) einer dysfunktionalen Familie auseinandersetzt: Josef Giger-Bütler, Sie haben es doch nur gut gemeint!
Schokokeks
Beiträge: 23
Registriert: 5. Mai 2014, 13:11

Re: Depression?

Beitrag von Schokokeks »

Huhu.

Entschlossen hatte ich mich daran gesetzt meine emotionalen Probleme deinem Rat befolgend umzusetzen.
Ich hab mich an die Studentenbetreuung gewandt und gehe dann dort vorbei. Ansonsten werde ich wohl mich an meine Hausärztin wenden...
Besonders wenn das Leben meint, alle Probleme auf ein Mal zu starpeln...
Da werde ich tatsächlich noch zum Bitterkeks...
Dabei ist Zartbitter nicht mein Geschmack.
Es ist Grad Alles frustrierend.
Es gibt schweigsame Menschen, die interessanter sind als die besten Redner.
- Benjamin Disraeli
Antiope
Beiträge: 1695
Registriert: 10. Jan 2011, 21:38

Re: Depression?

Beitrag von Antiope »

Lieber Schokokeks,

das ist doch richtig gut: einen Schritt getan, um die Situation zu lösen.

Für mich wäre das ein ganz wichtiger Schritt: zu sehen, dass nicht Du selbst an allem verantwortlich bist. Was ich damit meine, ist Folgendes: Bisher sah es für Dich von innen vielleicht so aus als hättest Du irgendeine Verantwortung dafür, dass Deine Mutter Dich schlecht behandelt hat, dass Du das alles verdient hast, dass Du nur perfekt genug sein musst, damit alles richtig und gut wird.
Jetzt aber sind die Geschehnisse das eine (da hast Du keine Verantwortung dafür), und das Umgehen damit das andere. Und das ist etwas, was Du lernen kannst, ganz allmählich, und dabei können Dir Leute helfen. Ein Lernprozess, der Schritt für Schritt, in Deinem Tempo geschehen darf.

Ich glaube Dir, dass alles tierisch frustrierend ist. Du hast jedoch einen Schritt heraus gemacht, hast Bewegung in die Sache gebracht. Wie ist das für Dich?
Schokokeks
Beiträge: 23
Registriert: 5. Mai 2014, 13:11

Re: Depression?

Beitrag von Schokokeks »

Hallo Antiope!

