Panik vor der Therapie

oubliette
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Panik vor der Therapie

Beitrag von oubliette »

Hallo,
erster Beitrag hier, fühlt sich komisch an.
Kurze Vorgeschichte: Ich hab vor etwa zwei Wochen von meinem Hausarzt mehrere Überweisungen bekommen, als ich ihn in einer akuten Krise aufgesucht habe, er empfahl mir dringend eine Therapie und gab mir zusätzlich eine Überweisung in die Ambulanz der hiesigen Psychiatrischen Klinik, damit ich im akuten Notfall eine Adresse hätte, an die ich mich wenden könnte, da ich nicht stationär gehen wollte.
Eigentlich hatte ich vor, ein paar Therapeuten abzutelefonieren und mir systematisch jemanden auszusuchen, aber Anfang der Woche ging es einfach nicht mehr und ich saß in der Ambulanz. (Was für ein gräßliches, gräßliches Gefühl, es war furchtbar.)
Das Gespräch mit der Ärztin war für mich auch sehr unangenehm und wenig hilfreich.
Nun soll ich dort eine ambulante Thearpie anfangen, quasi zur Überbrückung.

Und ich hab so eine Angst vor der Therapie. Ich bin ein Mensch, der sich kein bißchen öffnen kann, weder bekannten geschweige denn fremden Menschen gegenüber, kann zu niemandem Vertrauen aufbauen und dazu kommt, dass mir reden nicht hilft. Über meine Probleme reden zu müssen, macht alles nur schlimmer, ich habe es schon öfters auf Anraten versucht, hinterher war ich kein bißchen erleichtert, im Gegenteil.
WIE soll denn da eine Therapie funktionieren? Ich bin verzweifelt, denn ich weiß ja, dass ich Hilfe brauche, aber ich kann vor Horror schon jetzt seit Nächten nicht mehr schlafen, und ich hab noch nicht mal einen ersten Termin.

Hilfe.

oubliette
Regenwolke
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Re: Panik vor der Therapie

Beitrag von Regenwolke »

Hallo Oubliette,

erstmal willkommen hier im Forum!

Ist die Therapie in der Ambulanz bei der Ärztin, mit der du auch gesprochen hast?
Was genau war denn das Unangenehme für dich? Lag es eher am Verhalten der Ärztin selber, oder an der Gesprächssituation allgemein?

Dein Hausarzt hat ja eingentlich sehr umsichtig reagiert, hat dein Problem ernst genommen und dafür gesorgt, dass du weißt, wohin du dich wenden kannst.
Auch die Möglichkeit, nun so kurzfristig in der Ambulanz eine Therapiemöglichkeit zu haben und so die manchmal ja leider sehr lange Wartezeit auf einen ambulanten Therapieplatz zu überbrücken, klingt erstmal sehr positiv.

Andererseits hört es sich so an, als würdest du eine Therapie eigentlich gar nicht wollen bzw. auch keine Hoffnung haben, dass sich deine Situation dadurch verbessern könnte.
Aber in einer Therapie muß man nicht alles sofort können - sonst bräuchte man ja vielleicht gar keine. Kannst du dir nicht vorstellen, dass sich deine Schwierigkeiten, über dich zu sprechen, vielleicht auch verändern können? Oder dass du - nicht sofort - aber doch mit und mit Vertrauen aufbauen kannst?
Es ist ja auch kein Zwang, du kannst jederzeit entscheiden, die Gespräche nicht weiterzuführen, von daher gehst du kein Risiko ein, wenn du es dir erstmal anguckst. Und du kannst entscheiden, wieviel du von dir erzählen möchtest.

Wenn eine Therapie aber ganz unmöglich scheint: Was wäre mit einer medikamentösen Behandlung? Könntest du dir das vorstellen? Das wird ja sicherlich in der Ambulanz auch angeboten.

Ich wünsche dir, dass du ein bißchen Vertrauen fassen kannst, dass Dinge, die erstmal bedrohlich aussehen, sich auch gut entwickeln können.
LG, Wolke
oubliette
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Re: Panik vor der Therapie

Beitrag von oubliette »

Hallo Regenwolke,
vielen Dank für deine Antwort.
Zur ersten Frage: Nein, die Therapie wird wohl bei jemand anders sein, wer halt grad Kapazitäten hat.
Die Ärztin war ok, aber dort zu sitzen und reden zu müssen war belastend. Nur ist meine momentane Situation auch belastend, deshalb wußte ich in dem Moment nicht mehr weiter. Auch fand ich nicht gut, dass ich gleich meine Versichertenkarte abgeben musste und sie sich Notizen gemacht hat, die sie "weitergeben" wollte.
(Wie ist das eigentlich, kriegt jetzt die Krankenkasse gleich mit, dass ich dort war und eine Therapie benötige? Das wär mir eigentlich überhaupt nicht recht, ich dachte, man hätte erstmal Probesitzungen?)

Ja, du hast wohl recht, ich habe nicht wirklich die Hoffnung, dass eine Therapie mir helfen kann. Sie türmt sich nur als weitere Belastung vor mir auf. Ich habe furchtbare Angst davor, komplett durchleuchtet zuwerden, habe Angst davor, dass nun in meiner tiefsten Seele herumgebohrt werden soll ohne gleichzeitige Zuversicht auf Besserung.
Und trotzdem weiss ich, dass was passieren muss, allein schon wegen meiner in letzter Zeit wieder gehäuft auftretenen dummen Gedanken.
Eine medikamentöse Behandlung kommt für mich nicht in Frage. Ich habe gesehen, was diese Mittel mit Menschen machen, das will ich nicht. Das macht mir genausoviel Angst wie die Therapie.

Ich hoffe, das alles kommt jetzt nicht verstockt rüber, denn das bin ich nicht. Ich möchte, aber befürchte, ich kann nicht.

LG
oubliette
mime
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Re: Panik vor der Therapie

Beitrag von mime »

Hallo Oubliette,

du hast schon einmal den richtigen Schritt getan, dich zuerst an deinen Hausarzt und dann an die empfohlene Klinik zu wenden.

Da das Ganze für dich vermutlich alles Neuland zu sein scheint (so liest es sich zumindest – und jeder Fall ist ja auch anders gelagert), kann das zunächst mehr aufwühlend / belastend wirken als entlastend, weil es eben noch so neu ist und du noch keinen festen therapeutischen Ansprechpartner hast usw. usw.

Ich finde es auch gut, dass dir die Klinik zumindest vorerst eine ambulante Überbrückung angeboten hat. Was ist es denn für eine Überbrückung? Ich meine, zu was sollte die ambulante Therapie eine Überbrückung sein? Konntest du das dem Gespräch schon entnehmen?

Vielleicht gelingt es dir, das als ersten Schritt zu sehen, Hilfe anzunehmen? Therapeuten erwarten bestimmt keine „Wunder“ von wegen, dass man sich gleich öffnet. Das klappt ganz selten auf Anhieb – wie denn auch, du und der Therapeut/die Therapeutin müssen sich ja erst kennen lernen. Außerdem soll es ja erst einmal wohl um eine Stabilisierung bei dir gehen.

Was du zur Versichertenkarte und „weitergeben“ der Ärztin geschrieben hast: Das ist nichts Ungewöhnliches und muss erst einmal gar nichts bedeuten. Die Ärztin hat möglicherweise die Karte nur zum Einlesen oder Ablesen deiner Daten gebraucht, weil sie den Termin über die Krankenkasse abrechnet, mehr nicht. Wenn du beim Hausarzt bist, rechnet der ja auch über die Krankenkasse ab, also alles halb so wild.

Dezidiert Auskunft darf der Arzt/die Ärztin über dich und deine Krankheit an die Krankenkasse nicht weitergeben, es sei denn, du entbindest den Arzt/die Ärztin von der Schweigepflicht (das kann später mal notwendig werden, aber jetzt noch nicht).

Und das „Weitergeben“ bezog sich sicherlich auf die interne Terminverteilung bzw. wird dazu dienen, eine Patientenakte für dich anzulegen. Je nachdem, zu welchem/welcher Therapeutin du kommst, wird der wahrscheinlich schon mal deinen Namen, deine Versicherung, deine Erstmeldung in der Klinik oder so erhalten, damit er/sie mit dir nicht alles noch mal von vorne durchgehen muss.

Lange Rede, kurzer Sinn: Versuche bitte, dir darüber nicht so den Kopf zu machen! Ärzte sind zur Verschwiegenheit verpflichtet.

Ja, du hast die Möglichkeit auf Probesitzungen (= probatorische Sitzungen). Die Krankenkasse genehmigt meist 5 (und dann eine anschließende ambulante Therapie). Doch das würde ich bei dir erst einmal abwarten – du bist ja jetzt erst einmal mit der Klinik in Kontakt – und das richtet sich auch darauf, wie es für dich weitergehen wird und kann.

***********************************************

Medikamente:

Hm, da mein Text schon lange genug ist, werde ich nicht zu ausführlich auf das Thema „Medikamente eingehen“.

Nur soviel: Es herrschen viele Vorurteile gegenüber Medikamenten [ich habe sie auch lange Zeit komplett abgelehnt], doch es gibt große Unterschiede zwischen einem Antidepressivum, einem Beruhigungs-/Schlafmittel und Medikamenten, die wegen anderer psychischer Erkrankungen notwendigerweise unter fachärztlicher Abstimmung gegeben werden müssen.

Wenn du selbst schon schlechte Erfahrungen an anderen mitbekommen hast, ist das natürlich ein Angstfaktor, der nachvollziehbar ist. Doch da empfiehlt es sich, dass du dich erst einmal fachärztlich beraten und ggf. aufklären lässt, was die neueren Antidepressiva betrifft.

Antidepressiva können helfen, müssen aber nicht in jedem Fall ratsam sein. Ich habe es auch lange ohne probiert – dich kann niemand zwingen, etwas zu nehmen. Doch als meine Fachärztin mir die Wirkungsweise von einem Antidepressivum klar gemacht hat (die meisten bringen nur die Botenstoffkonzentration im Gehirn wieder auf einen ausgeglichenen Level – bei vielen Depressiven ist da ein ungesundes Ungleichgewicht / eine Störung/Blockade der Botenstoffaufnahme). Diese Botenstoffe sind für unser Wohlbefinden, den Antrieb, den Schlaf, die Angst usw. verantwortlich und sowieso in unseren Gehirnen (von Natur aus) – ein Medikament kann nur dafür sorgen, dass diese Botenstoffe wieder in ausreichender Konzentration von unserem Gehirn aufgenommen werden können. Abhängig machen oder die Persönlichkeit verändern können Anitdepressiva nicht! Aber sie können u. U. gegen die „dummen Gedanken“ – wie du schreibst – helfen. Das ist manchmal eine große Erleichterung.

Versuche bitte, wenn es dir möglich ist, auch das als eine Möglichkeit zu sehen, die hilfreich sein könnte. Deine Angst kann ich sehr gut verstehen, doch vielleicht gibt es da auch ein Umdenken, wenn du darüber ein bisschen mehr darüber Bescheid weißt. Und das kommt auch erst so nach und nach – und wie gesagt, trifft auch nicht auf jeden Depressiven zu.

***********************************************

Therapie:

In einer Therapie geht es nicht in erster Linie darum, in deine Seele gucken zu lassen. Dazu müssten Ärzte und Therapeuten ja „Röntgen-Augen“ haben – die haben sie aber nicht ;). Es geht erst einmal darum, dich in deiner jetzigen Situation zu unterstützen und zu begleiten. Vielleicht Lösungswege zusammen zu suchen, wie du aus deiner jetzigen Krise herauskommen kannst.

Eine Therapie ist erst dann wirkungsvoll, wenn du ihr eine Chance gibst. Aber anfangs ist man da verständlicherweise skeptisch oder hoffnungslos (das ist ganz typisch für ein depressives Denken) – oder man ist auch noch nicht stabil genug dafür (das gibt es auch), oder es passt einfach nicht im Verhältnis Therapeut / Patient.

Doch was spricht denn dagegen, es einfach mal zu probieren? Wenn es nichts für dich ist, kannst du das auch sagen. Du kannst auch in dem Erstgespräch deine Ängste / Befürchtungen mitteilen.

Bis es in der Therapie erst mal ans „Eingemachte“ geht, kann es sehr lange dauern. Ich möchte dir ein bisschen Mut machen, die Angst zu verlieren. Die Therapeuten sollten auch die entsprechende Geduld und Erfahrung haben und können auch mit Skepsis/Angst umgehen.

***********************************************

Wie geht es für dich jetzt weiter? Hast du schon einen neuen Termin in der Klinik? Ich drücke dir die Daumen, dass du die richtige Behandlung für dich erfährst und dass es dir bald wieder etwas besser geht.

Viele Grüße
Mime
Wir müssen lernen,
die Menschen weniger auf das, was sie tun und unterlassen,
als auf das, was sie erleiden, anzusehen.

(Dietrich Bonhoeffer)
Regenwolke
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Re: Panik vor der Therapie

Beitrag von Regenwolke »

Hallo Oubliette,

nein, keine Sorge, es kommt nicht "verstockt" rüber, was du schreibst. Es klingt nur nach viel Angst.

Wie Mime schon geschrieben hat, denke ich, dass die Ärztin, die mit dir das Gespräch geführt hat, die Notizen an die Kollegin weitergibt, die dann mit dir therapeutische Gespräche führen wird. Die Ambulanz gehört ja zu einer Klinik, und das läuft dann ähnlich, wie im Krankenhaus, es wird eine Akte angelegt, die der jeweilige Behandler bekommt.

Die Abrechnung läuft über die Krankenkasse, insofern bekommt die Krankenkasse leider schon mit, dass du dort warst, das ist wie bei einem anderen Arztbesuch auch.

Das mit den bis zu fünf Vorgesprächen (probatorische Sitzungen) gilt für eine ambulante Therapie bei einem in einer Praxis niedergelassenen Psychotherapeuten, in dieser Zeit soll geklärt werden, ob die Therapie notwendig ist und Patient und Therapeut miteinander arbeiten können. Erst danach wird ein Therapieantrag bei der Kasse gestellt. Aber auch bei einer ambulanten Therapie wird schon die erste Sitzung mit der Krankenkasse abgerechnet.
In einer psychiatrischen Ambulanz braucht man solche Vorgespräche nicht, denn für psychotherapeutische Behandlungen dort ist kein Therapieantrag nötig.

Was Medikamente angeht: Es gibt auch pflanzliche Mittel, die man ausprobieren kann und die manchmal helfen. Bei Depressionen z. B. Johanniskraut, bei Ängsten z. B. Lavendelöl oder Passionsblume. Letzteres mildert meine Ängste ein bißchen.

Du schreibst, dass du Angst hast, komplett durchleuchtet zu werden. Falls es um schlimme Erlebnisse geht, die du nicht erzählen möchtest: Du hast das Recht, etwas für dich zu behalten und kein Therapeut wird erwarten, dass du zu Beginn der Therapie deine ganze Seele bloßlegst. In einer Therapie geht es auch manchmal um eher pragmatische Dinge und wenn es dir schlecht geht, wird erstmal das Thema sein, dafür zu sorgen, dass du wieder etwas stabiler wirst.

Alles Gute für Dich!
Wolke
oubliette
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Re: Panik vor der Therapie

Beitrag von oubliette »

mime hat geschrieben:Hallo Oubliette,

du hast schon einmal den richtigen Schritt getan, dich zuerst an deinen Hausarzt und dann an die empfohlene Klinik zu wenden.

Da das Ganze für dich vermutlich alles Neuland zu sein scheint (so liest es sich zumindest – und jeder Fall ist ja auch anders gelagert), kann das zunächst mehr aufwühlend / belastend wirken als entlastend, weil es eben noch so neu ist und du noch keinen festen therapeutischen Ansprechpartner hast usw. usw.

Ich finde es auch gut, dass dir die Klinik zumindest vorerst eine ambulante Überbrückung angeboten hat. Was ist es denn für eine Überbrückung? Ich meine, zu was sollte die ambulante Therapie eine Überbrückung sein? Konntest du das dem Gespräch schon entnehmen?
Hallo Mime,
auch dir danke für deine tolle ausführliche Antwort.
Ja, du hast recht, es ist Neuland. Momentan bin ich in einr homöopathischen Behandlung. Das läuft zwar schon seit vier Monaten aber die Gespräche sind trotz ganz guter zwischenmenschlicher Chemie Horror für mich.
Ich habe es so verstanden, dass es eine Überbrückung zur eigentlichen Therapie bei einem niedergelassenen Therapeuten sein soll, bei denen ja die Wartezeiten Monate betragen können, in der Klinik geht es eben etwas schneller. Aber es ist nur in der dortigen Ambulanzsprechstunde, also keine Dauerlösung.

Vielleicht gelingt es dir, das als ersten Schritt zu sehen, Hilfe anzunehmen? Therapeuten erwarten bestimmt keine „Wunder“ von wegen, dass man sich gleich öffnet. Das klappt ganz selten auf Anhieb – wie denn auch, du und der Therapeut/die Therapeutin müssen sich ja erst kennen lernen. Außerdem soll es ja erst einmal wohl um eine Stabilisierung bei dir gehen.
Aber kann ein Therapeut einem denn auch helfen, wenn man verkrampft und sprachlos vor ihm sitzt? Ich bezweifel das. Oder?
Was du zur Versichertenkarte und „weitergeben“ der Ärztin geschrieben hast: Das ist nichts Ungewöhnliches und muss erst einmal gar nichts bedeuten. Die Ärztin hat möglicherweise die Karte nur zum Einlesen oder Ablesen deiner Daten gebraucht, weil sie den Termin über die Krankenkasse abrechnet, mehr nicht. Wenn du beim Hausarzt bist, rechnet der ja auch über die Krankenkasse ab, also alles halb so wild.

Dezidiert Auskunft darf der Arzt/die Ärztin über dich und deine Krankheit an die Krankenkasse nicht weitergeben, es sei denn, du entbindest den Arzt/die Ärztin von der Schweigepflicht (das kann später mal notwendig werden, aber jetzt noch nicht).

Und das „Weitergeben“ bezog sich sicherlich auf die interne Terminverteilung bzw. wird dazu dienen, eine Patientenakte für dich anzulegen. Je nachdem, zu welchem/welcher Therapeutin du kommst, wird der wahrscheinlich schon mal deinen Namen, deine Versicherung, deine Erstmeldung in der Klinik oder so erhalten, damit er/sie mit dir nicht alles noch mal von vorne durchgehen muss.

Lange Rede, kurzer Sinn: Versuche bitte, dir darüber nicht so den Kopf zu machen! Ärzte sind zur Verschwiegenheit verpflichtet.

Ja, du hast die Möglichkeit auf Probesitzungen (= probatorische Sitzungen). Die Krankenkasse genehmigt meist 5 (und dann eine anschließende ambulante Therapie). Doch das würde ich bei dir erst einmal abwarten – du bist ja jetzt erst einmal mit der Klinik in Kontakt – und das richtet sich auch darauf, wie es für dich weitergehen wird und kann.
Achso, ok. Wie sähe denn das aus, wenn ich nach einiger Zeit von der Kliniktherapie zu einem niedergelassenen Therapeuten wechseln sollte, bekommt der auch gleich alle Infos zu meiner Person und meinem Fall?
Das ist im Bezug auf Unvoreingenommenheit in meinen Augen mehr als problematisch.
Oder wie seht ihr das? Hab ich zu hehre Vorstellungen?

Medikamente:

Hm, da mein Text schon lange genug ist, werde ich nicht zu ausführlich auf das Thema „Medikamente eingehen“.

