Bedeutet "loslassen" nicht aufgeben....?

MUT65
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Bedeutet "loslassen" nicht aufgeben....?

Beitrag von MUT65 »

Hallo Zusammen,

wie schon in meinem anderen Tread beschrieben,
http://www.deutsche-depressionshilfe.de ... 1366645975

ist mein "Partner" an einer schweren Depression erkrankt und war lange nicht einsichtig, dass er Hilfe benötigt.

Im Nov.letzten Jahres hat er sich nach einer 2,5 jährigen, innigen und auf Zukunft ausgelegten Beziehung, von mir getrennt, weil er allein sein muss/möchte/will.

Wir haben Kontakt - zu einem, weil er mir noch Geld schuldet, zum anderen weil ich gerade umgezogen bin und er mir seine Hilfe beim renoviere/Umzug zugesagt hatte.

Ihm geht es weiter sehr schlecht. Aber er hat sich Hilfe gesucht - geht einmal wöchentlich zu einer Gesprächstherapie und hat auch endlich eine Schuldnerberatung aufgesucht, die ihm helfen seine Probleme anzugehen.

Medikament lehnt er ab.

Jetzt liegt auch noch seine Mutter im sterben - er pflegt sie mit seinem Vater zusammen.

Ich bin bei allem außenvor - würde ihm gern helfen, doch er kann, so sagt er keine Hilfe annehmen.
Ich liebe ihn und wünsche mir, dass wir wieder zueinander finden und neu starten, wenn es ihm besser geht.

In mir toben stets die unterschiedlichsten Gefühle und Emotionen. Mal bin ich unendlich traurig und vermisse unsere wirklich gute Zeit - diese ist vorbei, dessen bin ich mir bewusst. Doch wir haben wirklich gut zusammen gepasst und waren sehr intensiv miteiander verbunden. Mein "Partner" sagt, ich hätte an allem keine Schuld und hätte nichts falsch gemacht - es läge alles nur an ihm und seiner Krankheit.

Dann wieder habe ich das Gefühl auf verlorenem Boden zu kämpfen....mir fehlt eine Partnerschaft, mein Lebensmodel ist eindeutig nicht auf "allein lebend" ausgerichtet. Ich habe Freunde und Bekanntschaften, aber richtig gut geht es mir erst, wenn ich liebe und geliebt werde, es gibt für mich keinen Ersatz für eine gute Partnerschaft. All das, was man in einer LIEBE leben kann, vermisse ich täglich....

Nun zu meiner eigentlichen Frage :

das viel beschriebene "loslassen" will bei mir einfach nicht "funktionieren" - es widerstrebt mir, denn ich möchte ihn nicht verlieren. Die Situation jetzt, kann ich annehmen und akzeptiere, mehr aber nicht.....ich habe ständig das Gefühl, dass ich um unsere Liebe kämpfen muss, weil ich der gesündere Part bin.

Versteht Ihr was ich meine ? Ich suche nach einem Weg ihm zu zeigen dass ich DA bin und ihm dennoch seinen Weg gehen lassen möchte.

Fragen nach einer gemeinsamen Zukunft kann er mir nicht beantworten. "ICH WEIß ES NICHT" - höre ich seit Monaten. Wenn ich nachfrage, sagt er ich soll ihn nicht zwingen zu sagen das es für immer vorbei ist....und genau dann, geht wieder mein "Kampf" los, den ich mit mir täglich kämpfe...

Loslassen heißt für mich, ich würde mich überhaupt nicht mehr bei ihm melden - abwarten ob er auf mich irgendwann wieder auf mich zu geht - Das kann und will ich nicht, weil er sich wie "aufgeben" anfühlt....ich möchte sichtbar bleiben ohne ihn zu bedrängen, wie das zusammen geht weiß ich im Moment nicht....

Meint Ihr das es einen Depressiven im tiefsten inneren nicht doch "freut", dass da ein Mensch ist, der aufrichtiges Interesse zeigt? Der bleibt obwohl es alles so schwierig und unklar ist?

Solange mein " Partner" nicht ganz klar formuliert, dass ich gehen soll - bleibe ich...obwohl ich mich damit auf sehr wackeliges Eis begebe...aber ich sehe für mich einfach keine Alternative, denn ich liebe ihn doch.....

Nicht vor und nicht zurück ist Stillstand, den ich sehr schwer aushalte.

