Depressiver Sohn.... und wir Eltern werden auch krank dadurch!

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Muttervonklaus
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Depressiver Sohn.... und wir Eltern werden auch krank dadurch!

Beitrag von Muttervonklaus »

Es ist mal wieder November - und täglich grüßt das Murmeltier...
Seit drei Jahren leidet unser Sohn ( mittlerweile 29 Jahre alt) an Depressionen. Fast genau vor drei Jahren rief er mich an, heulend am Telefon und bat mich, vorbeizukommen, weil er Angst hatte , sich etwas anzutun. Unser Sohn wohnte damals schon einige Zeit in einer WG mit einer Bekannten , er studiert Medizin und hatte zu dem Zeitpunkt gerade direkt im ersten Anlauf das Physikum bestanden. Also eigentlich hätte es ihm nach dem Lernstress gut gehen können, dachte ich...
Was genau den Zusammenbruch ausgelöst hat, habe ich nie erfahren, er ist damals sofort in eine KLinik gegangen auf eigenen Wunsch, aber die Infos von den Ärzten und Therapeuten waren spärlich, mein Sohn wollte nicht darüber reden mit mir oder meinem Mann.
Über den Aufenthalt in der Klinik ( etwa 5 Wochen) ist die Beziehung zu seiner damaligen Freundin zu Ende gegangen , auf seinen eigenen Wunsch hat er die Therapie vorzeitig beendet und ist wieder in seine Wohnung gezogen.
Das Wintersemester konnte er durch seine Erkrankung nicht beenden,für das beginnende Sommersemester hat er sich beurlauben lassen.
Ein erneuter KLinikaufenthalt nach einem weiteren Zusammenbruch wurde wieder abgebrochen, die von mir unterstützte Suche nach einem Therapeuten brachte keinen Erfolg. Es gab immer mal kurze Zeiten, in denen es so aussah, als würden ihm die verordneten Medikamente helfen , sein Leben wieder in den Griff zu bekommen.
Ende letzten Jahres, genau als das neue Wintersemester begonnen hat, wieder ein Zusammenbruch, wieder ein KLinikaufenthalt. Zu dem Zeitpunkt zog seine Mitbewohnerin aus der WG, weil sie sich überfordert fühlte mit seiner Krankheit. Was ich erst dann erfuhr, er hat regelrecht im Müll gelebt, ist oft tagelang nicht aus dem Bett aufgestanden und hat exzessiv gekifft.
Nach dem wieder vorzeitig beendeten Klinikaufenthalt haben wir ihm geraten, die Wohnung aufzugeben, zum einen , weil er allein verwahrlost und zum anderen, weil sie für ihn allein zu teuer ist und er mittlerweile wegen der langen Studiendauer kein Bafög mehr bekommt.
Anfang dieses Jahres wieder ein Zusammenbruch, kurz bevor er bei uns eingezogen ist, diesmal konnten wir durch Zufall direkt bei der Therapeutin seines Neurologen unterkommen.
.... nach etwa 10 Terminen hat er die Therapie abgebrochen, er ist nicht therapiewillig und möchte nicht an sich arbeiten.
Seit März wohnt unser Sohn wieder in seinem alten Zimmer und das Zusammenleben ist gelinde gesagt nicht gut.
Er ist mit der Situation nicht zufrieden, klar, er ist erwachsen und lebt wieder bei den Eltern, wer will das schon!! - und sein Studium, das er unbedingt beenden will, kommt nicht voran...
Wir Eltern wollen ihm natürlich helfen, aber wir gehen mittlerweile auf dem Zahnfleisch. Unser Sohn ist total rücksichtslos, nimmt sich alles, worauf er Appetit hat, aus dem Kühlschrank, lässt sein Zimmer total vermüllen, lässt sich selbst äußerlich gehen und ist dazu noch äußerst unfreundlich und will nicht mit uns reden.
Wäre er einfach ein Mitbewohner in unserer Wohngemeinschaft und nicht unser Sohn, würde ich ihn hochkant rausschmeißen!!!!Aber er ist und bleibt unser Kind und ich weiß nicht mehr, was wir tun sollen und können.
Bitte, weiß jemand einen Rat? Ich weiß, dass man bei Drogensüchtigen z.B. sagt, man muss sie richtig unten ankommen lassen, damit sie von allein den Willen finden, ihre Situation zu ändern. Aber trifft das auch auf Menschen mit Depressionen zu und würde es ihn nicht dann tatsächlich in den Selbstmord treiben, wenn wir ihn im Stich lassen?
Ich bin wirklich verzweifelt, oft denke ich ,dass er eigentlich in ein betreutes Wohnen gehört und kann mir gar nicht vorstellen, dass er jemals wieder allein selbstverantwortlich leben kann! Und er will doch Arzt werden.... Ich habe versucht, mit ihm darüber zu reden, ob nicht ein anderer Beruf besser für ihn wäre, aber er will nichts davon hören.
Leider hat er auch niemanden, der mit ihm vernünftig reden kann. In einer der Kliniken hat er eine ebenfalls an Depressionen leidende ältere Frau kennengelernt, sie ist ebenfalls nicht in der Lage, ihm irgendwie zu helfen. Ich habe manchmal den Eindruck, die beiden haben überhaupt keinen Bezug zur Realität... das Beste war, als unser Sohn uns vor einiger Zeit gesagt hat, wir könnten ihnen doch eine Wohnung zahlen, da unser jüngerer Sohn doch jetzt mit dem Studium fertig sei und wir jetzt "nur" noch ein Kind finanziell unterstützen müssten.
Ich kann und mag eigentlich nicht mehr- aber darf ich das auch? Seit drei Jahren geht das so und ich sehe keine Änderung und keinen Willen bei unserem Sohn, an sich mit Therapien zu arbeiten. Muss ich mich damit abfinden, dass ich bis an unser Lebensende für unseren Sohn da sein muss und sein Leben regeln muss?
Das ist jetzt sicher ein wirrer und langer Beitrag, aber bitte gebt mir Rückmeldungen, wie ich mich verhalten soll!!!!! Bei den Klinikaufenthalten und der Therapie wurden wir Eltern nie eingebunden und haben keine Hilfen bekommen.
Danke.
bigappel
Beiträge: 1488
Registriert: 10. Dez 2010, 08:10