Nur soviel: Es herrschen viele Vorurteile gegenüber Medikamenten [ich habe sie auch lange Zeit komplett abgelehnt], doch es gibt große Unterschiede zwischen einem Antidepressivum, einem Beruhigungs-/Schlafmittel und Medikamenten, die wegen anderer psychischer Erkrankungen notwendigerweise unter fachärztlicher Abstimmung gegeben werden müssen.

Wenn du selbst schon schlechte Erfahrungen an anderen mitbekommen hast, ist das natürlich ein Angstfaktor, der nachvollziehbar ist. Doch da empfiehlt es sich, dass du dich erst einmal fachärztlich beraten und ggf. aufklären lässt, was die neueren Antidepressiva betrifft.

Antidepressiva können helfen, müssen aber nicht in jedem Fall ratsam sein. Ich habe es auch lange ohne probiert – dich kann niemand zwingen, etwas zu nehmen. Doch als meine Fachärztin mir die Wirkungsweise von einem Antidepressivum klar gemacht hat (die meisten bringen nur die Botenstoffkonzentration im Gehirn wieder auf einen ausgeglichenen Level – bei vielen Depressiven ist da ein ungesundes Ungleichgewicht / eine Störung/Blockade der Botenstoffaufnahme). Diese Botenstoffe sind für unser Wohlbefinden, den Antrieb, den Schlaf, die Angst usw. verantwortlich und sowieso in unseren Gehirnen (von Natur aus) – ein Medikament kann nur dafür sorgen, dass diese Botenstoffe wieder in ausreichender Konzentration von unserem Gehirn aufgenommen werden können. Abhängig machen oder die Persönlichkeit verändern können Anitdepressiva nicht! Aber sie können u. U. gegen die „dummen Gedanken“ – wie du schreibst – helfen. Das ist manchmal eine große Erleichterung.

Versuche bitte, wenn es dir möglich ist, auch das als eine Möglichkeit zu sehen, die hilfreich sein könnte. Deine Angst kann ich sehr gut verstehen, doch vielleicht gibt es da auch ein Umdenken, wenn du darüber ein bisschen mehr darüber Bescheid weißt. Und das kommt auch erst so nach und nach – und wie gesagt, trifft auch nicht auf jeden Depressiven zu.
Nein, ich schließe das wirklich aus. Ich weiss, wie ADs wirken, sie besch****** das Gehirn. Machen antriebslos und müde (dann komm ich gar nicht mehr aus der Horizontalen, irgendwie muss ich ja meinen Alltag trotzdem noch bewältigen können) führen oftmals zu einer extremen Gewichtszunahme. Alles erlebt.
Nein, ausgeschlossen, das kann mir kein Arzt der Welt akzeptabel erscheinen lassen.

In einer Therapie geht es nicht in erster Linie darum, in deine Seele gucken zu lassen. Dazu müssten Ärzte und Therapeuten ja „Röntgen-Augen“ haben – die haben sie aber nicht ;). Es geht erst einmal darum, dich in deiner jetzigen Situation zu unterstützen und zu begleiten. Vielleicht Lösungswege zusammen zu suchen, wie du aus deiner jetzigen Krise herauskommen kannst.

Eine Therapie ist erst dann wirkungsvoll, wenn du ihr eine Chance gibst. Aber anfangs ist man da verständlicherweise skeptisch oder hoffnungslos (das ist ganz typisch für ein depressives Denken) – oder man ist auch noch nicht stabil genug dafür (das gibt es auch), oder es passt einfach nicht im Verhältnis Therapeut / Patient.

Doch was spricht denn dagegen, es einfach mal zu probieren? Wenn es nichts für dich ist, kannst du das auch sagen. Du kannst auch in dem Erstgespräch deine Ängste / Befürchtungen mitteilen.

Bis es in der Therapie erst mal ans „Eingemachte“ geht, kann es sehr lange dauern. Ich möchte dir ein bisschen Mut machen, die Angst zu verlieren. Die Therapeuten sollten auch die entsprechende Geduld und Erfahrung haben und können auch mit Skepsis/Angst umgehen.

Wie geht es für dich jetzt weiter? Hast du schon einen neuen Termin in der Klinik? Ich drücke dir die Daumen, dass du die richtige Behandlung für dich erfährst und dass es dir bald wieder etwas besser geht.

Viele Grüße
Mime
Ich habe gedacht, dass man sich in einer Therapie komplett öffnen muss, damit sie etwas bringt?
Ich kann mir einfach nicht vorstelln, dass mir ein Therapeut etwas erzählt, was ich selbst nicht schon längst weiss.
Was dagegen spricht, es zu probieren? Rational gesehen nichts, das stimmt.
Irrational gesehen spricht dagegen, dass dann dieser Makel, offiziell krank zu sein auf ewig an mir kleben wird.

Ich habe im Moment sehr, sehr schlechte Phasen, wo ich auf allen vieren zu einem Arzt kriechen würde und ihn anflehen mir irgendwie zu helfen, weil ich nicht mehr kann. In diesen Momenten ist in mir aber auch die vollkommene Sprach- und Hilflosigkeit, kann mich überhaupt nicht mehr artikulieren oder adäquat mitteilen.
In den weniger schlechten Phasen beherrscht mich einfach eine riesige Angst vor allem, besonders vor der Therapie. Dazu kommt die Überwindung und Scham, auf das Gelände der PK zu müssen jedesmal.
Ich hab einen Termin, ja, in einem Monat. Das heißt einen Monat nicht schlafen können. :roll:


Hallo Regenwolke (sehr schöner Nick übrigens, mag ich. :))
Regenwolke hat geschrieben:Hallo Oubliette,

nein, keine Sorge, es kommt nicht "verstockt" rüber, was du schreibst. Es klingt nur nach viel Angst.

Wie Mime schon geschrieben hat, denke ich, dass die Ärztin, die mit dir das Gespräch geführt hat, die Notizen an die Kollegin weitergibt, die dann mit dir therapeutische Gespräche führen wird. Die Ambulanz gehört ja zu einer Klinik, und das läuft dann ähnlich, wie im Krankenhaus, es wird eine Akte angelegt, die der jeweilige Behandler bekommt.

Die Abrechnung läuft über die Krankenkasse, insofern bekommt die Krankenkasse leider schon mit, dass du dort warst, das ist wie bei einem anderen Arztbesuch auch.

Das mit den bis zu fünf Vorgesprächen (probatorische Sitzungen) gilt für eine ambulante Therapie bei einem in einer Praxis niedergelassenen Psychotherapeuten, in dieser Zeit soll geklärt werden, ob die Therapie notwendig ist und Patient und Therapeut miteinander arbeiten können. Erst danach wird ein Therapieantrag bei der Kasse gestellt. Aber auch bei einer ambulanten Therapie wird schon die erste Sitzung mit der Krankenkasse abgerechnet.
In einer psychiatrischen Ambulanz braucht man solche Vorgespräche nicht, denn für psychotherapeutische Behandlungen dort ist kein Therapieantrag nötig.
Vielen Dank für die Aufklärung, da weiss ich dann Bescheid. War wohl etwas zu naiv gedacht von mir. :oops:
Was Medikamente angeht: Es gibt auch pflanzliche Mittel, die man ausprobieren kann und die manchmal helfen. Bei Depressionen z. B. Johanniskraut, bei Ängsten z. B. Lavendelöl oder Passionsblume. Letzteres mildert meine Ängste ein bißchen.
Das z.B. käme für mich in Frage, Lasea nehme ich gerade schon, kann aber noch nichts sagen. Aber ich denke mir halt, dass Ärzte lieber Chemie verschreiben.
Du schreibst, dass du Angst hast, komplett durchleuchtet zu werden. Falls es um schlimme Erlebnisse geht, die du nicht erzählen möchtest: Du hast das Recht, etwas für dich zu behalten und kein Therapeut wird erwarten, dass du zu Beginn der Therapie deine ganze Seele bloßlegst. In einer Therapie geht es auch manchmal um eher pragmatische Dinge und wenn es dir schlecht geht, wird erstmal das Thema sein, dafür zu sorgen, dass du wieder etwas stabiler wirst.

Alles Gute für Dich!
Wolke
Eure Antworten nehmen mir gerade ein bißchen meine Sorgen, ich danke euch.
Ich weiss zwar nicht, wie ein fremder Mensch dafür sorgen kann, dass ich stabiler werde und es mir besser geht, aber ich denke, ihr habt recht: ich sollte dem Ganzen eine Chance geben und so unvoreingenommen wie möglich an die Sache herangehen.
Die Angst wird zwar die nächste Zeit noch lange bleiben, aber vermutlich muss ich da einfach durch und hoffen, dass bis zum Termin alles gut geht.

GLG
oubliette
Zuletzt geändert von oubliette am 10. Apr 2014, 16:42, insgesamt 1-mal geändert.
katyfel
Beiträge: 1181
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Re: Panik vor der Therapie

Beitrag von katyfel »

Liebe oubliette,

von mir nur ein kurzer Ausflug zu den Medikamenten;
ich z.B. habe einen Hausarzt, der sehr gerne pflanzliche Mittel verschreibt und viele Ärzte tun das inzwischen, wenn man sie darum bittet, bzw. seine Zweifel gegenüber stärkerren Medikamenten äußert. Ab einem bestimmten Punkt wird ein Arzt vermutlich raten, es doch mit "richtigen " ADs o.ä. zu probieren, weil es ihm schlie´lich darum gehen muss, so effektiv wie möglich zu behandeln, was bei einem gewissen Schweregrad eben konventionelle Medikamente beinhaltet, aber ein (guter) Arzt wird dir NIEMALS Medikamente aufzwingen, die du nicht möchtest.

Zum Öffnen ode rnicht, zum Verhalten in der Therapie auch nur ein kurzer Einwurd von mir (tut mir Leid, ich kann grad nicht so lange Texte schreiben...);
Ich zum beispiel habe bei meinem ersten Therapeuten etwa ein Jahr gebraucht, bis er mal gesat hat "ich habe das Geüfhl, dass Sie sich mir gegenüber richtig öffnen können" und ich glaube damit hatte er Recht. Das soll nicht heißen, dass ich nicht für mich schon davor in (fast) jeder Stunde ein Stückchen weiter gekommen bin, mich mal mehr mal weniger anvertrauen konnte, seinem Rat aber auch einfach seinem Zuhören, aber bei dem/der einen geht das relativ schnell, bei mir z.B. dauert es lange, bis ich jemandem wirklich auch mein Selbst unter der Oberfläche zeigen kann... und das ist völlig in Ordnung!!
Ein Therapeut ist ja nicht dazu da, eine kurz-Analyse zu starten (das Stichwort Röntgenblick fiel ja schonmal), sich alle alten Akten anzugucken und dann nur noch den passenden Stempel rauszusuchen... ;-) Bei allem Humor meine ich das jetzt auch ganz ernst.
Der Therapeut, bei dem ich grade probatorische Sitzungen mache, will sogar erstmal gar keine alten Akten um sich erstmal selbst ein unvoreingenommenes Bild zu machen...

Es gibt also viele Möglichkeiten des "sich helfen lassens", aber DASS wir das tun, ich glaube das ist die Hauptsache.

Liebe Grüße, Sinfonia
oubliette
Beiträge: 16
Registriert: 24. Mär 2014, 00:18

Re: Panik vor der Therapie

Beitrag von oubliette »

Hallo katyfel,

das ist ja auch so eine Sorge von mir, dass der Therapeut irgendwann meint, es geht nicht mehr ohne Medis und mich dann quasi "aufgibt", wenn ich mich weigere, sie zu nehmen.

Wenn ich hier so in den Beiträgen hier im Forum lese, es dauert ein Jahr oder länger, bevor die Therapie richtig anschlägt verlässt mich schon wieder der Mut.
Im Moment ist es auch wieder absolut schlimm und ich würde am liebsten absagen.
Es wird nichts bringen, das weiß ich und die Aussicht auf den Termin belastet mich extrem, warum also das Ganze...
Und wenn ich mir vorstelle, ich häng womöglich die nächsten Jahre in so einer Therapie drin, möchte ich schreien; es schnürt mir einfach die Luft ab.
Es tut mir leid, ich bin so ein Jammerlappen. Ich inhaliere euren Zuspruch und Rat, aber im Moment kommt einfach nix richtig bei mir an.

Es ist ein Dilemma. Ich WEISS, dass mir nur so geholfen werden kann, aber ich habe null komma null Hoffnung oder Motivation. In meinem Kopf spult pausenlos das Worst-Case-Szenario ab und versetzt mich mehr und mehr in Panik, ich komm da nicht raus.

Traurige Grüße
oubliette
CJ43
Beiträge: 466
Registriert: 12. Okt 2007, 10:38

Re: Panik vor der Therapie

Beitrag von CJ43 »

Liebe Oubliette,

ich kann das gut verstehen, dass du gerade so gar keine Hoffnung hast und mit Grauen auf Therapie, Ärzte und so weiter schaust.
Ging mir bei meiner ersten behandelten Depression genauso. Ich saß im Warteraum und kam mir völlig bescheuert vor. Mein Selbstwert lag bei Null. Ängste und Gedankenschleifen waren meine täglichen Begleiter. Viel Hoffnung hatte ich nicht, aber ich wusste mir keinen anderen Rat als den, zum Psychiater zu gehen, wie es meine Hausärztin empfohlen hatte.
Zum Glück bin ich auf eine sehr nette, mütterliche Ärztin gestoßen, und das hat mir alles etwas erleichtert.
Trotzdem hat es quasi ewig gedauert, bis ich halbwegs aktzeptieren konnte, "offiziell" psychisch krank zu sein.

Die anderen hier haben dir schon so viele gute Sachen geschrieben, da will ich mich etwas kurz fassen:

Medikamente:
Kann es sein, dass du auch so etwas wie eine Angststörung hst und Panik vor Nebenwirkungen bekommst, wenn du an Antidepressiva denkst? Entschuldige die direkte Frage, aber bei Depressionen treten Ängste verstärkt auf und können schon mal ins Irrationale spielen.
Ich z.B. bekomme in Depriphasen Probleme mit engen Räumen, öffentlichen Verkehrsmitteln usw., die ich sonst so nicht habe. Das geht weg, wenn es mir besser geht.

Wie meine Vorredner habe ich gute Erfahrungen mit ADs gemacht. Hat aber auch lange gebraucht, bis ich zu einer entspannten, akzeptierenden Haltung gefunden habe.
Früher habe ich mich während der Einnahme immer so versagerhaft gefühlt und dachte, es müsste auch ohne gehen. Inzwischen vermute ich, dass dies einfach typisch depressive Gedanken sind: ohne Medikamente klarkommen zu MÜSSEN, als sei alles andere nicht richtig.
Lieber Leiden und Zähne zusammen beißen, statt eine pharmakologische Behandlung zu akzeptieren.
Manchmal wundere ich mich im Rückblick über diese Haltung mir selbst gegenüber. Was hat es mir gebracht, mich unbehandelt durch depressive Phasen zu plagen? Einen Orden für besondere Zähigkeit habe ich jedenfalls nicht bekommen ;)

Therapie:
Habe ich mehrfach gemacht, fand ich anfangs ziemlich schwer und es war mir höllisch peinlich vor anderen zu weinen.
Trotzdem würde ich dir sehr zuraten, es zu versuchen! Lieber voller Zweifel und Bedenken irgendetwas tun, als verzweifelt alleine zu Hause zu sitzen!
Vielleicht ist es anfangs leichter nicht so in die Tiefe zu gehen, sondern zu besprechen, was gerade besonders belastend ist und sich ändern sollte? Damit hast du doch sicher sowieso den Kopf voll? Dann versuch doch, davon zu erzählen...

Ich wünsche dir viel Kraft und Mut!!!

Viele Grüße, Constanze!
Gerbera
Beiträge: 619
Registriert: 31. Mär 2013, 00:24

Re: Panik vor der Therapie

Beitrag von Gerbera »

Hallo Oubliette,

ich kann Dir aus eigener Erfahrung zwei Dinge mit auf den Weg geben: erstens: ich musste in der Therapie nie über etwas sprechen, über das ich nicht sprechen wollte. Ein Therapeut ist zunächst ein völlig fremder Mensch, zu dem man erst nach und nach Vertrauen aufbauen kann. Jeder Kranke hat sein eigenes Tempo. Ein guter Therapeut weiß das und wird Dir die Zeit lassen, die Du brauchst.

Zweitens: ohne das Antidepressivum (in meinem Fall: Citalopram) wäre ich nicht therapiefähig gewesen. Bedingt durch die Depression konnte ich nicht mehr klar denken, habe vieles registriert, konnte es aber nicht mehr verarbeiten. Ich hatte lange Zeit das Gefühl, nicht mehr ich selbst zu sein sondern ein ferngesteuertes Wesen, das Dinge sagt und tut, die mir im Normalzustand völlig fremd waren. Das Antidepressivum hat mich wieder zu dem (mit)fühlenden, klar denkenden Menschen gemacht, der ich früher war.

Ich kann Dir aus eigener Erfahrung versichern, dass Antidepressiva nicht generell müde machen. Ich wurde durch das Antidepressivum deutlich aktiver. Statt 18 - 20 Stunden am Tag schlafe ich heute wieder wie ein normaler Mensch im Schnitt 8 Stunden. Tagsüber hänge ich nicht mehr in den Seilen sondern kann konzentriert arbeiten, habe wieder Freude an meinen Hobbies, gehe gerne ins Kabarett und zu Kleinkunstbühnen.

Ich gehe mal davon aus, dass Du genau das auch wieder werden willst: ein ausgeglichener, aktiver Mensch, der Freude am Leben hat. Die Chance dazu hast Du, auch wenn Dir das im Moment utopisch erscheint.

Die Hoffnungslosigkeit, die Du so deutlich zum Ausdruck bringst, ist ein Symptom der Depression. Das bist nicht Du, sondern die Krankheit, die da spricht. Ich verstehe Deine Ängste sehr gut. Meine Erstgespräch war im Vorfeld Stress pur für mich. Ich hatte damals genau wie Du Angst davor, mein Innerstes preisgeben zu müssen, aber das war gar nicht nötig. Nur Mut, Du schaffst das!

Und überleg Dir bitte, ob Du den Antidepressiva nicht doch eine Chance geben willst/kannst. So wie man bei Diabetes ab einem bestimmten Stadium nicht ohne Insulin auskommt (Störung des Zuckerstoffwechsels) und bei Schilddrüsenerkrankungen Schilddrüsenhormone (die Schilddrüse steuert den gesamten Stoffwechsel) nehmen muss, erfordern Depressionen ab einem bestimmten Punkt Medikamente, die das Ungleichgewicht der Botenstoffe im Gehirn ausgleichen.

Ich wünsche Dir allen Mut, den Du brauchst, alle Geduld dieser Erde und alles Gute für die Therapie.

Liebe Grüße
Gerbera
oubliette
Beiträge: 16
Registriert: 24. Mär 2014, 00:18

Re: Panik vor der Therapie

Beitrag von oubliette »

Hallo CJ43, hallo Gerbera,

dankedankedanke für eure ausführlichen Antworten.
Achtung, jetzt folgt ein langer Vortrag triefend vor Selbstmitleid. :roll:
Ein guter Therapeut weiß das und wird Dir die Zeit lassen, die Du brauchst.
Aber bei dem Therapeuten/Arzt/wieauchimmer, zu dem ich zunächst soll, werde ich ja nicht bleiben, das ist doch nur zur Überbrückung. Ich weiß noch nicht mal, ob ich bei eventuellen weiteren Terminen bei immer demselben lande, die sind dort sehr voll. Das Ganze ist doch sinnlos, wie sollte ich denn da irgendeine Art von Vertrauen aufbauen können, wenn die Zeit eh begrenzt ist? Außerdem nehme ich einem Menschen, der wirklich dringend Hilfe braucht und auch vollumfänglich bereit ist, sie anzunehmen, den Platz weg.

