Rückzug oder Reden?

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Dunja67
Beiträge: 17
Registriert: 23. Aug 2006, 09:15

Rückzug oder Reden?

Beitrag von Dunja67 »

Seit Juni bin ich stiller Mitleser im Forum und habe mich auf der Suche nach Informationen in vielen Geschichten wiedergefunden.

Im April war mit meinem Freund das Thema Beziehung gescheitert (Sprüche wie: ich kann mich nicht entscheiden, du hast was besseres verdient, ich bin nicht gut genug für dich, ich weiß gar nicht was Liebe ist)
Kennt ihr das Gefühl, dass derjenige, dem ihr besonders nah sein wollt, plötzlich beginnt eine Eiseskälte auszustrahlen? Eigentlich immer dann, wenn ich einen Schritt weiter wollte. Aber wenn man liebt, möchte man nicht permanent alle Erwartungen und Sehnsüchte zurückschrauben.
Danach war meine Schmerzgrenze erreicht und ich bin auf Abstand gegangen.

Jedesmal der komplette Rückzug, um dann eine Weile später wieder von vorne zu beginnen. Letztes Jahr im August war es bereits genauso und nach ganz viel miteinander Reden hat er sich dann auch große Mühe gegeben und es lief gut bis April.

Anfang Juni rief er mich an, er wäre beim Arzt gewesen und der hätte eine Depression festgestellt. Über Jahre verschleppt, es hat gerade noch zum Arbeiten gereicht. Er nimmt jetz AD und soll eine tiefenpsychologische Beratung in Anspruch nehmen. Ich habe mich über das Vertrauen sehr gefreut und bis Ende
Juni hat er dann jede Woche angerufen. Bevor ich mit meinem Sohn zur Kur gefahren bin, haben wir uns nochmal gesehen, da er mir noch ein Buch mitgeben wollte. Das schien ihm auch sehr wichtig zu sein. An dem Abend wir viel geredet, ich habe versucht meine Gefühlswelt zu erklären und das die Depression sicher viel von dem was passiert ist erklärt. Aber ich auch nicht einschätzen kann was Depression und was Charakter ist. Darauf sagte er, dass er halt unsicher sei. Ich würde viel zu sehr mit drinhängen und könnte ihm deshalb nicht helfen.

Zu dem Zeitpunkt war ich durch eine lange Erkrankung meines Sohnes so geschafft, dass ich die Diskussion an der Stelle geblockt habe. Ich wollte während der Kur weiter loslassen und nachdenken. Entscheiden, wie ich mit ihm weiter umgehen kann. Auch wenn wir nur noch Freunde wärenn, es gehören Vertrauen und Ehrlichkeit dazu. Das war bei mir zu dem Zeitpunkt ziemlich kaputt.

Während der ersten beiden Kurwochen haben wir telefoniert, aber mir ist der Smalltalk immer schwerer gefallen. Hatte einen richtigen seelischen Hänger gehabt, zerrissen durch das hoch und runter. Ich glaube, die Erwartungen an ihn waren einfach so hoch, dass er nichts mehr richtig machen konnte. Ich habe in einer Phase, wo bei ihm nicht viel Emotion möglich war, Gefühle erwartet oder einfach nur den Satz du fehlst mir. Ich war so enttäuscht, dass ich gefragt
habe, ob er denn schon über uns nachgedacht hat (so was blödes von mir).Statt dessen kam von ihm der Spruch: "Ich würde dich ohnehin nicht sehen wollen, ich brauch jetzt erstmal Urlaub!" Es kam alles zusammen, was so als Zusammenbruch der Kommunikation bezeichnet wird.

Aus der Enttäuschung heraus habe ich einen ziemlich heftigen Brief geschrieben, dass ich nicht länger warten und zuschauen will. Das Ergebnis ist seit 4 Wochen absolute Funkstille. Ich bin mir nicht sicher, ob ich darüber froh oder traurig sein soll. Einerseits wäre jetzt die Chance zum endgültigen Abschied, andererseits mache ich mir Sorgen um ihn. Ich bin jetzt wieder entspannt, erholt und gut drauf und möchste den für mich wichtigsten Menschen nicht so einfach abschreiben und verlieren.