Re: Depressiver Sohn.... und wir Eltern werden auch krank dadurch!

Beitrag von bigappel »

Hallo Mutter von Klaus,

mein Mitgefühl.

Ich weiss, wie es sich anfühlt, einen therapieunwilligen Menschen in
der "WG" zu haben (mein Mann!) ; allerdings ging es bei ihm nie um
Androhungen "dieses Themas" - Forenregeln Triggergefahr - .

Ich empfehle dringend reale Hilfe.
Es gibt Beratungsvereine für Angehörige psychisch Kranker;
es gibt den Sozialpsychiatrischen Dienst…. einfach mal googeln…..

Ich empfinde Euren persönlichen Fall als extrem grausam!

Grausam deshalb, weil es für Eltern - so denke ich - mit das Schlimmste
sein muss mit dem Gedanken zu leben, möglicherweie dem Kind nicht
die notwendige Hilfestellung gegeben zu haben; schließt auch erwachsene
Kinder ein.

Als Ehefrau eines seit vielen Jahrzehnten psychisch kranken Menschen,
der lange Zeit von Mami und Papi unterstützt wurde kann ich aus meiner
Erfahrung nur sagen: lass Dich real beraten; zeige ihm Deine/ Eure Grenzen,
behandele ihn als erwachsenen Mann, aber sprich mit den entsprechenden
Stellen von den Drohungen Deines Sohnes (oder Ankündigungen).

Ich weiss nicht, ob es inhaltsleere Drohungen sind; hoffentlich….. trotzdem
ist es für Angehörige (diese Angehörigen, wo es erfüllt wurde habe ich oft vor
mir sitzen, oder das, was davon übrig ist….. ) entsetzlich, mit dieser Situation
umzugehen.

Holt Euch alle Hilfe die geht.

Die Mutter meines Mannes hat den erwachsenen Mann auch immer unterstützt;
sei es mit einer Wohnsituation (deshalb stellen sich mir bei den Worten die Nackenhaare hoch) oder sonstigen Dingen, die ein erwachsener Mann alleine
zu regeln hat (lapidares Beispiel: Duschabtrennung kaputt: der 40jährige geht
mit Mami auf ihre Kosten eine neue kaufen; statt gefälligst selber auf seine
Kosten in den Baumarkt zu fahren)….

Hallo???????

Ich persönlich habe das Gefühl, dass diese Unterstützung der Mutter absolut
kontraproduktiv war.

