Tiefe Krise

Antworten
weidekätzchen
Beiträge: 7
Registriert: 8. Aug 2004, 22:18

Tiefe Krise

Beitrag von weidekätzchen »

Als mein Arzt feststellte, dass ich unter Depressionen leide, hatten sich bei mir schon einige körperliche Symptome eingestellt (Schlafstörungen, wenig Appetit, Kopfschmerzen). Durch die Medikamente und die ersten Gespräche mit meinem Therapeuten ging es mir schon wieder etwas besser. Aber seit gestern ist es ganz schlimm. Hab mich fürchterlich mit meinen Eltern überschlagen. Das Verhältnis zu meiner Mutter war sowieso nie das beste. Aber als ich gestern meinem Vater erklären wollte, dass wir, mein Freund und ich, nicht mit ihnen in den Urlaub fahren würden, da ich momentan nicht länger mit meiner Mutter zusammen sein möchte, hat er mich nur angefahren und meinte, was ich denn jetzt schon wieder für Probleme hätte. Als ich es ihm erklären wollte, hat er einfach den Hörer aufgelegt. Das hat mich total fertig gemacht. Seitdem hilft gar nichts mehr. Ich konnte kaum schlafen und hab seitdem fürchterliche Kopfschmerzen. Und vor allem: Ich verstehe es nicht. Ich bin in meinem ganzen Leben noch nie zu meinem Vater gegangen mit irgendwelchen Problemen, und wenn ich es mich dann doch mal traue, dann kommt so etwas dabei raus. Bin ich ein so schlechter Mensch? Ich hab momentan einfach nicht die Kraft dazu, es allen recht zu machen. Ich verstehe dass alles einfach nicht mehr.
wen
Beiträge: 0
Registriert: 15. Aug 2004, 15:08

Re: Tiefe Krise

Beitrag von wen »

Vielleicht bist du mit deinem Eltern-Problem der Wurzel deines "Übels" zu nahe gekommen und hast noch nicht genug Kraft, um dies einzuordnen.

Die Eltern haben es nicht gern, wenn ihre Kinder depressiv sind. Nicht selten haben sie aber unbewusst und unbeabsichtigt durch ihr Verhalten jahrelang die Ursachen dafür gesetzt.
Geh auf Vogelperspektive und betrachte dein Elternpaar mit Abstand. Überlege dir genau, was du von ihnen erwartest und ob das vielleicht zuviel oder zuwenig ist. Eltern sind auch Menschen und selten perfekt.
weidekätzchen schrieb:
> Als mein Arzt feststellte, dass ich unter Depressionen leide, hatten sich bei mir schon einige körperliche Symptome eingestellt (Schlafstörungen, wenig Appetit, Kopfschmerzen). Durch die Medikamente und die ersten Gespräche mit meinem Therapeuten ging es mir schon wieder etwas besser. Aber seit gestern ist es ganz schlimm. Hab mich fürchterlich mit meinen Eltern überschlagen. Das Verhältnis zu meiner Mutter war sowieso nie das beste. Aber als ich gestern meinem Vater erklären wollte, dass wir, mein Freund und ich, nicht mit ihnen in den Urlaub fahren würden, da ich momentan nicht länger mit meiner Mutter zusammen sein möchte, hat er mich nur angefahren und meinte, was ich denn jetzt schon wieder für Probleme hätte. Als ich es ihm erklären wollte, hat er einfach den Hörer aufgelegt. Das hat mich total fertig gemacht. Seitdem hilft gar nichts mehr. Ich konnte kaum schlafen und hab seitdem fürchterliche Kopfschmerzen. Und vor allem: Ich verstehe es nicht. Ich bin in meinem ganzen Leben noch nie zu meinem Vater gegangen mit irgendwelchen Problemen, und wenn ich es mich dann doch mal traue, dann kommt so etwas dabei raus. Bin ich ein so schlechter Mensch? Ich hab momentan einfach nicht die Kraft dazu, es allen recht zu machen. Ich verstehe dass alles einfach nicht mehr.
we
bs

Re: Tiefe Krise

Beitrag von bs »

Hallo weidekätzchen,

was Du schreibst erinnert mich an meine letzten Jahre zuhause bei meinen Eltern.
Ich war auch schon immer depressiv, auch oft in Verbindung mit aggressivem Verhalten meinen Eltern gegenüber (ein kläglicher Versuch mich abzunabeln)

Mit 17 war ich dann magersüchtig. Das haben meine Eltern überwiegend ignoriert, die Ursache haben sie an einem bestimmten Lehrer und einem Unterrichtsthema festgemacht.
Eine Einweisung in eine psychosomatische Klinik als ich 21 und in der Lehre war wurde mir ausgeredet. Argumente:

1. "Die wollen die Mädchen ja nur ihren Familien entfremden"

2. "Dann stellt Dich niemand mehr ein"

Heute, 21 Jahre später, weiß ich, dass diese Argumente Quatsch sind. Die Entfremdung ist auch ohne die Therapie gekommen ( mit meinem Vater rede ich schon lange so gut wie überhaupt nicht mehr) und beruflich Probleme habe bekommen, weil ich eben nicht behandlet worden bin. Nägelkauen und hungern habe ich zwar langsam nachlassen könne, seit ich mit 23 von zuhause ausgezogen bin. Dafür sind eine soziale Phobie, eine generalisierte Angststörung und eine der Persönlichkeitstörungen entstanden, wegen der ich jetzt mit 41 in Therapie bin.