Was würdet ihr mit raten? Abwarten oder das Gespräch suchen? Er ist niemand der SMS oder Briefe beantwortet, es ist schon höllisch schwer, mit ihm zu telefonieren. Bisher hat reden immer geholfen, aber zuletzt hatte ich den Eindruck, dass ich zuviel bin und nerve.
Kann sich eine Episode durch den Urlaub verstärken?
Gehen durch die Einnahme der AD die Schuldgefühle und die Selbstzweifel weg?

Für eure Antworten bin euch jetzt schon dankbar.

Viele Grüße
Dunja
tommi
Beiträge: 1008
Registriert: 22. Sep 2004, 17:38

Re: Rückzug oder Reden?

Beitrag von tommi »

Liebe Dunja,

willkommen im aktiven Forum.

Wenn man selbst nicht auf der Höhe ist und Belastungen tragen muss, wie du, ist deine Reaktion verständlich. Die Sorge um deinen Sohn alleine hat dich schon mitgenommen.
Dir ist die Puste ausgegangen und du bist an deine Grenzen gestoßen.

Um deine Frage zu beantworten, schicke ich mal vorraus, dass du dir Bewusst bist, dass es immer wieder ein Auf und ein Ab geben wird, wenn du wieder den Schritt auf ihn zu machen willst.?

Nun, dass er sich nicht mehr gemeldet hat, kann an zwei Dingen liegen. Er hat durch deinen Brief erkannt, dass er deinen Forderungen nicht gewachsen ist, oder er sieht durch den Brief, dass er dich zu sehr belastet und dadurch Schuldgefühle aufgebaut hat, die es ihn nicht möglich machen, dich anzurufen. Er will dich vielleicht auch vor sich schützen und meint, dass es besser ist, die Beziehung nicht wieder in Gang zu setzten.

Ich kann das natürlich nicht einschätzten. Auf jeden Fall glaube ich nicht, dass er dich kontaktieren wird. Wenn du ein Gespräch mit ihm füren willst, musst du es schon angehen.

Es ist sehr positiv, dass er sich seiner Krankheit stellt und sich Hilfe sucht. Das ist für ihn schon ein riesen Schritt in die richtige Richtung.

Ich denke, ihr habt ein Kommunikationsproblem, was sich gewaschen hat. Versuche mal mit ihm statt in der Du-Form, in der Ich-Form zu reden. Das hat meiner Frau und mir auch sehr geholfen.

Ich hoffe, du kannst mit meinem Beitrag was anfangen. Ich wünsche dir viel Glück.

Lieben Gruß
Tom
Dunja67
Beiträge: 17
Registriert: 23. Aug 2006, 09:15

Re: Rückzug oder Reden?

Beitrag von Dunja67 »

Lieber Tom,

vielen Dank für deine Worte. Ja, es war so, seit April 2005 kam einfach alles zusammen und mein Akku war total leer.

Mein Freund meinte schon zu Beginn des Jahres, er könnte ein Depression haben, aber ich war mit den gesundheitlichen Problemen des Kindes völlig dicht. Dadurch hatte ich mich wahrscheinlich selbst emotional verschlossen.
Ich befürchte auch, dass mein Brief bei ihm die Schuldgefühle verstärkt hat. Ich habe zwar keine Forderungen und auch nur in der ich-Form formuliert, aber die Sehnsüchte und Emotionen, die ich aufgeschrieben habe, erzeugen natürlich auch gewaltigen Druck. Außerdem hatte ich geschrieben, dass wir uns ja lange Zeit gelassen haben und man dann schon wissen müßte, was man will. Da bin ich auch stark von außen beeinflusst, denn jeder, der von uns weiß (aber nichts von der Depression), meint natürlich die Zeit ist um, vergiss es.

Insofern bewundere ich deine Stärke und die deiner Frau, dass ihr es immer wieder schafft, miteinander positiv zu kommunizieren, euch gegenseitig aufzubauen und in den guten Zeiten die Stärke für die negativen Momente zu geben.

Ich habe auch versucht ihm Unterstützung zu geben, habe Literatur über Depression und Adressen von Tiefenpsychologen besorgt. Nicht ohne vorher zu fragen, ob das o.k. für ihn ist. Und er hat auch immer von den aktuellen Erlebnissen berichtet.