Kontraproduktiv deshalb, weil es der Irrealität der Wahrnehmung dieser betroffenen
Menschen noch mehr Futter gibt ……… ,
noch mehr Futter, weil es sie in ihrer Krankheit und dem "Einrichten" darin noch
mehr hilft………

Er ist nicht in der Lage alleine zu leben?
Er ist nicht in der Lage Geld zu verdienen:
es gibt betreutes Wohnen.

Dort wäre er im Grundsatz vielleicht gut aufgehoben.

Wenn da nicht die böse "ihr seid doch meine Eltern" Falle wäre.

Ich beneide Dich nicht um Deine Situation.

Ich kann mich scheiden lassen………… bei einem "Kind" ist das was anderes.

Trotzdem hast Du ein Recht auf ein eigenes Leben;
das Leben eines Betroffenen mit-zuführen macht krank!

Ich denke, das merkst Du bereits.

Ich habe im Laufe der Jahre lernen müssen, dass es rein gar nichts gibt,
wie ich meinen kranken Mann unterstützen kann…….. gar nichts.

Es kostet die eigene Kraft, Kraft, Kraft, Kraft…….. irgendwann muss man für
sich die Notbremse ziehen.

Laß ihn kontrolliert fallen..... gegen eine Matratze (den Tipp habe ich hier mal von einem selber Betroffenen bekommen).

Ich wünsche Dir und Deinem Mann alles erdenklich Gute!
Pia
Ein Tier zu retten, verändert nicht die Welt, aber die ganze Welt ändert sich für dieses Tier.
julcas
Beiträge: 569
Registriert: 11. Mär 2011, 17:57

Re: Depressiver Sohn.... und wir Eltern werden auch krank dadurch!

Beitrag von julcas »

Hallo Mutter von Klaus,

willkommen hier im Forum. Eure Situation ist echt schwierig und wie Pia schon schrieb, nur schwer auszuhalten.

Ich kann euch nur raten, holt euch selbst jede Hilfe die geht. Mit dem sozial psychiatrischen Dienst habe ich selbst sehr gute Erfahrungen gemacht, auch mit der Diakonie.

Eure Gedanken "er ist doch unser Kind" kann ich sehr gut nach empfinden, doch euer Kind ist erwachsen. Du schreibst er ist nicht therapiewillig und möchte nicht an sich arbeiten. Nun, das ist sein gutes Recht. Kein Mensch kann ihn dazu zwingen. Allerdings muß er dann auch mit den Konsequenzen leben können und wollen. Ihr könnt eurem Sohn nicht wirklich helfen. Bei manchen depressiv erkrankten Menschen kommt die Therapiewilligkeit erst, wenn der Leidensdruck sehr, sehr hoch ist.
Welchen Grund sollte es für deinen erwachsenen Sohn geben, an sich zu arbeiten? Es ist doch alles geregelt. Mama und Papa kümmern sich, bezahlen, ernähren u.s.w. Er kann sich benehmen wie die Axt im Walde, ohne Konsequenzen zu fürchten. Er wird nicht gesund und ihr, dein Mann und du, werdet krank dabei. Damit ist keinem geholfen.

Du sorgst dich, wenn ihr euren Sohn im Stich lasst. Ihr müsst und sollt ihn nicht im Stich lassen. Aber ihr solltet Grenzen ziehen. Ein Beratungsgespräch kann für euch dabei sehr hilfreich sein. Bei den Beratungsstellen wie z. Bsp. sozial psychiatrischer Dienst bekommt ihr kurzfristig einen Termin. Ich kann euch das wirklich nur empfehlen. Da bekommt ihr auch Informationen, was zu tun ist für den Fall das euer Sohn diesen Schritt ankündigt.

Du schreibst: " ich kann und mag eigentlich nicht mehr- aber darf ich das auch?"
Ja, ja, ja und noch mal ja. Du und dein Mann seid für euer Leben verantwortlich, euer erwachsener Sohn ist für sein eigenes Leben verantwortlich. Hilfestellung kein Problem, doch das was ihr lebt ist etwas völlig anderes.

Ich wünsche euch Mut und Kraft, den richtigen Weg zu gehen.

lg julcas
Nachtflug
Beiträge: 253
Registriert: 3. Apr 2012, 23:15

Re: Depressiver Sohn.... und wir Eltern werden auch krank dadurch!

Beitrag von Nachtflug »

Hallo,

ich bin selbst mit 19 Jahren an einer schweren Episode einer psychischen Erkrankung betroffen geworden - auch bei mir kam damals alles sehr plötzlich nach einem eigentlich fröhlichen Anlass - einem sehr gut absolvierten Schulabschluss.