Einsicht ist der erste Weg zur Besserung, sagt man.
Ich habe schon sehr oft daran gedacht, dass ich mein ganzes Leben, mein ganzes Denken und Fühlen, ja, meine ganze Existenz darauf aufgebaut hatte, einer einzigen Sache zu dienen: Dem Willen Anderer.
Ein Tier, welches nach der Pfeife anderer tanzen sollte. Mich verbiegen sollte, wie man es von mir wollte.
Mir ist die Tatsache sehr oft bewusst gewesen und dennoch hab ich es nie geschafft aus dem "Loch" hervor zu klettern.
Ich mache mich immer noch so sehr emotional abhängig... Jede Bemerkung, jede Kritik, jede Meinung, in egal welcher Stärke der Kritik, ich sauge es auf wie ein Schwamm und gehe innerlich zu Grunde.
Dabei versuche ich ja eine perfekte Maske zu zeigen, "Hey, das ist mir egal."
Streben nach Perfektion. So sehr danach strebend, irgendwann die einfachen Worte der Zuneigung hören zu können, wenn ich das tat, was man von mir wollte.
Aber ich bekam diese nicht zuhören.
Funktioniert das Uhrwerk, dann ist es jedem egal.
Nein, es hieß nie man sei auf mich stolz, z.B. weil ich meinen stärksten Fächern eine super Note hatte, sondern es wurde stets hinterfragt, warum ich in bestimmten Fächern nur durchschnittlich abgeschnitten hatte...
Es verfolgt mich wie ein Fluch, weil ich es weiß, aber wie in einer Schreckstarre nicht herauskomme.
Ich WEIß, dass ich nicht so leben muss, aber es ist wie ein Befehl, der meinen Körper durchdringt und den alten Teufelskreis ankurbelt.
Jetzt bin ich nur Überreste meiner Kindheit, die kleinen Krümel, die übrig geblieben sind, die zwar jetzt frei leben aber innerlich geschädigt sind.
Ich nehme alles zu persönlich, jede kleine Form von Bemerkung und Kritik werden direkt im Hirn verarbeitet, ich bin nicht perfekt genug. Angst vor anderen Menschen, Angst nicht zu gefallen.
Es ist so widersprüchlich, dass ich das Problem kenne, aber kein Entrinnen sehe.
Gespräche mit anderen Menschen helfen mir meine Schäden zu erkennen.
Es kommt mir vor, als hätte ich gelernt, die Ursachen von allen Problemen nur in mir zu finden, obwohl ich als Kind innerlich protestierte, dass es nicht der Fall sei.
Mein Selbstbild ist zerstört, so sehr, dass ich mir nicht selbst traue, geschweige denn meinen Eltern oder anderen Menschen.
Doch obwohl ich dies erkenne, komme ich nicht heraus, etwas daran zu verändern, was mich ärgert.
Eine Ratlosigkeit, da ich nicht weiß, wie es anders ist.
Wer kann sich schon innerhalb eines Atemzuges umstellen, die ganze Persönlichkeit umschalten und sagen: "So, jetzt werde ich anders!"?
Ehrlich gesagt, hatte ich das schon Mal probiert. Ich hatte es probiert mir zu sagen, ich werde anders reagieren, anders denken oder fühlen.
Aber Gefühle ist etwas, was ich -leider - persönlich nicht steuern kann.
Jedes Mal versuchte ich mich zu beherrschen, mich rational zu steuern und mir eingeredet, "Die Sache x ist nicht aussagekräftig über dein ganzes Wesen. Nein, ich habe etwas falsch gemacht, weil ich mir Weg anders gedacht hatte, aber das macht dich nicht zu einem schlechten Menschen".
Wie logisch es in meinem Gehirn auch klingen konnte, emotional hat sich ein kleines Teufelchen gemeldet.
Daher hoffe ich, dass mir ein Therapeut helfen kann... Irgendwie.

Diese Aussicht hält mich über das Wasser, Hoffnung, ich könnte den Knoten lösen, der meine Emotionen verkrampfen lässt.
Alle meine Probleme bauen auf diesen auf. Das ist eine Hoffnung, die mich aufmuntert. Dabei versinke ich im Stress.
Mein Studium verläuft schief, wobei ich weiß, dass ich es wechseln möchte auf ein Duales, da ich Praktik brauch. Dadurch würden meinen finanziellen Probleme verhindern werden, die ich bereits jetzt kommen sehe, wenn ich mein Studium schmeißen wollen würde.
Dann konfrontiert mich die neue Wohnungssuche wieder mit dem Thema 'Vergangenheit und Familie', sodass ich mich in einem Teufelskreis tanzen sehe, weil ich immer wieder in mein Loch versinke, ich muss meinen Eltern meine Lebenswege rechtfertigen.
Ich weiß jetzt, dass meine Probleme so stark verankert sind, dass diese sich nicht durch den Lauf der Zeit lösen werden, so wie ich es immer erhofft hatte..
Das macht mir Hoffnung, nicht jedes Mal in Selbstmitleid zu versinken.
Es gibt schweigsame Menschen, die interessanter sind als die besten Redner.
- Benjamin Disraeli
Antiope
Beiträge: 1695
Registriert: 10. Jan 2011, 21:38

Re: Depression?

Beitrag von Antiope »

Hallo Schokokeks,

das ist doch zuerst mal ein ganz großer Schritt: zu sehen, dass Du Dich verloren hast, dass Du Dich an Willen und Erwartungen anderer ausgerichtet hast.
Alleine das mal zu realisieren macht einen ganz schön fertig.
Es gibt diesen "alten Befehl", und ihn abzuschwächen, gehört viel dazu. Du musst alles, was daran hängt, verlernen, und etwas vollkommen Neues lernen. Wie eine neue Sprache.

Ich kann Deinen Hirntumult sehr gut nachvollziehen, sehr gut verstehen. Daher möchte ich jetzt nicht vollkommen darauf eingehen, sondern versuchen, etwas Konstruktives zu leisten.