Es grüßt Euch alle
Mut

( Zuhause noch immer ohne i-net )
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bigappel
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Re: Bedeutet "loslassen" nicht aufgeben....?

Beitrag von bigappel »

Liebe Mut,

Loslassen bedeutet für mich überhaupt nicht "aufgeben", sondern tatsächlich den anderen lassen ..... so lassen, wie die Situation ist.

Nach meinem Kenntnisstand hat er sich von Dir getrennt.

Fragen, wie "gibt es nochmal eine Chance auf Rückkehr / Zusammenkommen" finde ich menschlich nachvollziehbar, haben aber für mich rein gar nichts mit loslassen zu tun.

Loslassen für mich bedeutet auf Deinen Fall übersetzt:

akzeptieren, dass er keine (Liebes-)Beziehung zu Dir führen möchte (oder kann, wenn Du damit besser zu Recht kommst) und so verhalten, wie bei einem guten Bekannten:

also melden: ja, in normalem Umfang.
Hilfe anbieten: ja, aber akzeptieren, wenn
diese nicht angefordert oder erwünscht wird.
Ihm Raum geben, bei Wunsch, auf Dich als ggf. erneute (Liebes-)Partnerin zuzugehen.

Freundschaftsangebote, wie: ich bin gern für Dich rein als Freund da, wenn Du möchtest" nur dann machen, wenn diese auch so authentisch gemeint und möglich sind.

Kannst und willst Du so "Loslassen" definieren? Und kannst Du das leisten?

Liebe Mut.
Deine Ansicht "ich liebe ihn doch noch so sehr"..... klingt für mich nicht danach, als wäre Dir ein meiner Definition entsprechendes Loslassen möglich.

Mir erscheint es so, dass Du immer wieder in "aber ich möchte ihn doch soooo sehr als Mann wieder"....
Versteh mich bitte nicht falsch, das ist absolut menschlich, aber bei einem derart gelagerten Betroffenen eben vielleicht nicht der Weg, wieder zusammen zu finden.

Vielleicht ein Gedankenansatz?

Was ist es in Dir, was so dagegen Arbeitet, dem Mann seinen Raum zu lassen:

er möchte ohne Dich seine Mutter im Sterben begleiten: das ist seine Wahl und sein Recht.

Ich persönlich, von Dir völlig losgelöst (bitte genau lesen!!!!!) würde mich von einem Menschen, dem ich liebenswert Grenzen setzen möchte, der diese aber immer wieder (gut gemeint) verletzt und schlecht akzeptiert, sehr in die Enge getrieben fühlen.

Ich könnte erst dann wieder auf diese Person zugehen, wenn diese mir Raum und Zeit gibt und mir die Wahl dazu läßt...und ich die Gefahr nicht mehr sehe, zusehr vereinnahmt zu werden; aber ich bin ja nicht Dein Ex-Freund.

Es ist nur beispielhaft.

Ich wünsche Dir alles Gute!

LG
Pia
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MUT65
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Re: Bedeutet "loslassen" nicht aufgeben....?

Beitrag von MUT65 »

Liebe Pia,

mein Kopf kann es, aber ICH will und kann es "so" nicht. Depressionen sind nicht logisch und die Verhaltensweisen innnerhalb, bzw. durch eine Depression auch nicht - deshalb fühlt es sich für mich so an, als wenn ich meinem "Freund" zeigen muss, dass ich weiterhin für uns "kämpfe".....ich DA bin mit allem was ich habe......

Klingt alles wirr, merke ich selbst. Letzten Endes liebt man ja nicht mit dem Kopf, sondern mit den Gefühlen- und die sind bei mir recht laut, deutlich lauter als mein Verstand.........

Ich hoffe also darauf, dass ich ihn so wie ich bin irgendwie erreiche - er hätte doch auch die Möglichkeit klipp und klar zu sagen dass ich gehen soll - mich nicht melden soll etc - nur das macht er halt auch nicht........
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bigappel
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Re: Bedeutet "loslassen" nicht aufgeben....?

Beitrag von bigappel »

Liebe Mut,

es könnte sein, dass er Dich nicht endgültig wegschickt, weil er eben momentan nicht weiss, ob er diese Endgültigkeit haben möchte.

Ich weiss, dass Du möglicherweise aus ungesunden, erlernten Mustern so handelst.

Dann widme Dich Deinen, ungesunden Mustern.