Stress jeder Form kann ein Mitauslöser psychischer Erkrankungen und Episoden sein - dazu gehören auch positive Lebensereignisse!

Nun, ich bin dummerweiße schwer krank umgezogen (auf ärztliches Anraten) und dann auch noch in eine andere Stadt. Mit meinem Studium dort hat es natürlich nicht geklappt, mein Zustand hat sich rapide verschlechtert. Ich schaffte mit größter Mühe immer mal wieder mein Chaos in meiner Wohnung aufzuräumen, die Gemeinschaftsräume zu putzen und sauber zu halten, den Ordnungsdienst des Mietshauses zu machen. Aber neben diesen alltäglichen Sachen (wie auch Wäschwaschen, Duschen) - absolut Kraft für nix. Manchmal habe ich auch nur zwei solcher Dinge an einem Tag machen können, dann war alles gelaufen.

Auch ich war uneinsichtig, hatte Angst "Psycho-Medikemente" zu nehmen, mit einer Therapie meinen zukünftigen Berufsweg zu verbauen etc. etc.

Ein Jahr geschah daher -- nix. Meine Eltern waren sehr hilflos in der Zeit. Manchmal sind sie mich besuchen gefahren, ganz selten habe ich sie besucht. Man muss bei mir sagen, dass es eine schwerwiegendere Familienkrise davor gab, und ansich distanzierendes Verhalten vom einem Kind bis zu einem gewissen Gerade nichts unnormales gewesen wären. Aber bei mir hatte es schon paranoide Zuüge - ich distanzierte mich von allen meinen sozialen Kontakten, dachte sie würden mir schaden und war meinen Eltern extrem feindseelig gegenüber.

Letztendlich habe ich dann nach einem Jahr Behandlungen angefangen und konnte im nächsten Jahr ein paar Prüfungen ablegen, das Verhältnis zu meinen Eltern stabilisierte sich wieder etwas. Aber meine Leistungen waren nicht zahlreich genug, um weiterstudieren zu dürfen.

Also zog auch ich, damals 21, wieder zu Hause ein. Es war natürlich eine Niederlage für mich, gescheitert zu sein mit dem Ausziehen. Gerade da ein Abnabelungkonflikt bei mir meine Phase ausgelöst hatte - weil meine Eltern Andeutungen gemacht hatten, mich nicht weg von zu Hause in eine andere Stadt gehen zu lassen. (Mich ironischerweise dann aber schwerkrank ohne wenn und aber sofort dabei unterstützt).

Nun konnte ich zumindest in ein anderes Zimmer als mein Kinderzimmer ziehen, dieses mit meinen neuen Möbeln aus der anderen Stadt einrichten und generell ganz anders aussehen lassen als mein Kinderzimmer. Auch meine Mikrowelle habe ich mir in mein Zimmer mitgenommen und meinen Fernseher, sodass ich mich ein wenig wie in einer WG mit eigenem Bereich fühlen kann .

Für mich war es so - ich musste scheitern, ein Jahr lang gegen die Wand fahren um zu merken, es geht nicht mehr - ich brauche Behandlung. Und ich glaube da hatte das "krank ausziehen" doch etwas gutes - meine Eltern haben mich schon unterstützt, aber ich musste alles alleine hinkriegen. Habe ich aber nicht, stattdessen bin ich 1 Jahr lang vor mich hinvegetiert und habe nur Haushalt mehr oder weniger gut geschafft. Hätte ich meine Eltern nicht gehabt, hätte ich wahrscheinlich jetzt noch eine Menge Schulden und keinen Bafög-Anspruch mehr, aber zum Glück können mich meine Eltern finanziell fördern.

Also denke ich ja, loslassen ist absolut notwendig und richtig, damit der Betroffene merken kann, dass er krank und behandlungbedürftig - und nicht nur ein wenig "speziell" (wie man sich anfangs einredet) ist.
Das heißt aber nicht denjenigen ganz fallen zu lassen und sich gar nicht mehr zu kümmern, das könnte in der Tat zu einem Suizid führen.
Bei mir war es durch die Ortstrennung ganz gut ausgeglichen: Alleine verantwortlich für alles -- Erfahtung des Scheiterns aber dennoch Hilfe durch Eltern (Finanziell fürs Studium, telefonsich, alle 2 Monate mal Besuch).