Was wäre nun ein erster Schritt?
- heute eine Kleinigkeit tun, was Dir gut tut, was für Dich wichtig ist
- heute abend zu schauen nach dem, was Du heute *gut* gemacht hast

Was z.B. hast Du über das Wochenende *gut genug* gemacht? Nicht perfekt, sondern *genug*?


Liebe Grüße
Antiope

Nachtrag:
Du musst nicht perfekt sein. Du darfst das auch gar nicht ;) - nee, oder?! Es wäre ja grausam für alle Menschen um Dich herum, wenn Du superperfekt wärest. Und stell Dir mal vor, Deine Freundin wäre die Superperfekte. Könntest Du dann mit ihr leben, wäre das aushaltbar? Doch wohl weniger.

Es gibt da so ein paar Weisheitsgeschichten:
1. Vor seinem Ende sprach Rabbi Sussja: In der kommenden Welt werde ich nicht gefragt werden: "Warum bist du nicht Mose gewesen?". Die Frage wird lauten: "Warum bist du nicht Sussja gewesen?"
2. Indische Handwerker, seien sie auch noch so perfekt, fügen ihrer Arbeit am Ende immer einen Fehler hinzu. Damit sie nicht vergessen, dass sie nicht göttlich sind, und damit die Götter nicht neidisch auf sie wären, da sie sich anmaßten, so perfekt wie die Götter zu sein.
Schokokeks
Beiträge: 23
Registriert: 5. Mai 2014, 13:11

Re: Depression?

Beitrag von Schokokeks »

Hallo Antiope!

Die Tatsache, dass ich tatsächlich verlernen und lernen muss, ist ein Brocken, an dem ich knabbern muss. Aber es ist oft der Sprung ins kalte Wasser. Es erschreckt mich und fürchtet mich eher, als die Gewissheit, dass wenn man dadrin ist, es dann doch nicht schlimm ist - daran denke ich zu erst gar nicht.

Das kleine Tagesziel.. wow, etwas, was mich nachgrübeln lässt und mir wieder bewusst zeigt, wie wenig ich an mich denke und was wichtig ist, egal welchen Grund es haben sollte.
Sondern was ich will, weil es mir gut tut.
Nicht die üblichen Fragen: Was muss ich heute noch erledigen? Was steht an? Welchen Zweck wird es dann erzeugen?
Das klingt toll und lässt mich schmunzeln, da ich mir am Wochenende es gönne, mal "nichts" vorzunehmen, was bei meiner Problematik nach der Nase Anderer zu tanzen, wirklich gut tut.

Und ja... Wären alle Menschen perfekt, dann wäre es unerträglich auf der Erde zu leben. Oder gar langweilig. Individualismus wäre nichts, was man am anderen schätzen könnte, denn dadurch schätzen wir die anderen Mensch, weil sie anders sind und eben auf ihre eigene Art und Weise.

Grüßchen
Schokokeks
Es gibt schweigsame Menschen, die interessanter sind als die besten Redner.
- Benjamin Disraeli
Antiope
Beiträge: 1695
Registriert: 10. Jan 2011, 21:38

Re: Depression?

Beitrag von Antiope »

Hallo Schokokeks,

verlernen und lernen: Du musst NICHT alles auf einmal. Und einen Sprung ins kalte Wasser schon gar nicht :)
Es ist echt wie Sprachenlernen: langsam, immer wieder.

Ein Schritt nach dem anderen - und DU bestimmst das Tempo.

Es ist auch eine Entdeckungsreise zu Dir selbst.
(Wie bei 'Braut, die sich nicht traut': Wie möchte sie ihre Frühstückseier haben?)

Und zu Deinem Studium: es ist gut, zu wissen, was Du brauchen könntest. Aber Duales - jetzt nicht. Bitte nicht. Es ist von Haus aus so anstrengend angelegt, dass Du dieser Tage auf einen Zusammenbruch zusteuerst, würdest Du es beginnen.
Jetzt ist was anderes wichtig.