Der Fehler liegt also eindeutig auf meiner Seite. Ich war zu ungeduldig und während der Kur ist die ganze Situation in mir nochmal richtig hochgekocht. Da hatte ein falscher Zungenschlag von seiner Seite gereicht, um die Explosion auszulösen.

Momentan hab ich einfach Angst, das Falsche zu tun und Angst ist ein schlechter Ratgeber. Das Gefühl sich ständig kontrollieren zu müssen, zu überlegen, was man sagen kann, wann man anrufen darf, das zermürbt. Früher habe ich einfach aus dem Bauch heraus entschieden, wann ich was mit ihm tue. Wir sind viel spontan unterwegs gewesen, manhmal von einer Stunde auf
die andere. Zuletzt bin ich permanent am Überlegen gewesen, wieviel Gefühl ich noch zeigen darf.
Daher fällt es mir auch nicht so leicht, einfach mal anzurufen. Aber ich werde es zu Beginn der kommenden Woche nochmal probieren und mir bis dahin überlegen, wie ich mich entschuldigen kann.

Viele grüße an euch alle

Dunja
tommi
Beiträge: 1008
Registriert: 22. Sep 2004, 17:38

Re: Rückzug oder Reden?

Beitrag von tommi »

Liebe Dunja,

Fehler sind dazu da, umgemacht zu werden und daraus zu lernen. Es gibt bei dieser Krankheit kein Richtig oder Falsch. Was in einer Situation Richtig sein kann, kann in einer anderen Situation wieder Falsch sein. Gut, es gibt das Wort Verständnisaufbringen und daran sollte man sich halten.

Ich bin der Meinung, du solltest geradeaus mit ihm reden und dir nicht jedes Wort überlegen, was du sagst, weil du dich dabei verbiegst und nicht authentisch herüberkommst. Er ist zwar krank, aber nicht geistesgestört.

Ja, du hast recht, Angst ist ein schlechter Ratgeber. Du hast Angst, dass es negativ ausgeht. Aber was hast du zu verlieren? Ich glaube auch, dass er deine Situation, wie sie war verstehen wird, es war eine Ausnahmesituation. Verständlich also, dass du so reagiert hast. Genau da sehe ich den Gesprächsbedarf und den solltest du nicht auf die lange Bank schieben.

Du brauchst dich für deine Gefühle nicht zu entschuldigen, sie waren eben da. Alles was du geschrieben hast kam aus dieser emotionalen Belastung heraus, die dir maximal Leid tun könnte.

Also fass dir ein Herz und den Telefonhörer an, er wartet vielleicht schon auf diesen Anruf .

Lieben Gruß
Tom
Dunja67
Beiträge: 17
Registriert: 23. Aug 2006, 09:15

Re: Rückzug oder Reden?

Beitrag von Dunja67 »

Hallo Tom,

danke für deine Antwort.
Schade ist, dass einem die Fehler bei dem Menschen unterlaufen, den man am meisten liebt. Ich werde mich heute abend hinsetzen und mir in Ruhe die Sachen aufschreiben, die ich sagen möchte. Dann bin ich zwar nicht ganz locker, aber nicht unvorbereitet.
Ich möchte den Kontakt nicht verlieren bzw. nicht mit dem Konflikt auseinandergehen. Er ist mir so vertraut und wichtig und wir kennen uns so lange, dass das für mich sehr schlimm wäre.

Viele Grüße

Dunja
tommi
Beiträge: 1008
Registriert: 22. Sep 2004, 17:38

Re: Rückzug oder Reden?

Beitrag von tommi »

Liebe Dunja,

Fehler bei anderen sind bestimmt auch so häufig, nur ist es einem dann "egal" .

Ich denke auch, dass es dir gut täte, wenn du das Gespräch suchst. Dich quält der Gedanke, dass du was falsch gemacht hast und das Gespräch wird dich auch entlasten.

Ich finde die Idee gut, dass du dir aufschreiben willst, was du sagen willst, aber versuche es frei zu formulieren.

Gehe positv an die Sache und du wirst Positives erfahren .

Lieben Gruß
Tom
Dunja67
Beiträge: 17
Registriert: 23. Aug 2006, 09:15

Re: Rückzug oder Reden?