Sonst wiederholen sich u.a. die Paarproblematiken doch immer und immer wieder, egal mit wem.

Ich spreche da aus Erfahrung...... ;-(

LG
Pia
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bigappel
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Re: Bedeutet "loslassen" nicht aufgeben....?

Beitrag von bigappel »

Liebe Mut,

Du klingst gar nicht wirr.

Nur noch eine Frage:

Statt der vielen Hilfsangebote, die nicht angenommen werden (als Dein Zeichen der Liebe)

wäre es möglicherweise nicht auch ein Zeichen der Liebe, ihm den Raum zu geben, den er einfordert?

LG
Pia
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MUT65
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Re: Bedeutet "loslassen" nicht aufgeben....?

Beitrag von MUT65 »

Ist es wirklich ungesund, wenn man das tiefe Gefühl hat um das es sich lohnt um etwas zu kämpfen?

Ich könnte jederzeit gehen und aufgeben, dessen bin ich mir bewusst.
Aber ich möchte es nicht, weil in mir noch genügend Potenzial ist um an uns und ihn zu glauben.

Dass ich mich dabei häufig selbst verlieren, es mir nicht gut geht und ich nicht das leben kann wonach ich mich sehne, weiß und spüre ich jeden Tag.

Aber ihn und unsere Partnerschaft aufzugeben ist keine Alternative - ich kann mir zur Zeit überhaupt nicht vorstellen mit einem anderen Mann zusammen zu sein....

Vielleicht deute ich in seinem "ich weiß es nicht " viel zu viel hinein - es heißt eigentlich GAR NICHTS.........und ich klammere mich daran wie eine Blöde....

Ich kann es schriftlich nicht richtig rüber bringen - mein Verstand weiß um alle klugen Dinge -aber am Endes des Tages liege ich im Bett und weine mir viel zu häufig die Augen aus dem Kopf - warum nur führt mein Verstand nicht einfach dazu, dass ich weinger Gefühle für ihn habe, das wäre wahnsinnig praktisch und erlösend...

Danke für Deine Gedanken
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bigappel
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Re: Bedeutet "loslassen" nicht aufgeben....?

Beitrag von bigappel »

Nur mal am Rande zur Provokation .

Frau kann auch ohne neue Beziehung, ohne neuen Mann glücklich sein .

LG
Pia
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MUT65
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Re: Bedeutet "loslassen" nicht aufgeben....?

Beitrag von MUT65 »

Ich kann ohne Mann leben, aber ich möchte es nicht, weil ich mich MIT Partnerschaft wohler fühle.

Wie wäre es bei Dir, Pia wenn Dein Mann sich trennen würde ? Du klingts immer sehr klar und aufgeräumt, aber lieben tust Du sicherlich auch mit dem Herzen und nicht mit dem Kopf...

Mir ist aufgefallen, dass solch Gedanken wie Du sie mir schreibst, häufig von den Menschen kommen, die sich IN einer Partnerschaft befinden - dann hat man meiner Meinung nach auch "leicht reden".

Im Übrigen versuche ich meine Bedürfnisse nicht über seine zu stellen - aber wenn wir im Kontakt sind, dann sage ich ihm auch all das, was mich bewegt - mal sortiert, mal völlig unsortiert - ich bin und bleibe auch nur ein Mensch
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bigappel
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Re: Bedeutet "loslassen" nicht aufgeben....?

Beitrag von bigappel »

Liebe Mut,

ich habe eine Scheidung hinter mir und eine Trennung nach langjährigem Alleinleben nach der Scheidung.

Und vor allem habe ich persönlich eines:

mich lange damit während einer jahrelangen schweren Episode meine Mannes damit auseiandergesetzt, wie ich Beziehung definiere, welche meine Bedürfnisse real sind, auf welche ich verzichten konnte, welche nicht und vor allem konnte ich ganz klar für mich die Entscheidung finden, dass ich ohne meinen Mann nicht leben möchte, dies aber kann und werde, wenn es notwendig werden sollte, weil mein persönliches Glück davon einfach nicht abhängig ist.

Für mich persönlich (das ist aber wirklich nur meine höchstpersönliche Meinung) ist es kein Zeichen von großer Liebe oder zutiefst bestehender Verbundenheit, die eingeforderten Grenzen des Menschen, der mir wichtig ist, zu überschreiten.