Ja, ich habe Panik vor den Nebenwirkungen der ADs, vor allem davor, zuzunehmen. Mir kann keiner erzählen, das würde nicht passieren, habs ja selbst gesehen und meine Recherche hat das bestätigt.
Aber ich habe ehrlich gesagt genauso viel Angst vor den "erwünschten" Wirkungen, ich möchte nicht "in normale Bahnen geregelt werden", ich möchte nicht, dass chemisch in meinem Hirn herumgegepfuscht wird. Da habe ich wirklich Panik vor. Was ist denn, wenn ich die Dinger wieder absetze? Dann geht doch alles von vorne los. Die Besserung ist doch nicht echt, sie ist künstlich erzeugt, damit ich normkonform funktioniere. Außerdem beheben sie auch nicht mein Problem, vor fremden Menschen über mich zu reden zu müssen. Das ist bei mir sicher nicht Ausdruck der Krankheit, so bin ich schon immer gewesen. Es geht einfach nicht.

Was passiert denn in einer Sitzung, wenn ich kein Wort rausbringe? Der Therapeut wird mich doch die ganze Zeit anstarren, mich mustern und bewerten. Kriege schon wieder Panik, wenn ich daran denke.
Ich kann auch einfach nicht akzeptieren, dass ich "krank" sein soll, dass diese Grundstimmung, die ich fast schon mein ganzes Leben habe, falsch und krank ist, nein. Das bin doch ich und das war auch immer ok, und jetzt plötzlich wird mir gesagt, mach ne Therapie und schluck die Pillen, dann bist du der Mensch, der du eigentlich sein solltest. Versteht ihr, das macht mir so unglaubliche Angst.
Ich gehe mal davon aus, dass Du genau das auch wieder werden willst: ein ausgeglichener, aktiver Mensch, der Freude am Leben hat.
Nein, im Moment möchte ich nur, dass diese Quälerei aufhört. Entweder auf die eine oder eben die andere Weise. Mir ist sehr wohl bewußt, dass ich Hilfe benötige, sonst wäre ich nicht zum Arzt gegangen. (Ich gehe nie zum Arzt, wirklich nie. Bei meinem sog. Hausarzt war ich mit dieser Sache das erste Mal.) Mir ist auch klar, dass dieses Prozedere, bis man de richtigen Therapeuten gefunden hat, aufwendig und anstrengend ist. Aber im Moment ist in mir dieses große, alles beherrschende Gefühl von 'Es bringt nichts, wozu der ganze Stress'.

Ihr merkt, ich bin ein ziemlich hoffnungsloser Fall. Ich stehe mir selbst im Weg, aber ich kann dagegen nicht ankommen, da fehlt einfach die Zuversicht, dass es mir jemals wieder besser gehen kann. Meine aktuelle Lebenssituation trägt leider zu der Sichtweise bei.
Meine Erstgespräch war im Vorfeld Stress pur für mich. Ich hatte damals genau wie Du Angst davor, mein Innerstes preisgeben zu müssen, aber das war gar nicht nötig.
Warum? Darf ich dich fragen, wie das abgelaufen ist? Konntest du reden?

Vielen Dank für eure Wünsche und guten Gedanken. Tut mir grad gut, glaub ich.
GLG
oubliette
CJ43
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Registriert: 12. Okt 2007, 10:38

Re: Panik vor der Therapie

Beitrag von CJ43 »

Hallo Oubliette,

dein letzter Beitrag klingt nicht nach Selbstmitleid, sondern nach zähen, quälenden Gedankenschleifen. Immer wieder dasselbe durchdenken und zum Ergebnis kommen, dass alles sinnlos ist, das kenne ich gut!
Mir kam es vor, als drehten sich ständig große Mühlsteine in meinem Kopf, voller panischer, angstbesetzter Ideen. Ich konnte sie nicht zum Anhalten bringen, nicht mal verlangsamen. Immer waren sie da.
So habe ich Wochen, Monate, ja mein ganzes restliches Leben im voraus vergrübelt, das war schrecklich.
Dagegen hilft mir mein Medikament sehr gut (Fluoxetin), es ist wie ein Bremsklotz im Gedankenmühlrad. Beim Ansetzen habe ich gemerkt, wie die Grübelschleifen kürzer und kürzer wurden. Eine riesige Erleichterung ist das immer wieder.
(Das ist eine kleine, unauffällige Werbung für ADs... ;) , sorry! Ich krieg keine Prozente von der Pharmaindustrie.)

Von daher verstehe ich es gut, dass du diese vielen Gedanken daran, wie alles schief gehen wird und das du kein Wort herausbringen wirst usw., dass du die schwer stoppen kannst.

Vielleicht kannst du der Ärztin oder Psychologin ja dies sagen, das du Angst hast angestarrt zu werden, ohne eine Wort heraus zu bringen. Und dass deine Gedanken ständig um die Zukunft kreisen und keinen Sinn in allem sehen. Und dass du keinen Platz blockieren möchtest für jemanden, der ihn besser nutzen kann?
Zumindest gibt das einen Einblick, wie du dich gerade fühlst.
Wäre doch ein Anfang, oder?

Viele Grüße und alles Gute,
Constanze!
Regenwolke
Beiträge: 2214
Registriert: 15. Apr 2006, 12:46

Re: Panik vor der Therapie

Beitrag von Regenwolke »

Hallo Oubliette,

ja, meinen Nick mag ich auch ;)
Oft schreibe ich aber auch nur "Wolke", hab ich mir im alten Forum mal so angewöhnt.

Ich hab den Eindruck, dass es dir wichtig ist, die Dinge steuern zu können und die Kontrolle zu haben. Ich kann das gut verstehen, denn es geht mir ähnlich. Das macht es aber leider manchmal schwer, Hilfe anzunehmen.
Ich weiß auch nicht, wie ich dich ermutigen kann, außer dir nochmal zu schreiben, dass du nichts erzählen mußt, das du nicht erzählen willst, und dass du eine Behandlung auch abbrechen kannst.

Was mir noch einfällt, ist etwas, das du selber tun kannst, damit es dir besser geht. Ich habe selber gute Erfahrungen mit Klopfakupressur gemacht, dabei beklopft man Akupressurpunkte am Körper. Klingt komisch, hat mir aber vor allem bei Ängsten gut geholfen. Es gibt verschiedene Verfahren, die aber alle sehr ähnlich sind, das bekannteste heißt "EFT", hier ist ein Film dazu:https://www.youtube.com/watch?v=fRE-OteHDJ0
Im Internet gibt es dazu viele Infos und Anleitungen, ein Stichwort wäre "energetische Psychologie".

Trotzdem denke ich, dass es dir nicht gut geht und es auf jeden Fall sinnvoll ist, das Angebot in der Ambulanz anzunehmen, sofern du es schaffst.

Noch etwas zu Medikamenten. Psychopharmaka wirken teilweise sehr unterschiedlich bei verschiedenen Personen, deshalb findest du im Netz auch so viele unterschiedliche Erfahrungsberichte. Es gibt tatsächlich Wirkstoffe, von denen fast jeder zunimmt, unter den neueren Antidepressiva ist "Mirtazapin" dafür bekannt. Aber es gibt dann auch wieder Patienten, die diese Nebenwirkung nicht haben, warum auch immer.
Ich vertrage selber fast nichts, neige zu paradoxen Reaktionen und seltenen Nebenwirkungen, aber ich kenne auch einige, die sehr von Medikamenten profitieren und sie gut vertragen. Das scheint sehr stark von genetischen Faktoren abhängig zu sein.

Lieben Gruß,
Wolke
Gerbera
Beiträge: 619
Registriert: 31. Mär 2013, 00:24

Re: Panik vor der Therapie

Beitrag von Gerbera »

Hallo Oubliette,

nachdem mein Beitrag nun zum zweiten Mal im Nirwana verschwunden ist, gebe ich auf und gehe ins Bett. Neuer Versuch morgen. Wollte Dir heute nur noch sagen, dass ich Dir noch ausführlich antworten werde.

Liebe Grüße
Gerbera
mime
Beiträge: 1320
Registriert: 6. Sep 2013, 13:28

Re: Panik vor der Therapie

Beitrag von mime »

Hallo Oubliette,

ich habe zwar die vorigen Beiträge gelesen, aber nicht alles behalten (es kann deswegen zu Dopplungen der Antworten kommen).

Zur Depression und Therapie:

Du schriebst:

„Aber kann ein Therapeut einem denn auch helfen, wenn man verkrampft und sprachlos vor ihm sitzt? Ich bezweifel das. Oder?“

So saß ich vor meiner Therapeutin auch oft, und ich kenne auch die Zweifel, ob Therapiegespräche etwas bringen. Da ist Geduld gefragt und den Mut, es einfach zu versuchen. Ich war übrigens auch zuerst bei einer Heilpraktikerin für Psychotherapie; dann bei einer psychiatrischen Institutsambulanz und dann habe ich die Therapeutin gewechselt.

Niemand wird von dir verlangen, dass das von heute auf morgen geht – das ist oftmals ein ganz langsamer Prozess und geht oft nur Schrittchen für Schrittchen.

Es gibt verschiedene Formen der Therapieansätze – da würde es mich nicht wundern, wenn doch etwas für dich dabei sein könnte, was hilfreich wäre. Das Dumme an der Depression ist, dass sie einem oftmals jegliche Hoffnung raubt.

Lass dich von diesen Gedanken nicht komplett vereinnahmen. Es gibt Wege und Lösungen auch aus dieser Sackgasse; und wenn du daran nicht glauben kannst (was ich auch lange nicht konnte), lass es dir aus Erfahrung sagen:

  • Es kann wieder besser werden.
    Es kann wieder heller werden.
    Es können gemeinsam gute Auswege und Lösungen gefunden werden.
    Du musst nicht alles alleine schaffen.
    Du kannst auf Unterstützung bauen – suche sie dir, bitte, und nimm sie an.
    Du bist nicht allein und kein Einzelfall.
    Dein Leben ist es wert, gelebt zu werden, auch wenn du daran momentan zweifeln magst.
    Du kannst lernen, dir helfen zu lassen.
    Du kannst lernen, dir und anderen zu vertrauen im Laufe der Zeit.
    Du bist etwas wert.


Hast du dir denn schon mal einen stationären Aufenthalt überlegt bzw. war das mal Thema bei dir (du schriebst schon von Medikamenten usw. das liest sich so, als hättest du evtl. schon Erfahrung von früher)?

Dein Leidensdruck liest sich als immens hoch, auch weil du bei Therapiegesprächen nichts raus bekommst usw. Das kenne ich nur zu gut! Mir ging es auch sehr lange so (und solche Phasen gibt es auch heute noch ab und zu). Dennoch: Wenn du mit Hilfe der Therapie möchtest, dass „das aufhört“ (dein Leiden, deine Sprachlosigkeit usw.), solltest du dir selbst eine Chance geben, Hilfe, die sich dir bietet, auch anzunehmen. Was hast du zu verlieren? Worin besteht denn deine konkrete Angst?

Wenn du schreibst „auf allen Vieren zum Arzt zu kriechen“ ist das ein schwer auszuhaltender Zustand. Du weißt, dass du hier auch nach Notfallnummern suchen kannst und auch eine Klinik jederzeit aufsuchen kannst, wenn du in einer Krise bist (die hoffentlich bei dir noch abwendbar ist). Scheue dich bitte nicht, dir Unterstützung und Hilfe zu holen – dafür sind solche Einrichtungen da.

Hast du denn Freunde, Familie etc., die du „mit ins Boot“ in deine Geschichte mitnehmen kannst? Es kann mitunter helfen, wenn du dich jemanden anvertrauen kannst; der dich evtl. auch zu Terminen begleitet oder so. Man kann es auch alleine schaffen, doch manchmal ist es ganz gut, noch ein oder zwei Mitwisser zu haben.

Abschließend zu diesem Thema: Du schriebst „Wie sähe denn das aus, wenn ich nach einiger Zeit von der Kliniktherapie zu einem niedergelassenen Therapeuten wechseln sollte, bekommt der auch gleich alle Infos zu meiner Person und meinem Fall?
Das ist im Bezug auf Unvoreingenommenheit in meinen Augen mehr als problematisch.
Oder wie seht ihr das? Hab ich zu hehre Vorstellungen?“


Auch hier gilt die ärztliche/therapeutische Verschwiegenheitspflicht!!! Ein niedergelassener Therapeut bekommt erst einmal gar keine Infos von der Klinik, es sei denn, du würdest es ausdrücklich wünschen (und die Klink von der Schweigepflicht entbinden).

DU
bringst das mit, was in die Therapie gehört, niemand sonst. Und es bleibt dir überlassen, was du preisgeben willst und was nicht. Das ändert sich auch in der Therapiephase nicht. Niemand kann dich zwingen, etwas zu sagen oder zu erzählen. Lass dir da erst einmal Zeit!!!

Vielleicht hilft es dir, wenn du dir für das nächste Gespräch mal stichwortartig aufschreibst, was du dir wünschst, was du gerne hättest, was du erwartest usw.

Z. B. Ich wünsche mir, ....

dass meine ständigen „worst-case“-Gedanken weniger werden;
dass ich meine Sprach- und Hilflosigkeit überwinde, um überhaupt Hilfe annehmen zu können;
dass ich mich wieder besser konzentrieren, artikulieren und adäquat mitteilen kann;
dass „das“ aufhört – und dass sich mein momentan schlechter Zustand irgendwann bessert.

Worin besteht mein momentaner Zustand?

Z. B. Hauptsächlich aus Angst vor...

der Therapie,
dass mir nicht geholfen werden kann,
dass ich mich öffnen muss,
dass von mir erwartet wird, alles zu sagen.

oder:
aus Scham, krank zu seinen oder einen Makel davon zu tragen;
aus Furcht, mit der Klinik in Verbindung gebracht zu werden;
in eine („Psycho“-)Schublade gesteckt zu werden... usw.

Z. B. Schön wäre es,

wenn es mir wieder leichter würde ums Herz;
wenn ich meinen Alltag wieder in den Griff bekäme;
wenn ich wieder [....., z. B. besser schlafen, ein Buch lesen, mein altes Hobby wieder aufnehmen....] könnte;
wenn es etwas heller, hoffnungsvoller, offener würde um mich;
[....] usw. usw.

************************************
Zu den Medkamenten:

Auch ich stand / stehe ihnen skeptisch gegenüber. ABER: Da es bei mir auch seit fast einem Jahr um Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit geht, konnte/wollte ich es mir ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht erlauben, eine Einnahme zu verweigern.

Um es mal in klaren/harten Worten anhand (m)eines Beispiels auszudrücken:

Wenn deine wirtschaftliche Existenz durch länger anhaltende Arbeitsunfähigkeit bedroht ist, du deinen Job (u. a. depressionsbedingt) sowieso schon verloren hast und du dann immer noch nicht bereit bist, es mal probeweise unter fachärztlicher Begleitung mit einem Medikament zu versuchen, kann es mit unter schwierig werden, beruflich wieder Fuß zu fassen. Ich habe das Glück, einen guten Facharzt zu haben, der auch meine anfängliche Nichteinnahme von Medikamenten akzeptiert hat. Allerdings habe ich selbst festgestellt, dass es ab einer bestimmten Intensität der Depression nicht ohne Unterstützung (therapeutischer in Kombination mit medikamentöser Art) geht.

Vielleicht kommt dir dieser Gedanke dir auch im Laufe der Zeit – es wäre wünschenswert, wenn du dir da auch eine Chance geben würdest.

Nicht alle Medikamente führen zu einer Gewichtszunahme, und wer hat dir erzählt, dass Medikamente nur müde machen? Es gibt Medikamente, die gewichtsneutral wirken (von denen man also weder zu- noch abnimmt) ebenso welche, die antriebssteigernd, konzentrationsfördernd (und nicht sedierend, d. h. nicht müdemachend) wirken.

***********************

Abschließend:

Du schriebst: „Das Ganze ist doch sinnlos, wie sollte ich denn da irgendeine Art von Vertrauen aufbauen können, wenn die Zeit eh begrenzt ist? Außerdem nehme ich einem Menschen, der wirklich dringend Hilfe braucht und auch vollumfänglich bereit ist, sie anzunehmen, den Platz weg.“

Nein, DU nimmst garantiert niemandem den Platz weg – das Gefühl hatte ich auch sehr lange, aber das trügt (ist aber oft der Fall, man fühlt sich einfach immer noch nicht „krank“ genug, um Ärzte/Therapeuten in Anspruch zu nehmen usw.)!

Was meinst du, wie viele Patienten erst einmal mit sich kämpfen müssen, um überhaupt einen Arzt aufzusuchen, überhaupt Hilfe in Anspruch zu nehmen, überhaupt bereit zu sein, irgendetwas anzunehmen?

Da sind wir keine Ausnahme, denken das aber oft (fälschlicherweise).

Wenn mein Zahn pocht und schmerzt, gehe ich auch zum Zahnarzt, weil ich weiß, dass er sich mit Zähnen auskennt und mich so behandeln kann, dass ich wieder schmerzfrei werde.

Wenn meine Seele sich wehrt gegen Unterdrückt- und/oder Verletztsein und mit Depressionen und Ängsten gegen irgendetwas rebelliert, was ihr zugestoßen ist und/oder sie merkt, dass sie so nicht weitermachen kann, um gesund zu bleiben oder werden – meinst du nicht, dass sie ein Anrecht darauf hat, ihren Bedürfnissen entsprechend behandelt zu werden??

Ich schon!

Also, liebe Oubliette, nimm wahr, was dir dein Körper und deine Seele signalisieren und lass dir helfen. Auf die lange Bank Schieben bringt nichts, es besteht die Gefahr, dass es noch schlimmer bzw. unerträglicher wird als sowieso schon.

Ich wünsche dir, dass du das annehmen kannst, was dich dir bietet. Und horche in dich hinein, ob es wirklich angebracht bzw. aushaltbar ist, einen Monat auf das nächste Gespräch in der Klinik zu warten – geh sorgsam mit dir um, sei es dir wert (denn du bist es)!!! :) :)

Wie sieht denn zur Zeit dein Tag aus? Ich nehme an, dass du nicht arbeitsfähig bist zur Zeit? Kannst du irgendetwas für dich tun, was du schon lange mal tun wolltest (etwas Positives)?

Ich wünsche dir, dass dir alle Unterstützung zugute kommen wird, die sich dir bietet und du der inneren Dunkel- und Hoffnungslosigkeit im Lauf der Zeit wieder ein paar Hoffnungssonnenstrahlen entgegensetzen kannst. Das geht, auch wenn es schwer zu glauben ist, es dauert nur manchmal etwas länger als uns lieb ist. Deswegen gibt es ihn doch, den hellen Schein in unseren Herzen, irgendwann spüren wir ihn auch wieder. ;) :)

Liebe Grüße und alles Gute für dich!!! :D
Mime
Wir müssen lernen,
die Menschen weniger auf das, was sie tun und unterlassen,
als auf das, was sie erleiden, anzusehen.

(Dietrich Bonhoeffer)
Clara1234

Re: Panik vor der Therapie

Beitrag von Clara1234 »

Hallo oubliette,

Du machst Dir viele Sorgen und hast Ängste vor den Dingen die mir sehr geholfen haben in meinem Leben. Aber eine Psychotherapie muss man selber wollen, meine Erfahrung ist das man von außen auch wie gegen eine Wand reden kann wenn man jemand dazu raten möchte...
Oft suchen sich Menschen auch erst Hilfe wenn es gar nicht mehr anders geht.