Ich weiß nicht, wie alt Du bist, und ob Du noch zuhause wohnst. Lasse Dich nicht von Deinem Weg abbringen. Deine Gesundheit ist Dein wichtigstes Gut und wenn Du auch in einer krankmachenden Atmosphäre zuhause lebst, ist es normal, dass Deine Umgebung auf Deine langsame Genesung, die ja mit Verhaltesnänderung einhergeht, ablehnend reagiert.

Vielleicht solltest Du dieses Thema mal mit Deinem Therapeuten besprechen. Es gibt außerdem die Möglichkeit einer Familientherapie, bei der ihr alle zusammen zu den Sitzungen geht.
Vielleicht hätten Deine Eltern mehr Verständnis für Deine Veränderungen / Wünsche, wenn ihnen jemand erklärt, was mit Dir los ist, und was die Ziele Deiner Therapie sind.
(hat immer mit unabhängig machen zu tun, das eigene Leben selbst in die hand nehmen zu tun, was ja im Elternhaus oft verhinder wird)


Mach´es besser als ich!


Liebe Grüße

Lieschen
girasol
Beiträge: 40
Registriert: 9. Jan 2004, 23:10

Re: Tiefe Krise

Beitrag von girasol »

hallo Weidenkätzchen,

ich kann dich gut verstehen, ich wollte es auch immer allen recht machen, aber das geht nicht. Du kannst es nicht alles recht machen, dazu bist du auch nicht auf dieser Welt. Ich kenne das nur zu gut. Ich mache das vor allem, weil ich gern von allen geliebt oder akzepiert werden will. Ja, immer alles richtig machen, niemanden verletzten, aber leider mußte ich feststellen, dass "die anderen" das auch machen. Tja, das gehört wohl zum leben dazu. Ich habe dann darüber nachgedacht, wen ich alles nicht mag und dass ich auch nicht alle mag und es auch nicht jedem recht machen kann und vor allem nicht will. Ich weiß, dass dir das vielleicht noch nicht so richtig hilft, der Weg ist lang dorthin. Sich abgrenzen lernen ohne jedesmal ein schlechtes Gewissen zu bekommen. Bei mir hat das auch mit Selbstwertgefühl zu tun. Ich lerne gerade, mich und meine großen und kleinen Schwächen zu akzeptieren ohne mich jedenmals in Frage zu stellen. Ziemliche Arbeit am Anfang. Und wenn ich nicht darauf achte, dann geht es auch mal wieder einen oder zwei Schritte zurück. Ist wie beim Autofahren, wenn man es nicht ständig trainiert, dann verlernt man es auch wieder. Ich denke dann auch manchmal, so ein Mist, den anderen passiert so was nicht, aber wenn ich mich mit Freunden darüber unterhalte, dann stelle ich oft fest, dass wir ähnliche Probleme haben, aber sie stellen sich nicht gleich in Frage wie ich. Sie haben mehr Selbstverständnis für sich und können sich besser annehmen. Sie brauchen die anderen nicht so wie ich.

Vielleicht hatte dein Vater auch einfach schlechte Laune oder deine Mutter hat gerade vorher mit ihm gestritten, denn sie wird sicherlich nicht verstehen, warum du den Kontakt eingeschränkt hast. Muss sie ja auch nicht, nur du mußt wissen warum und dass dir das gut tut. Genauso wird dein Vater damit leben müssen, aber natürlich wird er wissen wollen warum und versuchen dich umzustimmen, damit bei ihm zu Hause Ruhe einkehrt. Klingt vielleicht egoistisch, aber er sieht zuerst seine Bedürfnisse und dann die seiner Tochter. Viele Menschen denken zuerst an sich, aber ist das wirklich so verkehrt? Ich weiß, die Frage ist doch sehr provokant vor allem hier, wo sich doch viele nach Zuneigung und Liebe und Verständnis sehnen, aber dies ist auch ein Wunsch der vielen vielen anderen Menschen, so ist jedenfalls meine Erfahrung. Vielleicht war dies ja ein kleiner Denkanstoß in eine andere Richtung. Mir hat das immer sehr geholfen, damit ich aus dem Grübelkarussell mal wieder raus komme. Ich wünsche dir noch einen schönen Abend. Und mal ganz ehrlich; Herzlichen Glückwunsch zu dieser Entscheidung vor deinem gemeinsamen Urlaub. Ich habe vorher nicht darüber nachgedacht und 14 Tage mit meinen Schwiegereltern verbracht. Ich habe ziemlich lange gebraucht, um darüber hinwegzukommen.

Ciao Girasol
Antworten