Vor allem habe ich mich in der Zeit des Alleinseins (ja, auch in einer Beziehung mit einem akut Depressiven kann man jahrelang Singl sein) meinen Baustellen gewidmet: Verlustängste, Beziehungsmuster usw.

Aber das ist ja meine Geschichte und nicht Deine.

Du hast eine andere Sichtweise von Liebe und ich kann und möchte nur anregen, diese vielleicht zu überdenken, mehr nicht.

Wie gesagt: Dein Freund hat sich aktiv getrennt, mein Mann war Jahre akut schwer Depressiv: vom Gefühl her ist das kein Unterschied: im Gegenteil: die Hülle des Mannes sitzt jeden Tag gegenüber: da musste ich verdammt gut überlegen, ob ich das kann oder nicht.

Viel Erfolg auf Deinem weiteren Weg!
LG

Pia
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lovelycarma
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Re: Bedeutet "loslassen" nicht aufgeben....?

Beitrag von lovelycarma »

Hallo Mut,

ich will mich mal kurz in die Diskussion einschalten.
Ich finde auch, dass zwischen Loslassen und Aufgeben ein großer Unterschied besteht. Aufgeben bedeutet, dass mich sein Schicksal nicht interessiert. Selbst, wenn eines Tages die Einsicht sich einstellen würde, er benötigt Hilfe, wäre es mir egal. Loslassen bedeutet für mich ihm sein Recht auf seine Krankheit und dem Umgang damit zu gewähren (auch wenn ich damit nicht einverstanden bin).
Du hast viel getan um ihm zu helfen. Er hat sich entschieden in dieser Form mit der Depression umzugehen. Leider musst Du jetzt Deine Bedürfnisse und Gefühle (die ihn betreffen) beiseite legen. Alles andere kann Dich nur kaputt machen.

lg lovelycarma
Ichbinschön
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Re: Bedeutet "loslassen" nicht aufgeben....?

Beitrag von Ichbinschön »

Hallo Mut, ich kann Dich gut verstehen und ich kann auch verstehen, daß man es eben nicht versteht.
Ich bin in der gleichen Situation. Ich hatte leider keine Ahnung von der langjährigen Krankheit meines Freundes. Er hat mich quasi ins Messer laufen lassen.
Ich habe mur wirklich Mühe gegeben und in den letzten Wochen meinen Wissensstand im Schnelldurchlauf auf ein höheres Niveau diesbezüglich gebracht und bin wirklich erschüttert, daß fast alle dasselbe Schema durchleben. Und auch bei allem Verständnis, bin ich und bist Du auch ein Mensch. Ich fühle - ja ICH FÜHLE - mich betrogen. Er sagte, er fühlte ich von meiner Fröhlichkeit angezogen. Das ist mir schon oft passiert. Ich komme eben klar im Leben. Leider wird man dann emotional und energetisch, im schlimmsten Fall finanziell " aufgefressen ". Wenn man dann nichts mehr zu geben hat, wird man weggeworfen. So einfach ist das. Ich weiß, es wird jetzt Proteste hageln, aber ich sage Dir, es würde mich wundern, wenn er Dir beim Umzug hilft. Ich gebe mir Mühe, nicht schlecht zu denken und die Krankheit zu verstehen, aber das ist eben auch eine Art von Betrug.
Tabarka1
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Re: Bedeutet "loslassen" nicht aufgeben....?

Beitrag von Tabarka1 »

Hi Mut,
Nicht aus strategischen Gründen, sondern aus tiefstem Herzen habe ich meinen Mann losgelassen. Ihn gebeten auszuziehen, meinen Ehering abgelegt, es meinen Freunden erzählt...

Dann ging etwas - von ihm aus. Und dies war der Anfang unser neuen Begegnung, Entwicklung, Annäherung...

Ich weiß nicht, ob es Dein Weg ist.. Mein Mann fühlte sich aber erst dann frei - frei zu gehen, frei zu kommen...

LG
Tabarka
Wann, wenn nicht heute... ?
Ichbinschön
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Re: Bedeutet "loslassen" nicht aufgeben....?