Nun kann ich es absolut verstehen, wenn man finanziell wieder bei den Eltern einzieht in solch einer Situation. Auch ich habe mich so entschieden und es war auch gut so - einen Umzug in eine Dritte Stadt hätte ich nicht verkraftet - eine Wohnung in meiner Heimatstadt ist vieeel zu teuer. Bei uns wohnen auch viele "gesunde" Menschen bis Mitte/Ende 20 zu Hause wegen Studium. Eine winzige 1-Zimmer-Wohnung kostet oft schon knapp 600 Euro warm... zusammen mit Lebenshaltungkosten bei einem Full-Time-Studium (Bachelor/Master) erarbeitet niemand sich das komplett. Man braucht immer Unterstützung (sei es Bafög/sei es Eltern) und es ist ein gewisser Luxus, früh auszuziehen.


Meine Eltern und ich haben es so geregelt: Klare Absprachen, kein übermäßiges Bemuttern/Bevatern, sondern auch Mithilfe im Haushalt. Klare Abgrenzungen (auch von meinerseits) - wenn meine Mutter mir meint Vorschrifte zu machen, wann und wie lange ich in die Uni gehe, sage ich klar und deutlich, dass sie das nicht zu kümmern hat. Das ist meine Aufgabe und mein Ermessen, mich darum zu kümmern und liegt nicht in ihrer Verantwortung.
Anfänglich gab es nach dem Einzug einige "Reibereien" bezüglich solcher Sachen, aber nun haben wir uns darauf gut eingestellt. Ich denke Eltern verfallen schnell wieder in den "Betüddelungsmodus", der aber ab einem gewissen Alter einfach unangemessen ist . Aber ok, bei mir klappt es besser, weil ich tendenziell eher "Nestflüchter" als "Nesthocker" bin und unbedingt mit 19 ausziehen wollte und dafür auch in eine kleine, kostengünstige Studentenstadt gezogen bin. Leider hat mir halt meine Krankheit kurz vor Umzug dazwischen gefunkt und man muss der Realität nun mal ins Auge sehen - ausziehen/alleine leben um jeden Preis (finanziell zu hohe Lasten) ist auch nicht das Wahre, gerade wenn die Eltern dafür blechen müssen. Für mich ist die Situation nun okay, und ich merke, dass man auch erwachsen sein kann, wenn man zu Hause wohnt. Schließlich ist es auch ein Entgegenkommen meinerseits, was finanzielle Angelegenheiten angeht. Ich brauche nun nur noch Kindergeld und ein kleines Taschengeld von ca. 50 Euro zum leben.

Ich würde dir raten, ein zu viel an Hilfe für deinen Sohn einzustellen. Er muss selbst merken, dass etwas fehlt. Warum sollte er sich sonst behandeln lassen, wenn er alles hat und bekommt?
Du könntest ihm zum Beispiel aufgaben geben wie: Ich wasche diese Woche die Wäsche, du bist für das Kochen zuständig o.ä. Also ihn auf jeden Fall in Haushaltsaufgaben einbinden.
Oder aber, wenn er sich wirklich unkooperativ zeigt, kannst du aufhören, seine Wäsche zu waschen, damit er sich mal selbst dazu bequemen kann (auch wenn es eigentlich doof ist, alles einzeln zu machen). Würde das auch nur machen, wenn die Verteilung nicht klappt.


Auch deutliche Worte können helfen. Ich wurde auch nicht immer von Samthandschühchen von meinen Eltern angefasst, während meiner Krankheit. Bezeiten kamen mahnende Worte wie "Es ist ok krank zu sein, aber auf keinen Fall sich darin zu vergaben und zu verstecken und nichts dagegen zu tun!" und langfristig habe ich mich dadurch auch nach einem Jahr in Behandlung gegeben.

Also ja, ich denke Abgrenzung/gewisse Hilfe einstellen ist in manchen Situationen hilfreich. Bei fehlendem Krankeitsbewusstsein und Willen zur Behandlung auf jeden Fall. Aber das hat nichts mit völlig fallen lassen zu tun - es sollte im Notfall immer noch interveniert werden können (z.B. durch Notarzt/Polizei rufen bei Suizidgefährdung) und der Zustand ungefähr im Auge behalten werden.

Ansonsten wegen Bafög: Meines Wissens gibt es für Krankheiten die Möglichkeit, länger Bafög zu erhalten. Da dein Sohn schon mehrere, schwere Zusammenbrüche hatte und auch schon in der Klinik gelandet ist, sollte man das mal abchecken. Eventuell kann so ein Auszug auch wieder möglich werden.