Du hättest ja die 5 Probestunden Zeit zu spüren ob Du Vertrauen zu dem Psychologen/in hast um zu merken ob es passt.. gehen muss man natürlich alleine, aber es kann eine große Hilfe sein dort jemand im Rücken zu haben...
Tabletten sind nicht die Lösung, aber sie können wie eine Krücke sein für eine Zeit. Als es mir sehr schlecht ging nahm ich drei verschiedene Sorten, heute brauche ich nur noch eine und viel niedriger dosiert.
Es kann auch schwer sein erstmal jemand zu finden der freie Termine hat, ist auch manchmal nicht leicht. Ich habe auch sehr gute Erfahrungen mit Klinikaufenthalten gemacht.

Ob und welche Hilfe Du Dir suchst musst Du selber wissen und ich wünsche Dir viel Kraft.

Es grüßt Dich clara
oubliette
Beiträge: 16
Registriert: 24. Mär 2014, 00:18

Re: Panik vor der Therapie

Beitrag von oubliette »

Hallo Constanze,
danke für deine Antwort.
Genau so ist es, ja. Genau so. Mühlsteine, stetig kreisende Mühlsteine. Ich hab schon immer viel gegrübelt, aber dass ich aus diesem Strudel überhaupt nicht mehr rausfinde, zermürbt.
Vielleicht kannst du der Ärztin oder Psychologin ja dies sagen, das du Angst hast angestarrt zu werden, ohne eine Wort heraus zu bringen. Und dass deine Gedanken ständig um die Zukunft kreisen und keinen Sinn in allem sehen. Und dass du keinen Platz blockieren möchtest für jemanden, der ihn besser nutzen kann?
Zumindest gibt das einen Einblick, wie du dich gerade fühlst.
Wäre doch ein Anfang, oder?

Viele Grüße und alles Gute,
Constanze!
Ja, ich habs mir vorgenommen. Sollte ich denn überhaupt irgendein Wort herausbekommen.

Hallo Wolke ;)
Regenwolke hat geschrieben:Hallo Oubliette,

ja, meinen Nick mag ich auch ;)
Oft schreibe ich aber auch nur "Wolke", hab ich mir im alten Forum mal so angewöhnt.

Ich hab den Eindruck, dass es dir wichtig ist, die Dinge steuern zu können und die Kontrolle zu haben. Ich kann das gut verstehen, denn es geht mir ähnlich. Das macht es aber leider manchmal schwer, Hilfe anzunehmen.
Ja, wenn ich so drüber nachdenke, das ist ein riesiges Thema bei mir, Kontrollverlust kann ich schon immer nur schwer ertragen. Hinzu kommt, dass mir gerade in letzter Zeit sehr viel aufgezwungen wurde, was ich eigentlich nicht wollte. Ein ekelhaft hilfloses Gefühl ist das.

Was mir noch einfällt, ist etwas, das du selber tun kannst, damit es dir besser geht. Ich habe selber gute Erfahrungen mit Klopfakupressur gemacht, dabei beklopft man Akupressurpunkte am Körper. Klingt komisch, hat mir aber vor allem bei Ängsten gut geholfen. Es gibt verschiedene Verfahren, die aber alle sehr ähnlich sind, das bekannteste heißt "EFT", hier ist ein Film dazu:https://www.youtube.com/watch?v=fRE-OteHDJ0
Im Internet gibt es dazu viele Infos und Anleitungen, ein Stichwort wäre "energetische Psychologie".
Das klingt sehr interessant, das hab ich mir gleich gespeichert und werd mich da mal einlesen. Danke. (Eine Bekannte von mir schwört da wohl auch drauf, vielleicht schaffe ich, sie mal zu kontaktieren.)
Noch etwas zu Medikamenten. Psychopharmaka wirken teilweise sehr unterschiedlich bei verschiedenen Personen, deshalb findest du im Netz auch so viele unterschiedliche Erfahrungsberichte. Es gibt tatsächlich Wirkstoffe, von denen fast jeder zunimmt, unter den neueren Antidepressiva ist "Mirtazapin" dafür bekannt. Aber es gibt dann auch wieder Patienten, die diese Nebenwirkung nicht haben, warum auch immer.
Ich vertrage selber fast nichts, neige zu paradoxen Reaktionen und seltenen Nebenwirkungen, aber ich kenne auch einige, die sehr von Medikamenten profitieren und sie gut vertragen. Das scheint sehr stark von genetischen Faktoren abhängig zu sein.

Lieben Gruß,
Wolke
Könnte der Arzt mir zusichern, dass keine Nebenwirkungen auftreten, könnte ich überhaupt erst drüber nachdenken. Aber das kann kein Arzt leisten, wie auch, deshalb: keine Medis.


Liebe mime,
ich danke dir so sehr für deinen einfühlsamen und konstruktiven Beitrag, bin total überwältigt grade.
Ihr helft mir alle so weiter, ich weiß gar nicht, womit ich das verdient habe.
mime hat geschrieben:

So saß ich vor meiner Therapeutin auch oft, und ich kenne auch die Zweifel, ob Therapiegespräche etwas bringen. Da ist Geduld gefragt und den Mut, es einfach zu versuchen. Ich war übrigens auch zuerst bei einer Heilpraktikerin für Psychotherapie; dann bei einer psychiatrischen Institutsambulanz und dann habe ich die Therapeutin gewechselt.

Niemand wird von dir verlangen, dass das von heute auf morgen geht – das ist oftmals ein ganz langsamer Prozess und geht oft nur Schrittchen für Schrittchen.

Es gibt verschiedene Formen der Therapieansätze – da würde es mich nicht wundern, wenn doch etwas für dich dabei sein könnte, was hilfreich wäre. Das Dumme an der Depression ist, dass sie einem oftmals jegliche Hoffnung raubt.

Lass dich von diesen Gedanken nicht komplett vereinnahmen. Es gibt Wege und Lösungen auch aus dieser Sackgasse; und wenn du daran nicht glauben kannst (was ich auch lange nicht konnte), lass es dir aus Erfahrung sagen:

  • Es kann wieder besser werden.
    Es kann wieder heller werden.
    Es können gemeinsam gute Auswege und Lösungen gefunden werden.
    Du musst nicht alles alleine schaffen.
    Du kannst auf Unterstützung bauen – suche sie dir, bitte, und nimm sie an.
    Du bist nicht allein und kein Einzelfall.
    Dein Leben ist es wert, gelebt zu werden, auch wenn du daran momentan zweifeln magst.
    Du kannst lernen, dir helfen zu lassen.
    Du kannst lernen, dir und anderen zu vertrauen im Laufe der Zeit.
    Du bist etwas wert.



Ich weiß, ich bin ja momentan auch bei einer alternativmedizinischen Behandlung - und sie hat mir nicht helfen können. (Breche das jetzt auch ab.) Das hat mich leider in meiner negativen Sichtweise, dass mir niemand helfen kann, bestärkt. Das ist natürlich keine rationale Einstellung, schon klar.
Aber ich fürchte, ich habe einfach nicht die Kraft, die Schritte zu gehen, die nötig sind. Das ist so ein endloser Weg, der sich vor mir auftut und zudem zu einem Berg führt, den ich eh nicht überwinden kann. :(

Hast du dir denn schon mal einen stationären Aufenthalt überlegt bzw. war das mal Thema bei dir (du schriebst schon von Medikamenten usw. das liest sich so, als hättest du evtl. schon Erfahrung von früher)?


Nein, keine Erfahrung, ich hab Angehörige, die solche Medis nehmen. Stationär kommt auf keinen Fall in Frage. Dann bricht ja auch noch der letzte Rest meines Lebens zusammen und ich hab hinterher nichts mehr, an das ich anknüpfen könnte. Deswegen ist es auch eine Angst von mir, zwangseingewiesen zu werden, wenn ich mich zu sehr öffne. Dass mein Vertrauen (mal wieder) missbraucht wird.

Dein Leidensdruck liest sich als immens hoch, auch weil du bei Therapiegesprächen nichts raus bekommst usw. Das kenne ich nur zu gut! Mir ging es auch sehr lange so (und solche Phasen gibt es auch heute noch ab und zu). Dennoch: Wenn du mit Hilfe der Therapie möchtest, dass „das aufhört“ (dein Leiden, deine Sprachlosigkeit usw.), solltest du dir selbst eine Chance geben, Hilfe, die sich dir bietet, auch anzunehmen. Was hast du zu verlieren? Worin besteht denn deine konkrete Angst?

Wenn du schreibst „auf allen Vieren zum Arzt zu kriechen“ ist das ein schwer auszuhaltender Zustand. Du weißt, dass du hier auch nach Notfallnummern suchen kannst und auch eine Klinik jederzeit aufsuchen kannst, wenn du in einer Krise bist (die hoffentlich bei dir noch abwendbar ist). Scheue dich bitte nicht, dir Unterstützung und Hilfe zu holen – dafür sind solche Einrichtungen da.


In so einer Krise war ich ja in der Ambulanz, und es brachte keine Erleichterung. Ich hab es gemacht, weil ich nicht mehr wusste, wohin mit mir, um einfach nichts Dummes zu tun, aber geholfen hat es ja nicht in dem Sinne.


Hast du denn Freunde, Familie etc., die du „mit ins Boot“ in deine Geschichte mitnehmen kannst? Es kann mitunter helfen, wenn du dich jemanden anvertrauen kannst; der dich evtl. auch zu Terminen begleitet oder so. Man kann es auch alleine schaffen, doch manchmal ist es ganz gut, noch ein oder zwei Mitwisser zu haben.


Ja, ich hab Familie, die auch sehr versucht, für mich da zu sein, aber die wissen halt auch nicht mehr weiter. Ich kann mich selbst ihnen nicht vollkommen anvertrauen und mir ist auch sehr unangenehm, dass sie das so mitbekommen.

Abschließend zu diesem Thema: Du schriebst „Wie sähe denn das aus, wenn ich nach einiger Zeit von der Kliniktherapie zu einem niedergelassenen Therapeuten wechseln sollte, bekommt der auch gleich alle Infos zu meiner Person und meinem Fall?
Das ist im Bezug auf Unvoreingenommenheit in meinen Augen mehr als problematisch.
Oder wie seht ihr das? Hab ich zu hehre Vorstellungen?“


Auch hier gilt die ärztliche/therapeutische Verschwiegenheitspflicht!!! Ein niedergelassener Therapeut bekommt erst einmal gar keine Infos von der Klinik, es sei denn, du würdest es ausdrücklich wünschen (und die Klink von der Schweigepflicht entbinden).

DU
bringst das mit, was in die Therapie gehört, niemand sonst. Und es bleibt dir überlassen, was du preisgeben willst und was nicht. Das ändert sich auch in der Therapiephase nicht. Niemand kann dich zwingen, etwas zu sagen oder zu erzählen. Lass dir da erst einmal Zeit!!!


Das nimmt mir schonmal eine Riesenlast, danke! :)

Vielleicht hilft es dir, wenn du dir für das nächste Gespräch mal stichwortartig aufschreibst, was du dir wünschst, was du gerne hättest, was du erwartest usw.

Z. B. Ich wünsche mir, ....

dass meine ständigen „worst-case“-Gedanken weniger werden;
dass ich meine Sprach- und Hilflosigkeit überwinde, um überhaupt Hilfe annehmen zu können;
dass ich mich wieder besser konzentrieren, artikulieren und adäquat mitteilen kann;
dass „das“ aufhört – und dass sich mein momentan schlechter Zustand irgendwann bessert.

Worin besteht mein momentaner Zustand?

Z. B. Hauptsächlich aus Angst vor...

der Therapie,
dass mir nicht geholfen werden kann,
dass ich mich öffnen muss,
dass von mir erwartet wird, alles zu sagen.

oder:
aus Scham, krank zu seinen oder einen Makel davon zu tragen;
aus Furcht, mit der Klinik in Verbindung gebracht zu werden;
in eine („Psycho“-)Schublade gesteckt zu werden... usw.

Z. B. Schön wäre es,

wenn es mir wieder leichter würde ums Herz;
wenn ich meinen Alltag wieder in den Griff bekäme;
wenn ich wieder [....., z. B. besser schlafen, ein Buch lesen, mein altes Hobby wieder aufnehmen....] könnte;
wenn es etwas heller, hoffnungsvoller, offener würde um mich;
[....] usw. usw.


Eben beim Lesen habe ich voll Panik gedacht: DAS KANN ICH GAR NICHT BEANTWORTEN, ICH WEISS DIE ANTWORTEN NICHT!
Aber das ist natürlich Quatsch. Das ist so enorm hilfreich, das kannst du dir nicht vorstellen. Keine Ahnung, ob ich es hinbekomme, anhand der Notizen meinen Mund aufzumachen, aber es wird mir auf jeden Fall helfen, meine Gedanke ein wenig zu sortieren. In mir ist ja mittlerweile das gähnende Nichts, wenn ich versuche, meine Probleme(für mich auch) in Worte zu fassen. (Das war vor ein paar Monaten auch noch irgendwie anders, komisch.)

Zu den Medkamenten:

Auch ich stand / stehe ihnen skeptisch gegenüber. ABER: Da es bei mir auch seit fast einem Jahr um Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit geht, konnte/wollte ich es mir ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht erlauben, eine Einnahme zu verweigern.

Um es mal in klaren/harten Worten anhand (m)eines Beispiels auszudrücken:

Wenn deine wirtschaftliche Existenz durch länger anhaltende Arbeitsunfähigkeit bedroht ist, du deinen Job (u. a. depressionsbedingt) sowieso schon verloren hast und du dann immer noch nicht bereit bist, es mal probeweise unter fachärztlicher Begleitung mit einem Medikament zu versuchen, kann es mit unter schwierig werden, beruflich wieder Fuß zu fassen. Ich habe das Glück, einen guten Facharzt zu haben, der auch meine anfängliche Nichteinnahme von Medikamenten akzeptiert hat. Allerdings habe ich selbst festgestellt, dass es ab einer bestimmten Intensität der Depression nicht ohne Unterstützung (therapeutischer in Kombination mit medikamentöser Art) geht.

Vielleicht kommt dir dieser Gedanke dir auch im Laufe der Zeit – es wäre wünschenswert, wenn du dir da auch eine Chance geben würdest.
Nicht alle Medikamente führen zu einer Gewichtszunahme, und wer hat dir erzählt, dass Medikamente nur müde machen? Es gibt Medikamente, die gewichtsneutral wirken (von denen man also weder zu- noch abnimmt) ebenso welche, die antriebssteigernd, konzentrationsfördernd (und nicht sedierend, d. h. nicht müdemachend) wirken.


Da hast du natürlich recht. Leider habe ich innerlich eine Blockade gegen Chemie, die ganz stark ist. Jedenfalls im Moment und vermutlich auch die nächste Zeit schließe ich Pillen aus.


Abschließend:

Du schriebst: „Das Ganze ist doch sinnlos, wie sollte ich denn da irgendeine Art von Vertrauen aufbauen können, wenn die Zeit eh begrenzt ist? Außerdem nehme ich einem Menschen, der wirklich dringend Hilfe braucht und auch vollumfänglich bereit ist, sie anzunehmen, den Platz weg.“

Nein, DU nimmst garantiert niemandem den Platz weg – das Gefühl hatte ich auch sehr lange, aber das trügt (ist aber oft der Fall, man fühlt sich einfach immer noch nicht „krank“ genug, um Ärzte/Therapeuten in Anspruch zu nehmen usw.)!

Was meinst du, wie viele Patienten erst einmal mit sich kämpfen müssen, um überhaupt einen Arzt aufzusuchen, überhaupt Hilfe in Anspruch zu nehmen, überhaupt bereit zu sein, irgendetwas anzunehmen?

Da sind wir keine Ausnahme, denken das aber oft (fälschlicherweise).

Wenn mein Zahn pocht und schmerzt, gehe ich auch zum Zahnarzt, weil ich weiß, dass er sich mit Zähnen auskennt und mich so behandeln kann, dass ich wieder schmerzfrei werde.

Wenn meine Seele sich wehrt gegen Unterdrückt- und/oder Verletztsein und mit Depressionen und Ängsten gegen irgendetwas rebelliert, was ihr zugestoßen ist und/oder sie merkt, dass sie so nicht weitermachen kann, um gesund zu bleiben oder werden – meinst du nicht, dass sie ein Anrecht darauf hat, ihren Bedürfnissen entsprechend behandelt zu werden??

Ich schon!


Ich auch. Ja. Schon.
Trotzdem fällt es mir so wahnsinnig, wahnsinnig schwer, zu akzeptieren, dass meine Seele "krank" sein soll. Vielleicht stelle ich mich auch nur an? So viele Menschen haben doch ein schweres Leben, erleben ganz schlimme Dinge, und kommen trotzdem damit klar.
Und ich? Ich bin die Versagerin, die nix auf die Reihe bekommt.
Und die Seele ist die Seele. Kann das innerste Selbst überhaupt von außen "behandelt" werden? Kommt das nicht einer Gehirnwäsche gleich?
Da sind sie wieder, diese Sch***gedankenschleifen. Aberaberaber. Mein Hirn findet immer was.

Also, liebe Oubliette, nimm wahr, was dir dein Körper und deine Seele signalisieren und lass dir helfen. Auf die lange Bank Schieben bringt nichts, es besteht die Gefahr, dass es noch schlimmer bzw. unerträglicher wird als sowieso schon.

Ich wünsche dir, dass du das annehmen kannst, was dich dir bietet. Und horche in dich hinein, ob es wirklich angebracht bzw. aushaltbar ist, einen Monat auf das nächste Gespräch in der Klinik zu warten – geh sorgsam mit dir um, sei es dir wert (denn du bist es)!!! :) :)

Wie sieht denn zur Zeit dein Tag aus? Ich nehme an, dass du nicht arbeitsfähig bist zur Zeit? Kannst du irgendetwas für dich tun, was du schon lange mal tun wolltest (etwas Positives)?


Es muss aushaltbar sein. Ich kann mir (im Moment) nicht vorstellen, da vor meinem Termin nochmals hinzugehen.
Ich arbeite momentan 20 Std. die Woche. Das schaffe ich gerade noch so eben, aber es ist natürlich anstrengend, die Fassade zu wahren. Der Haushalt bleibt schon weitestgehend auf der Strecke. Es beginnt jetzt auch wieder das neue Semester (studiere noch) und ich hab null Ahnung, wie ich das wuppen soll. (Stichwort Gedankenmühlensteine.)
Etwas für mich tun? :? Ich finde nichts. Ich suche.

Ich wünsche dir, dass dir alle Unterstützung zugute kommen wird, die sich dir bietet und du der inneren Dunkel- und Hoffnungslosigkeit im Lauf der Zeit wieder ein paar Hoffnungssonnenstrahlen entgegensetzen kannst. Das geht, auch wenn es schwer zu glauben ist, es dauert nur manchmal etwas länger als uns lieb ist. Deswegen gibt es ihn doch, den hellen Schein in unseren Herzen, irgendwann spüren wir ihn auch wieder. ;) :)

Liebe Grüße und alles Gute für dich!!! :D
Mime
Ich möchte es so gern glauben.
Du bist wunderbar. Ich danke dir so sehr!


Hallo Clara,
Clara1234 hat geschrieben: Es kann auch schwer sein erstmal jemand zu finden der freie Termine hat, ist auch manchmal nicht leicht. Ich habe auch sehr gute Erfahrungen mit Klinikaufenthalten gemacht.
Und wie war das bei dir? Wurde dir dazu geraten oder bist du von allein drauf gekommen? Gar keine Vorbehalte, gar nichts?