Beitrag von Dunja67 »

Hallo,

ich habe heute mit meinem Freund telefoniert und endlich ist der quälende Druck weg. Das Gespräch lief überrraschend gut, es ging ihm eindeutig besser.
Er hat nächste Woche einige Termine wegen einer Therapie und übernächste Woche wollen wir uns dann treffen. Das mit der Therapie finde ich ganz prima, denn das schiebt er schon recht lange vor sich her.
Außerdem fange ich nächste Woche einen Englischkurs an, da habe ich noch mehr Ablenkung.
Vielleicht läßt sich ein Weg finden in Kontakt zu bleiben und das Thema Beziehung erstmal komplett auszuklammern. Er braucht jetzt erstmal die Zeit und Kraft, um für sich zu sorgen. Und ich freue mich schon, dass er es endlich schaftt, für sich zu sorgen.

@Winnie Beim Lesen deines Beitrags für Solution_Finder habe ich gemerkt, dass ich wohl auch zu viele Sachen auf einmal wollte.
Danke, dass man von euch immer wieder Ratschläge findet oder bekommt, die helfen Weiterzukommen.

Einen schönen Abend euch allen

Dunja
tommi
Beiträge: 1008
Registriert: 22. Sep 2004, 17:38

Re: Rückzug oder Reden?

Beitrag von tommi »

Liebe Dunja,

es freut mich, dass das Befürchtete ausgeblieben ist und das Gespräch gut verlief.
Ich freue mich auch, dass dir eine Last genommen wurde und es dir nun besser geht.

Es ist toll, dass er das Thema Therapie angeht, vielleicht ist es dann auch möglich, den Kontakt auszuweiten.

Liebe Grüße
Tom
Dunja67
Beiträge: 17
Registriert: 23. Aug 2006, 09:15

Re: Rückzug oder Reden?

Beitrag von Dunja67 »

Hallo,

nachdem mich das letzte Telefonat ganz zuversichtlich gestimmt hatte, habe
ich den Termin gestern nach einem erneuten Telefonat abgesagt.
Er hatte unsere künftigen Treffen mit einem ganzen Berg Bedingungen seinerseits
verknüpft. Was nützt mir Kontakt halten und Reden, wenn meine Bedürfnisse und
Sehnsüchte völlig außen vor sind.
Ausschlaggebend war auch, dass er dabei die gleichen Sätze gebracht hat, wie im
vergangenen August bzw. im April. Er würde mich gerne sehen, aber er braucht
Zeit und versprechen könne er nichts usw. Es war, als liefe der gleiche Film
wieder ab.
Ich verstehe ja, dass er nach einer depressiven Episode nicht an Beziehung
denkt und seine Depression ist Jahre verschleppt. Die auslösenden
Verhaltensweisen oder Lebensumstände ändert er nicht von heute auf morgen.
Mein Problem ist aber, dass ich meine Gefühle nicht so einfach auf Null
runterregeln kann. Und als platonische Hülle mitzulaufen, dass habe ich bereits
probiert, es funktioniert nicht.

Also habe ich erklärt, dass ich für eine pure Freundschaft noch Zeit zum
Loslassen brauche und ihn deshalb erstmal noch eine Zeit nicht sehen möchte.
Im Moment wäre es so, dass es mehr weh tut, ihn zu sehen, als ihn nicht zu
sehen. Außerdem habe ich festgestellt, dass ich von den Verletzungen im
April eine ganze Menge aufzuarbeiten habe. Für einen Neuanfang, auch von meiner
Seite aus, keine gute Voraussetzung.

Ich glaube, da sollte ich erstmal bei mir aufräumen und verzeihen. Mit der
Brechstange möchte ich sowieso nicht lieben.
Vielleicht sollte ich einen längeren Atem haben, da ich ihn wirklich sehr mag. Andererseits habe ich die Entscheidung getroffen, gerade weil ich ihn so mag. Ich befürchte, dass ich mit zu vielen negativen Gefühlen an ihn herantrete.
Ich hoffe, dass er das auch so verstanden hat und mich versteht.
Bisher war bei ihm die Tendenz zum negativ interpretieren sehr extrem ausgeprägt.


Liebe Grüße
Dunja
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