Du brauchst Dich nicht vor NIEMANDEM zu rechtfertigen, was Du tust. Du bist Du, und nicht das "Lillifee"-Abziehbild Deiner Eltern.
Und wenn Du Dich entscheidest, umzuziehen oder was auch immer, ist es Deine Entscheidung. Es geht darum, dass Du Susja, nicht Mose bist. Und wenn es für Dich das Richtige ist, dann ist es so. Und wenn Du jetzt 2 Monate in Italien am Strand sitzen willst - und es wirklich willst (naja, bei Depression und Wollen ..., aber trotzdem): dann tue es.

Die Probleme sind ein Teil von Dir. Aber sie sind nicht DU. Du kannst sie lösen, Stück für Stück, kannst lernen, mit ihnen umzugehen. Sie werden sich auch im Lauf der Zeit verändern.

Noch was.
Die Sache x ist nicht aussagekräftig über dein ganzes Wesen. Nein, ich habe etwas falsch gemacht, weil ich mir Weg anders gedacht hatte, aber das macht dich nicht zu einem schlechten Menschen.
Nein, meine Liebe :) Du hast nix falsch gemacht, Du hast einen Weg ausprobiert. Du hast dabei eine Erfahrung gesammelt. Alleine schon, auf diesen Weg zu kommen und es zu probieren - dazu gehört Mut und Intelligenz. Es nicht zu versuchen, ist *immer* die schlechtere Option.
Edison hat Tausende Versuche mit seinem Glühlampenfaden gemacht. Tausende. Am Ende wusste er aber genau, was nicht funktioniert. Da hat ihm keiner mehr etwas vormachen können. Und irgendwann, nachdem alle naheliegenden Gedanken ausprobiert waren, hat er etwas gefunden, was ein klein wenig funktioniert. Und dann hat es "ganz gut funktioniert" - weil er dann wusste, worauf es ankam: Vakuum, usw.
Lass Dir von niemandem, auch Dir nicht einreden, Fehler sind falsch. Sie sind wichtig und richtig.

Alles Liebe
Antiope
Schokokeks
Beiträge: 23
Registriert: 5. Mai 2014, 13:11

Re: Depression?

Beitrag von Schokokeks »

Huhu!

Ich war jetzt die Tage damit beschädigt nichts zum tun. Ich kann nicht. Ich raffe mich schwer auf. Es ist einfach anstrengend mal extrem motiviert zu sein und dann auf die Welt zu pfeifen. Meine Tagesziele erreiche ich zwar, aber ich fühle, dass es mich innerlich nur ein wenig befreit. Dabei weiß ich, es ändert sich nicht alles auf ein Mal.
Ich möchte mich derzeit verkriechen und bin froh meine Partner hackt darauf nicht herum.
Dabei versinke ich im sStress. Umzug...
Und leiner ja. Duales Studium könnte mich vernichten. Ich muss aber unbedingt meine finanzielle Krise schon mal vorsorgen und so wurde ich mich wohler fühlen. Es ist aber erst kurz vor Winter... Und bis dahin schaffe ichich, hoffe ich auf Wartelisten für Therapie...
Und so viele sorgen.... Vermutlich
Deswegen möchte ich mich in mein Bett verkriechen.
Italien ist ein tolles Land, ich war dort schon mal. Bei Venedig. Ja, dort wäre es toll. Aber Sommer ist nicht wirklich meine Jahreszeit. Und nach Schönheitsidealen zu tanzen... Nee. Ich bleib dort, wo ich mich am wolligsten fühle. (:
Und ja du hast recht. Letztendlich sammeln wir Menschen so unsere Erfahrungen. Aus Fehlern und Risiken. Es ist nur schwer zu sich selbst zu halten und an eigenes Glühbirnchen zu glauben, wenn man glaubt tausende Kommentare meinen, man läge falsch.

Grüße,
Keks
Es gibt schweigsame Menschen, die interessanter sind als die besten Redner.
- Benjamin Disraeli
Antiope
Beiträge: 1695
Registriert: 10. Jan 2011, 21:38

Re: Depression?

Beitrag von Antiope »

Hallo Schokokeks,

Du brauchst Dich hier nicht zu entschuldigen, wenn grad nix geht. Ich war die letzten Tage auch etwas, naja, down.