GLG an alle
oubliette
Zuletzt geändert von oubliette am 10. Apr 2014, 16:49, insgesamt 1-mal geändert.
Clara1234

Re: Panik vor der Therapie

Beitrag von Clara1234 »

Guten Morgen liebe oubliette,

meine erste Psychologin hab ich mir alleine gesucht. Als ich dann meinem Hausarzt davon erzählte fand er das sehr gut. Ganz im Gegenteil zu meiner Familie...

In der ersten Stunde war es dort für mich ganz komisch, ich konnte noch nicht ehrlich was erzählen, aber dann habe ich mir überlegt das wenn ich weiter hin gehe muß ich das tun...
In der zweiten Stunde habe ich ihr etwas erzählt von dem ich Jahrzehnte nie gesprochen habe, ich erlebte dann zum ersten Mal im Leben das mich jemand wirklich verstand...das hat mir sehr geholfen...und ich hatte ab dann sehr Vertrauen zu ihr...

Die folgenden Jahre waren oft sehr schwer, aber oft auch sehr schön und es ging in kleinen und großen Schritten weiter. Später riet mir jemand privat mal in eine Klinik zu gehen und gab mir den Flyer von einer. Dort erlebte ich jeweils eine sehr anstrengende und intensive Zeit und einen Ort wo ich mich zuhause fühlte wenn ich da war. Das behalte ich mir in meinem Herzen und möchte nichts missen was ich da gelernt habe.

Ich habe mir wenn ich alleine nicht weiter konnte Hilfe gesucht, musste ich auch erst lernen...

Ich glaube jeder Mensch geht seinen Weg...

Es grüßt Dich Clara
Regenwolke
Beiträge: 2214
Registriert: 15. Apr 2006, 12:46

Re: Panik vor der Therapie

Beitrag von Regenwolke »

Liebe Oubliette,

du darfst auch gern "Regenwolke" schreiben, wenn du magst ;)

Ich lese gerade, dass du Studentin bist. Gibt es an deiner Hochschule eine psychologische Beratungsstelle?
Falls ja, könnte das vielleicht auch eine Anlaufstelle für dich sein, auch wenn die meist eher ein zeitlich begrenztes Beratungsangebot machen und einen bei Bedarf dann auf niedergelassene Therapeuten verweisen. Mich haben sie vor Jahren aber über eine ziemlich lange Zeit "beraten", was damals eine wichtige Unterstützung für mich war.

Ich möchte mich den anderen hier anschließen, ich wünsche dir etwas Hoffnung darauf, dass es Hilfe gibt und sich dein (Er)leben auch wieder verändern kann.

Lieben Gruß,
Wolke
Gerbera
Beiträge: 619
Registriert: 31. Mär 2013, 00:24

Re: Panik vor der Therapie

Beitrag von Gerbera »

Hallo Oubliette,

tut mir leid, dass ich mein Versprechen erst jetzt einlösen kann. Ich versuche mal, Dir ein bisschen die Angst zu nehmen und beschreibe Dir meine erste Therapiestunde.

Meine Thera bat mich zunächst, in einem gemütlichen Sessel Platz zu nehmen und setzte sich mir gegenüber. Dann hat sie gefragt, warum ich zu ihr gekommen bin und wie es mir heute geht. Antwort auf Frage 1: Der Endokrinologe, bei dem ich wegen meiner Schilddrüsenerkrankung in Behandlung war, hat mich zu ihr geschickt, weil er der Meinung war, die über einen längeren Zeitraum anhaltenden Stimmungsschwankungen und das "ich fühle mich einfach schlecht" sollten mal näher abgeklärt werden.
Antwort auf Frage 2: Heute ist ein guter Tag.

Sie hat mich dann gebeten, etwas über meine berufliche und private Situation zu erzählen, ganz allgemeine Dinge, z.B. was ich arbeite, ob ich verheiratet bin, Kinder habe. Sie wollte auch wissen, ob ich Stress habe, in der Familie oder im Beruf belastende Situationen gegeben seien und ob ich "mir geht es schlecht" näher definieren könne.

Nach etwa 20 Minuten hat sie mich dann mit der Tatsache konfrontiert, dass sie der Meinung sei, ich hätte keinen guten Tag. Auf meine Frage, wie sie darauf komme, kam dann die Antwort: "Sie sitzen vor mir wie in Stein gehauen, in ihrem Gesicht ist keine Regung erkennbar, die Stimme monoton. Ihnen kann es nicht gut gehen." Da hatte sie wohl Recht, nur war mir zu diesem Zeitpunkt längst das Gefühl dafür verloren gegangen, wie gut oder schlecht es mir tatsächlich geht.

Sie hat dann intensiver nachgefragt, seit wann es mir "schlecht" geht, ob ich Konzentrationsschwierigkeiten, Probleme mit dem Gedächtnis, Schwindel, Kreislaufprobleme, Ohrgeräusche, Empfindungsstörungen oder ähnliches hätte und eventuell auch Selbstmordgedanken.

Zum Ende des Gesprächs hat sie mir erklärt, dass ich unter einer schweren Depression leide und sie hat mir (mit näherer Begründung) empfohlen, Antidepressiva zu nehmen: Citalopram, sowie für Notfälle Tavor. Das Citalopram nehme ich noch heute, in einer sehr geringen Dosierung, aber ohne das Medikament wäre ich nicht therapiefähig gewesen. Ich war damals nicht mehr in der Lage, das, was ich wahrgenommen, gehört und gesehen habe, zu verarbeiten, daraus logische Schlüsse zu ziehen. Mein Gehirn war regelrecht blockiert.
Das Tavor steht noch originalverpackt im Schrank. Es gehört zu den AD, die süchtig machen können. Davor bin ich immer zurückgeschreckt. Außerdem hatten meine Thera und ich eine sehr unterschiedliche Interpretation von "Notfall", wie sich herausgestellt hat. Nach ihrer Definition hätte es mehrere Situationen gegeben, in denen ich zum Rettungsanker Tavor hätte greifen können.

Dass Antidepressiva generell zur Gewichtszunahme führen, kann ich nicht bestätigen. Ich habe zu Beginn der Depression innerhalb kürzester Zeit insgesamt 15 kg verloren, hatte lange damit zu kämpfen, zumindest die 54 kg zu halten, die ich dann noch hatte und ich habe erst wieder zugenommen, als mir die Schokolade wieder geschmeckt hat, die ich früher so gerne gegessen hatte, auf die ich aber während der akuten Depressionsphasen so gar keine Lust hatte. Es ist noch immer so, dass ich mein Gewicht halte bzw. leicht abbaue, wenn ich auf Schokolade verzichte - trotz Antidepressivum. Und ich weiß, dass ich kein Einzelfall bin. Ich kenne mehrere Leute, die trotz Antidepressiva keine Gewichtsprobleme haben.

Meine Persönlichkeit hat sich durch das Antidepressivum nicht verändert. Im Gegenteil, es hat mir mich, so wie ich mich von früher kannte, zurückgegeben. Ich kann mir auch beim besten Willen nicht vorstellen, dass ein Antidepressivum einen anderen Menschen aus jemandem macht.
Jeder Mensch hat gute und schlechte Seiten, bestimmte Charaktereigenschaften, die ihm in die Wiege gelegt werden. Durch Erziehung, Umwelteinflüsse und dergleichen werden manche Eigenschaften verstärkt, andere abgeschwächt. Keine Erziehung dieser Erde kann aber Dinge aus einem Menschen herausholen, die er nicht in irgendeiner Form in sich trägt. Und ein Antidepressivum kann das auch nicht.

Eine Gehirnwäsche erfordert sehr viel schärfere Maßnahmen als den Einsatz von Medikamenten. Ich glaube nicht, dass Du Dir Sorgen machen musst, von einem in Deutschland tätigen Therapeuten einer Gehirnwäsche unterzogen zu werden.

Ich verstehe Deine Angst und auch die Unsicherheit, die aus Deinen Worten spricht. Du musst Entscheidungen treffen (Klinik ja oder nein, Therapie ja oder nein, Antidepressiva ja oder nein usw.), von denen Du Dich überfordert fühlst. Ging mir genauso damals. Das ist schon allein wegen der Depression so, die Einem jedes Selbstvertrauen und auch jede Objektivität nimmt.

Nicht verzweifeln, liebe Oubliette, auch wenn Dir die Lage im Moment hoffnungslos erscheint. Auch das ist eine Auswirkung der Depression. Für einen Menschen in der Depression denkst, fühlst und handelst Du völlig "normal".

Du bist krank, und so, wie Du mit einem Beinbruch zum Arzt gehen würdest, ist es sinnvoll, mit einer Depression zum (Fach-)Arzt zu gehen. Du nimmst auch keinem den Therapieplatz weg, der ihn mehr verdienen würde als Du. Die Entscheidung, wer eine Therapie nötiger braucht, darfst Du getrost den Fachleuten überlassen. Sie haben sehr viel mehr Überblick über die Zahl der Therapiebedürftigen und die Schwere der Krankheit als Du. Versuche, ein kleines bisschen Vertrauen in die Fähigkeit der Ärzte zu haben, beurteilen zu können, ob Du therapie"würdig" bist oder nicht. Und gib Dir selbst die Chance, Hilfe und Heilung zu finden. Du bist es wert! Das hat Mime schon sehr schön beschrieben.

Und vielleicht kannst Du Dich doch dazu durchringen, Antidepressiva zu nehmen. Sie bringen den gestörten Gehirnstoffwechsel wieder ins Gleichgewicht, so wie Insulin den Zuckerstoffwechsel wieder ins Gleichgewicht bringt.

Mir geht es heute, nach 2 Jahren intensiver Therapie plus Antidepressivum wieder ziemlich gut. Ich bin wieder der freundliche, herzliche, hilfsbereite, fröhliche, ausgeglichene Mensch, der ich vor der Depression war. Der Weg dahin war lang und von Rückschlägen gekennzeichnet. Wie Mime schon geschrieben hat, braucht es viel Geduld, um eine Depression zu überwinden, sehr viel mehr, als ich mir zu Beginn der Therapie hätte vorstellen können.

Ich war nicht bei einer Heilpraktikerin - so wie Du - sondern bei einem Homöopathen, einem sehr guten. Das hat bezüglich der Depression nichts gebracht. Im Gegenteil, es ging mir psychisch immer schlechter. Ich habe die Behandlung abgebrochen und auf Chemie (und Gesprächstherapie) gesetzt - mit seinem Einverständnis.

Liebe Oubliette, auch wenn Du - krankheitsbedingt - nicht an eine Heilung glauben kannst, appelliere ich eindringlich an Dich: geh den Weg in die Therapie. Aus heutiger Sicht würde ich eine Klinik vorziehen, aber ich habe auch ambulant Hilfe und Heilung gefunden. Warum sollte das bei Dir nicht funktionieren? Und ich plädiere eindringlich für ein Antidepressivum.

Und noch etwas: ich habe meiner Thera sogar von Selbstmordgedanken erzählt und einer sich zufällig bietenden Gelegenheit, die mich fast das Leben gekostet hätte. Ich wurde NICHT in eine Klinik zwangseingewiesen, obwohl das für sie ein Leichtes gewesen wäre. Sie arbeitet schließlich an einer Uniklinik und betreut dort ambulant Patienenten.
Ich MUSSTE in der Therapie auch nie über etwas sprechen, über das ich nicht sprechen wollte. Die Wahl der Themen war immer meine. Meine Thera hat mich zum Nachdenken angeregt, mir Gedankenanstösse gegeben, mir gezeigt, dass man Dinge meist auch anders interpretieren kann als ich, positiver - nicht mehr und nicht weniger. Sie war nie aufdringlich, neugierig oder sonst etwas. Ich durfte (und darf) eine eigene Meinung haben - und die habe ich auch.

Ein guter Therapeut ist zugewandt, offen, wertet nicht, holt den Patienten dort ab, wo er steht.
Und genau so einen Therapeuten wünsche ich Dir von Herzen!

Meine Gedanken begleiten Dich, wohin immer Dein Weg Dich führt, und ich bin davon überzeugt, dass er Dich am Ende über den Berg hinwegführt. Dein Bergführer (Therapeut) wird Dir helfen, Dich ans Seil nehmen, wenn nötig, und Dir zeigen, wo Du Deine Füße hinsetzen kannst, um den Berg am besten zu erklimmen. Nur Mut, Du schaffst das!

Liebe Grüße
Gerbera
mime
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Re: Panik vor der Therapie

Beitrag von mime »

Hallo Oubliette,

danke für deine netten Worte und deine weiteren Infos :). Ich versuche mal, zu deinen Antworten auf meinen Beitrag noch Stellung zu nehmen; wenn dir das Lesen zu anstrengend wird, schreib es bitte, dann fasse ich mich kürzer ;) .

Ich habe einen sehr langen Text gegeschrieben, wie ich jetzt im Nachhinein feststelle... SORRY!!!:oops: :oops: Doch wenn ich jetzt anfange zu kürzen, bin ich heute Abend noch nicht fertig. Ich lasse es mal so stehen, erwarte aber keine Antwort, OK?) – überfliege bitte einfach, das was dich nicht interessiert.

Zum Thema Therapie hat Gerbera schon eindrücklich und gut beschrieben, wie die Therapie ablaufen kann (nicht muss), ich greife das Thema trotzdem nochmal auf.

Zu deinen Gedanken / zur Therapie:

Du schreibst im Zusammenhang mit der Therapie: „Aber ich fürchte, ich habe einfach nicht die Kraft, die Schritte zu gehen, die nötig sind. Das ist so ein endloser Weg, der sich vor mir auftut und zudem zu einem Berg führt, den ich eh nicht überwinden kann. “

Die Kraftlosigkeit, die du verspürst, kann ich nachvollziehen. Eine Depression geht oftmals mit einer Erschöpfung einher (bei mir war das auch so). Oftmals geht sie auch in Verzagtheit/Hoffnungslosigkeit über, wir denken gerne, dass wir das alles gar nicht schaffen (können) usw., weil wir uns oft schon versuchen, den ganzen Weg vorzustellen, den wir gehen müssen.

Vielleicht ist es ja so, dass wir gar keinen Berg erklimmen müssen – wohin unser Weg führen wird, wissen wir nicht. Vielleicht führt er ja am Ende auch an eine seichte Flussbiegung mit Gräsern und Wildblumen darauf, Bäume spenden sanften Schatten und wir dürfen uns einfach in den Schatten setzen und Sein... 8-)

Eine Therapie ist nicht unbedingt ein leichter Weg, aber sie kann auch so etwas wie ein „Wegweiser“ sein. Ich bin auch jemand, der lange sehr kontrolliert funktioniert hat, bis es nicht mehr ging und bis dahin alles als Pflicht und Leistenmüssen erlebt hat. Und du kennst so etwas vielleicht auch. Du schriebst in einen Beitrag von ...“ Ja, wenn ich so drüber nachdenke, das ist ein riesiges Thema bei mir, Kontrollverlust kann ich schon immer nur schwer ertragen. Hinzu kommt, dass mir gerade in letzter Zeit sehr viel aufgezwungen wurde, was ich eigentlich nicht wollte. Ein ekelhaft hilfloses Gefühl ist das.“

Wäre es nicht wünschenswert, gerade solchen „Aufzwingern“, die so ein ekelkhaft hilfloses Gefühl hinterlassen, die Stirn zu bieten?

Ich lerne so etwas (Ähnliches) gerade in der Therapie. Meine Therapeutin macht mich auf solche „Aufzwinger“ (die ich selbst als solche lange nicht wahrgenommen habe), aufmerksam. Mir wird dann erst einmal bewusst, wie ich mich selbst unter Druck setze oder mich unter Druck setzen lasse. Und erst dann war/ist es mir möglich, das langsam Schrittchen für Schrittchen zu verändern (ich arbeite noch daran). Ja, solche Veränderungen sind Prozesse, die länger dauern, aber nur so ist eine Veränderung auch erst möglich :? .

Ein Therapeut kann dich und deine Situation nicht verändern. Kein Arzt oder kein Therapeut hat soviel Macht, etwas zu verändern – die hast nur du selbst.

Du schriebst weiter: „[...] Trotzdem fällt es mir so wahnsinnig, wahnsinnig schwer, zu akzeptieren, dass meine Seele "krank" sein soll. Vielleicht stelle ich mich auch nur an? So viele Menschen haben doch ein schweres Leben, erleben ganz schlimme Dinge, und kommen trotzdem damit klar. Und ich? Ich bin die Versagerin, die nix auf die Reihe bekommt.“

Oh, wie gut ich dieses Gefühl und exakt diese Gedanken von mir kenne ;) ... Liebe Oubliette, es geht nicht um die anderen, die vermeintlich schlimmeres erlebt haben, als man selbst. Es geht darum, wie es DIR momentan geht: Sehr schlecht!!! Ob du das jetzt Kranksein nennen willst oder nicht – es kommt darauf an, dass du momentan in vieler Hinsicht beeinträchtigt bist, und da gilt es anzusetzen.

Du bist eines bestimmt nicht: eine Versagerin. Lass dir das von deinen (momentan depressiv negativ gefärbten) Gedanken bloß nicht einreden. Würdest du ein Kind, das noch nicht laufen kann, „Versager“ schimpfen, weil es noch krabbelt? Wieso glaubst du eine Vesagerin zu sein? Wenn du momentan „alles nicht auf die Reihe“ bekommst, hat das auch seinen Grund! Und dem sollte man nachgehen.

Ich habe auch solche Versagerin-Gedanken in mir, doch auf sie nicht mehr zu hören, habe ich mittlerweile oft geübt (in der Therapie).

„Und die Seele ist die Seele. Kann das innerste Selbst überhaupt von außen "behandelt" werden?“

Hm, das ist eine gute Frage. Jein, würde ich sagen. Es geht erst einmal darum, dich (damit meine ich die ganze Oubliette mit Seele, Körper und Geist) achten und schätzen und ggf. auch richtig kennen zu lernen. Vorallem die Seele kommt in unserem Leben oftmals zu kurz, das kann sogar so weit gehen, dass wir auf sie gar keinen Wert mehr legen. :shock:

In den Therapiegesprächen kommen durch das Reden (auch von Alltäglichkeiten, Ärgernissen, Problemchen harmloser Natur) ab und zu völlig gesunde Reaktionsweisen und Gedanken zum Ausdruck, auf die wir aufbauen können oder sie wieder in unserem Leben und Erleben Platz finden lassen können.

Ich glaube mittlerweile, dass unsere Seele uns Vieles signalisiert – wir haben aber verlernt, darauf zu hören. Es kann hilfreich sein, wenn wir einen Therapeuten/Arzt als Vermittler haben – manchmal spiegeln unsere Reaktionen, Gedanken und Gefühle das wider, was gesund und richtig, und oftmals sogar angemessen ist.

Und darauf kommt es an:

Auf das Gesunde in uns zu hören, wenn wir es im Laufe der Zeit überhören gelernt haben.
Auf die Gefühle / Regungen in uns wieder achten und richtig kanalisieren zu lernen.
Auf uns achten zu lernen und GUT MIT UNS SELBST umzugehen – das kommt oder kam in unserem Leben schon oft zu kurz.
usw. usw.

„Kommt das nicht einer Gehirnwäsche gleich?“

Meine ehrliche Meinung (als Skeptikerin): NEIN!!! Wenn die Seele sich gegen das momentane Leben sträubt und geheilt werden möchte, kann es ein Weg sein, z. B. in einem Gespräch seine Gedanken zu äußern. Nur so können sie betrachtet, gemeinsam besprochen und ggf. von dir selbst (und niemand anderem sonst) revidiert werden.