Betreutes Wohnen weiß ich leider zu wenig - kann schlecht abschätzen, wie schwierig es ist, da unterzukommen.

Alles Gute
Nachtflug
Muttervonklaus
Beiträge: 6
Registriert: 22. Mär 2013, 17:55

Re: Depressiver Sohn.... und wir Eltern werden auch krank dadurch!

Beitrag von Muttervonklaus »

Danke für deine Antwort!!
Es ist mir ganz wichtig, auch mal " die andere Seite" zu hören - leider ist die Kommunikation mit unserem Sohn mehr als spärlich und durch dich kann ich manches besser verstehen.
Aber du hast einen entscheidenden Vorteil, um mit deiner Krankheit umgehen zu können und das notgedrungene Zusammenleben mit deinen Eltern erträglich zu machen: DU REDEST MIT DEINEN ELTERN!!!!
Ich habe keine Chance, mit ihm abzusprechen, wie wir unser Zusammenleben regeln können - er mag nicht mit uns reden. Ich glaube, er ist einfach sauer, dass sein Leben zur Zeit nicht so ist, wie er es möchte - und wir als Eltern kriegen das Fett ab. Das ist so wie in alten Zeiten - die Überbringer schlechter Nachrichten werden vermöbelt oder gleich geköpft , anstatt sich an die Verursacher der schlechten Botschaft zu wenden! Sprich: es ist einfacher, auf uns sauer zu sein als was gegen die Krankheit zu unternehmen und vielleicht auch mal kritisch auf sich selbst sehen zu müssen.
Wenn ich, wie du vorgeschlagen hast, seine Wäsche nicht mehr mitwaschen würde, wäre innerhalb einer Woche das Zimmer flächendeckend mit dreckiger Wäsche voll.... Und dann würde irgendwas aus dem Bodenbelag wieder angezogen werden. Da hätte er gar kein Problem mit.
Und wenn ich nicht ab und zu das schmutzige Geschirr und die leeren Joghurtbecher wegräumen würde, hätten wir bald kein Geschirr mehr im Schrank und in seinem Zimmer würde eine neue Lebensform in den Essensresten entstehen...
Das hört sich jetzt vielleicht lustig an, ich neige zu Galgenhumor, aber wirklich lustig ist das nicht für uns. Es ist zur Zeit so aussichtslos.
Wir laufen alle nur geduckt rum und haben Angst vor der nächsten schlechten Nachricht! Wenn ich schon höre: mir gehts heut nicht so gut, zuck ich schon zusammen! Dann geht es ab in meinem Kopf: wenn er jetzt wieder den ganzen Tag im Bett bleibt, fehlen ihm die Kurse für die nächsten Klausuren - er kann das Semester wieder nicht erfolgreich abschließen - da die Kurse nur ein über das andere Semester laufen, bedeutet das direkt zwei Semester Verlängerung .....
Ich glaube mittlerweile nicht mehr daran, dass er das Studium abschließen wird und wäre froh, wenn er endlich einsehen würde, dass stattdessen ein anderer Beruf als sein " Traumberuf" für ihn besser wäre. Nicht, dass er zu dumm wäre fürs Studium. Aber es soll wohl nicht sein, die Belastung ist doch wohl zu groß.
Und anders als dass unser Sohn endlich einen Abschluss macht, und dann eigenes Geld verdienen kann, sehe ich kein Ende für unsere ungewollte Wohngemeinschaft.
Da unser jüngerer Sohn dieses Jahr sein Studium beendet hat, hat unser Großer nur noch einen minimalen Anspruch auf Bafög, davon kann er nicht leben.
Aber da er absolut nicht mit Geld umgehen kann, würde das Geld , was wir ihm geben könnten, nie im Leben reichen, um eine eigene Wohnung zu halten und dann noch Geld zum Leben zu haben! Und wir sind nicht so reich, dass wir dann immer wieder nebenher Löcher stopfen können!!
Einen kleinen Nebenjob in der mobilen Pflege hat er gerade geschmissen nach nur einem Monat.
Wo ist da ein gutes Ende in Sicht!!
Aber da ich von Natur aus Optimistin bin, hoffe ich weiter.....
bigappel
Beiträge: 1488
Registriert: 10. Dez 2010, 08:10

Re: Depressiver Sohn.... und wir Eltern werden auch krank dadurch!