Beitrag von Ichbinschön »

Ja, Tabarka, aber es ist wohl kaum, wie es vorher war.
Denn, wie ich gesehen habe, hast Du schon mehrere Post zu verschiedenen Diskussionen dagelassen. Ganz so einfach ist es nicht. Und ja, Mut, es ist ein Aufgeben, selbst, wenn er zurückkommt. Es wird nie mehr so sein, wie früher. Es tut mir leid, ich bin gern klar. Und ich denke auch nicht, daß die Krankheit heilbar ist, auch wenn man es uns oft glauben machen will. Es bleibt immer etwas zurück, im schlimmsten Fall Zweifel.
otterchen
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Re: Bedeutet "loslassen" nicht aufgeben....?

Beitrag von otterchen »

Hallo und guten Morgen!

Darf ich aus der Sicht eines Depris auch etwas dazu beitragen?

- wir Depris merken es, wenn man Ansprüche an uns stellt. Der Partner kann ruhig schweigen - wir "wittern" es. Und sobald wir dies spüren, geht die Klappe runter.

- wie bereits beschrieben: sobald man uns wirklich den Raum und die Zeit gibt, wir diese Anspruchshaltung nicht mehr spüren, können wir frei wählen, uns diesem Menschen wieder anzunähern

(sorry, ich spreche gerade von "wir" - sollte "ich" heißen... ich kann nicht für alle Depressiven sprechen)

- ich soll mich als Depressiver einem Menschen zuwenden, wenn ich noch nicht einmal in der Lage bin, mich mir selbst zuzuwenden? Soooo viele Baustellen in mir, alles kracht in mir zusammen, und da soll ich auch noch die "liebende Partnerin" spielen? Es geht nicht. Unmöglich.

- ich soll Liebe annehmen? Ich bin unwürdig! Ich empfinde immer, dass ich das ausgleichen muss, und das kann ich überhaupt nicht. Zumindest nicht in dieser Phase. Ich kann nichts annehmen - das fühlt sich für mich nur wie eine weitere Verpflichtung an, die mich erdrückt.

- Hilf mir, indem du dich um zwei Sachen kümmerst: fühle dich in mich hinein, mach dich schlau. So besch*ssen geht es mir.
Und: kümmere dich um dich selbst. Ich bin nicht für die Befriedigung deiner Bedürfnisse da - ich kämpfe gerade darum, nicht nur meine eigenen Bedürfnisse zu stillen, sondern sie überhaupt erst einmal in mir zu entdecken. Da kann ich mich nicht auch noch um deine Bedürfnisse kümmern. Wenn du Liebe, Aufmerksamkeit und Nähe willst: das habe ich noch nicht einmal für mich selbst übrig.

- Die Bedürftigkeit, die von Dir ausgeht, erschlägt mich. Ich fühle, dass Du bei mir "tanken" willst, aber ich bin leer. Ich bin die falsche Zapfsäule; bitte häng dich nicht bei mir an, sonst verscheuchst du mich ganz. Ich finde es (noch) gut, dass du in meinem Leben bist, aber bitte strapaziere diesen Zustand nicht auch noch. Schau bitte bei dir selber nach, was du tun kannst, damit du stark wirst und mich nicht mehr "brauchst". Denn nur, wenn ich nicht "in Anspruch genommen" werde, fühlt es sich für mich leicht genug an, in deiner Nähe zu bleiben. Stelle keine Ansprüche und keine Erwartungen an mich - auch keine unausgesprochenen. Schaffe es bitte irgendwie, dich davon zu lösen. Sonst halte ich es nicht mehr aus.


Sowas ging damals alles in meinem Kopf herum. Ich lebe jetzt seit einigen Jahren alleine - und es fühlt sich GUT an! Ich kann mich endlich auf die ganz leisen Stimmen in meinem Inneren konzentrieren - die waren so leise, dass ein Partner sie immer übertönt hat - dadurch konnte ich sie nicht hören und nicht wahrnehmen, was in mir los ist.

Ich kann durchaus verstehen, dass alles in einem schreit "ich WILL diesen Menschen in meinem Leben als meinen Partner haben", und davon einen großen Schritt zurückzutreten ist sicher ein verdammt schweres Unterfangen. Aber gerade dieses Loslassen ist es, was überhaupt eine Möglichkeit bietet.