Beispiel: Ich habe lange Zeit an mir selbst gezweifelt, Gefühle unterdrückt, dachte, wenn ich mich so gebe und zeige, wie ich wirklich bin, mag mich keiner mehr. Jetzt sage ich öfter, was ich denke, lerne zu mir (und meinen Gefühlen) zu stehen, so langsam, etwas mehr Selbstvertrauen zu entwickeln und siehe da: Ich habe dann die Erfahrung gemacht, dass das gar nicht so ist, dass mich dann niemand mehr mag.

Was ich deutlich machen will: Es geht nicht darum, irgendeine Form von Gehirnwäsche zu betreiben, sondern darum, selbst zu erkennen, dass man oftmals (so einem oder ähnlich anderen) inneren Trugschluss auferliegt. Und erst wenn dieser mal zur Sprache kommt, überdacht und ausgelotet wird, kann man ihn entlarven.

„Da sind sie wieder, diese Sch***gedankenschleifen. Aberaberaber. Mein Hirn findet immer was.“ Gedankenschleifen, die immer und immer wieder um das Gleiche kreisen gehören zu den klassischen Depressionssymptomen – doch auch diese sind behandelbar. :oops:

Eine Therapie kann im günstigen Fall begleiten, unterstützen Fragen aufwerfen, Freiräume bieten, seinen Gedanken mal freien Lauf zu lassen usw. Sie ist lediglich ein möglicher (und m. E. sehr sinnvoller) Baustein, die Depression zu behandeln und zu überwinden.

*************************

Zu den Medikamenten:

„[...] Leider habe ich innerlich eine Blockade gegen Chemie, die ganz stark ist. Jedenfalls im Moment und vermutlich auch die nächste Zeit schließe ich Pillen aus.“

Das kenne ich seeehr gut von mir ;) . Ich habe es auch längere Zeit ohne probiert und Medikamente für mich ausgeschlossen. Das geht auch eine gewisse Zeit lang (und nicht alle Depressionspatienten müssen Medikamente nehmen) – es ist kein Zwang, kann aber ein weiterer hilfreicher Baustein sein, die Depressionssymptome zu lindern. Mein Facharzt hatte mir wegen der schlechteren Verträglichkeit von einem rein pflanzlichen Präparat abgeraten (Chemie muss nicht zwangsläufig schlechter sein), aber ich verstehe deine Bedenken gut.

Weil bei mir in der akuten Phase neben Konzentrationsstörungen, Schlafstörungen, Antriebs/Energiemangel, ebenfalls „dunkle“ (dumme) Gedanken hinzukamen und trotz Therapie keine Besserung in Aussicht war, habe ich es schließlich doch mal mit einem Medikament probiert (trotz sehr starker Aversionen, und dem Nichtglaubenkönnen, dass es hilft) – und ich bereue es nicht, obwohl ich nach wie vor eine große Skeptikerin bin, was Medikamente betrifft und es mich manchmal immer noch Überwindung kostet.

Mal abgesehen davon, dass mir über mehrere Monate 2 Fachärzte zu einem Antidepressivum geraten haben, spüre ich mittlerweile dass es u. a. hilft, wohlgemerkt in Kombination mit wöchentlicher Psychotherapie.

Auch – und das möchte ich dir noch mal ans Herz legen – dieses ewige, ewige Gedankenkreisen, das graue Einerlei, die absolute Hoffnungslosigkeit / innere und äußere Starrheit weichen so langsam helleren Gedanken, besserem schlafen Können und der Hoffnung, dass es nicht umsonst war, mich auf das „Vertrauens-Experiment“ (Hilfe annehmen, die sich mir bietet, sei es therapeutischer oder medizinischer Natur) einzulassen.

Wenn es nichts bringt (das merkt man nur, wenn man es auch probiert), kann man immer noch aufhören und entscheiden: Nö, das ist nichts für mich. Du kannst dich jederzeit für oder gegen etwas entscheiden – zwingen kann dich niemand zu irgendetwas :| !!!

Nein, kein Arzt wird dir eine Nebenwirkungslosigkeit bescheinigen, jedes, absolut jedes Medikament, das wirken soll, hat auch Nebenwirkungen. Schau dir mal den Beipackzettel von einer harmlosen Kopfschmerztablette an oder Nasentropfen oder Schilddrüsentabletten / Allergiemittel – wenn du nur nach den Nebenwirkungen gingest, dürfte man gar keine Medikamente nehmen... :?

Manchmal stehen Nebenwirkungen auch in einem Missverhältnis zur Wirkung (nicht nur im negativen, sondern manchmal auch im positiven Sinne). Es kann so erleichternd sein, aus dem dunklen Loch wieder herauszukommen, dass die Nebenwirkungen (die vielleicht gar nicht so ausgeprägt sind, wie man befürchtet) – vorausgesetzt, sie beeinträchtigen einen nicht unverhältnismäßig stark und man verträgt sie – zweitrangig sind. :roll:

Man schleicht Antidepressiva im Übrigen auch in niedriger Dosierung ein (und wieder aus) – bis sie positiv wirken, vergehen meist einige Wochen.

Abschließend: Ich habe auch lange gezögert, deswegen kann ich deine Bedenken gut nachvollziehen. Ich möchte dich auch zu nichts überreden (das kann ich gar nicht ;) ) - im Gegenteil - sondern nur Aufklären / Infos geben. Entscheiden kannst du das nur für dich selbst und am besten nach einem Gespräch und einer Klärung deiner Krankengeschichte mit einem Facharzt.
Ein guter Facharzt wird auch akzeptieren, wenn du kein Medikament nehmen möchtest. Aber du warst ja bereits bei einer Ärztin, wenn ich das richtig in Erinnerung habe.

***********************************

Zu dir:

Du schreibst, dass dein Studium bald wieder beginnt und du nicht weißt, wie du es schaffen sollst. Die Arbeit schaffst du gerade eben noch so. Hm, das ist schwierig. Ich verstehe, dass du nicht in eine Klinik möchtest, weil du befürchtest, dass dir „der Rest des Lebens“ wegbricht. Fühlst du dich denn einigermaßen wohl in der Arbeit und im Studium? Gibt es da Haltgebendes / Stabilisierendes für dich?

Gibt es denn irgendetwas, was dir Entlastung bringen könnte? Gibt es Orte, an denen du dich wohlfühlst; Menschen, mit denen du dich schon lange mal treffen wolltest, Dinge, die du schon lange mal tun wolltest (schöne Dinge, ohne Pflichten), aber nie Zeit dazu hattest?

Hast du dich schon mal nach der Möglichkeit eines „Urlaubssemesters“ erkundigt?

Studieren (an sich ist ja schon mal ein Full-time-Job mit Vor- und Nachbereitung) und Arbeiten setzt eine gewisse Belastungsfähigkeit voraus und die scheint mir nach deinen Schilderungen momentan nicht unbedingt gegeben (um es mal ganz vorsichtig zu formulieren). :oops:

Weißt du denn schon exakt, was dich das nächste Semester erwartet?

Hättest du die Möglichkeit, dir eine krankheitsbedingte Auszeit zu nehmen, damit du dich und deine Kräfte erst einmal auf das Gesundwerden konzentrieren kannst?


Zu guter Letzt:

Alle meine Fragen, insbesondere die, die dich schrieben ließen:

„Eben beim Lesen habe ich voll Panik gedacht: DAS KANN ICH GAR NICHT BEANTWORTEN, ICH WEISS DIE ANTWORTEN NICHT!“ ,

sollen lediglich Anregungen / Denkanstöße sein! Es geht nicht darum, da tatsächlich eine Antwort zu wissen, sondern nur mal ganz locker über so etwas nachzudenken (ohne Druck, ohne Zwang).

Auch dein

„[...] Keine Ahnung, ob ich es hinbekomme, anhand der Notizen meinen Mund aufzumachen [...].“

Auch hier gilt: es kommt nicht darauf an, dass du etwas leistest! Ein Gespräch lebt von einem Dialog – dein Gegenüber wird nicht nur stumm da sitzen, er will dich ja auch kennen lernen und dir helfen. Du kannst (OK, dazu gehört Mut, aber den bekommt man manchmal ganz spontan) deinem Gegenüber auch sagen: „Es würde mir helfen, wenn Sie mir zunächst ein paar Fragen stellen.“ – das habe ich bei meinem Facharzt auch schon gemacht (weil ich anfangs auch immer total angespannt und wortkarg bin).

„In mir ist ja mittlerweile das gähnende Nichts, wenn ich versuche, meine Probleme(für mich auch) in Worte zu fassen. (Das war vor ein paar Monaten auch noch irgendwie anders, komisch.)“

Das wissen Ärzte und Therapeuten auch! Dieses gähnende Nichts, die Unfähigkeit, manches in Worte zu fassen, gibt es bei vielen Patienten. Ich habe auch lange gebraucht, bis ich ein bisschen „aufgetaut“ bin und soll ich dir mal was verraten?

Ich glaube, dass das den Ärzten und Therapeuten anfangs ganz genauso geht! :D !!

Sie wissen ja von dir (genauso wenig wie du über sie) kaum Bescheid. Sie müssen dich erst einmal kennen lernen wie du sie erst einmal kennen lernen musst. Auch ein Arzt/Patienten bzw. Therapiegespräch lebt vom Vertrauen, was sich erst einmal so peu à peu im Laufe der Zeit (und ggf. wiederholten Terminen) aufbauen muss.

Da muss man „einfach“ Geduld haben und nicht zuviel von sich selbst fordern. Es ist lediglich ein Gespräch von vielen weiteren und keine Prüfung, kein Test, den du zu bestehen hast. Und: Therapeuten sind auch nur Menschen wie du und ich (mit Stärken und Schwächen). Sympathie ist ein wichtiger Faktor: mit manchen kommt man gut aus, mit anderen weniger.

Das wird sich alles noch weisen und ergeben im Laufe der Zeit ;) !

Wichtig ist, dass du schaust, was dir momentan helfen könnte (das kann auch was ganz banales sein – olle Wasserfarben rausholen oder die angestaubte Gitarre, Omas Backbuch hervorkramen oder einen langen Spaziergang machen, auf das Vogelgezwitscher lauschen, durchatmen, vielleicht eine CD hören und/oder Entspannungsübungen dazu machen usw.

Ich wünsche dir, dass du erfahren wirst, dass es Lösungen und Wege gibt aus allem, was momentan so schwierig ist und sende dir ein paar Sonnenstrahlengrüße und wünsche dir Kraft, Mut und alles, was dir sonst noch gut tut

:D :D.

Liebe Grüße
Mime
Wir müssen lernen,
die Menschen weniger auf das, was sie tun und unterlassen,
als auf das, was sie erleiden, anzusehen.

(Dietrich Bonhoeffer)
Salvatore
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Re: Panik vor der Therapie

Beitrag von Salvatore »

Hallo Oubliette,

ich habe nicht alles gelesen, was die anderen dir geantwortet haben, aber ich habe auch ein paar Gedanken zu dir:
Du gibst dir sehr, sehr viel Mühe allen zu "beweisen", dass nichts hilft. Medis - auf keinen Fall (was du über AD schreibst ist im Übrigen ziemlicher Quark. Sorry.). Psychotherapie - ausgeschlossen, dass du auch nur einen Satz rausbringst. Klinik - nie und nimmer.
Und für all das hast du auch ganz viele Argumente. Du hast viele "Ja-aber"s im Angebot.
So wie ich es herauslese ist das vorwiegende Problem dabei Angst. Sehr, sehr, sehr große Angst. Und nicht nur Angst, sondern sogar Panik.
Nun habe ich selbst auch eine Angst-/Panikstörung und kenne mich damit ein bisschen aus. Alle deine Argumente sind "Angstargumente".

Ich hatte panische Angst davor, in die Klinik zu gehen. Ich hatte noch nie gerne so viele Menschen um mich (schon als Kleinkind nicht) und dann auch noch den ganzen Tag. Die schlimmste Vorstellung war für mich die Essenssituation im großen Speisesaal, das "nicht-weg-können" und die irrsinnige Geräuschkulisse. Und: diese Angst war real, denn es war tatsächlich unaushaltbar für mich.
Bei dir ist es halt das sich-öffnen, das du in einer entscheidenden Phase nicht gelernt hast und später zu viel Angst hattest, es zu probieren.
Leider ist es nun aber so, dass wir, um unsere Ängste zu überwinden, uns ihnen stellen müssen.

Du wirst jetzt wahrscheinlich sagen wollen: "Ja, aber meine Angst ist ja real, denn ich konnte mich bisher noch nie öffnen und ich werde es auch beim Therapeuten nicht können."
In einer Angstgruppe, die ich besucht habe, hat ausnahmslos JEDER Teilnehmer so argumentiert.
Die mit der Höhenangst hat gesagt: "Ich werde nicht auf diesen Turm steigen können, weil meine Angst zu groß ist, dass etwas passieren könnte. Und ich weiß, dass meine Angst real ist, denn das letzte Mal bin ich in Ohnmacht gefallen."
Der mit der Angst vor einem Herzinfarkt hat gesagt: "Wenn ich Symptome verspüre, muss ich den Notarzt rufen, denn ich habe zu große Angst, es nicht zu tun - ich bin nicht mehr ganz jung und habe nicht gesund gelebt. Deshalb weiß ich, dass meine Angst real ist, das kann man überall nachlesen.
Und die mit der Angst vor Nahrungsmitteln hat gesagt: Ich bin gegen einige Sachen allergisch, was bedeutet, dass ich auch gegen andere Sachen allergisch sein könnte, weshalb ich lieber bei meinen fünf "sicheren" Nahrungsmitteln bleibe und nichts anderes probiere. Und ich weiß, dass meine Angst real ist, denn ich habe schonmal versehentlich Nüsse gegessen und bin im Krankenhaus gelandet.

Alle diese Menschen - mich eingeschlossen - wussten rational, dass ihre Argumente nicht ganz wasserdicht sind. Jeder weiß, dass Höhe per se nicht gefährlich ist (denn warum fällt sonst niemand in Ohnmacht?). Man kann sich denken, dass es beim 101. Mal wahrscheinlich kein Herzinfarkt ist, wenn es die 100 Male davor "nur" eine Panikattacke war. Und man kann sehr wohl gefahrlos Rindfleisch essen, wenn man gegen Nüsse allergisch ist. Ich wusste/weiß, dass eine Menschenmenge in der Regel keine Gefahr für mein Leben darstellt, genausowenig wie laute Geräusche. Du weißt, dass es nicht lebensbedrohlich ist, mit einem Therapeuten zu sprechen.
Und obwohl unser Hirn alle diese Dinge weiß, haben wir dennoch so große Angst, dass sie uns unmöglich erscheinen zu tun. Und wir können uns meist auch dafür entscheiden, sie einfach zu vermeiden. Das kannst du auch, du musst dich ja nicht behandeln lassen - weder medikamentös noch psychotherapeutisch oder sonst irgendwie.
Nur musst du dann eben auch damit leben, dass alles beim Alten bleibt und damit auch der Leidensdruck. Keine gute Wahl, aber doch immer noch eine Wahl. Wenn du dich aber dafür entscheidest, etwas zu ändern... Tja, dann musst du eben genau das tun: etwas ändern. Also etwas anders machen als bisher.

Ich weiß von mir selbst wie scheißschwer das ist. Ich habe oft gekniffen - aber noch öfter habe ich mich meiner Angst gestellt. Sie ist nicht gänzlich verschwunden, aber ich habe jetzt keine Todesangst mehr und ich kann damit ganz gut umgehen.
Fakt ist, dass es dir wahrscheinlich niemals wirklich leichtfallen wird, dich zu öffnen und du es niemals mit Freude tun wirst. Genausowenig wie ich mich jemals in großer Menge wohlfühlen werde, auch wenn ich gelernt habe, damit umzugehen.

Nein, Psychotherapie wirkt nicht, wenn du tatsächlich keinen Ton sagst. Und das Argument "Ich kann ja nunmal nichts rausbringen" zieht nicht - denn du kannst ja sprechen, du sprichst ja schließlich auch mit anderen Leuten. Psychotherapie ist kein Hexenwerk, niemand prökelt in deiner Seele herum. Das sind "auch nur Menschen", wie man so schön sagt.
NIEMAND erwartet von dir, dass du sofort deine Seele auf den Tisch legst. Genausowenig wie jemand erwarten würde, dass jemand mit einer Spinnenphobie einfach mal so eine Spinne auf die Hand nimmt. Oder sich jemand mit massiver Angst vor engen Räumen für eine Stunde in eine Kammer sperren lässt.

Man fängt klein an. Der mit der Spinnenphobie z.B. redet zunächst mal über Spinnen, irgendwann - wenn er soweit ist - guckt er sich vielleicht eine Zeichnung an, dann ein Foto, dann eine echte Spinne von weitem, dann von nahem. Und so weiter.
Bei dir fängt es mit irgendwas an, das für dich in Ordnung ist. Wie du heißt, wie alt du bist, was du arbeitest, dann vielleicht wer deine Eltern sind, dann vielleicht wie deine Beziehung zu anderen Menschen aussieht.
Wenn der Therapeut dir eine Frage stellt, die dir zu intim ist, dann sagst du einfach: Stopp! Das geht mir zu schnell. So weit bin ich noch nicht.
Wenn du ihm etwas mitteilen möchtest, dass du nicht aussprechen kannst, kannst du es zu Hause aufschreiben und ihm den Zettel geben. Oder du entwickelst andere Strategien, auch mit dem Therapeuten zusammen. Oder hier im Forum, du hast ja schon ein paar Tipps bekommen.
Aber es muss wenigstens der Wille da sein, sich zu überwinden - auch wenn es bedeutet, dass man beinahe übermenschliche Kräfte dazu aufbringen muss. Dass man über seine eigenen Grenzen hinauszugehen bereit ist. Ohne "Ja-aber"s.
Tut das weh? Oh ja.
Ist es anstrengend? Definitiv.
Macht es Spaß? Absolut nicht.

Ich wünsche dir von Herzen alles Gute.

Lg, Salvatore
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oubliette
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Re: Panik vor der Therapie

Beitrag von oubliette »

Hallo zusammen,
vielen Dank wieder für die vielen Rückmeldungen. Ich arbeite mich mal nach und nach durch. Das wird wieder ein ellenlanger Beitrag wegen der Zitate, ich hoffe, das stört nicht arg.
Ich möchte euch aber bitten, bei etwaigen Antworten nichts aus meinem Beitrag zu zitieren, da ich Teile später wieder rausnehmen möchte.
Vielen Dank.
Regenwolke hat geschrieben:Liebe Oubliette,

du darfst auch gern "Regenwolke" schreiben, wenn du magst ;)

Ich lese gerade, dass du Studentin bist. Gibt es an deiner Hochschule eine psychologische Beratungsstelle?
Falls ja, könnte das vielleicht auch eine Anlaufstelle für dich sein, auch wenn die meist eher ein zeitlich begrenztes Beratungsangebot machen und einen bei Bedarf dann auf niedergelassene Therapeuten verweisen. Mich haben sie vor Jahren aber über eine ziemlich lange Zeit "beraten", was damals eine wichtige Unterstützung für mich war.

Ich möchte mich den anderen hier anschließen, ich wünsche dir etwas Hoffnung darauf, dass es Hilfe gibt und sich dein (Er)leben auch wieder verändern kann.

Lieben Gruß,
Wolke
Hallo Regenwolke ;)
das ist im Prinzip eine gute Idee, aber da hätte ich noch viel mehr Hemmungen hinzugehen als in die PK. Aus diversen Gründen. Aber ich hab die Nummer immer hier liegen.