Beitrag von bigappel »

Hallo Mutter von Klaus,

er kann doch gut ohne Sprache kommunizieren.

Du springst doch auch so .

Was bitte spricht dagegen, bei einem 29jährigen die Wäsche halt auf dem Boden liegen zu lassen?

Was spricht bei einem 29jährigen dagegen, ihn im Ernstfall stinkend rumlaufen zu lassen (es gibt schicke Nasenklammern)?

Stört es Euch, was die anderen Leute sagen oder wo ist das Problem.

Ich bin auch Mutter, eines wesentlich erheblich jüngeren Teenagers, aber ich fühle mich weder berufen dieser die Wäsche vom Boden aufzuheben, noch ihren Müll zu entsorgen..........

Wir haben Zimmertüren, die man zumachen kann
.

Also ist im Ernstfall (es gab mal so Zeiten, die liegen hinter uns) Zimmer nicht begehbar; weitere Mitbewohner.

Ich möchte, dass mein Kind mal ohne mich zu Recht kommt........ in der Lage ist, ein eigenständiges Leben zu führen; noch dazu eines mit sauberer Wäsche wäre schön, aber ggf. nicht mein Problem.........

Konsequenzen im Rahmen, war für mich das Zauberwort.

Wäsche nicht im Wäschekorb: keine frische Wäsche...... alter Butterbrotdosen in der Schultasche..... irgendwann schwimmende Schultasche, schade; neue gibt es nur vom eigenen Geld.......
Müffeln: die anderen werden ´s richten (nach vorheriger mehrfacher Info von Mama; andere Kinder haben kein Helfersyndrom und weniger Gelduld mit Kindelein).

In Deutschland, liebe Mutter, muss niemand auf der Straße leben.

Dein Sohn kann mit 30 nicht mit Geld umgehen?
Warum nicht?

Dann soll er es lernen; jetzt!

Wenn er nie die Chance bekommt; Mutti immer alles richtet, kann er nicht lernen..... dann bleibt er abhängig......

Auch aus Fehlern lernt mann....

Kann er wirklich nicht mit Geld umgehen, muss er es lernen, ggf. mit Hilfe des Insolvenzverfahrens.......

Es ist Zeit, liebe Mutter von Klaus, loszulassen.

Mehr als Zeit.......

Und wenn Du eben weiter aufräumen musst für Deinen knapp 30jährigen Sohn, weil er sonst schmutzige Sachen anziehen muss,wenn Du weiter hinterher räumen musst,
weiter leise sein musst, weil er sonst mit Euch meckert.......

Eltern sind ja immer "Schuld" , wenn ´s bei den Kindern schief läuft..... aber überlege bitte mal, was Dein Anteil daran ist..... bei allem Verständnis.

Grüße
Pia
Ein Tier zu retten, verändert nicht die Welt, aber die ganze Welt ändert sich für dieses Tier.
Nachtflug
Beiträge: 253
Registriert: 3. Apr 2012, 23:15

Re: Depressiver Sohn.... und wir Eltern werden auch krank dadurch!

Beitrag von Nachtflug »

Hallo Mutter von Klaus,

ich antworte dir jetzt mal nur zu den Studiums-/Berufswahl technischen Dingen, da Pia sich schon zu den anderen Sachen geäußert hat:

Ich denke ehrlich nicht, dass eine Ausbildung/ein Job weniger Belastung ist als ein Studium, zumal man nicht einfach mal sagen "Ok ich gehe heute da nicht hin und lerne lieber zu Hause mit meinen Büchern" (wie ich es gerade z.B. gemacht habe ).

Dein Sohn scheint auch schon sehr weit mit seinem Studium gewesen zu sein - eigentlich wäre es ganz gut er macht das noch fertig, wenn er kann und will. Ich würde ihn auf keinen Fall jetzt zu "irgendwas anderes" überreden nur wegen seiner Krankheit, denn was anderes ist nicht automatisch leichter.

Mit einem abgeschlossenen Studium tut man sich arbeitstechnisch meistens schon wesentlich leichter. Man kann auch mit einem Medizinstudium in einem anderen Bereich arbeiten als nur als Arzt (es gibt bestimmte Stellen, die sind für fast alle Arten von Akademikern offen oder z.B. auch was Verwaltungstechnisches bei dem Ahnung von Medizin haben sollte, bei Pharmafirmen, bei Bio/Chemiefirmen oder, oder, oder). Zudem kann es sein, dass wenn er wieder gesund ist und medikamentiös gut eingestellt, er sogar als Arzt arbeiten kann.