Spontaner Gedankengang: wenn der Partner sich auf denselben Weg macht - vielleicht mit Therapie? oder zumindest mit einer gezielten Arbeit an sich selbst, können die Wege vielleicht noch eine Zeit lang (oder länger?) parallel verlaufen. Denn dann haben beide denselben "Stand der Dinge". Ansonsten - das ist einfach nur ein Bild, was gerade in mir entsteht - entwickelt sich der Depressive tatsächlich im Laufe seiner Depression weiter, und er wird vielleicht Menschen kennenlernen, die genauso ticken wie er selbst... und die sprechen "seine Sprache". Der verlassene Partner wird dann überhaupt nicht mehr verstehen, worum es dem Depressiven im Leben geht, und es driftet unweigerlich immer weiter auseinander.

Wie gesagt: nur so eine spontante Idee.

Ich hoffe, diese Worte können ein wenig zum Verständnis beitragen?

mein gelerntes Sammelsurium: https://otterchenblog.wordpress.com/
bigappel
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Re: Bedeutet "loslassen" nicht aufgeben....?

Beitrag von bigappel »

Liebe Otterchen,

herzlichen Dank für Deine sehr anschauliche Beschreibung.

Ich vermute, mein Mann würde dem auch inhaltlich so zustimmen; aber seine Bedürfnisstimme ist leider überwiegend noch zu leise (und wie Du beschreibst, befürchte ich auch zusätzlich, wird sie von meinem (unseren ? ) Alltag übertönt ;-( ) und noch nimmt er dieses ganz sanfte, leise, zaghafte Stimmchen nicht als gewichtig an.

Ich wünsche allen ein wunderschönes
Wochenende!

herzliche Grüße
Pia
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Ichbinschön
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Re: Bedeutet "loslassen" nicht aufgeben....?

Beitrag von Ichbinschön »

Ich finde, depressive Menschen sollten von Anfang an mit offenen Karten spielen und andere nicht ins Drama stürzen. Erst die große Liebe versprechen und dann verlangen, das man auf Abstand geht. Otterchen, da hast Du recht. Ihr müßt wohl " Euresgleichen " suchen, wenn Ihr Euch so unverstanden fühlt. Depressive reißen einem den Boden unter den Füßen weg, nachdem sie die ganze Energie eines Menschen ausgesaugt haben und dann muß man sich anhören: tut mir leid für Dich, aber ich muß mich um mich kümmern und das solltest Du jetzt auch tun.... Bleibt doch einfach von den gesunden Menschen fern! Auch erkrankte Menschen dürfen sich nicht anmaßen, mit den Gefühlen anderer zu spielen, um sich dann irgendwann herumzudrehen und einem mit einem "sorry" stehenzulassen. Wenn Du Dich gut fühlst allein, super! Dann bleibe es auch bitte.
Ichbinschön
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Re: Bedeutet "loslassen" nicht aufgeben....?

Beitrag von Ichbinschön »

Noch etwas Otterchen, dieses " wittern der Ansprüche " ist meiner Meinung nach völlig überzogen und ganz sicher eingebildet. Welche Ansprüche denn? Weil man es such erdreistet, sich auf das zu verlassen, was einem versprochen wurde? Oder weil man, wie jeder normale Mensch, einen Teil der Freizeit mit jemand verbringen will? Radfahren, Hundegassi oder irgendwas. Da ist noch lange nicht von Hochzeit die Rede. Und bevor es negative Kommentare hagelt. Ich weiß, wovon ich rede. 11 Jahre mit einem depressiven Mann mit Spielsucht und finanziellem Ruin. Alle Gedanken eines Erkrankten kreisen nur um sich selbst, was einem dann in der Therapie auch noch zusätzlich eingetrichtert wird. Bloß keine Empathie! Bloß den anderen nicht verstehen und wahrnehmen! Nein, der Gesunde hat sich anzupassen und, wie Otterchen sagt, in der Therapie sich auch noch zu verändern, daß man zum Kranken paßt. Finde ich absolut widersinnig. Und jetzt dasselbe wieder erlebt. 2 Jahre alles bestens! Hat mir vergessen, mitzuteilen, daß er 1 Jahr in der psychosomatischen Klinik war, daß er einen ganzen!!!! Kühlschrank voller Medikamente besitzt, daß er permanent zum Psychiater geht. Und jetzt muß er allein sein, weil er überfordert ist. Komme ahnungslos nach Hause und finde einen: Lebe - wohl - Zettel im Briefkasten. Bei allem Verständnis. Für mich ist das Ausnutzung pur! Nur weil man krank ist, hat man noch lange keinen Freifahrtsschein.
SucheAustausch
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Re: Bedeutet "loslassen" nicht aufgeben....?