Hallo Gerbera,
vielen Dank für den Einblick!
Gerbera hat geschrieben:Hallo Oubliette,

tut mir leid, dass ich mein Versprechen erst jetzt einlösen kann. Ich versuche mal, Dir ein bisschen die Angst zu nehmen und beschreibe Dir meine erste Therapiestunde.

Meine Thera bat mich zunächst, in einem gemütlichen Sessel Platz zu nehmen und setzte sich mir gegenüber. Dann hat sie gefragt, warum ich zu ihr gekommen bin und wie es mir heute geht. Antwort auf Frage 1: Der Endokrinologe, bei dem ich wegen meiner Schilddrüsenerkrankung in Behandlung war, hat mich zu ihr geschickt, weil er der Meinung war, die über einen längeren Zeitraum anhaltenden Stimmungsschwankungen und das "ich fühle mich einfach schlecht" sollten mal näher abgeklärt werden.
Antwort auf Frage 2: Heute ist ein guter Tag.
Vor dieser ersten Frage hab ich am meisten Angst, denn ich weiß tatsächlich und ganz ehrlich keine Antwort darauf. Die Antwort "Weil es mir schlecht geht", zählt wohl nicht, denn da kommen Rückfragen, die ich wieder nicht beantworten kann.
Diese Situation hab ich jetzt im Kopf hunderte Male durchgespielt und mus an dieser Stelle abbrechen, weil ich nicht sagen kann, warum ich diesen Termin in der Ambulanz habe. Mich schickt ja in dem Sinne auch kein Facharzt.
Das ist so gaga.

Sie hat mich dann gebeten, etwas über meine berufliche und private Situation zu erzählen, ganz allgemeine Dinge, z.B. was ich arbeite, ob ich verheiratet bin, Kinder habe. Sie wollte auch wissen, ob ich Stress habe, in der Familie oder im Beruf belastende Situationen gegeben seien und ob ich "mir geht es schlecht" näher definieren könne.

Nach etwa 20 Minuten hat sie mich dann mit der Tatsache konfrontiert, dass sie der Meinung sei, ich hätte keinen guten Tag. Auf meine Frage, wie sie darauf komme, kam dann die Antwort: "Sie sitzen vor mir wie in Stein gehauen, in ihrem Gesicht ist keine Regung erkennbar, die Stimme monoton. Ihnen kann es nicht gut gehen." Da hatte sie wohl Recht, nur war mir zu diesem Zeitpunkt längst das Gefühl dafür verloren gegangen, wie gut oder schlecht es mir tatsächlich geht.

Sie hat dann intensiver nachgefragt, seit wann es mir "schlecht" geht, ob ich Konzentrationsschwierigkeiten, Probleme mit dem Gedächtnis, Schwindel, Kreislaufprobleme, Ohrgeräusche, Empfindungsstörungen oder ähnliches hätte und eventuell auch Selbstmordgedanken.

Zum Ende des Gesprächs hat sie mir erklärt, dass ich unter einer schweren Depression leide und sie hat mir (mit näherer Begründung) empfohlen, Antidepressiva zu nehmen: Citalopram, sowie für Notfälle Tavor. Das Citalopram nehme ich noch heute, in einer sehr geringen Dosierung, aber ohne das Medikament wäre ich nicht therapiefähig gewesen. Ich war damals nicht mehr in der Lage, das, was ich wahrgenommen, gehört und gesehen habe, zu verarbeiten, daraus logische Schlüsse zu ziehen. Mein Gehirn war regelrecht blockiert.
Das Tavor steht noch originalverpackt im Schrank. Es gehört zu den AD, die süchtig machen können. Davor bin ich immer zurückgeschreckt. Außerdem hatten meine Thera und ich eine sehr unterschiedliche Interpretation von "Notfall", wie sich herausgestellt hat. Nach ihrer Definition hätte es mehrere Situationen gegeben, in denen ich zum Rettungsanker Tavor hätte greifen können.
Die Ärztin damals in der Ambulanz wollte mir auch gleich Tavor aufs Augen drücken. Ich meine, HALLO? Das macht hochgradig süchtig.
Ich kann es einfach nicht fassen, wie leichtfertig von ärztlicher Seite mit solchen Mitteln umgegangen wird und deswegen schließe ich für mich ADs (jaaaaa, auch wenn die nicht süchtig machen, ich weiß) und schon gar Benzos zu 100% aus.


Meine Persönlichkeit hat sich durch das Antidepressivum nicht verändert. Im Gegenteil, es hat mir mich, so wie ich mich von früher kannte, zurückgegeben. Ich kann mir auch beim besten Willen nicht vorstellen, dass ein Antidepressivum einen anderen Menschen aus jemandem macht.
Jeder Mensch hat gute und schlechte Seiten, bestimmte Charaktereigenschaften, die ihm in die Wiege gelegt werden. Durch Erziehung, Umwelteinflüsse und dergleichen werden manche Eigenschaften verstärkt, andere abgeschwächt. Keine Erziehung dieser Erde kann aber Dinge aus einem Menschen herausholen, die er nicht in irgendeiner Form in sich trägt. Und ein Antidepressivum kann das auch nicht.

Eine Gehirnwäsche erfordert sehr viel schärfere Maßnahmen als den Einsatz von Medikamenten. Ich glaube nicht, dass Du Dir Sorgen machen musst, von einem in Deutschland tätigen Therapeuten einer Gehirnwäsche unterzogen zu werden.

Ich verstehe Deine Angst und auch die Unsicherheit, die aus Deinen Worten spricht. Du musst Entscheidungen treffen (Klinik ja oder nein, Therapie ja oder nein, Antidepressiva ja oder nein usw.), von denen Du Dich überfordert fühlst. Ging mir genauso damals. Das ist schon allein wegen der Depression so, die Einem jedes Selbstvertrauen und auch jede Objektivität nimmt.
Ja, ich fühle mich überfordert. Das stimmt. Ich fühle mich so überfordert, dass gewisse andere "Lösungen" immer verlockender erscheinen. (Keine Ankündigung!)
Die nächsten Schritte, die ich zu gehen habe, darf ich nicht versauen, weil ich mich kenne und weiß, dass ich dann aufgeben würde. Ich ertrage diesen Druck nicht mehr und meine derzeitige Belastungssituation, in der ich stecke, saugt mir jedes letzte bißchen Kraft und Denkvermögen ab.
Gerbera hat geschrieben:
Und noch etwas: ich habe meiner Thera sogar von Selbstmordgedanken erzählt und einer sich zufällig bietenden Gelegenheit, die mich fast das Leben gekostet hätte. Ich wurde NICHT in eine Klinik zwangseingewiesen, obwohl das für sie ein Leichtes gewesen wäre. Sie arbeitet schließlich an einer Uniklinik und betreut dort ambulant Patienenten.
Und warum wurdest du nicht eingewiesen, wenn ich das fragen darf? Das ist doch sicher ungewöhnlich?
Ich MUSSTE in der Therapie auch nie über etwas sprechen, über das ich nicht sprechen wollte. Die Wahl der Themen war immer meine. Meine Thera hat mich zum Nachdenken angeregt, mir Gedankenanstösse gegeben, mir gezeigt, dass man Dinge meist auch anders interpretieren kann als ich, positiver - nicht mehr und nicht weniger. Sie war nie aufdringlich, neugierig oder sonst etwas. Ich durfte (und darf) eine eigene Meinung haben - und die habe ich auch.

Ein guter Therapeut ist zugewandt, offen, wertet nicht, holt den Patienten dort ab, wo er steht.
Und genau so einen Therapeuten wünsche ich Dir von Herzen!

Meine Gedanken begleiten Dich, wohin immer Dein Weg Dich führt, und ich bin davon überzeugt, dass er Dich am Ende über den Berg hinwegführt. Dein Bergführer (Therapeut) wird Dir helfen, Dich ans Seil nehmen, wenn nötig, und Dir zeigen, wo Du Deine Füße hinsetzen kannst, um den Berg am besten zu erklimmen. Nur Mut, Du schaffst das!

Liebe Grüße
Gerbera
Ich danke dir für deine Worte, aber im Moment fällt es mir schwer, an all das zu glauben. Ich werde zunehmend zur Belastung für meine Umwelt, ich merke das jeden Tag und fühle mich so entsetzlich schuldig, weil ich nicht an diese Therapie glauben kann.
Ich würde mich am liebsten in Luft auflösen.
mime hat geschrieben:Hallo Oubliette,

danke für deine netten Worte und deine weiteren Infos :). Ich versuche mal, zu deinen Antworten auf meinen Beitrag noch Stellung zu nehmen; wenn dir das Lesen zu anstrengend wird, schreib es bitte, dann fasse ich mich kürzer ;) .

Ich habe einen sehr langen Text gegeschrieben, wie ich jetzt im Nachhinein feststelle... SORRY!!!:oops: :oops: Doch wenn ich jetzt anfange zu kürzen, bin ich heute Abend noch nicht fertig. Ich lasse es mal so stehen, erwarte aber keine Antwort, OK?) – überfliege bitte einfach, das was dich nicht interessiert.
Überfliegen, so'n Quatsch. Ich sauge alles in mich auf, jedes einzelne Wort von euch. :)
Meine Antworten sind heute nur wohl eher negativ-einsilbig, dafür möchte ich mich entschuldigen.


Die Kraftlosigkeit, die du verspürst, kann ich nachvollziehen. Eine Depression geht oftmals mit einer Erschöpfung einher (bei mir war das auch so). Oftmals geht sie auch in Verzagtheit/Hoffnungslosigkeit über, wir denken gerne, dass wir das alles gar nicht schaffen (können) usw., weil wir uns oft schon versuchen, den ganzen Weg vorzustellen, den wir gehen müssen.

Vielleicht ist es ja so, dass wir gar keinen Berg erklimmen müssen – wohin unser Weg führen wird, wissen wir nicht. Vielleicht führt er ja am Ende auch an eine seichte Flussbiegung mit Gräsern und Wildblumen darauf, Bäume spenden sanften Schatten und wir dürfen uns einfach in den Schatten setzen und Sein... 8-)
Die Vorstellung ist schön, aber leider habe ich ihn ja schon so lange vor der Nase, diesen Berg. Er ist ja da. Und ich muss drüber. Und weiß nicht wie.
Und die Therapie lässt diesen Berg (gefühlt) noch höher wachsen.

Wäre es nicht wünschenswert, gerade solchen „Aufzwingern“, die so ein ekelkhaft hilfloses Gefühl hinterlassen, die Stirn zu bieten?
Hab ich alles schon versucht. Gegen diese speziellen Aufzwinger gibt es nichts, rein gar nichts auszurichten. Manchmal muss man auch wissen, wann man kapitulieren muss.
Ich lerne so etwas (Ähnliches) gerade in der Therapie. Meine Therapeutin macht mich auf solche „Aufzwinger“ (die ich selbst als solche lange nicht wahrgenommen habe), aufmerksam. Mir wird dann erst einmal bewusst, wie ich mich selbst unter Druck setze oder mich unter Druck setzen lasse. Und erst dann war/ist es mir möglich, das langsam Schrittchen für Schrittchen zu verändern (ich arbeite noch daran). Ja, solche Veränderungen sind Prozesse, die länger dauern, aber nur so ist eine Veränderung auch erst möglich :? .

Ein Therapeut kann dich und deine Situation nicht verändern. Kein Arzt oder kein Therapeut hat soviel Macht, etwas zu verändern – die hast nur du selbst.
Das bewundere ich. Du bist sehr viel weiter als ich vermutlich jemals kommen werde. Ich weiß schon so lange, dass nur ich etwas ändern kann. Ich weiß auch, was richtig wäre und was ich tun müßte.
Und schaffe es nicht. Ich schaffe es einfach nicht, und auch das liegt nicht in der Macht eines Therapeuten, das zu ändern, verstehst du?
Was nützt es mir, wenn der Therapeut mir sagt, das und das ist so und so, und dieses und jenes wäre jetzt richtig und wichtig anzugehen.
ICH KANN ES DOCH NICHT!


„Und die Seele ist die Seele. Kann das innerste Selbst überhaupt von außen "behandelt" werden?“

Hm, das ist eine gute Frage. Jein, würde ich sagen. Es geht erst einmal darum, dich (damit meine ich die ganze Oubliette mit Seele, Körper und Geist) achten und schätzen und ggf. auch richtig kennen zu lernen. Vorallem die Seele kommt in unserem Leben oftmals zu kurz, das kann sogar so weit gehen, dass wir auf sie gar keinen Wert mehr legen. :shock:

In den Therapiegesprächen kommen durch das Reden (auch von Alltäglichkeiten, Ärgernissen, Problemchen harmloser Natur) ab und zu völlig gesunde Reaktionsweisen und Gedanken zum Ausdruck, auf die wir aufbauen können oder sie wieder in unserem Leben und Erleben Platz finden lassen können.

Ich glaube mittlerweile, dass unsere Seele uns Vieles signalisiert – wir haben aber verlernt, darauf zu hören. Es kann hilfreich sein, wenn wir einen Therapeuten/Arzt als Vermittler haben – manchmal spiegeln unsere Reaktionen, Gedanken und Gefühle das wider, was gesund und richtig, und oftmals sogar angemessen ist.

Und darauf kommt es an:

Auf das Gesunde in uns zu hören, wenn wir es im Laufe der Zeit überhören gelernt haben.
Auf die Gefühle / Regungen in uns wieder achten und richtig kanalisieren zu lernen.
Auf uns achten zu lernen und GUT MIT UNS SELBST umzugehen – das kommt oder kam in unserem Leben schon oft zu kurz.
usw. usw.
Ja, das habe ich auch schon öfters gehört, dass ich "an mich denken müsse". Nur habe ich irgendwie das Gefühl, das eigentlich sowieso schon im Übermaß zu tun und dass es eigentlich mal langt. Blöd vielleicht und sicher nicht hilfreich.
„Kommt das nicht einer Gehirnwäsche gleich?“

Meine ehrliche Meinung (als Skeptikerin): NEIN!!! Wenn die Seele sich gegen das momentane Leben sträubt und geheilt werden möchte, kann es ein Weg sein, z. B. in einem Gespräch seine Gedanken zu äußern. Nur so können sie betrachtet, gemeinsam besprochen und ggf. von dir selbst (und niemand anderem sonst) revidiert werden.

Beispiel: Ich habe lange Zeit an mir selbst gezweifelt, Gefühle unterdrückt, dachte, wenn ich mich so gebe und zeige, wie ich wirklich bin, mag mich keiner mehr. Jetzt sage ich öfter, was ich denke, lerne zu mir (und meinen Gefühlen) zu stehen, so langsam, etwas mehr Selbstvertrauen zu entwickeln und siehe da: Ich habe dann die Erfahrung gemacht, dass das gar nicht so ist, dass mich dann niemand mehr mag.

Was ich deutlich machen will: Es geht nicht darum, irgendeine Form von Gehirnwäsche zu betreiben, sondern darum, selbst zu erkennen, dass man oftmals (so einem oder ähnlich anderen) inneren Trugschluss auferliegt. Und erst wenn dieser mal zur Sprache kommt, überdacht und ausgelotet wird, kann man ihn entlarven.
Aber wenn die Trugschlüsse gar keine sind? Dann ist der Fall tief und schmerzhaft.


Das kenne ich seeehr gut von mir ;) . Ich habe es auch längere Zeit ohne probiert und Medikamente für mich ausgeschlossen. Das geht auch eine gewisse Zeit lang (und nicht alle Depressionspatienten müssen Medikamente nehmen) – es ist kein Zwang, kann aber ein weiterer hilfreicher Baustein sein, die Depressionssymptome zu lindern. Mein Facharzt hatte mir wegen der schlechteren Verträglichkeit von einem rein pflanzlichen Präparat abgeraten (Chemie muss nicht zwangsläufig schlechter sein), aber ich verstehe deine Bedenken gut.

Weil bei mir in der akuten Phase neben Konzentrationsstörungen, Schlafstörungen, Antriebs/Energiemangel, ebenfalls „dunkle“ (dumme) Gedanken hinzukamen und trotz Therapie keine Besserung in Aussicht war, habe ich es schließlich doch mal mit einem Medikament probiert (trotz sehr starker Aversionen, und dem Nichtglaubenkönnen, dass es hilft) – und ich bereue es nicht, obwohl ich nach wie vor eine große Skeptikerin bin, was Medikamente betrifft und es mich manchmal immer noch Überwindung kostet.

Mal abgesehen davon, dass mir über mehrere Monate 2 Fachärzte zu einem Antidepressivum geraten haben, spüre ich mittlerweile dass es u. a. hilft, wohlgemerkt in Kombination mit wöchentlicher Psychotherapie.

Auch – und das möchte ich dir noch mal ans Herz legen – dieses ewige, ewige Gedankenkreisen, das graue Einerlei, die absolute Hoffnungslosigkeit / innere und äußere Starrheit weichen so langsam helleren Gedanken, besserem schlafen Können und der Hoffnung, dass es nicht umsonst war, mich auf das „Vertrauens-Experiment“ (Hilfe annehmen, die sich mir bietet, sei es therapeutischer oder medizinischer Natur) einzulassen.
Ich möchte mich ja einlassen, aber ohne Medis. Und da das ja scheinbar nicht funktionieren kann, werde ich diese Angst einfach nicht los.
Wenn Therapie ohne Pillen nichts bringt, bin ich wohl nicht therapiefähig und kann meinen Platz gleich jemand anderem überlassen.
Oder? Ist da ein Denkfehler? Ich denke nicht. Wenn ich ADs ablehne, wird mich bald niemand mehr therapieren wollen, wahrscheinlich selbst dann, wenn ich schaffen sollte, mich zu öffnen.
Meine Homöopathin meinte ja auch, sie könne mir nicht mehr adäquat helfen.

Manchmal stehen Nebenwirkungen auch in einem Missverhältnis zur Wirkung (nicht nur im negativen, sondern manchmal auch im positiven Sinne). Es kann so erleichternd sein, aus dem dunklen Loch wieder herauszukommen, dass die Nebenwirkungen (die vielleicht gar nicht so ausgeprägt sind, wie man befürchtet) – vorausgesetzt, sie beeinträchtigen einen nicht unverhältnismäßig stark und man verträgt sie – zweitrangig sind. :roll:

Man schleicht Antidepressiva im Übrigen auch in niedriger Dosierung ein (und wieder aus) – bis sie positiv wirken, vergehen meist einige Wochen.

Abschließend: Ich habe auch lange gezögert, deswegen kann ich deine Bedenken gut nachvollziehen. Ich möchte dich auch zu nichts überreden (das kann ich gar nicht ;) ) - im Gegenteil - sondern nur Aufklären / Infos geben. Entscheiden kannst du das nur für dich selbst und am besten nach einem Gespräch und einer Klärung deiner Krankengeschichte mit einem Facharzt.
Ein guter Facharzt wird auch akzeptieren, wenn du kein Medikament nehmen möchtest. Aber du warst ja bereits bei einer Ärztin, wenn ich das richtig in Erinnerung habe.
Ja, die mir gleich Benzos geben wollte. Gute Basis für ein Vertrauensverhältnis.
. . .

Es tut mir leid, ich bin so schrecklich negativ zu allem, was ihr schreibt. Ihr gebt euch solche Mühe und ich bin so unfähig grade, das irgendwie positiv umzusetzen.