Eine Bitte an Dich: Wenn es Dir gerade nicht so gut geht, dann ist es vollkommen okay, wenig tun zu können, sich schwer aufraffen zu können. Gestehe Dir einfach jetzt diese Pausen zu.

Welche Sorgen treiben Dich um? Sind sie alle hier und heute aktuell, alle ganz realistisch - oder gibt es unter diesem ganzen Berg auch ein paar Sorgen, die mit dem "was wäre, wenn ..." spielen?
Ich weiß, dass es ganz schwer ist, aus diesem "Wäre"-Karussell auszusteigen. Aber diese Schreckgedanken haben keinen Platz in Deinem Hier und Jetzt. Und wenn sie zehnmal herumzetern.

Wie ist Deine finanzielle Situation? Ist sie wirklich so bedrückend, oder geht es doch im Moment? Entschuldige bitte diese Frage. Ich kann nicht genau einschätzen, ob diese Befürchtung auf harter Realität beruht, oder (was ich leider sehr gut kenne) auf depressiver Verzerrung. Versuche diese Einschätzung wirklich ganz realistisch zu hinterfragen - und ihr so ev. den bohrenden Stachel zu nehmen. Wenn es wirklich hart ist, kann vielleicht auch eine Schuldnerberatung o.dgl. helfen.

Zu den Erfahrungen: ganz ehrlich, ich habe viele schlechte Erfahrungen gemacht, auch solche, die mich heute extrem belasten und mich gerade den Arbeitsplatz kosten. Aber trotzdem: sie waren trotzdem zu etwas gut, sie haben trotzdem mir eine Lehre mitgebracht, einen Punkt weitergebracht.
Ich möchte Dir eigentlich nur Mut machen, eine Erfahrung zu riskieren und Dir zeigen, dass sie wichtig sind. Und beileibe nicht jede Erfahrung endet als Fehler - sondern ganz viele gehen auch gut, mehr oder weniger ;) Welche Erfahrung zuletzt war gut? Was war daran gut?

Es ist Dein eigenes Glühlämpchen, Deine Art, die Welt zu erleuchten.
Wenn man die Fische fragt, ob man besser Unterwasser lebt, bekommt man millionenmal die Antwort "ja, auf jeden Fall". Aber trotzdem liegen sie alle falsch.

Versuche nur heute die Balance hinzukriegen zwischen Verkriechen und Aktiv sein, Kraft tanken und Tagesziel erreichen. Nur heute. Morgen ist morgen.

Ich wünsche Dir ganz viel Kraft.
Schokokeks
Beiträge: 23
Registriert: 5. Mai 2014, 13:11

Re: Depression?

Beitrag von Schokokeks »

Hallo Antiope!

In letzter Zeit ist immer irgendwo ein Wurm.
Ich verfolge deine Lage, die du in deinem Thema beschrieben hast, dass es dir down ergangen ist, ist auch verständlich. *Keks zuschieb*
Und ja. Pausen tuen immer gut, auch mir.
Ich habe mich heute aufgerafft, um bei meinem Hausarzt anzurufen und bei ihr einen Termin gemacht. Zum Glück jetzt, da sie ab nächste Woche Donnerstag in den Urlaub geht.
Ich weiß zwar, dass ich in Therapie nicht von Heute auf Morgen komme, aber ich darf nicht den Mut verlieren...
Wobei es mich schon graust ihr am Dienstag meine Lage zu schildern... So etwas fällt mir Person zu Person extrem schwer.
Aber das wird schon.

Sorgen sind generell Dinge, die mich in zwei, drei Monaten betreffen. Eigentlich Dinge, die anstehen werden und doch bereitet mir alles Sorgen, dass auch eine neue Wohnung zu finden klappt, der Umzug und letztendlich, was ich mit mir tue. Mein Partner versucht mich natürlich diesen Sorgen zu entlasten, ja, weil sie völlig unbegründet sind, aber das ist auch etwas, was ich von meiner Mutter aufgesaugt hatte - sich stets Stress wegen Nichtigkeiten, die keinem Menschen körperlich Schaden, wenn es nun Mal nicht klappt.