Beitrag von SucheAustausch »

Guten Morgen,

und schade, dass dieser Thread jetzt so ausufert. Klar, eine ganze Portion Bitterkeit kann da natürlich mit spielen. Aber im Großen und Ganzen ist es ja eben das, was uns unser Leben als Aufgabe gesetzt hat: nicht bitter zu werden, weil ein anderer uns beeinflusst, sondern zu schauen, was wir aus der Situation machen können ohne daran zu zerbrechen oder uns das Leben zur Hölle zu machen.

Liebe Mut, ich glaube auch, dass ein riesen Unterschied zwischen Loslassen und Aufgeben liegt. Allerdings könnte man es auch anders interpretieren, denn, wenn ich es schaffe loszulassen, gebe ich auch etwas auf: meine Vorstellung von dem, wie es sein soll.

Das ist in Beziehung aber wohl immer so. Denn beide haben ja sicher nicht in jeder Hinsicht die gleichen Vorstellungen.

Mit einem Depressiven zu leben ist eben noch mal ein Auslöser mehr, der uns dazu zwingt, zu lernen, dass nicht ein anderer für unser Glück zuständig ist sondern dass dieses in unserer eigenen Hand liegt.

Aber ich weiß wie einfach das gesagt ist und wie schwer die Umsetzung fällt.

Ich finde auch, dass Otterchen das super beschrieben hat. Mein Mann würde das sicher auch so unterschreiben.
Und ich habe es auch so erlebt.

Loslassen müssen wir im Leben immer und aufgeben heißt im gesunden Rahmen vielleicht wirklich das Aufgeben von Vorstellungen und Wünschen.

ich habe mir zum Beispiel immer vorgestellt, dass man in einer Beziehung alles zusammen macht, das man ständig voller Liebe zu sein hat und man selbst nicht mehr alleine sein darf (bzw. das genießen darf).

Diese Vorstellung lasse ich los. Es fällt mir nicht leicht, aber ich übe jeden Tag.
Und damit lasse ich auch stückweise meinen Mann los. Das tut uns beiden gut, denke ich.

Also, vielleicht ist es an der Zeit, dass Du Deine Vorstellungen von Liebe und Beziehung loslässt und nicht die Liebe selbst.
Dass Du lieber in einer Beziehung als alleine lebst, kann ja sein. Aber das Leben bereit einem eben leider nicht immer das, was man gerne hätte

Ich wünsche Dir viel Geduld, viel Kraft und viel Mut, um Dich selbst zu verändern.

Alles alles Liebe

Austausch
bigappel
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Re: Bedeutet "loslassen" nicht aufgeben....?

Beitrag von bigappel »

@ Ich bin schön

Ich bin seltenst sprachlos, aber diese Unsachlichkeit empfinde ich als absolut respektlos und menschenverachtend!

Bei allem Verständnis für Enttäuschung und Verletztheit:

Tatsache ist: nur ich selber bin für mich, mein Wohl zuständig und es gehört zum Leben, mit Enttäuschungen umzugehen.

Ja, es gibt ne Menge Arschlöcher auf der Welt, dafür muss man allerdings nicht (mehr als andere) krank sein, egal welcher Natur!!!

Geht das hier in dem Stil weiter, beantrage ich offiziell die Schließung des Threads.

Mit großem Unverständnis
Pia
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Ichbinschön
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Re: Bedeutet "loslassen" nicht aufgeben....?

Beitrag von Ichbinschön »

Nein, nein. Nicht unsachlich! Das nennt man freie Meinungsäußerung! Und wenn mal einer den Mut hat, die Wahrheit auszusprechen, ist das nicht unsachlich.
Depressive Menschen suchen sich gezielt Leute mit viel Energie, damit sie sich anhängen und davon profitieren können ( wie mein Freund mir selbst sagte ) - das ist also nicht meinem Hirn entsprungen. Das klappt ja auch immer eine Weile, bis dem Erkrankten dann urplötzlich einfällt, daß er krank ist und sich zurückziehen muß. Genausowenig ist es unsachlich, zu sagen, daß Menschen, die über ihre Erkrankung Bescheid wissen und den anderen im Unklaren und damit ins Messer laufen lassen, unverantwortlich handeln. Und das liegt nicht an der Krankheit, sondern an mangelnder Verantwortung. Denn, man sollte auch nicht vergessen, die hat ein Erkrankter, genauso, wie ein Gesunder. Ob diese Diskussion geschlossen wird, oder nicht, ist für mich unerheblich. Zeigt aber, wie wenig kritisch und aufnahmebereit man ist. Denn hier wird erwartet, daß man quasi in denselben Sack haut. Eigene Meinungen sind nicht erwünscht.
Ichbinschön
Beiträge: 53
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Re: Bedeutet "loslassen" nicht aufgeben....?