Du schreibst, dass dein Studium bald wieder beginnt und du nicht weißt, wie du es schaffen sollst. Die Arbeit schaffst du gerade eben noch so. Hm, das ist schwierig. Ich verstehe, dass du nicht in eine Klinik möchtest, weil du befürchtest, dass dir „der Rest des Lebens“ wegbricht. Fühlst du dich denn einigermaßen wohl in der Arbeit und im Studium? Gibt es da Haltgebendes / Stabilisierendes für dich?
Ja, die Arbeit gibt mir Halt. Nicht zuletzt, weil die Kollegen nicht wissen, wie es in mir aussieht. Das gibt mir oft die Möglichkeit, mich abzulenken und zu verschnaufen. Deswegen geht es auch noch. Rettungsanker.
Gibt es denn irgendetwas, was dir Entlastung bringen könnte? Gibt es Orte, an denen du dich wohlfühlst; Menschen, mit denen du dich schon lange mal treffen wolltest, Dinge, die du schon lange mal tun wolltest (schöne Dinge, ohne Pflichten), aber nie Zeit dazu hattest?
Im Moment möchte ich mich einfach zuhause einigeln. Wenn ich nicht raus muss, bleibe ich lieber drinnen. Viel schlafen, dann muss ich nicht grübeln.
Hast du dich schon mal nach der Möglichkeit eines „Urlaubssemesters“ erkundigt?

Studieren (an sich ist ja schon mal ein Full-time-Job mit Vor- und Nachbereitung) und Arbeiten setzt eine gewisse Belastungsfähigkeit voraus und die scheint mir nach deinen Schilderungen momentan nicht unbedingt gegeben (um es mal ganz vorsichtig zu formulieren). :oops:

Weißt du denn schon exakt, was dich das nächste Semester erwartet?

Hättest du die Möglichkeit, dir eine krankheitsbedingte Auszeit zu nehmen, damit du dich und deine Kräfte erst einmal auf das Gesundwerden konzentrieren kannst?
"Krankheitsbedingt" habe ich inoffiziell die ganzen letzten Semester schon Auszeiten genommen, es geht einfach nicht mehr.

sollen lediglich Anregungen / Denkanstöße sein! Es geht nicht darum, da tatsächlich eine Antwort zu wissen, sondern nur mal ganz locker über so etwas nachzudenken (ohne Druck, ohne Zwang).

Auch dein

„[...] Keine Ahnung, ob ich es hinbekomme, anhand der Notizen meinen Mund aufzumachen [...].“

Auch hier gilt: es kommt nicht darauf an, dass du etwas leistest! Ein Gespräch lebt von einem Dialog – dein Gegenüber wird nicht nur stumm da sitzen, er will dich ja auch kennen lernen und dir helfen. Du kannst (OK, dazu gehört Mut, aber den bekommt man manchmal ganz spontan) deinem Gegenüber auch sagen: „Es würde mir helfen, wenn Sie mir zunächst ein paar Fragen stellen.“ – das habe ich bei meinem Facharzt auch schon gemacht (weil ich anfangs auch immer total angespannt und wortkarg bin).

„In mir ist ja mittlerweile das gähnende Nichts, wenn ich versuche, meine Probleme(für mich auch) in Worte zu fassen. (Das war vor ein paar Monaten auch noch irgendwie anders, komisch.)“

Das wissen Ärzte und Therapeuten auch! Dieses gähnende Nichts, die Unfähigkeit, manches in Worte zu fassen, gibt es bei vielen Patienten. Ich habe auch lange gebraucht, bis ich ein bisschen „aufgetaut“ bin und soll ich dir mal was verraten?

Ich glaube, dass das den Ärzten und Therapeuten anfangs ganz genauso geht! :D !!

Sie wissen ja von dir (genauso wenig wie du über sie) kaum Bescheid. Sie müssen dich erst einmal kennen lernen wie du sie erst einmal kennen lernen musst. Auch ein Arzt/Patienten bzw. Therapiegespräch lebt vom Vertrauen, was sich erst einmal so peu à peu im Laufe der Zeit (und ggf. wiederholten Terminen) aufbauen muss.

Da muss man „einfach“ Geduld haben und nicht zuviel von sich selbst fordern. Es ist lediglich ein Gespräch von vielen weiteren und keine Prüfung, kein Test, den du zu bestehen hast. Und: Therapeuten sind auch nur Menschen wie du und ich (mit Stärken und Schwächen). Sympathie ist ein wichtiger Faktor: mit manchen kommt man gut aus, mit anderen weniger.

Das wird sich alles noch weisen und ergeben im Laufe der Zeit ;) !
:)
Hoffentlich. Das werde ich mir die nächste Zeit immer vorsagen: Der Therapeut ist nur ein Mensch. :D
Aber gerade dieses: Es ist lediglich ein Gespräch von vielen weiteren und keine Prüfung, kein Test, den du zu bestehen hast.

Für mich fühlt es sich wie eine schwere Prüfung an. Inklusive aller negativen Empfindungen. :roll:

Wichtig ist, dass du schaust, was dir momentan helfen könnte (das kann auch was ganz banales sein – olle Wasserfarben rausholen oder die angestaubte Gitarre, Omas Backbuch hervorkramen oder einen langen Spaziergang machen, auf das Vogelgezwitscher lauschen, durchatmen, vielleicht eine CD hören und/oder Entspannungsübungen dazu machen usw.

Ich wünsche dir, dass du erfahren wirst, dass es Lösungen und Wege gibt aus allem, was momentan so schwierig ist und sende dir ein paar Sonnenstrahlengrüße und wünsche dir Kraft, Mut und alles, was dir sonst noch gut tut

:D :D.

Liebe Grüße
Mime
Vielen vielen lieben Dank, Mime!

Hallo Salvatore,
Salvatore hat geschrieben:Hallo Oubliette,

ich habe nicht alles gelesen, was die anderen dir geantwortet haben, aber ich habe auch ein paar Gedanken zu dir:
Du gibst dir sehr, sehr viel Mühe allen zu "beweisen", dass nichts hilft. Medis - auf keinen Fall (was du über AD schreibst ist im Übrigen ziemlicher Quark. Sorry.).
Ich gebe mir keine Mühe, ich gebe wieder, was ich fühle.
ADs mögen ja vielleicht für einige Menschen hilfreich sein, aber sie stehen auch in der Kritik, das kannst du nicht bestreiten.
Ich bin einfach hypersensibel, weil ich eben diese Abhängigkeiten (Benzos) und Nebenwirkungen (ADs) kenne.
Psychotherapie - ausgeschlossen, dass du auch nur einen Satz rausbringst. Klinik - nie und nimmer.
Und für all das hast du auch ganz viele Argumente. Du hast viele "Ja-aber"s im Angebot.
So wie ich es herauslese ist das vorwiegende Problem dabei Angst. Sehr, sehr, sehr große Angst. Und nicht nur Angst, sondern sogar Panik.
Nun habe ich selbst auch eine Angst-/Panikstörung und kenne mich damit ein bisschen aus. Alle deine Argumente sind "Angstargumente".
Ja, kann sehr gut sein, dass es "Angstargumente" sind, ich hab ja auch Angst.
Aber ich denke nicht, dass ich eine Angststörung habe, ich habe keine Panikattacken und keine Todesangst.
Die Hoffnungslosigkeit und das Gefühl der Sinnlosigkeit ist das, was alles in mir beherrscht.
Leider ist es nun aber so, dass wir, um unsere Ängste zu überwinden, uns ihnen stellen müssen.

Du weißt, dass es nicht lebensbedrohlich ist, mit einem Therapeuten zu sprechen.
Nein, das ist auch nicht mein Problem.
Ich habe Angst, diese letzte Chance zu vertun, weil ich vor dem Therapeuten nicht rausrücken kann mit der Sprache.

Und obwohl unser Hirn alle diese Dinge weiß, haben wir dennoch so große Angst, dass sie uns unmöglich erscheinen zu tun. Und wir können uns meist auch dafür entscheiden, sie einfach zu vermeiden. Das kannst du auch, du musst dich ja nicht behandeln lassen - weder medikamentös noch psychotherapeutisch oder sonst irgendwie.
Nur musst du dann eben auch damit leben, dass alles beim Alten bleibt und damit auch der Leidensdruck. Keine gute Wahl, aber doch immer noch eine Wahl. Wenn du dich aber dafür entscheidest, etwas zu ändern... Tja, dann musst du eben genau das tun: etwas ändern. Also etwas anders machen als bisher.
Ja, s.o.

Ich weiß von mir selbst wie scheißschwer das ist. Ich habe oft gekniffen - aber noch öfter habe ich mich meiner Angst gestellt. Sie ist nicht gänzlich verschwunden, aber ich habe jetzt keine Todesangst mehr und ich kann damit ganz gut umgehen.
Fakt ist, dass es dir wahrscheinlich niemals wirklich leichtfallen wird, dich zu öffnen und du es niemals mit Freude tun wirst. Genausowenig wie ich mich jemals in großer Menge wohlfühlen werde, auch wenn ich gelernt habe, damit umzugehen.
Naja, ich hab den Termin und ich werde auch hingehen. Mit Widerwillen, sicher, aber nicht hinzugehen, wäre ja äußerst unhöflich.
Aber ich habe nur ein begrenzte Zeit zur Verfügung, zu versuchen, mich zu öffnen. Wenn es nicht klappt, werd sicher nicht in der Lage sein, einen zweiten Versuch zu starten. Ich kenn mich ja nun auch schon ein bißchen.

Wenn du ihm etwas mitteilen möchtest, dass du nicht aussprechen kannst, kannst du es zu Hause aufschreiben und ihm den Zettel geben. Oder du entwickelst andere Strategien, auch mit dem Therapeuten zusammen. Oder hier im Forum, du hast ja schon ein paar Tipps bekommen.
Aber es muss wenigstens der Wille da sein, sich zu überwinden - auch wenn es bedeutet, dass man beinahe übermenschliche Kräfte dazu aufbringen muss. Dass man über seine eigenen Grenzen hinauszugehen bereit ist. Ohne "Ja-aber"s.
Ich weiß nicht, ob ich dafür die Kraft aufbringen kann, wenn es mich schon schier übermenschliche Kraft kostet, morgens aufzustehen und das Bad aufzusuchen.

Ihr Lieben, danke mal wieder, dass ihr so eine Geduld mit mir habt und so auf mich eingeht. Wenn ich wüßte, so ein bißchen fühlt sich die Therapie an, wäre ich deutlich entspannter. ;)
Habt ihr etwas dagegen, wenn ich mir die Beiträge für mich ausdrucke zum öfters mal in die Hand nehmen und lesen? Ich dachte, ich frag lieber vorher.

LG
oubliette
Zuletzt geändert von oubliette am 10. Apr 2014, 17:43, insgesamt 1-mal geändert.
mime
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Re: Panik vor der Therapie

Beitrag von mime »

Liebe Oubliette,

da will ich mal deine Bitte akzeptieren, dich (weitgehendst) nicht (wörtlich) zu zitieren. Dennoch möchte ich auf deine Zwischentexte eingehen. Im Übrigen habe ich nichts dagegen, wenn du die Beiträge ausdruckst (und ich denke, die anderen [wohl] auch nicht).

Es tut mir echt leid zu lesen, was dich so gedanklich umtreibt und so eng zurrt :( . Ich kenne das, dass man sich nur noch einigeln möchte und seine Ruhe haben, schlafen, um nicht zu grübeln – genauso ging es mir vor einem Jahr auch noch :oops: .

Auch wenn ich mich wiederhole: So etwas ist ein typisches Depressionssymptom. Nein, du gehst m. E. nicht zu „weich“ mit dir um, im Gegenteil, darauf gehe ich nachher nochmal kurz unter "Sonstiges" ein.

Du schaffst es nicht, schreibst du. Was meinst du genau, WAS schaffst du nicht?

Ich habe den Eindruck, dass du dir schon im Vorfeld sehr viel Druck machst. Der Therapeut wird dir zunächst wahrscheinlich gar nicht sagen, dass es „so und so“ ist und „dies und jenes“ anzugehen wäre. Meine 1. Therapeutin hat das so gut wie nie gesagt (in den 2 Jahren Therapie) und die zweite (seit einem halben Jahr) meldet mir manchmal (aber selten) ihre Ansicht der Dinge, die ich vorbringe, zurück ;), was ich durchaus als hilfreich empfinde.

Ein Therapeut hört meiner Erfahrung nach in erster Linie zu. Ratschläge kamen bei mir höchst selten vor. Es geht vielleicht eher um eine Rückmeldung, Besprechung einer Situation oder einer Empfindung in einer Situation – doch das auch erst nach mehreren Stunden, eben, wenn man sich ein bisschen besser kennt.

Zur Therapie:

Den „Berg“ kenne ich auch. Wenn die Therapie da auch noch obendrauf kommt, scheint er unüberwindlicher denn je :oops: .

Doch eine Therapie soll kein zusätzliches Höhenhindernis sein :shock: ! Sie könnte möglicherweise ein Weg sein, der dich in leicht geschwungenen Serpentinen mit niedriger Steigung, schattigen Bäumen zum Pausemachen usw. so nach und nach ein Stückchen weiter bringt.

Wenn du dann schon ein paar Schritte gegangen bist, kommt dir der Berg gar nicht mehr so hoch vor, oftmals, weil wir unsere Ziele (es können auch Teilziele) sein, während des Wegs neu stecken / definieren lernen :| .

Ich bin auch noch auf diesem Weg, kann dir also nicht sagen, ob und wie viel ich von „meinem Berg“ schon geschafft habe – doch eins ist sicher, wenn ich diesen Weg nicht gehen würde, würde ich weiter im depressiven Stillstand zu verharren und (überspitzt formuliert) vor mich hin zu vegetieren :roll: .


Zu den „Aufzwingern“:

OK, es gibt „Aufzwinger“ im Leben, denen man sich unter gewissen Umständen fügen muss – doch da wäre es einfach schön, wenn du mit therapeutischer Hilfe mal näher hinschaust, wie du mit solchen Aufzwingern umgehen lernen kannst.

Es gibt nämlich auch Aufzwinger, gegen die ICH mich entscheiden kann. Ich habe die Befugnis, mir xyz NICHT aufdrücken zu lassen.


Zu deiner Sicht von Medikamenten:

OK, ich kann gut nachvollziehen, dass du sie aus bestimmten Gründen ablehnst. Meine Therapeutin hat auch Patienten, die keine Medikamente nehmen, u. a. weil sie sie nicht vertragen. Es gibt aber auch noch Lichttherapie u. a., d. h. eine Therapie kann sehr wohl auch ohne Medikamente vonstatten gehen; man müsste halt herausfinden und schauen, wie wirksam eine Therapie ohne Medikamente sein kann.

Äh, nein, dass du vor Benzodiazepinen einen großen Bogen machst, ist richtig – und wenn du da durch andere, dir näher stehende Menschen, auch Negativbeispiele vor Augen hast, verstehe ich deine Abneigung natürlich umso mehr.

Allerdings möchte ich die Ärztin da mal pro forma in Schutz nehmen: Du warst ja als Notfall da und wirst auch eine entsprechenden Eindruck auf die Ärztin gemacht haben – so mir nichts dir nichts verschreibt heutzutage kaum ein Arzt noch Benzodiazepine. (Früher kann das anders gewesen sein – auch in meiner Familie habe ich da Negativ-Beispiele...).

Das, was dir die Ärztin verschreiben wollte, war ein NOTFALL(Bedarfsfall)-Medikament für die akute Krise, und 100 %ig sicher nicht auf längere Zeit angelegt.

Zurück zu den Antidepressiva:

Es kommt auf den Therapeuten an und auf den jeweiligen Patienten und vor allem auf die Diagnose, ob ein Medikament ratsam ist oder nicht.

Meine erste Therapeutin hat es akzeptiert, dass ich keine Medikamente nehmen wollte. Ich habe mit einem Antidepressivum auch erst 2,5 Jahre später – nach zwei oder drei Facharztbesuchen in der PIA – und nach langem Zögern erst begonnen; ich bin kein Freund davon geworden, doch wegen der wieder zu erlangenden Arbeitsfähigkeit, musste ich es mit einem Medikament versuchen und möglicherweise wirkt es sich auch positiv auf mich und die Therapie aus.

Du nimmst ein Migränemittel – auch das sind wichtige Infos, die du dem Arzt mitteilen solltest, aber das weißt du ja; er wird dich auch auf (Vor-) Erkrankungen befragen, bevor er dir gegebenenfalls ein Medikament verschreibt.


Sonstiges:

Vieles kann Versagungsgefühle hervorrufen - vielleicht auch ein nicht astreiner „Bilderbuch“-Lebenslauf, die ein oder andere Fehlentscheidung im eigenen Leben; eine nicht wahrgenommene Karrierechance usw. usw. Versagen tun wir alle jeden Tag (in kleinem Rahmen) – wir sind nicht perfekt ;) !

Depressive neigen allerdings dazu, sich u. U. permanent als Versager zu fühlen, wo es gar nicht angebracht ist, aber einen dauerhaft niedermacht, beschäftigt und einengt :oops: .

Wer sind die Menschen, die dir sagen, du sollest auch mal an dich denken? (Du brauchst nicht antworten, das soll nur eine Denk-Anregung sein.) Vertraust du diesen Menschen? Haben sie nicht vielleicht auch recht?

OK, du bist der Meinung, du denkst schon im Übermaß an dich. Mag sein. Wir grübeln ja ständig über uns und unsere Zukunft, über alles Mögliche und Unmögliche. Doch das ist nicht mit „an sich denken“ gemeint.

An mich denken im Sinne von mir etwas Gutes tun :D, mir etwas Gönnen, etwas genießen, etwas tun, weil es mir gefällt, nicht weil es Pflicht ist :) ; etwas für mich tun, was mich entlastet; etwas Essen, weil es schmeckt und nicht nur um satt zu werden ;) usw.

(Das sind z. B. Therapiethemen bei mir – nicht der Berg, sondern die kleinen Dinge des Lebens wieder zu entdecken).

Es wäre schön, wenn du wieder auf solche positiven Gedanken kommen könntest. :D :D Das „Umdenken“ geschieht meist nicht von heute auf morgen. Es dauert oftmals länger, bis man erkennt, dass das, was man gewohnheitsmäßig und depressiv manchmal denkt, so gar keinen Sinn hat.

Eine Depression ist sozusagen eine Krankheit der Gedanken – das ist ja das blöde daran. Wir denken, also sind wir – aber wir denken in der Depression oftmals stark verschleiert, nebelwandig, kreisen, malen uns das Schlimmste aus usw.

Wenn es uns etwas besser geht, haben auch gesunde, gute Gedanken, wieder eine Chance gedacht zu werden :). Und das wünsche ich dir!!!

Es kann freier machen, und ist manchmal auch (nur) mit Hilfe einer Therapie möglich, nicht immer in der altgewohnt gedachten Denkweise stecken zu bleiben.

Ich wünsche dir alles Gute und hoffe, dass du deinen Weg findest und dir in nächster Zeit viel Hilfreiches begegnet :).

Liebe Grüße
Mime
Wir müssen lernen,
die Menschen weniger auf das, was sie tun und unterlassen,
als auf das, was sie erleiden, anzusehen.

(Dietrich Bonhoeffer)
CJ43
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Registriert: 12. Okt 2007, 10:38

Re: Panik vor der Therapie

Beitrag von CJ43 »

Liebe Oubliette,

ich musste heute auf demm Arbeitsweg an dich denken und habe überlegt, wann dein Termin ist?

Dafür will ich dir nämlich die Daumen drücken, für das Ankommen dort!

"Alles muss klein beginnen.
Lass etwas Zeit verrinnen,
es muss nur Kraft gewinnen.
Und endlich wird es groß!"

Das sagt Gerhard Schöne so schön :) und mich hat das oft getröstet.

Alles Gute für dich!
Constanze

PS: Mime hat alles andere so schön gesagt, da kann ich nicht mehr viel hinzufügen...
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