Und nein. Gott sei Dank. Schulden hab ich bisher nicht, sodass ich mich an einen Berater wenden sollte, ja ich denke ich habe mich lediglich selbst gestresst.

Schlechte Erfahrungen sind doch die, die uns eh am meisten bedrücken. Aber meine letzte, die sich als großartig herausstellte, war tatsächlich der Auszug von zu Hause, weil ich mich damit wohl fühle.
Wie viele auch mir davon abgeraten hatten, aber ich liebe diese Stadt. (:
Unter Wasser könnte ich nicht lange leben. :O

Liebe Grüße,
Schokokeks
Es gibt schweigsame Menschen, die interessanter sind als die besten Redner.
- Benjamin Disraeli
Antiope
Beiträge: 1695
Registriert: 10. Jan 2011, 21:38

Re: Depression?

Beitrag von Antiope »

Lieber Schokokeks,

uiii, sehr gut: Du hast den Arzt-Termin gemacht. Und dabei noch im genau richtigen Moment.

Wenn es Dir graust, es zu schildern, dann kannst Du es auch schriftlich vorher zusammenfassen. Oder das, was Du hier geschrieben hast, ausdrucken und ihr hinlegen.

Depression macht auch, dass man sich ständig um alles Mögliche sorgt und dass man ständig und überall schwarzmalt. D.h. Deine Sorgen sind Ausdruck Deiner Depression. Und daher ist es wichtig, sie mit "Stopp" zu blockieren, immer und immer wieder. Auch Dein Partner kann Dir dabei helfen, indem er Dir es immer wieder sagt. Weiß er es, dass Deine Sorgen "nur" Ausdruck Deiner Depression sind?
Wenn nicht, dann sage ihm es und sage ihm, dass Du "eigentlich" darauf vertraust, dass ihr beide das hinbekommt. Aber manchmal macht Dir die depressive schwarzseherische Brille so sehr zu schaffen, dass Du unbegründet in Sorgen abrutscht. Und Du bittest ihn darum, Dir einfach immer wieder zu sagen, dass es Deine depressive Brille ist und dass es keinen wirklichen Grund gibt, sich zu sorgen. Vielleicht könnt ihr ja sogar ein Bild oder so ausmachen.

Versucht es. Es wird klappen, genauso wie der großartige Schritt raus aus der Wohnung Deiner Mutter.
Dann habt ihr nämlich einen zweiten großartigen Schritt geleistet: raus aus dem geistigen Schatten Deiner Mutter.

Mit dem ersten Schritt hast Du eine wunderbare Stadt erobert ... finde ich einfach toll. Ich habe das so nicht geschafft - aber Du!

Liebe Grüße
Antiope
Schokokeks
Beiträge: 23
Registriert: 5. Mai 2014, 13:11

Re: Depression?

Beitrag von Schokokeks »

Huhu Antiope!

Den Tipp setze ich vermutlich um. Vielleicht gehe ich im Geiste noch ein Mal durch, was mich innerlich zerstört und sag es dann.
Klingt dann auswendig gelernt, aber das hält mich davon ab, sofort in einen Heulkrampf auszubrechen.

Dass ich beinahe auf jede Sorge panisch reagiere, habe ich meinem Partner auch mitgeteilt, was er aber auch beinahe täglich beobachten kann. Oder dass ich ziemlich düster in die Zukunft sehe. Ich glaube er steuert oft dagegen und probiert es, meinen Pessimismus umzulenken.
Rational bedenkend, weiß er vermutlich nicht, wie er mir helfen soll. Anderseits versucht er mich oft abzulenken, mich aufzumuntern. Es ist auf Dauer zwar beschönigend, aber emotional nur 'aufgeschoben'.
Als ich darauf ansprach, ich habe womöglich Depressionen, hatte er nicht wirklich reagiert. Auch nicht, als ich meinte, ich suche nach einem Facharzt.
Nur lediglich, dass er für mich da ist, hatte er einst gesagt. Es erleichtert mich, aber es heilt nicht den Schmerz. Ich habe seine Unterstützung, ich weiß, dass ich ihm wichtig bin, aber dann legen sich allgemein die schwarzen Gedanken und ich denke oft, ich bin nur aus einem Grund für ihn da.
Nicht weil ich geliebt werde, sondern wieder einen Nutzen darstelle. Oft überkommt mich der Frust und ich fühle mich von ihm missverstanden, nicht unterstützt und im Stich gelassen.
So denke ich eigentlich dann bei den meisten Menschen, als Vorsicht davor, viel zu viel zu erwarten, weil wenn die Erwartung unerfüllt bleibt, dann ist die Enttäuschung größer.