Beitrag von Ichbinschön »

An Mut: ja, es bedeutet aufgeben! Geh' mit Würde, solange Du sie hast, denn die wird er Dir nehmen, wenn Du weiterversuchst, ihn zu halten
hbmännchen
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Re: Bedeutet "loslassen" nicht aufgeben....?

Beitrag von hbmännchen »

@otterchen,

Dein Beitrag ist klasse! Den drucke ich mir aus - mir hilft der in meiner Situation wahnsinnig!!

Darf ich fragen, wie lange du bereits auf dem Weg zu dir selbst bist?

Grüße!
HB
Grüße!

HB
Ichbinschön
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Re: Bedeutet "loslassen" nicht aufgeben....?

Beitrag von Ichbinschön »

bigappel
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Re: Bedeutet "loslassen" nicht aufgeben....?

Beitrag von bigappel »

"Die Wahrheit" ist sehr subjektiv und Deine sicherlich allemal.

Ein Recht auf freie Meinungsäußerung endet da, wo ein Recht eines anderen Menschen verletzt wird.

Diskussionen, die einen Inhalt haben, sind in einem Diskussionsforum immer willkommen;
weil nur so eine Weiterentwicklung möglich ist - grundsätzlich als Chance -.

Konträre Meinungen sind von daher von Nöten.

Nicht von Nöten sind Beleidigungen jedweder Art, ob persönlich oder durch Generalisierung.

Aber auch das ist wohl Geschmackssache und über Geschmack, läßt sich ja auch streiten;
für mich allerdings an der Stelle nicht, da ich mit Generalisierungen dieser Art ein Problem habe.



Pia
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Quappe
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Re: Bedeutet "loslassen" nicht aufgeben....?

Beitrag von Quappe »

@Ichbinschön:

Ich werfe es nur mal so in den Raum, um es zu bedenken zu geben:

Jeder ist so lange gesund, bis er plötzlich krank wird. Ob nun etwas körperliches oder eine psychische Erkrankung macht absolut keinen Unterschied. Das kann und darf man niemandem vorwerfen. Klar fühlt man sich ungerecht behandelt. Aber man muss schlicht differenzieren: ist das aufgrund der Erkrankung - ist man wütend auf die Depression? Oder gibt man dem Partner die Alleinschuld und macht ihn verantwortlich für sein Handeln? Das sind zwei paar Dinge.

Würde ich als bisher völlig gesunder und stabiler Mensch plötzlich unter Depressionen leiden, wäre vom heutigen Standpunkt aus mein Wunsch, dass mein Mann mich gesunden lässt und zu mir steht.

Und nicht, dass er dann wütend auf mich wird weil ich nicht mehr funktioniere und von mir erwartet, dass ich mich gefälligst entweder schnurstraks erhole oder verbittert das Feld räumt...

Wie weit man bereit ist, die Krankheit des Partners zu tragen, ist wohl sehr individuell und natürlich vom Verlauf abhängig. Aber auch das ist die eigene Entscheidung und "schuld" daran, dass man für sich selbst keine Grenze zieht wenn es nicht mehr geht, ist auch nicht der Partner. Das kann nur ich selbst.

Manchmal trennen sich die Wege und das ist dann auch gut so. Aber darüber bitter werden sollte niemand. Dann ist etwas gründlich schief gegangen.

Genesung IST möglich. Vielleicht nicht in allen Fällen, aber Besserung IST auch möglich.

Jemandem zu raten, dass er sich demnächst an psychisch erkrankte Menschen als Partner halten soll weil er erkrankt ist, ist .... mir fällt kein Wort ein. Vernichtend?

Wenn ich diesen Gedanken weiterspinnen und auf mich und meinen Partner umlegen würde, könnten mir glatt die Tränen kommen bei der Vorstellung, so mit ihm umzugehen.

Auch ein Mensch mit Depression ist ein Mensch.
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