Manchmal gibt es sogar für Mediziner, die nicht anders können (Kinder/Krankheit) Halbtagsstellen. Im Bipolarforum schreibt z.B. eine ehemals schwer erkrankte Ärztin, die nun halbtags arbeitet und seit vielen Jahren stabil ist.

Also: In der Krankheitsphase selbst noch dazu ohne adäquate Behandlung, würde was anderes auch schiefgehen. Priorität 1 sollte sein: Behandlung ---> gesund werden. Dann überlegen, was nun zu tun ist, er muss wissen, was ihm dann vielleicht gut tut.

Wenn er jetzt nicht alles schafft: Lieber wenige, z.B. nur zwei oder drei Veranstaltungen machen, als am Schluss durch alle durchrasseln.

Ich habe auch, man könnte sagen, zwei Jahre "verloren" durch meine Krankheit. Ich habe nichts mehr hingekriegt im ersten, hochakuten Jahr, wäre man danach gegangen, was ich während meiner Krankheitsphase konnte --- hätte man mich wohl für studier- und berufsunfähig erklärt und in eine Werkstatt für psychisch behinderte Menschen stecken müssen .

Nunja, ich bin innerhalb eines Jahres langsam wieder gesund geworden. Und nun studiere ich eine leicht andere Fächerkombination, im Moment sogar das Pensum eines Doppelstudiums, und kriege es gut hin.

Also: die Akutphase sagt nichts über die Resourcen aus, oberste Prioriät vor solchen Überlegungen hat die Gesundung!

Und da muss dein Sohn auch mal merken, dass er aktiv werden muss.

PS: Bei mir sieht es mit Wäschewaschen etc. auch immer mal wieder chaotisch aus, wenn ich Stress habe und der Wäschekorb quillt zu allen Seiten bis auf den Fußboden über.
Dann bekomme ich irgendwann einen "Koller" und bringe das in Ordnung. In meiner depressiven Zeit hat es zugegebenermaßen etwas lang gedauert, bis der Koller gekommen ist. Aber spätestens nach vier Wochen und fast nichts mehr zum Anziehen haben -- naja, da musste er kommen, sonst hätte ich nackt rumlaufen müssen . Bei mir waren halt auch keine Eltern da, die mir hätten nachräumen können.

Und naja Tierchen sind auch nicht rumgelaufen. Also allein von dreckiger Wäsche kommen die nicht. Und Essenreste werden spätestens nach ein paar Tagen normal schon so unbequem, dass man sie aufräumen geht.


Alles Gute
Nachtflug
Bubbletea
Beiträge: 58
Registriert: 8. Mai 2013, 21:42

Re: Depressiver Sohn.... und wir Eltern werden auch krank dadurch!

Beitrag von Bubbletea »

Liebe Mama von Klaus,

eine ganz andere Frage, ist es vielleicht möglich, dass er medikamentös nicht richtig eingestellt ist, gäbe es die Chance die Medikation zu verändern oder verbessern oder meinst du, es ist ein rein mentales Problem? Ist er denn noch in Therapie, beschreibt er Symptome, habt ihr die Medikamentendosierungen, die Krankenblätter und die Ergebnisse der Bluttests?

Je nachdem, wie akut seine Phase ist, hat man es als Außenstehender sicher unheimlich schwer, der Betroffene steht z.T. durch die Stoffwechselstörung im Gehirn in puncto Gefühlen und Empfindungen wirklich neben sich, hat, z.T. keine Kraft, fühlt sich unvorstellbar grauenvoll etc. Drücke euch die Daumen, dass ihr die Symptome eingrenzen könnt und dass es wieder aufwärts geht. Der Wille zur Heilung soll natürlich idealerweise von ihm selbst kommen.

Wünsche euch ganz viel Kraft, auch die, euch auch mal abzugrenzen und eure Bedürfnisse auch mal vorne an zu stellen. Alles Liebe
Nachtflug
Beiträge: 253
Registriert: 3. Apr 2012, 23:15

Re: Depressiver Sohn.... und wir Eltern werden auch krank dadurch!

Beitrag von Nachtflug »

Hallo macheichalles richtig,

wie geht es dir und deinem Sohn? Haben dir ein paar Vorschläge geholfen?

Liebe Grüße
Nachtflug
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