Es war schwer umzuziehen und den Schritt zu wagen. Aber ein Mal ein Pferd losgelassen, hatte es mich so schnell weggezogen, dass ich nicht richtig schauen konnte.
Noch heute frage ich mich, wie ich das geschafft hatte.
Es hat mir viele Dinge geschenkt, anderseits vor neue Probleme gestellt.
Aber ich bereue es nicht.
Es war für mich wie ein Neuanfang und daher hoffe ich die restlichen Barrieren zu lösen.

Liebe Grüße,
dankbarer Schokokeks!
Es gibt schweigsame Menschen, die interessanter sind als die besten Redner.
- Benjamin Disraeli
Antiope
Beiträge: 1695
Registriert: 10. Jan 2011, 21:38

Re: Depression?

Beitrag von Antiope »

Hallo Schokokeks,

konntest Du mit dem Arzt reden? Hat es geklappt?

Sorgen und Ängste gehören zu den Hauptsymptomen der Depression. Dass Du in dieser Beziehung mit Deinem Partner sehr offen umgegangen bist, ist doch toll.
Für ihn wird es wohl auch schwierig sein, weil er ja nicht weiß, wie er richtig reagieren soll, weil er sich nicht direkt vorstellen kann, wie Gedanken sich immer mehr in mehr oder weniger irreale oder übersteigerte Ängste verwandeln können.
Da ist es schon hilfreich, trotz allem, wenn er versucht, da gegenzulenken. Vielleicht sollte er auch wissen, dass Du ihm zuhörst und dass Du diese Hilfe brauchst, auch wenn er es schon x-mal gesagt hat und y-mal dagegengerudert ist. Sicher tut es ihm auch gut zu wissen, dass seine Versicherung, für Dich dazusein, ganz wichtig sei für Dich. Auch wenn Du es manchmal nicht sagen oder ausdrücken kannst. Aber dass Dir das auch Halt gibt.

Diesen endlosen Zweifel, dieses Gefühl des Nicht-Verstanden-Seins, abgelehnt und im Stich gelassen - gehören zur Depression. Und ich weiß selbst, wie schwer es ist, das immer wieder von neuem zu erkennen und immer wieder selbst dagegen anzukämpfen. Aber versuche es trotzdem: Frust und Zweifel gehört zur Depression, nicht zu Dir ...

Ich wünsche Dir diese Pferdeenergie wieder - Du hast damit so vieles geschafft!
Antiope
Schokokeks
Beiträge: 23
Registriert: 5. Mai 2014, 13:11

Re: Depression?

Beitrag von Schokokeks »

Hey...

Die letzten Tage waren eine Mischung aus Qual und Erleichterung.
Mein Partner hatte es ohne mit mir abzusprechen die Bombe in seiner Familie platzen lassen, dass ich das Studium wechseln will und dass es scheiße läuft und dass ich emotional fertig bin und deswegen es vermutlich eine Depression ist.
Ich war weder dabei noch wollte ich es.
Es war ein unkontrollierbarer Schritt, den er gedankenlos getan hatte, was mich sowohl emotional aufgewühlt und belastet hatte. Das wollte ich für mich selbst entscheiden und doch wurde eingegriffen.... Und das natürlich vor der Jugendweihe seines Bruders... Eigentlich unsensibel.

Tja, heute war ich dann bei der Ärztin und wie sehr ich mich vorbereitet hatte, ich bin natürlich in Tränen ausgebrochen und hab ihr so weit wie möglich meine Situation erklärt.
Ich hab eine Überweisung zu einer Ärztin und muss dort nur noch Termin vereinbaren..
Es gibt schweigsame Menschen, die interessanter sind als die besten Redner.
- Benjamin Disraeli
Antworten